http://cicero.de/berliner-republik/netz ... gsfreiheitDa die mit Strafrechtsnormen wie dem Volksverhetzungsparagraphen einhergehenden Einschränkungen der Meinungsfreiheit verfassungsrechtlich gerechtfertigt seien, bewirke der Entwurf gar keine „neuen“ Eingriffe in die Meinungsfreiheit (siehe im Entwurf des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, S. 22). Die, so die Logik, folgen ja schon aus 14 abschließend aufgelisteten, verfassungskonformen Straftatbeständen nach dem Strafgesetzbuch, auf die der Entwurf bei der Definition „rechtswidriger Inhalte“ Bezug nimmt.
Das aber stimmt so nicht. Wiederholt ist davon die Rede, der Entwurf diene der Verhinderung „objektiv strafbarer“ Taten (NetzDG-E, S. 1, 9 f., 13, 17, 19, 27). Damit soll offenbar gesagt sein, dass es nur darauf ankommt, ob eine Äußerung als solche zum Beispiel unwahr, beleidigend oder volksverhetzend sei. Irrelevant ist hingegen, ob der Sprecher die Äußerung vorsätzlich oder beispielsweise im Fall der Verleumdung (Paragraph 187 Strafgesetzbuch, StGB) „wider besseres Wissen“ tätigte (subjektiver Tatbestand eines Strafgesetzes). Auf die individuelle Schuld des Sprechers soll es ebenfalls nicht ankommen (NetzDG-E, S. 19, 27).
Dann aber gilt eine Äußerung gegebenenfalls auch als rechtswidrig im Sinne des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, wenn sie im konkreten Fall nicht strafbar ist, weil der betreffende Sprecher nicht vorsätzlich oder nicht schuldhaft handelte. Und auch der Begriff der Rechtswidrigkeit erhält eine neue Bedeutung: Zwar mag es im Einzelfall denkbar sein, dass man einer Äußerung als solcher entnehmen kann, dass sie in „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ und damit rechtmäßig gemäß Paragraph 193 StGB erfolgte. Rechtfertigungsgründe, die in der Person des Sprechers und seinen kommunikativen Beziehungen wurzeln, sind einem einzelnen Post oder Tweet hingegen in der Regel nicht zu entnehmen.
Cicero zum geplanten "Netzwerkdurchsuchungsgesetz". Ich halte das Gesetz aus mehreren Gründen für Zeit- und Geldverschwendung. Aber die Argumente (vor allem dieses wohl zentrale) aus der konservativen Presse kann ich absolut nicht nachvollziehen. Welche Rolle sollte es für die Pflicht zur Löschung eines den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllenden Beitrags spielen, ob der Autor vorsätzlich und/oder schuldhaft handelte oder nicht? Das mag für die Strafbarkeit relevant sein, aber doch nicht für die Verantwortung der Plattform bei der Weiterverbreitung.