Natürlich kann ich behelfsmäßig alles von links nach rechts in ein Word-Dokument kopieren oder zum Aktenzeichen eine Sammlung anlegen (allerdings: nicht plattformübergreifend und nur mit zusätzlichen Aufwand beim Speichern bzw. Wiederaufrufen); schnell, intuitiv und praktisch ist aber - insbesondere bei einem gedachten vollständigen Papierbann - was anderes. Wenn man etwas schaffen möchte, was noch praktischer als schlichtweg alles auszudrucken, zu tackern und hinten in die Akte zu legen ist, dann wird man sich noch was einfallen lassen - und von wirklich praktischeren Lösungen lassen sich die meisten Menschen dann doch überzeugen.sai hat geschrieben:Kann ich doch. Ich kann mir entsprechende Sammlungen zusammenstellen oder - noch einfach - mir einfach alles in ein Word-Dokument untereinander kopieren. Schriftliche Kommentare zitiere regelmäßig auch nur einmal die Norm (wenn überhaupt) am Anfang der Kommentierung. Die wenigsten zitieren zudem andere für die Subsumtion relevante Normen dazu. Und wenn mir auch das alles nicht passt, kann ich mir immer noch den Schönfelder daneben legen.julée hat geschrieben:Mich nervt es aber, wenn ich, um z. B. eine Anspruchsgrundlage im Zivilrecht vollständig nochmal nachzulesen, entweder in der Gesamtausgabe rumscrollen muss oder jede Vorschrift einzeln öffnen muss und dann ggf. hin- und herklicken muss. Ebenso nervt es mich, wenn ich bei beck-online und juris am Ende 10 Tabs offen habe und mich dreimal verklicke bis ich das eigentlich gesuchte Dokument wiedergefunden habe, falls ich es nicht schon wieder versehentlich geschlossen habe. Ich nutze juris und beck-online auch viel, aber drei Post-Its in der Papierausgabe sind gelegentlich doch deutlich praktischer. Es ist Dir unbelassen, das anders sehen zu wollen, aber m. E. ist da bei der Benutzerfreundlichkeit noch deutlich Luft nach oben (warum kann ich mir z. B. nicht alle Normen, die mich interessieren, auf eine Seite ziehen und sie gleichzeitig anschauen?).
Jein. Eine Anpassung an den Wirtschaftsverkehr setzt voraus, dass von außen ein entsprechender "Input" möglich ist. Aber ob die Justiz jetzt die E-Mail von Lieschen Müller ausdruckt, zu den Akten nimmt und in Papierform weiter bearbeitet, ist für Lieschen Müller zunächst einmal "egal" - und auch für den internationalen Großkonzern ist das letztlich ein Stück weit "egal". Dort, wo in der Verwaltung E-Akten bereits existieren, muss natürlich die Justiz in der Lage sein, diese einzubinden, aber auch das setzt nicht zwangsläufig voraus, dass die Justiz ihrerseits nur noch papierlos arbeitet und kommuniziert. Und die Bearbeitungsgeschwindigkeit hängt - zumindest im Zivilprozess - weniger davon ab, ob die Akte von A nach B getragen / geschickt werden muss und dann ggf. ein paar Tage lang nicht zur Bearbeitung zur Verfügung steht, sondern davon, dass überhaupt genügend Personal vorhanden ist, das die Akte binnen angemessener Frist bearbeiten kann.Es ist keine Innovation nur um ihrer selbst willen, sondern letztlich eine komplette Umwälzung der Arbeitsweise der Justiz um sie zukunftsfähig zu machen und an den Wirtschaftsverkehr anzupassen. Die Zukunft ist nunmal digital, ob es einem gefällt oder nicht. Und davor kann sich auch die Justiz nicht verstecken. Insbesondere dann nicht, wenn sie sich aus der Präsidenten- und Ministerbrille betrachtet weiterhin als Dienstleister verstehen will. Natürlich existieren auch derzeit IT-Probleme in der Justiz. Einiges davon beruht aber nicht auf der Ausstattung, sondern auf der Verweigerungshaltung der Nutzer.Eine Innovation nur um ihrer selbst willen, macht indes wenig Sinn, mag sie auch hip aussehen. Irgendeinen Vorteil sollte sie bringen und zwar für die Nutzer in der täglichen Anwendung. Und mit Blick auf die gegenwärtig in der Justiz real existierenden IT-Programme habe ich da doch gewisse Zweifel.
Und ich persönlich lege bei der Benutzung der mir zur Verfügung gestellten IT-Ausstattung sicherlich keine Verweigerungshaltung an den Tag und halte mich da auch für einigermaßen firm, aber wenn das Schreibprogramm abstürzt (oft mit Totalverlust), wenn man z. B. versehentlich an der falschen Stelle die rechte Maustaste betätigt, oder ähnliche Scherze, dann trägt das jedenfalls nicht zu meiner allgemeinen Zufriedenheit mit den vorhandenen Programmen bei und nährt auch nicht unbedingt mein Vertrauen in etwaige Fortentwicklungen.
Sicherlich, aber oft genug lautet ja die Antwort "Wissen wir, aber das Programm macht das so, warum auch immer." Und bis zur etwaigen Behebung verbringt man dann viel Lebenszeit damit, die Probleme zu bewältigen, die man ohne die IT nicht hätte.Es liegt doch in unserer Hand, Verbesserungsvorschläge zu machen und daran mitzumachen. Hier ist die Verwaltung jedenfalls ausgesprochen dankbar und offen für alles, was wir ihnen mitteilen. Wenn alle nur rumsitzen und ein 100% perfektes Produkt verlangen, alles darunter nur für Mist halten, sich selbst aber nicht einbringen wollen, dann kommt natürlich auch nichts dabei rum.
Natürlich kann man sich was abgucken und Dinge, die gut sind und vernünftig funktionieren, sollte man auch übernehmen. Aber m. E. sollte man sich nicht wundern, dass die Leute vermindert innovationsfreudig sind, wenn sie die Erfahrung gemacht haben, dass "neu" oft heißt, dass manche Dinge mehr Zeit und Nerven in Anspruch nehmen als zuvor.Der richtige Maßstab sind sie sicherlich nicht. Aber man kann dort gut sehen, was theoretisch möglich wäre und hier und da ein bisschen abgucken. Und - wie gesagt - es liegen Welten dazwischen. Ich persönlich finde es einfach erschreckend, wie sehr - auch hier - an dem bestehenden status quo geklammert wird und im Prinzip keine Bereitschaft besteht, sich auf etwas Neues einzulassen und einfach mal hinzunehmen, dass es ein wenig Zeit und Mühe für alle kostet, so einen Schritt zu gehen.Ob "technisch wirklich fortschrittliche Firmen" tatsächlich der richtige Maßstab für die Justiz ist, sei mal dahingestellt, weil die äußeren Anforderungen an die Kommunikationsfähigkeit, Stabilität und Sicherheit des Systems doch ganz andere sind. Und eine gewisse Veränderungsresistenz mag auch aus Erfahrung mit den bisherigen Innovationen resultieren.
Das mag sein.Wir werden bei dem Thema daher letztlich nicht zusammenkommen.