Staatsversagen ungewohnten Ausmaßes

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Joshua
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Staatsversagen ungewohnten Ausmaßes

Beitrag von Joshua »

Das Handelsblatt schreibt heute:
Der Staat zeigt ein drastisches Ausmaß an Missmanagement in der zweiten Corona-Welle
Gesundheitsämter, Schulen, Impfstoffbeschaffung: Die Politik hat sich im Sommer unzureichend auf die zweite Corona-Welle vorbereitet. Das gefährdet nun die Akzeptanz der Beschränkungen.
Und weiter:
Ohnehin kann man sich über die nach wie vor mangelhafte Ausstattung der Gesundheitsämter nur wundern. Schließlich war seit Sommer Zeit, sich auf die zweite Corona-Welle vorzubereiten. Trotzdem kapitulierten im Herbst nach dem ersten Anstieg der Infektionszahlen umgehend viele Ämter bei der Nachverfolgung der Kontakte.
Und schließlich:
Vermasselte Impfstoffbeschaffung

Wer vom härtesten Winter spricht, der mit einer riesigen Kraftanstrengung durchzustehen sei, kann schlecht achselzuckend hinnehmen, dass es bei der Impfkampagne nun mal ruckele. Das passt so wenig zusammen wie die Erklärung der EU-Kommission, sie habe bei Biontech nicht mehr Impfstoff bestellen können, da das zu teuer gewesen wäre. Jeden Selbstständigen oder Unternehmer, der derzeit um seine Existenz kämpft, muss solch eine Argumentation erzürnen.
Quelle: https://www.handelsblatt.com/meinung/ko ... L3B9PM-ap6

Recht haben sie im Handelsblatt!

Spahn kann doch nicht ernsthaft beanspruchen, Gesundheitsminister Deutschlands bleiben zu können.

„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“
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Re: Staatsversagen ungewohnten Ausmaßes

Beitrag von OJ1988 »

Ich habe noch nicht ganz verstanden, was grade so katastrophal daneben geht. Dass die Impfung nur Stück für Stück voranschreiten und bestenfalls im Herbst abgeschlossen werde, war von Beginn an so verkündet worden. Stand jetzt sind - wenige Tage nach Impfstart - knapp über 200.000 Personen geimpft, was quotenmäßig auf die Gesamtbevölkerung gerechnet im europäischen Vergleich einen guten Durchschnitt darstellt. Klärt mich mal einer auf?
gola20
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Re: Staatsversagen ungewohnten Ausmaßes

Beitrag von gola20 »

im europäischen Vergleich. Gut gelolt. Das ist ja der Witz. Die Impfstoffbeschaffung der EU war eine Katastrophe. Verglichen mit UK, USA und Israel ist die Durchimpfung und Impfstoffbestellung ein Witz.
OJ1988
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Re: Staatsversagen ungewohnten Ausmaßes

Beitrag von OJ1988 »

Und das ist etwas Neues für dich, dass die von dir genannten Staaten weniger Skrupel zeigen, wenn es darum geht, sich irgendwo vorzudrängeln? Wie groß wäre denn das Geschrei, wenn deutsche Rentner vor Israelis "unseren" Impfstoff bekämen?
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Tibor
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Re: Staatsversagen ungewohnten Ausmaßes

Beitrag von Tibor »

Man erinnere sich bitte an das Trara um das „Exportverbot“ von Masken:

https://www.welt.de/wirtschaft/article2 ... asken.html

Ich lese schon die Schlagzeilen: „Erst nehmen sie uns die Lire/Pesete/Drachme [frei austauschbar] und jetzt kaufen Sie mit deutschen Euro auch noch alle Impfstoffe vom Markt“.
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Sektnase
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Re: Staatsversagen ungewohnten Ausmaßes

Beitrag von Sektnase »

Ob ich jetzt aber ein paar hundert ältere Menschen mehr hops gehen lasse oder die Wirtschaft an die Wand fahre um israelische Rentner nicht zu verärgern? Mhh...
In einem Umfeld, in dem mittelschwere Hurensöhnigkeit häufig zum Stellenprofil gehört, muss einen nicht wundern, wenn man Scheiße behandelt wird. -Blaumann
Liz
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Re: Staatsversagen ungewohnten Ausmaßes

Beitrag von Liz »

Vielleicht jammern wir aber auch einfach zu einem sehr frühen Zeitpunkt auf ziemlich hohen Niveau: https://www.tagesspiegel.de/politik/imm ... 67068.html
Sektnase
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Re: Staatsversagen ungewohnten Ausmaßes

Beitrag von Sektnase »

"Man" hat halt auch monatelang auf eine Gelegenheit gewartet, damit man mal ein bisschen Wahlkampf machen kann. Dass die SPD sich da so drauf einschiesst finde ich genau so glaubwürdig wie die Reaktion der CDU, man solle doch keinen Wahlkampf machen während der Pandemie. Schon klar, wem es nützt, wenn keiner Wahlkampf macht.
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Kasimir
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Re: Staatsversagen ungewohnten Ausmaßes

Beitrag von Kasimir »

Joshua (Diplom-Virologe und Berufspolitiker) fordert den Rücktritt von Jens Spahn. Das war es nun für Spahn. Case closed.
Eichhörnchen, Eichhörnchen wo sind deine Nüsse?
Herr Schraeg
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Re: Staatsversagen ungewohnten Ausmaßes

Beitrag von Herr Schraeg »

Joshua hat geschrieben: Montag 4. Januar 2021, 20:48 Das Handelsblatt schreibt heute:
Der Staat zeigt ein drastisches Ausmaß an Missmanagement in der zweiten Corona-Welle
Gesundheitsämter, Schulen, Impfstoffbeschaffung: Die Politik hat sich im Sommer unzureichend auf die zweite Corona-Welle vorbereitet. Das gefährdet nun die Akzeptanz der Beschränkungen.
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Quelle: https://www.handelsblatt.com/meinung/ko ... L3B9PM-ap6

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Spahn kann doch nicht ernsthaft beanspruchen, Gesundheitsminister Deutschlands bleiben zu können.
Ich verstehe noch nicht ganz, was der Bundesgesundheitsminister falsch gemacht hat,

- wenn die EU nicht doppelt soviel Impfstoff wie benötigt bestellt und damit evtl. die Impfkampagne verlangsamt hat,
- wenn die Kommunen die Mitarbeiterzahl bei den Gesundheitsämtern nicht binnen drei Monaten verdoppeln,
- wenn Länder und Kommunen nicht binnen drei Monaten den Unterricht an allen Schulen digitalisieren können oder
- wenn die Länder den zweiten lockdown zu spät und zu halbherzig eingeleitet haben.

Letzteres ist derzeit für mich der einzig offensichtliche Fehler, den man durch die Bank allen Ländern - übrigens gerade nicht Merkel oder Spahn - zur Last legen kann. Allerdings trifft der Vorwurf auch die Gesellschaft, d.h. uns, die wir durch fehlende Disziplin bei Masken und Abstand im Sommer sehenden Auges in die zweite Welle im Herbst gerauscht sind.
Liz
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Re: Staatsversagen ungewohnten Ausmaßes

Beitrag von Liz »

Sektnase hat geschrieben:"Man" hat halt auch monatelang auf eine Gelegenheit gewartet, damit man mal ein bisschen Wahlkampf machen kann. Dass die SPD sich da so drauf einschiesst finde ich genau so glaubwürdig wie die Reaktion der CDU, man solle doch keinen Wahlkampf machen während der Pandemie. Schon klar, wem es nützt, wenn keiner Wahlkampf macht.
SPD ist in der Tat ganz großes Kino. Es in den Ländern nicht auf die Reihe bekommen (z. B. indem man den bereits vorhandenen Impftstoff zügig verimpft), aber es jetzt auf Bundesebene auf einmal besser wissen wollen, wer, wann, wie viel von welchem Impfstoff hätte bestellen müssen.
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Tibor
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Re: Staatsversagen ungewohnten Ausmaßes

Beitrag von Tibor »

Wahlkampf.
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Sektnase
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Re: Staatsversagen ungewohnten Ausmaßes

Beitrag von Sektnase »

Ist halt auch ne blöde Wahl. Mal abgesehen davon, dass die CDU keinen Kandidaten hat und die SPD nur einen, der nicht Kanzler wird, sind Medien und Gesellschaft halt zu 100% mit Corona "besetzt". Da bleibt nicht viel Raum für abweichende Meinungen/Opposition.

Ich glaskugle voraus, dass bald die zweite Welle der Heilsversprechen kommt. Sobald diese Corona-Welle, ggf. auch das Virus insgesamt (durch Impfung) halbwegs "besiegt" ist, kommt die Autokaufprämie wieder auf den Tisch.

Die Schulen sind doch eigentlich die großen Gewinner der Krise. Auf die Digitalisierung (auch im jetzigen Maße) hätten die ja sonst noch 10 Jahre warten können. *edit* Das war jetzt etwas zynisch: die jetzigen Schüler sind natürlich nicht grade bevorteilt ;)
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Atropos
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Re: Staatsversagen ungewohnten Ausmaßes

Beitrag von Atropos »

Ich sehe innerhalb Deutschlands auch keinen vernünftigen Ansatz, wem man jetzt Schuldzuweisungen machen kann.

Normalerweise bin ich überhaupt nicht für Verschwörungstheorien empfänglich, aber den Vorwurf an die EU in Fleischhauers aktueller Focus-Kolumne würde ich nach meinen Erfahrungen mit der EU-Kommission - sowohl aus Innenansicht im Ref als auch seit mehreren Jahren auf anwaltlicher Seite - sofort für plausibel halten:
EU schloss ersten Vertrag mit bekanntlich unzuverlässigem Pharmakonzern

Man sucht jetzt nach Ausflüchten. Man habe das Risiko streuen müssen, heißt es aus dem EU-Apparat. Als die Verträge geschlossen wurden, sei nicht abzusehen gewesen, welches Unternehmen erfolgreich sein werde und welches nicht. Aber dem widerspricht schon die Abfolge der Unterschriften. Bereits im Sommer hatte sich abgezeichnet, dass der aussichtsreichste Kandidat aus Mainz kam und nicht aus Paris. Dennoch schloss die EU-Kommission ausgerechnet mit Sanofi einen der beiden ersten Verträge ab, also dem französischen Pharmakonzern, der für seine Unzuverlässigkeit bekannt ist.

Mit Biontech hingegen zogen sich die Verhandlungen hin, Woche um Woche. Anfang Oktober eröffnete das Mainzer Unternehmen das Zulassungsverfahren bei der Europäischen Arzneimittelbehörde, als eines von zwei Unternehmen weltweit. Dennoch konnte sich die Kommission noch immer nicht zu einem Vertragsabschluss durchringen.

Der Biontech-Gründer Ugur Sahin hat gerade im Interview mit dem „Spiegel“ auf sehr höfliche Weise sein Erstaunen über diese Verhandlungsführung geäußert. „Offenbar herrschte der Eindruck: Wir kriegen genug, es wird alles nicht so schlimm, und wir haben das unter Kontrolle“, sagte er. „Mich hat das gewundert.“

Die Wahrheit ist: Gegen Biontech sprach zweierlei, die deutsche Herkunft und die Allianz mit Pfizer, dem großen Rivalen aus New York. Wenn man sich bei Leuten umhört, die mit den Verhandlungen vertraut sind, hört man, dass die Franzosen die Impfstoffbestellung als eine Frage des Ansehens betrachteten. Deshalb war auch klar, dass die Bestellung bei Biontech niemals über die 300 Millionen Impfdosen hinausgehen durfte, die man im September bei Sanofi geordert hatte. Das sei eine Sache der nationalen Ehre. Man glaubt es sofort.
Hoffentlich wird das mal gründlich aufgearbeitet, aber nicht um Merkel/Spahn irgendwelche Schuldzuweisungen zu machen.
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famulus
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Re: Staatsversagen ungewohnten Ausmaßes

Beitrag von famulus »

Joshua hat geschrieben: Montag 4. Januar 2021, 20:48 Recht haben sie im Handelsblatt!
StAaTsVeRsAgEn UnGeWoHnTeN aUsMaẞeS!!1!
Joshua hat geschrieben: Montag 4. Januar 2021, 20:48 Spahn kann doch nicht ernsthaft beanspruchen, Gesundheitsminister Deutschlands bleiben zu können.
Ähem - in welcher Welt lebst du? Anscheinend nicht in der, in der ein Andy Scheuer im Jahr 2021 noch Verkehrsminister ist. Case closed.
»Ich kenne den Schmerz, den ich hatte, weil ich zweimal die Vorhaut mit dem Reißverschluss mitgenommen habe, so dass dieser - also Reißverschluss - einmal in einer Klinik entfernt werden musste.« - Chefreferendar
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