KI-Urteile

"Off-Topic"-Forum. Die Themen können von den Usern frei bestimmt werden.
Es gelten auch hier die Foren-Regeln!

Moderator: Verwaltung

Benutzeravatar
Strich
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 2252
Registriert: Samstag 9. Januar 2016, 16:52
Ausbildungslevel: Anderes

KI-Urteile

Beitrag von Strich »

https://www.sueddeutsche.de/politik/str ... -1.5723941

Die Forscherin ist hier ja bekannt, mal schauen wie das Projekt läuft. Interessant ist es, ich habe nur ganz erhebliche Zweifel an den Trainingsdaten.
Die 0,1% veröffentlichten Urteile der Amtsgerichte sind ja schnell erklärt. Warum soll ich solche Urteilsgründe veröffentlichen:
Gründe
(abgekürzt nach § 267 Abs. 4 StPO)
Nach der duchgeführten Hauptverhandlung steht der Sachverhalt, wie er in der Anklage der Staatsanwaltschaft x vom y dargestellt ist, zur Überzeugung des Gerichts fest.

Strich
RiAG
Bei Freiheitsstrafen
Gründe
(abgekürzt nach § 267 Abs. 4 StPO)
Nach der duchgeführten Hauptverhandlung steht der Sachverhalt, wie er in der Anklage der Staatsanwaltschaft x vom y dargestellt ist, zur Überzeugung des Gerichts fest.

Danach ist Folgendes geschehen:


Strich
RiAG
Nagut i.d.R. verliere ich auch ein paar Worte zur Strafzumessung. Das richtet sich aber in einfachen Worten an den Angeklagten und nicht an die Rechtsanwendergemeinschaft

Da das irgendwie 90% aller Urteile sind, frage ich mich, ob die Datenbasis wirklich so prikelnd ist, wie sich das Rostalski vorstellt.

Das Gros der Straftaten wird ja an den Amtsgerichten abgearbeitet, für die Kammeranklagen wird man die KI nicht brauchen. Dafür dürften die Fälle dann zu individuell sein.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
- Daria -

www.richtersicht.de

Seit 31.05.2022 Lord Strich
Benutzeravatar
Strich
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 2252
Registriert: Samstag 9. Januar 2016, 16:52
Ausbildungslevel: Anderes

Re: KI-Urteile

Beitrag von Strich »

Noch eine kleine Anmerkung: Warum wird überhaupt gerade über dieses Forschungsprojekt berichtet? Es gibt sicherlich zahllose ähnliche Projekte.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
- Daria -

www.richtersicht.de

Seit 31.05.2022 Lord Strich
Liz
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 3237
Registriert: Sonntag 22. Oktober 2017, 17:03
Ausbildungslevel: Anderes

Re: KI-Urteile

Beitrag von Liz »

Die Vorstellung, man könne mit nur genügend Einzelfällen die Strafzumessung im konkreten Einzelfall irgendwie erleichtern, scheint mir auch überoptimistisch zu sein. Wenn man schon mal mit Schmerzensgeldtabellen gearbeitet hat bzw sich durch eine Palette an angeblich völlig vergleichbaren Fällen gearbeitet hat, ahnt man, dass mehr Daten nicht unbedingt zu besseren Ergebnissen als das reine Bauchgefühl führen.
Liz
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 3237
Registriert: Sonntag 22. Oktober 2017, 17:03
Ausbildungslevel: Anderes

KI-Urteile

Beitrag von Liz »

Strich hat geschrieben:https://www.sueddeutsche.de/politik/str ... -1.5723941

Die Forscherin ist hier ja bekannt, mal schauen wie das Projekt läuft. Interessant ist es, ich habe nur ganz erhebliche Zweifel an den Trainingsdaten.
Die 0,1% veröffentlichten Urteile der Amtsgerichte sind ja schnell erklärt. Warum soll ich solche Urteilsgründe veröffentlichen:
Gründe
(abgekürzt nach § 267 Abs. 4 StPO)
Nach der duchgeführten Hauptverhandlung steht der Sachverhalt, wie er in der Anklage der Staatsanwaltschaft x vom y dargestellt ist, zur Überzeugung des Gerichts fest.

Strich
RiAG
Bei Freiheitsstrafen
Gründe
(abgekürzt nach § 267 Abs. 4 StPO)
Nach der duchgeführten Hauptverhandlung steht der Sachverhalt, wie er in der Anklage der Staatsanwaltschaft x vom y dargestellt ist, zur Überzeugung des Gerichts fest.

Danach ist Folgendes geschehen:


Strich
RiAG
Nagut i.d.R. verliere ich auch ein paar Worte zur Strafzumessung. Das richtet sich aber in einfachen Worten an den Angeklagten und nicht an die Rechtsanwendergemeinschaft

Da das irgendwie 90% aller Urteile sind, frage ich mich, ob die Datenbasis wirklich so prikelnd ist, wie sich das Rostalski vorstellt.

Das Gros der Straftaten wird ja an den Amtsgerichten abgearbeitet, für die Kammeranklagen wird man die KI nicht brauchen. Dafür dürften die Fälle dann zu individuell sein.
Zumal man dann das Problem hat, dass man dann im Wesentlichen nur die lokalen Straftarife mit der Schwankungsbreite im konkreten Einzelfall mühevoll herauskristallisiert. Diebstahl mit Waffen wird beim AG irgendwas zwischen 3 Monaten und 4 Jahren geben, wahrscheinlich mit einem Schwerpunkt bei 6-18 Monaten. Da kann man aber besser bei den Staatsanwaltschaften nach den lokalen „Tarifen“ fragen und dann die Tarife je nach Fallaufkommen der Staatsanwaltschaften gewichten. Das wäre aber natürlich kein jahrelanges Forschungsprojekt mehr.
Benutzeravatar
Strich
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 2252
Registriert: Samstag 9. Januar 2016, 16:52
Ausbildungslevel: Anderes

Re: KI-Urteile

Beitrag von Strich »

Ich sehe auch die große ständig heraufbeschworene Ungerechtigkeit nicht so ganz:

Mal angenommen in SH gibt es für ne GefKV im Schnitt 6 Monate bei nem Ersttäter in Bayern 8 Monate.
da kann man jetzt natürlich einfach konstatieren, dass das ja ungerecht sei, weil sowohl in SH als auch in BY dasselbe StGB gilt. Das übersieht aber, dass die Strafrahmen m.E. auch dazu da sind, regionale Unterschiede in der Kriminalität zu erfassen. Vielleicht beruhen die gefKVs in BY einfach mehr auf zu bekämpfender* Clan-Kriminalität, während in SH dumme Kneipenschlägereien anfallen.

m.E. wäre es rechtfertigungsbedürftig, wenn es umgekehrt wäre, wenn also keine "Lokaltarife" existieren würden. Das würde viel eher dafür sprechen, dass wesentlich ungleiches gleich behandelt wird. Die Gesellschaftlichen Verhältnisse sind in Berlin ganz andere als in Stuttgart etc. Warum sollte sich das im Spiegel der Gesellschaft, dem Strafrecht, nicht wiederfinden?

*unterstellt, man bekämpfe mit Strafen überhaupt irgendeine Kriminalität.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
- Daria -

www.richtersicht.de

Seit 31.05.2022 Lord Strich
Benutzeravatar
thh
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 5278
Registriert: Dienstag 18. August 2009, 15:04
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: KI-Urteile

Beitrag von thh »

Liz hat geschrieben: Dienstag 3. Januar 2023, 12:31 Die Vorstellung, man könne mit nur genügend Einzelfällen die Strafzumessung im konkreten Einzelfall irgendwie erleichtern, scheint mir auch überoptimistisch zu sein. Wenn man schon mal mit Schmerzensgeldtabellen gearbeitet hat bzw sich durch eine Palette an angeblich völlig vergleichbaren Fällen gearbeitet hat, ahnt man, dass mehr Daten nicht unbedingt zu besseren Ergebnissen als das reine Bauchgefühl führen.
So ist es. Eine Schwurgerichtskammer - die ja immerhin nur mit einem vergleichsweise engen Ausschnitt der denkbaren Straftaten befasst ist, nachdem nahezu ausschließlich versuchter und vollendeter Totschlag, ab und an auch Mord, verhandelt werden - hat das hier einmal versucht und festgestellt, dass das (selbst für die eigene Spruchrichtertätigkeit) keinen Gewinn hat. Noch weniger hat es Wert, wenn man die disjunkte Datenbasis verbreitet.
Strich hat geschrieben: Dienstag 3. Januar 2023, 13:24Ich sehe auch die große ständig heraufbeschworene Ungerechtigkeit nicht so ganz:

Mal angenommen in SH gibt es für ne GefKV im Schnitt 6 Monate bei nem Ersttäter in Bayern 8 Monate.
Nach meinem Eindruck sind die Unterschiede _deutlich_ größer.
Strich hat geschrieben: Dienstag 3. Januar 2023, 13:24da kann man jetzt natürlich einfach konstatieren, dass das ja ungerecht sei, weil sowohl in SH als auch in BY dasselbe StGB gilt. Das übersieht aber, dass die Strafrahmen m.E. auch dazu da sind, regionale Unterschiede in der Kriminalität zu erfassen. Vielleicht beruhen die gefKVs in BY einfach mehr auf zu bekämpfender* Clan-Kriminalität, während in SH dumme Kneipenschlägereien anfallen.
Nach meinem Eindruck liegt der Unterschied weniger in der Kriminalität als in dem Umgang damit. Aber auch das ist eine legitime Unterscheidung. Der Dialekt ist in Bayern anders als in Berlin, das Schulwesen unterscheidet sich zwischen Bayern und Berlin, das Polizeirecht ist in Bayern anders als in Berlin, das Strafmaß ist in Bayern und Berlin anders, und die Silvesternacht sieht in Bayern und Berlin anders aus. Wäre das nicht so, bräuchten wir ja keine regionale Gliederung des Bundesgebiets.
Strich hat geschrieben: Dienstag 3. Januar 2023, 13:24m.E. wäre es rechtfertigungsbedürftig, wenn es umgekehrt wäre, wenn also keine "Lokaltarife" existieren würden. Das würde viel eher dafür sprechen, dass wesentlich ungleiches gleich behandelt wird. Die Gesellschaftlichen Verhältnisse sind in Berlin ganz andere als in Stuttgart etc. Warum sollte sich das im Spiegel der Gesellschaft, dem Strafrecht, nicht wiederfinden
Exakt.
Theopa
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1328
Registriert: Mittwoch 9. Juli 2014, 18:09
Ausbildungslevel: RA

Re: KI-Urteile

Beitrag von Theopa »

thh hat geschrieben: Dienstag 3. Januar 2023, 15:15
Strich hat geschrieben: Dienstag 3. Januar 2023, 13:24da kann man jetzt natürlich einfach konstatieren, dass das ja ungerecht sei, weil sowohl in SH als auch in BY dasselbe StGB gilt. Das übersieht aber, dass die Strafrahmen m.E. auch dazu da sind, regionale Unterschiede in der Kriminalität zu erfassen. Vielleicht beruhen die gefKVs in BY einfach mehr auf zu bekämpfender* Clan-Kriminalität, während in SH dumme Kneipenschlägereien anfallen.
Nach meinem Eindruck liegt der Unterschied weniger in der Kriminalität als in dem Umgang damit. Aber auch das ist eine legitime Unterscheidung. Der Dialekt ist in Bayern anders als in Berlin, das Schulwesen unterscheidet sich zwischen Bayern und Berlin, das Polizeirecht ist in Bayern anders als in Berlin, das Strafmaß ist in Bayern und Berlin anders, und die Silvesternacht sieht in Bayern und Berlin anders aus. Wäre das nicht so, bräuchten wir ja keine regionale Gliederung des Bundesgebiets..
Wo steht im StGB, dass "regionale Unterschiede" ein zulässiges Kriterium der Strafzumessung wären?

Natürlich wird es konkrete regionale Kriterien geben, die die Strafzumessung in Einzelfällen beeinflussen, etwa die genannte Clan-Kriminalität. Ich habe aber relativ große Schwierigkeiten damit, den Faktor "wohnt im Süden des Landes" unter § 46 StGB zu subsumieren, wenn z.B. jeweils ein Kleinstadtgericht auf dem Land über einen identischen Lebenssachverhalt entscheidet.

Die Schwankungen liegen offenbar auch nicht in einem minimalen Bereich, den man tolerieren könnte. Sobald zwischen Bundesland A und Bundesland B derart erhebliche Unterschiede vorliegen, dass die explizit genannten Strafschärfungs- oder Strafmilderungsgründe ad absurdum geführt werden (also z.B. der geständige Täter, der Wiedergutmachung leistet aufgrund der Praxis in seinem Bundesland trotzdem höher bestraft wird als der Uneinsichtige, der keinen Cent zahlt im anderen Bundesland) muss man sich fragen, ob diese Vorgehensweise noch gesetzeskonform sein kann.
Benutzeravatar
Strich
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 2252
Registriert: Samstag 9. Januar 2016, 16:52
Ausbildungslevel: Anderes

Re: KI-Urteile

Beitrag von Strich »

Theopa hat geschrieben: Mittwoch 4. Januar 2023, 13:19 ....
Wo steht im StGB, dass "regionale Unterschiede" ein zulässiges Kriterium der Strafzumessung wären?
...
In § 46 Abs. 1 S. 1 StGB: Es ist auf die individuelle Schuld abzustellen. Es gibt natürlich keinen Malus/Bonus für irgendwelche Wohnorte. Das gilt im Übrigen auch für den Umstand "Clan Kriminalität". Ich lehne mich mal aus dem Fenster und meine, dass man das in Standardprozessen ohnehin nichtnachgewiesen bekommt.

Ein relevanter Unterschied der Regionen ist bspw., dass die Leute in BW reicher sind als in LSA. Die Drogenkriminaltiät dort wird also statistisch häufiger die Partysschnüfflerfraktion aus Malte, Konstantin und Lea aufweisen, währen bei uns schlicht keiner Geld für Koks hat und Kevin sowie Stella sich halt das Crystal ziehen, weil sie seit ihrer Kindheit allein gelassen wurden.

Da steht im Urteil dann nicht: Kam aus LSA, daher Bewährung.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
- Daria -

www.richtersicht.de

Seit 31.05.2022 Lord Strich
Theopa
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1328
Registriert: Mittwoch 9. Juli 2014, 18:09
Ausbildungslevel: RA

Re: KI-Urteile

Beitrag von Theopa »

Strich hat geschrieben: Montag 9. Januar 2023, 12:37 Ein relevanter Unterschied der Regionen ist bspw., dass die Leute in BW reicher sind als in LSA. Die Drogenkriminaltiät dort wird also statistisch häufiger die Partysschnüfflerfraktion aus Malte, Konstantin und Lea aufweisen, währen bei uns schlicht keiner Geld für Koks hat und Kevin sowie Stella sich halt das Crystal ziehen, weil sie seit ihrer Kindheit allein gelassen wurden.

Da steht im Urteil dann nicht: Kam aus LSA, daher Bewährung.
Ich glaube wenn man z.B. Hamburg und München vergleicht dürfte man im Schnitt ziemlich ähnliche Beschuldigte vor sich finden. Die Strafen dürften trotzdem relevant abweichen, da bereits die grundlegenden "Tarife" für den Durchschnittsfall deutlich unterschiedlich sein können.

Vor ein paar Jahren wurden hier in Bayern Jugendliche "Großanbauer" von Cannabis (ca. 60kg angebaut aber wohl zu 99% nicht verkauft, da entdeckt + 2kg aus dem Ausland eingeschmuggelt) verurteilt: 3,5 bzw. 4 Jahre Jugendstrafe bei absolut unbeschriebenen Blättern, die voll geständig waren. Wie sähe das 500km weiter im Norden aus?
Benutzeravatar
Strich
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 2252
Registriert: Samstag 9. Januar 2016, 16:52
Ausbildungslevel: Anderes

Re: KI-Urteile

Beitrag von Strich »

Ok ich verstehe deinen Punkt nicht?
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
- Daria -

www.richtersicht.de

Seit 31.05.2022 Lord Strich
Theopa
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1328
Registriert: Mittwoch 9. Juli 2014, 18:09
Ausbildungslevel: RA

Re: KI-Urteile

Beitrag von Theopa »

Der Punkt ist: Wenn derselbe Sachverhalt in München prinzipiell anders bestraft wird als in Hamburg ist das kein wünschenswerter Zustand im Sinne einer sich aufgrund konkreter, objektiver Sachgründe ergebenden Differenzierung, sondern ein Problem.

Daher halte ich die Auswertung der Daten, um die es in diesem Thread geht für sinnvoll. Ich sehe zwar auch die Einschränkungen einer derartigen Vorgehensweise, besser als Nichts dürfte das aber auch erst einmal sein. Wenn dadurch die lokalen "Tarife" auch einmal objektiv aufgearbeitet werden und das zu einer Diskussion bzw. irgendwann einmal zu einer Angleichung führen würde, wäre das wünschenswert.
Liz
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 3237
Registriert: Sonntag 22. Oktober 2017, 17:03
Ausbildungslevel: Anderes

Re: KI-Urteile

Beitrag von Liz »

Der KI-Ansatz geht aber davon aus, dass man mit nur genügend Daten wirklich vergleichbare Fälle herausfiltern kann. Damit wird man aber über die gängige Typisierung „Ladendiebstahl, Wert von … bis …, Erst-/Wiederholungstäter, keine weiteren Besonderheiten“ nicht wesentlich hinauskommen.
Theopa
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1328
Registriert: Mittwoch 9. Juli 2014, 18:09
Ausbildungslevel: RA

Re: KI-Urteile

Beitrag von Theopa »

Liz hat geschrieben: Montag 9. Januar 2023, 19:59 Der KI-Ansatz geht aber davon aus, dass man mit nur genügend Daten wirklich vergleichbare Fälle herausfiltern kann. Damit wird man aber über die gängige Typisierung „Ladendiebstahl, Wert von … bis …, Erst-/Wiederholungstäter, keine weiteren Besonderheiten“ nicht wesentlich hinauskommen.
Darum ginge es ja zunächst.

Wenn sich dabei herausstellt, dass ein 50 € Ladendiebstahl beim dreifachen Wiederholungstäter im Bundesland X durchschnittlich 50% höher bestraft wird als im Bundesland Y hat man schon einmal relevante Ergebnisse.

Eine komplette Aufarbeitung der gesamten Verfahren ist damit natürlich nicht im Ansatz möglich, da müsste das System wohl wenigstens auch in jeder mündlichen Verhandlung "zuhören" und dazu in der Lage sein die aufgenommenen Informationen sinnvoll zu verarbeiten.
Benutzeravatar
Strich
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 2252
Registriert: Samstag 9. Januar 2016, 16:52
Ausbildungslevel: Anderes

Re: KI-Urteile

Beitrag von Strich »

Theopa hat geschrieben: Montag 9. Januar 2023, 18:54 Der Punkt ist: Wenn derselbe Sachverhalt in München prinzipiell anders bestraft wird als in Hamburg ist das kein wünschenswerter Zustand im Sinne einer sich aufgrund konkreter, objektiver Sachgründe ergebenden Differenzierung, sondern ein Problem.
Weißt du wo hier das Problem liegt: "derselbe Sachverhalt"
Es wird halt immer behauptet, dass es soetwas gibt. Auf diese Behauptung wird dann gestützt: Dann müssen diese Fälle ja auch gleich behandelt werden. Da würde auch jeder zustimmen, deshalb haben wir ja Art 3 GG.
Das Problem ist aber, dass 1. unklar ist, wann Fälle vergleichbar, geschweige denn "derselbe Sachverhalt" sind, 2. was objektive Sachgründe sind, 3. wann wird "prinzipiell" anders bestraft.

Diesen allgemeinen Aussagen kann jeder ohne weiteres zustimmen. Sie nützen nur im Kontext des genannten Forschungsprojektes gar nichts, weil für mich ein vergleichabrer Sachverhalt (wie Liz beschreibt) zwar an Tat/Tatfolgen/Vorstrafen "gemessen" werden kann. Daraus folgt aber allenfalls, das beiden Bestrafung zu drohen hat. Die Vergleichbarkeit hört halt auf Ebene der konkreten Schuld auf und daraus folgen auch die allermeisten Unterschiede in der Strafhöhe und deswegen bilden sich möglicherweise Lokaltarife heraus (wie ich das zuvor schon beschrieben habe).
Daher auch meine Äußerung, dass das Gegenteil rechtfertigungsbedürftig wäre.
Würde man das anders sehen (würde man also Lokaltarife für rechtfertigungsbedürftig halten und unterstellt, meine These, woher diese kommen, trifft zu) müsste man doch Folgendes erklären:
Warum ist der Umstand irrelevant, das Malte-Konstantin aus purer Mir-Egal-Papa-ist-Anwalt-Stimmung Koks vertickt während das vom Leben eher weniger verwöhnte Berliner Straßenmädel aus Suchtdruck Drogen vertickt. Die Definition der "objektiven" Parameter entscheided doch in dem KI-Modell alles!
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
- Daria -

www.richtersicht.de

Seit 31.05.2022 Lord Strich
Benutzeravatar
Strich
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 2252
Registriert: Samstag 9. Januar 2016, 16:52
Ausbildungslevel: Anderes

Re: KI-Urteile

Beitrag von Strich »

Theopa hat geschrieben: Dienstag 10. Januar 2023, 09:24 ...
Wenn sich dabei herausstellt, dass ein 50 € Ladendiebstahl beim dreifachen Wiederholungstäter im Bundesland X durchschnittlich 50% höher bestraft wird als im Bundesland Y hat man schon einmal relevante Ergebnisse.

...
Warum ist das relevant? Was soll das zeigen? Wieso sind hier als relevante Kriterien nur genannt: Ladendiebstahl/50 €/drei einschlägige Vorstrafen
Warum ist da nicht genannt: kein BtM Bezug(das schreibt das Gesetz jedenfalls als "relevantes" Kriterium vor: § 17 Abs. 2 BZRG), keine Familie, keine Kinder, keine Arbeit, keine Schulden, keine Lebensmittel, kein Parfüm etc etc.

Derjenige, der meint, die seien für eine Vergleichbarkeit irrelevant, missachtet § 46 Abs. 1 S. 1 StGB
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
- Daria -

www.richtersicht.de

Seit 31.05.2022 Lord Strich
Antworten