Warum drücken sich viele Juristen unnötig kompliziert aus?

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Gelöschter Nutzer

Warum drücken sich viele Juristen unnötig kompliziert aus?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

In vielen Jahren des Studiums und Referendariats ist mir immer wieder aufgefallen, dass sich sehr viele Juristen äußert kompliziert und unverständlich ausdrücken. Dabei meine ich insbesondere geschriebene Texte. Dieses Phänomen habe ich sowohl bei Lehrbüchern als auch bei Praxistexten wie Urteilen oder Schriftsätzen beobachtet.

1. Darstellung des Problems

Dabei meine ich nicht nur eine fehlerhafte Struktur oder einen nicht nachvollziehbaren Aufbau. Sondern auch beim Satzbau und der Wortwahl werden "Grundregeln" des verständlichen Schreibens missachtet (die Anführungszeichen sind selbsterklärend: Stil ist natürlich zu einem gewissen Grad immer Geschmackssache). Als eklatante "Fehler" fallen mir vor allem auf:

- endlose Bandwurmsätze mit komplexen Nebensatzkonstruktion
- unklare Bezüge
- verwirrender Nominalstil
- merkwürdige Wortreihenfolge
- Passiv statt Aktiv
- umständliche Darstellung

Bsp.: "Das zur Vorbereitung der Planung der Errichtung des Wohngebäudes dienende Gutachten wurde von dem Dipl.-Ing. Meier am ... erstellt."

--> Warum nicht einfach: "Der Dilp-Ing Meier erstellte am... ein Gutachten. Dieses Gutachten diente dazu, die Planung des Wohngebäudes vorzubereiten."

Oder:

"Insofern die Klägerin die Pflichtverletzungen des Beklagten in einer – von ihr vorläufig mit .... € bezifferten – Zahlung an [Dritte] erblickt, ist ihr entgegenzuhalten, dass es sich bei den – ihrem äußeren Anschein nach an Dritte erfolgenden – Zahlungen nur dann um Pflichtverletzungen des Beklagten handeln würde, wenn (...)."

warum nicht:

"Die Klägerin hat Pflichtverletzungen des Beklagten nicht substantiiert dargelegt. Insofern trifft sie die Darlegungs- und Beweislast. Die bloße Behauptung, der Beklagte habe Zahlungen i.H.v. .... € an Dritte geleistet, genügt nicht. Denn (...)"


2. Weshalb handelt es sich um ein Problem?

Die unnötig komplizierte Sprache erschwert das Verständnis bei allen Beteiligten. Bei einem Schriftsatz ärgert sich das Gericht, bei einem Urteil die Parteien, bei einem Lehrbuch die Studenten. Komplexe Texte bedeuten mehr Zeit- und Gedankenaufwand für den Leser. Anders gesagt: seine Zeit wird verschwendet.


3. "Aber komplexe Sachverhalte erfordern manchmal eine entsprechende Ausdrucksweise!"

Das sehe ich ganz anders. Tatsächlich bin ich in Studium und Referendariat bislang immer recht gut mit kurzen, gut verständlichen Sätzen gefahren. Jeder Leser (Korrektor, Ausbilder) freut sich und viele heben es lobend hervor. Tatsächlich sind juristische Zusammenhänge häufig nicht sonderlich komplex: Sie erscheinen nur so aufgrund der ungünstigen Darstellung. Aber selbst und gerade schwierige Sachverhalte können und sollten möglichst einfach dargestellt werden.

Im Übrigen gibt es auch Gegenbeispiele, die demonstrieren, dass Jura leicht verständlich präsentiert werden kann. Damit meine ich gerade nicht Skripte, die häufig schlecht geschrieben und merkwürdig aufgebaut sind. Sondern etwa Lehrbücher wie den Schellhammer ZPO.


Was meint ihr? Kennt ihr das Problem? Seht ihr es überhaupt als solches? Woran mag es liegen? Lässt es sich lösen?


(Es versteht sich von selbst, dass ich mich auch nicht immer perfekt ausdrücke - gerade online - und dass es auch Juristen mit gutem Schreibstil gibt. Es muss sich also niemand angegriffen fühlen.)
Theopa
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Re: Warum drücken sich viele Juristen unnötig kompliziert aus?

Beitrag von Theopa »

Es ist eben schwierig und anstrengend, einen Sachverhalt kurz und prägnant darzustellen.

Der geschwurbelte Stil in juristischen Texten (oder oft schon der Deutschklausur in der Schule) entspricht meinem Empfinden nach oft dem "Ähm" in spontanen oder schlecht eingeübten Reden. Nach einigen Jahren oder gar Jahrzehnten gewöhnt man sich den Mist dann leider an.

Mein aktuelles Ziel ist, sämtliche Schriftsätze radikal zu kürzen und diesen Müll loszuwerden; irgendwie schafft es der Seniorpartner nämlich immer, eine vollständige Klageerwiderung auf fünf Seiten zu packen, während ich dafür acht bis zehn bräuchte ;)
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thh
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Re: Warum drücken sich viele Juristen unnötig kompliziert aus?

Beitrag von thh »


Theopa hat geschrieben:Es ist eben schwierig und anstrengend, einen Sachverhalt kurz und prägnant darzustellen.
Zum einen dies. Zum anderen gleitet eine einfache Sprache leicht in das Gegenteil von Bandwurmsätzen, nämlich eine Art Kleinkindstil, ab.
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Ara
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Re: Warum drücken sich viele Juristen unnötig kompliziert aus?

Beitrag von Ara »

Suchender_ hat geschrieben: Freitag 7. September 2018, 20:44 Bsp.: "Das zur Vorbereitung der Planung der Errichtung des Wohngebäudes dienende Gutachten wurde von dem Dipl.-Ing. Meier am ... erstellt."

--> Warum nicht einfach: "Der Dilp-Ing Meier erstellte am... ein Gutachten. Dieses Gutachten diente dazu, die Planung des Wohngebäudes vorzubereiten."
Ich bin ja generell kein Fan von diesem "Aktiv ist besser als Passiv"-Gerede und ich finde an dem Beispiel sieht man auch, dass das Passiv den Sinn viel mehr trifft.

Dipl. Ing. Meier ist völlig unwichtig und austauschbar als Sachverständiger. Es ist egal ob Dipl. Ing. Meier, Dipl. Ing. Müller oder Dipl. Ing. Schulze das Gutachten erstattet hat. Wichtig ist, dass es ein Gutachten gab. Darum gehört der Fokus des Satzes auf das Gutachten und das Gutachten am Anfang des Satzes.

Ich finde da die passive Formulierung deutlich besser. Man kann hier viel schneller Erfassen um was es geht in dem Satz: Es existiert ein Gutachten. Bei der aktiven Formulierung kann der Dipl. Ing. Meier erstmal alles sein... Kläger, Beklagter, Zeuge oder sonst was...
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Strich
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Re: Warum drücken sich viele Juristen unnötig kompliziert aus?

Beitrag von Strich »

Ara hat geschrieben: Sonntag 9. September 2018, 10:54
Suchender_ hat geschrieben: Freitag 7. September 2018, 20:44 Bsp.: "Das zur Vorbereitung der Planung der Errichtung des Wohngebäudes dienende Gutachten wurde von dem Dipl.-Ing. Meier am ... erstellt."

--> Warum nicht einfach: "Der Dilp-Ing Meier erstellte am... ein Gutachten. Dieses Gutachten diente dazu, die Planung des Wohngebäudes vorzubereiten."
Ich bin ja generell kein Fan von diesem "Aktiv ist besser als Passiv"-Gerede und ich finde an dem Beispiel sieht man auch, dass das Passiv den Sinn viel mehr trifft.

Dipl. Ing. Meier ist völlig unwichtig und austauschbar als Sachverständiger. Es ist egal ob Dipl. Ing. Meier, Dipl. Ing. Müller oder Dipl. Ing. Schulze das Gutachten erstattet hat. Wichtig ist, dass es ein Gutachten gab. Darum gehört der Fokus des Satzes auf das Gutachten und das Gutachten am Anfang des Satzes.

Ich finde da die passive Formulierung deutlich besser. Man kann hier viel schneller Erfassen um was es geht in dem Satz: Es existiert ein Gutachten. Bei der aktiven Formulierung kann der Dipl. Ing. Meier erstmal alles sein... Kläger, Beklagter, Zeuge oder sonst was...
Suchender hat trotzdem recht.

"Das Gutachten wurde vom Dipl.-Ing ... erstellt. Es diente dazu, die Planung des Wohngebäudes vorzubereiten."
Wäre meine Variante gewesen.

Ich habe an einem Lehrstuhl gearbeitet, an dem ich anfangs nahezu alle meine Texte um die Ohren gehauen bekommen habe, weil man sie hätte kürzer und präziser fassen können.
Das erfordert aber einen nicht unerheblichen Mehraufwand. Wenn ich einfach drauf los schreibe, geht das halt schneller.

Dabei braucht man m.E. nur drei Stilregeln zu beachten:
1. Völlig Überflüssiges ist unstreitig überflüssig.
2. Wir alle misachten, weil Hauptsächliches in Hauptsätzen gehört, Stilregeln
3. Verben tragen Sorge für die Belebung des Satzes.
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
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Re: Warum drücken sich viele Juristen unnötig kompliziert aus?

Beitrag von immer locker bleiben »

Die Gründe:

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- Übertriebenes Kleben am exakten Wortlaut von Quelltexten
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Ara
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Re: Warum drücken sich viele Juristen unnötig kompliziert aus?

Beitrag von Ara »

Strich hat geschrieben: Montag 10. September 2018, 16:44 Suchender hat trotzdem recht.
Das hat doch nichts mit "Recht" oder "Nichtrecht" zu tun?

Die deutsche Sprache erlaubt sowohl die aktive als auch passive Formulierung. Je nachdem was in den Fokus gesetzt werden soll. Letztendlich entscheidet halt der Autor, ob er nun den Sachverständigen oder sein Gutachten in den Fokus rücken möchte.
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Re: Warum drücken sich viele Juristen unnötig kompliziert aus?

Beitrag von sai »

Vieles ist letztlich auch einfach nur Show. Die Verwendung von Schachtelsätzen oder Fremdwörtern steht für viele, sowohl Leser als auch Schreiber, immer noch für vermeintlichen Intellekt und vermeintliche Qualität.
mea parvitas
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Re: Warum drücken sich viele Juristen unnötig kompliziert aus?

Beitrag von mea parvitas »

Zum ersten Beispiel:
Bin da bei Ara. Das Passiv verdeutlicht in dem Fall, dass das Gutachten im Vordergrund steht und nicht die beliebig austauschbare Person, die es erstellt hat (anders z.B. wenn es sich um eine Koryphäe auf dem Gebiet handelt und man das gerne besonders herausstellen möchte - ob sich der Autor das bei der Formulierung gedacht hat, bleibt allerdings fragwürdig). Im Übrigen ist drei mal aufeinanderfolgender Genitiv keine schöne Formulierung.

Zum zweiten Beispiel:
Ist für mich klar und prägnant formuliert und man konnte beim ersten Lesen den vollständigen Inhalt problemlos erfassen. Sehe auch zu deinem veränderten Beispiel keine große Abwandlung. Der einzige Unterschied ist, dass der ursprüngliche Satz Kommata enthält und du daraus mehrere Sätze gemacht hast, die mit Punkten getrennt worden sind. Indem ich die Einzelsätze verbinde und sie in einen Satz packe, verdeutliche ich auch, dass die Sätze zusammenhängend(er) betrachtet werden sollen.

Zum dritten Punkt:
Ich bin der Meinung auch ein Satz, der über mehrere Zeilen geht, kann prägnant sein, wenn es dafür (etwas überspitzt) der einzige Satz bleibt, den ich in dem Abschnitt lesen muss. Auch wenn ich noch am Anfang meiner Diss stehe, kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass ein Satz häufig durch die Intention des Autors, die richtige Konnotation und Intention zu vermitteln, verschachtelt wird. Man fügt dann eben doch noch mal ein Wort oder einen Nebensatz ein. Ein wirklich guter Satz erfasst viel Inhalt, bleibt aber trotz seiner Länge und vermeintlichen Komplexität gut erfassbar. Die Frage ist natürlich nur, ob alle Autoren so denken oder ob nicht einfach formuliert wird und dann am Ende zufällig passiv oder Futur II, etc. verwendet wird.

Wenn ich ehrlich bin, ist aber das wohl gewichtigste Argument, dass oben schon angesprochene "Kleinkind-Argument". Wenn der Text überwiegend aus Subjektiv, Prädikat, Objekt besteht, ohne Nebensätze oder sonstige (intellektuelle) Füllwörter zu verwenden, wirkt es eben schnell so, als sei der Text den intellektuellen Anforderungen des Themas nicht gewachsen. Dass elaborierte Sprache und Komplexität verwendet werden, weil der Autor nicht in der Lage ist, sich einfach zu erklären, bezweifle ich. Schließlich sind wohl die meisten hier in der Lage, mit dem Freundes- und Bekanntenkreis über ein juristisches Thema zu sprechen, nachdem einführend ein paar juristische Eckpunkte laiengerecht erläutert wurden. Und gerade dann steht beispielsweise die Verwendung juristischer Fachtermini nicht zur Verfügung.

Mir ist aber auch schon häufig aufgefallen, dass sich Autoren in elaborierte Sprachen regelrecht flüchten, um sich gerade dem "Kleinkind-Argument" auf keinen Fall ausgesetzt zu sehen. Ich habe mir schon vor längerer Zeit ein Dokument angelegt, indem ich interessante Wörter inklusive Bedeutung notiere.
Zwei Beispiele:
subkutan (aus der Medizin) einfach als Synonym für subtil.
perforieren (zB aus der Medizin oder der Philatelie): durchlöchern.

Diese Wörter, die eigentlich Fachtermini ihrer entsprechenden Fachbereiche sind, werden einfach synonym-artig in juristischen Texten verwendet. Unabhängig davon, dass es aus sprachlicher Sicht schon falsch ist, weil die Begriffe eine andere Kontextualisierung haben, grenzt es schon ein wenig an Lächerlichkeit ...
Zuletzt geändert von mea parvitas am Dienstag 11. September 2018, 10:34, insgesamt 1-mal geändert.
Liz
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Re: Warum drücken sich viele Juristen unnötig kompliziert aus?

Beitrag von Liz »

Strich hat geschrieben: Montag 10. September 2018, 16:44
Ara hat geschrieben: Sonntag 9. September 2018, 10:54
Suchender_ hat geschrieben: Freitag 7. September 2018, 20:44 Bsp.: "Das zur Vorbereitung der Planung der Errichtung des Wohngebäudes dienende Gutachten wurde von dem Dipl.-Ing. Meier am ... erstellt."

--> Warum nicht einfach: "Der Dilp-Ing Meier erstellte am... ein Gutachten. Dieses Gutachten diente dazu, die Planung des Wohngebäudes vorzubereiten."
Ich bin ja generell kein Fan von diesem "Aktiv ist besser als Passiv"-Gerede und ich finde an dem Beispiel sieht man auch, dass das Passiv den Sinn viel mehr trifft.

Dipl. Ing. Meier ist völlig unwichtig und austauschbar als Sachverständiger. Es ist egal ob Dipl. Ing. Meier, Dipl. Ing. Müller oder Dipl. Ing. Schulze das Gutachten erstattet hat. Wichtig ist, dass es ein Gutachten gab. Darum gehört der Fokus des Satzes auf das Gutachten und das Gutachten am Anfang des Satzes.

Ich finde da die passive Formulierung deutlich besser. Man kann hier viel schneller Erfassen um was es geht in dem Satz: Es existiert ein Gutachten. Bei der aktiven Formulierung kann der Dipl. Ing. Meier erstmal alles sein... Kläger, Beklagter, Zeuge oder sonst was...
Suchender hat trotzdem recht.

"Das Gutachten wurde vom Dipl.-Ing ... erstellt. Es diente dazu, die Planung des Wohngebäudes vorzubereiten."
Wäre meine Variante gewesen.
Die Versionen scheinen mir in ihrem Bemühen um Einfachheit alle nicht sonderlich glücklich zu sein, insbesondere fehlt die vielleicht nicht so ganz unwesentliche Information, wer das Gutachten eingeholt hat. Gleichzeitig übergehen die bisher vorgeschlagenen Formulierungen, dass die Einholung des Gutachtens zu einem bestimmten Zweck dessen Erstattung vorausgeht. Ich würde daher mit Mut zum Nominalstil formulieren: „X holte zur Vorbereitung der Planung des Wohngebäudes ein Sachverständigengutachten ein. Das Gutachten wurde von Dipl.-Ing. Meier am (...) erstattet.“ Den zweiten Satz mag man dann auch aktiv formulieren, aber das Gutachten ist vermutlich wichtiger als Dipl.-Ing. Meier.
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Re: Warum drücken sich viele Juristen unnötig kompliziert aus?

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Man sollte auch bedenken, dass ein Wechsel zwischen Aktiv und Passiv die Lesbarkeit eines Textes erhöht. Auch deshalb ist das Mantra, Aktiv sei faktisch immer besser als Passiv, letztlich falsch. Es stimmt, dass ein Übermaß an Passiv-Konstruktionen einem Text schadet. Das war's aber auch schon.
"Honey, I forgot to duck."
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Re: Warum drücken sich viele Juristen unnötig kompliziert aus?

Beitrag von halb eins »

Wobei die geschwurbelsten Texte meist von Nichtjuristen kommen, die versuchen sich "offiziell" auszudrücken ;-)

"Subkutan" als Synonym für "subtil" habe ich allerdings noch nie gelesen und diese Verwendung dürfte unabhängig von einer fachspezifischen "Kontextualisierung" (was auch immer das jetzt wieder ist ;-)) schlicht falsch sein.
I would prefer not to.
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Re: Warum drücken sich viele Juristen unnötig kompliziert aus?

Beitrag von mea parvitas »

halb eins hat geschrieben: Dienstag 11. September 2018, 11:29 Wobei die geschwurbelsten Texte meist von Nichtjuristen kommen, die versuchen sich "offiziell" auszudrücken ;-)

"Subkutan" als Synonym für "subtil" habe ich allerdings noch nie gelesen und diese Verwendung dürfte unabhängig von einer fachspezifischen "Kontextualisierung" (was auch immer das jetzt wieder ist ;-)) schlicht falsch sein.
Da haben dann wohl die Tücken der "elaborierten Sprache" zugeschlagen. Ich meinte natürlich nicht "subtil", sondern "subliminal" oder "unterschwellig". Aber nichtsdestotrotz halte ich auch das für falsch. Auch wenn man mit etwas Kreativität aus "unter der Haut" "unterschwellig" basteln könnte, bleibt es eben ein Begriff aus der Medizin und beschreibt dort einen bestimmten Zustand / eine Verortung. Obwohl ich mich in dem Zusammenhang gerade frage, wie es wohl mit anderen Fremdwörtern / elaborierten Wörtern aussieht. Da hat doch bestimmt auch das ein oder andere seinen Ursprung in einem bestimmten Fachbereich und wurde dann zur Allgemeinvokabel pervertiert (z.B. die "Perversion") ;) ). Obwohl das zumindest im Duden als bildungssprachlicher Begriff aufgeführt wird und gerade nicht wie bspw. "subkutan" als Begriff aus der Anatomie/Medizin. Der Ursprung liegt jedenfalls mutmaßlich im lateinischen "perversus = umgekehrt" und dem französischen "pervers=schlecht/böse". Aber dann wäre es ja irgendwie immer legitim Fachbegriffe zu entfremden und als Allgemeinvokabel zu verwenden, so lange der (lateinische) Ursprung jedenfalls eine inhaltliche Übereinstimmung aufweist. Andererseits könnte das "Ursprungswort" natürlich auch immer in einem bestimmten Kontext verwendet worden sein ...
Aber ich drifte vom Thema ab, entschuldigt.
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Re: Warum drücken sich viele Juristen unnötig kompliziert aus?

Beitrag von Strich »

Liz hat geschrieben: Dienstag 11. September 2018, 10:28
Strich hat geschrieben: Montag 10. September 2018, 16:44
Ara hat geschrieben: Sonntag 9. September 2018, 10:54
Suchender_ hat geschrieben: Freitag 7. September 2018, 20:44 Bsp.: "Das zur Vorbereitung der Planung der Errichtung des Wohngebäudes dienende Gutachten wurde von dem Dipl.-Ing. Meier am ... erstellt."

--> Warum nicht einfach: "Der Dilp-Ing Meier erstellte am... ein Gutachten. Dieses Gutachten diente dazu, die Planung des Wohngebäudes vorzubereiten."
Ich bin ja generell kein Fan von diesem "Aktiv ist besser als Passiv"-Gerede und ich finde an dem Beispiel sieht man auch, dass das Passiv den Sinn viel mehr trifft.

Dipl. Ing. Meier ist völlig unwichtig und austauschbar als Sachverständiger. Es ist egal ob Dipl. Ing. Meier, Dipl. Ing. Müller oder Dipl. Ing. Schulze das Gutachten erstattet hat. Wichtig ist, dass es ein Gutachten gab. Darum gehört der Fokus des Satzes auf das Gutachten und das Gutachten am Anfang des Satzes.

Ich finde da die passive Formulierung deutlich besser. Man kann hier viel schneller Erfassen um was es geht in dem Satz: Es existiert ein Gutachten. Bei der aktiven Formulierung kann der Dipl. Ing. Meier erstmal alles sein... Kläger, Beklagter, Zeuge oder sonst was...
Suchender hat trotzdem recht.

"Das Gutachten wurde vom Dipl.-Ing ... erstellt. Es diente dazu, die Planung des Wohngebäudes vorzubereiten."
Wäre meine Variante gewesen.
Die Versionen scheinen mir in ihrem Bemühen um Einfachheit alle nicht sonderlich glücklich zu sein, insbesondere fehlt die vielleicht nicht so ganz unwesentliche Information, wer das Gutachten eingeholt hat. Gleichzeitig übergehen die bisher vorgeschlagenen Formulierungen, dass die Einholung des Gutachtens zu einem bestimmten Zweck dessen Erstattung vorausgeht. Ich würde daher mit Mut zum Nominalstil formulieren: „X holte zur Vorbereitung der Planung des Wohngebäudes ein Sachverständigengutachten ein. Das Gutachten wurde von Dipl.-Ing. Meier am (...) erstattet.“ Den zweiten Satz mag man dann auch aktiv formulieren, aber das Gutachten ist vermutlich wichtiger als Dipl.-Ing. Meier.
Ich halte das für einen schrecklichen Stil. 4 Substantive in einem zweigliedrigen Prädikat, schrecklich.

Eigentlich könnte man den Ausgangssatz noch besser formulieren:
"Es bereitete die Planung des Wohngebäudes vor." Dieser Satz ist viel kürzer und enthält die selbe Information.

@ Ara: Stimm (mea culpa), es hat nichts mit Recht haben zu tun. Ist nur ne Stildfrage.
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Re: Warum drücken sich viele Juristen unnötig kompliziert aus?

Beitrag von Liz »

Strich hat geschrieben: Dienstag 11. September 2018, 18:22
Liz hat geschrieben: Dienstag 11. September 2018, 10:28
Strich hat geschrieben: Montag 10. September 2018, 16:44
Ara hat geschrieben: Sonntag 9. September 2018, 10:54
Suchender_ hat geschrieben: Freitag 7. September 2018, 20:44 Bsp.: "Das zur Vorbereitung der Planung der Errichtung des Wohngebäudes dienende Gutachten wurde von dem Dipl.-Ing. Meier am ... erstellt."

--> Warum nicht einfach: "Der Dilp-Ing Meier erstellte am... ein Gutachten. Dieses Gutachten diente dazu, die Planung des Wohngebäudes vorzubereiten."
Ich bin ja generell kein Fan von diesem "Aktiv ist besser als Passiv"-Gerede und ich finde an dem Beispiel sieht man auch, dass das Passiv den Sinn viel mehr trifft.

Dipl. Ing. Meier ist völlig unwichtig und austauschbar als Sachverständiger. Es ist egal ob Dipl. Ing. Meier, Dipl. Ing. Müller oder Dipl. Ing. Schulze das Gutachten erstattet hat. Wichtig ist, dass es ein Gutachten gab. Darum gehört der Fokus des Satzes auf das Gutachten und das Gutachten am Anfang des Satzes.

Ich finde da die passive Formulierung deutlich besser. Man kann hier viel schneller Erfassen um was es geht in dem Satz: Es existiert ein Gutachten. Bei der aktiven Formulierung kann der Dipl. Ing. Meier erstmal alles sein... Kläger, Beklagter, Zeuge oder sonst was...
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"Das Gutachten wurde vom Dipl.-Ing ... erstellt. Es diente dazu, die Planung des Wohngebäudes vorzubereiten."
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Die Versionen scheinen mir in ihrem Bemühen um Einfachheit alle nicht sonderlich glücklich zu sein, insbesondere fehlt die vielleicht nicht so ganz unwesentliche Information, wer das Gutachten eingeholt hat. Gleichzeitig übergehen die bisher vorgeschlagenen Formulierungen, dass die Einholung des Gutachtens zu einem bestimmten Zweck dessen Erstattung vorausgeht. Ich würde daher mit Mut zum Nominalstil formulieren: „X holte zur Vorbereitung der Planung des Wohngebäudes ein Sachverständigengutachten ein. Das Gutachten wurde von Dipl.-Ing. Meier am (...) erstattet.“ Den zweiten Satz mag man dann auch aktiv formulieren, aber das Gutachten ist vermutlich wichtiger als Dipl.-Ing. Meier.
Ich halte das für einen schrecklichen Stil. 4 Substantive in einem zweigliedrigen Prädikat, schrecklich.
Dann formuliere eben: "Zur Vorbereitung der Planung des Wohngebäudes holte X ein Sachverständigengutachten ein." oder gar: "X holte ein Sachverständigengutachten ein, um die Planung des Wohngebäudes vorzubereiten."

Es scheint mir verfehlt zu sein, im Bestreben um Einfachheit auf sämtliche Vorteile bestimmter grammatikalischer Konstruktionen zu verzichten.
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