OJ1988 hat geschrieben:Die wiederholt geäußerte Unterstellung, man habe diese oder jene politische Auffassung nur, weil man grade private Probleme hat, fällt auch in meinen Augen auf den Absender zurück.
Naja, im Extremfall ist dies aber so. Für Reichsbürgerideen sind idR finanziell abgebrannte Personen offen. Die Idee, dass der Staat nicht existent sei, eröffnet einen Lichtblick im Dunkel. Genauso ist es doch wohl auch unbestreitbar, dass Personen, die sich "abgehängt" fühlen (rein subjektive Sicht), eher auf Populisten einlassen, die die Schuld eher verallgemeinern und beim Staat verorten. Nicht umsonst rennen recht viele Hartz4-Bürger mit langer Arbeitslosigkeitshistorie doch Demos von Pegida, AfD und Co. Das eigene Versagen lässt sich schön ignorieren, wenn doch andere schon sagen, das man nicht Schuld sei, sondern "die da Oben". Insoweit ist es m.E. schon zutreffend, dass "private Probleme" zu irrationalen politischen Ansichten / Unterstützung von Extremen/Populisten führt.
Neulich hatte ich - ich meine es war auf RTL Stern TV - einen Dauer-H4-Bürger im Interview gesehen, der doch meinte, dass er für Mindestlohn nicht arbeite, weil die LINKE ja ausgerechnet habe, dass er dadurch ohnehin in Altersarmut lande und deshalb forderte er irgendwas "von denen da Oben". Ich konnte das nicht mit ansehen und hab eherlicherweise nur gehofft, dass solchen Pappnasen endlich der Geldhahn abgedreht wird. Und auch Merkel haben sie ja in einem der Interviews eine Putzfrau gegenübergestellt, die von ihren Problemen mit der zukünftigen Rente erzählte und Merkel musste (ist ja Wahlkampf) mitleidig mit Dackelblick schauen. Dabei ist es doch ein Irrsinn, da ist eine Frau nur als Putzfrau tätig - womöglich in Teilzeit - und beschwert sich, dass der Staat ihr kein Leben ins Saus und Braus gewährleisten kann, wenn sie nur > 67 Jahre ist. Da hat sich in den letzten Jahren m.E. eine start verzerrte Erwartungshaltung gegenüber dem Staat entwickelt, weil der Staat eben eine "entpersonifizierte" Goldschatulle ist und nicht mehr als Gemeinschaft aller Bürger verstanden wird. In einer anderen Diskussion hatte ich bspw. gehört, dass es ja wohl nicht sein könne, dass die Oma das Haus im Grünen veräußern müsse, weil Opa ins Altersheim müsse. Grund des Missfallens war nicht, dass die Oma am Haus hinge oder nun in die Platte ziehe; nein, der Grund war, dass doch das Haus an die Kinder vererbt hätte werden sollen - die freilich den Opa nicht betreuen wollten. Das sind alles keine guten Entwicklungen. Das liegt m.E. aber auch an schlecht vermittelter Politik. Das Gemeinwesen Bund mit einem Kanzler am Ruder ist nicht dafür geeignet eben Welt-, Europa- und innerstaatliche Politik gleichmäßig unter einen Hut zu bekommen und entsprechende Anstrengungen und Erfolge bürgernah zu kommunizieren.
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."