Dao

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[enigma]
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Re: Dao

Beitrag von [enigma] »

hlubenow hat geschrieben:
Scaevola hat geschrieben:In Klausterbeeres Welt wäre es jedenfalls so, dass die Rettungskräfte sich gleich nach Eintreffen am Unfallort die Versichertenkarte zeigen lassen
Wenn Du heute in ein Krankenhaus kommst, ist das auch nicht viel anders.

Nicht in Notfällen, in denen es auf jede Sekunde ankommen kann. Selbst wenn das Krankenhaus positiv weiß, dass der Patient nicht versichert ist, müssten sie behandeln.
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Kroate
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Re: AW: Dao

Beitrag von Kroate »

[enigma] hat geschrieben:
Kroate hat geschrieben:
Volki hat geschrieben:
Klabusterbeere hat geschrieben: Aus meiner zugegebenermaßen doch recht libertären Sicht zuvorderst mein Selbstbestimmungsrecht. Denn was sollte es denn den Staat angehen, ob ich mein Leben bspw. durch Nichtanschnallen und Alkohol- oder Drogenkonsum riskiere? Don't tread on me...
Du bist nicht angeschnallt, knallst bei einem Banalfrontalunfall mit 45 Sachen und 3/4-Überdeckung seitlich am Airbag vorbei an die A-Säule und Deine Arteria carotis interna reißt. Nach fünf Minuten sind große Teile Deines Hirns nur noch absterbender grauer Schleim. Leider überlebst Du, bist nur fortan etwas seltsam. Wer bezahlt die Individuelle Schwerstbehindertenbetreuung, wer erfüllt Deine Unterhaltsverpflichtungen?

Gleicher Unfall mit 100. Du bist in jedem Fall tot, ohne Gurt hast Du nun aber eine derart innige Bindung zu Deinem Boliden erfahren, dass 15 Freiwillige Feuerwehrleute nach der Trennung von Mensch und Maschine je 14 Tage vor Ekel arbeitsunfähig sind. Wer bezahlt das?

Aus meiner zugegebenermaßen recht ökonomischen Sicht ist hiervor zu Gunsten der Solidargemeinschaft zuvorderst geboten, Leute vor solchen Unfällen zu bewahren.
Was ist das denn für ein Humbug? Aus ökonomischer Sicht sollte man dann wohl alle risikogeneigten Tätigkeiten verbieten, könnte ja die Solidarkassen belasten.

Außerdem wäre es doch ökonomisch super, wenn jemand, weil er nicht angeschnallt ist, stirbt statt schwerbehindert zu sein. Am besten noch kurz vorm Renteneintrittsalter.
Leute, ihr seid doch Juristen, oder? Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit sollte man also als bekannt voraussetzen dürfen. Die Anschnallpflicht verhindert verheerende physische und ökonomische Schäden, die mit ein ganz klein wenig Vernunft völlig unnötig sind, indem minimal in die persönliche Freiheit eingegriffen wird. Offensichtlich verhältnismäßig. Ein generelles Verbot sämtlicher Risikohandlungen, also zum Beispiel auch des Autofahrens per se, wäre demgegenüber ganz offensichtlich nicht verhältnismäßig, weil die persönliche und gesellschaftliche Mobilität nunmal erwünscht und wichtig und eine Grundlage der persönlichen Entfaltung ist. Die Anschnallpflicht hindert dich aber gerade nicht daran, ein freies und selbstbestimmtes Leben führen zu können.

Klausterbeeres Auffassung, der Mensch habe das "Recht auf Fahrlässigkeit", halte ich vor diesem Hintergrund auch, mit Verlaub, für Humbug. Je schwerwiegender die Konsequenzen sind, die aus dieser Fahrlässigkeit resultieren können, desto eher besteht eine Schutzpflicht für den Staat.
Also erstmal bestreite ich, dass die Anschnallpflicht tatsächlich ökonomische Vorteile bringt. Ebensowenig halte ich übrigens das Rauchen für ökonomisch nachteilhaft.

Aber in erster Linie finde ich, dass die ökonomische Sicht kein Kriterium sein kann, wenn es darum geht, mir eine gesunde Lebensweise aufzuoktroyieren. Das gilt für die Anschnallpflicht, die Helmpflicht für Radfahrer, die größe von Softdrinkbechern, die Ausübung von risikogeneigten Sportarten wie Boxen oder Höhenbergsteigen, bis hin zur Frage, ob ältere Menschen noch künstliche Hüftgelenke auf Kosten der Solidargemeinschaft bekommen sollten.
Mir ist egal, ob mein Verhalten nach Auffassung des Staates "erwünscht und wichtig" ist oder tatsächlich oder vermeintlich selbstschädigend. Das ist eine Abwägung, die ich selbst zu treffen habe, zumindest solange der vermeintliche ökonomische Schaden ausschließlich in der Gefahr einer Gesundheitsschädigung meiner Person zu sehen ist.
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Re: AW: Dao

Beitrag von Scaevola »

Kroate hat geschrieben:
Also erstmal bestreite ich, dass die Anschnallpflicht tatsächlich ökonomische Vorteile bringt. Ebensowenig halte ich übrigens das Rauchen für ökonomisch nachteilhaft.

Aber in erster Linie finde ich, dass die ökonomische Sicht kein Kriterium sein kann, wenn es darum geht, mir eine gesunde Lebensweise aufzuoktroyieren. Das gilt für die Anschnallpflicht, die Helmpflicht für Radfahrer, die größe von Softdrinkbechern, die Ausübung von risikogeneigten Sportarten wie Boxen oder Höhenbergsteigen, bis hin zur Frage, ob ältere Menschen noch künstliche Hüftgelenke auf Kosten der Solidargemeinschaft bekommen sollten.
Mir ist egal, ob mein Verhalten nach Auffassung des Staates "erwünscht und wichtig" ist oder tatsächlich oder vermeintlich selbstschädigend. Das ist eine Abwägung, die ich selbst zu treffen habe, zumindest solange der vermeintliche ökonomische Schaden ausschließlich in der Gefahr einer Gesundheitsschädigung meiner Person zu sehen ist.
Ich habe zwar gewisse Sympathien für Deine Haltung, aber Du berücksichtigst m.E. nicht genügend, dass es in einigen Fällen durchaus zur Beschädigung fremder Güter kommen kann, deren Schutzinteresse Deine Freiheitsverluste mehr als ausgleichen kann. Da sind natürlich jeweils Wertungen vorzunehmen. Z.B. schon mal daran gedacht, dass Du jemanden töten kannst, wenn Du bei einem Unfall nicht angeschnallt bist und Dein Körper im Fahrzeug-Innenraum zum Geschoss wird?
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[enigma]
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Re: Dao

Beitrag von [enigma] »

Die Schutzpflicht des Staates begründet sich natürlich nicht ausschließlich aus ökonomischen Erwägungen. Kein Autofahrer, der sich nicht anschnallt, denkt dabei über die Folgen nach, die vom Staat und Experten, die sich mit den Folgen solcher Unfälle auskennen, nun mal besser beurteilt werden können, als von einem einzelnen Autofahrer, der nie einen schweren Unfall hatte oder gesehen hat. Es macht keinen Sinn, diesem Autofahrer ein Recht auf seine Dummheit zuzugestehen, weil der Autofahrer dieses Recht eben nicht bewusst und informiert wahrnimmt bzw. wahrnehmen will.

Der durchschnittliche, nicht angeschnallte Autofahrer entschließt sich also eindeutig nicht bewusst dazu, das Risiko in Kauf zu nehmen, sondern handelt auf Grundlage unvollständiger Informationen leichtsinnig. Es ist durchaus die Aufgabe des Staates, den Autofahrer vor dieser Leichtsinnigkeit zu schützen, wenn sie schwerste Konsequenzen haben kann. Dementsprechend sollte die Anschnallpflicht bei ihrer Einführung ursprünglich auch das Problembewusstsein der Autofahrer schärfen, die das Anschnallen entgegen aller wissenschaftlicher Erkenntnisse für unnötig hielten.

Ob ein Autofahrer, der sich tatsächlich bewusst und unter Kenntnis aller Risiken dazu entschließt, diese in Kauf zu nehmen und damit eindeutig ganz alleine sich selbst gefährdet (was in der Realität nie sicher ist), ist eine andere Frage. Allerdings kann die Anschnallpflicht nur für alle oder niemanden gelten. Wenn nur eine leichtsinnige Person durch die Anschnallpflicht gerettet wird, weil sie sich wegen der Verpflichtung anschnallt, nicht weil sie das Risiko nicht eingehen will, rechtfertigt das den minimalen Eingriff in die Freiheit der absichtlich Leichtsinningen.

EDIT: Mich würde mal interessieren, ob Klausterbeere und Kroate die Pflicht zum Einhalten von Tempolimits auf leeren Straßen für sinnvoll halten.
Zuletzt geändert von [enigma] am Samstag 27. Juli 2013, 17:42, insgesamt 1-mal geändert.
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Kroate
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Re: AW: Dao

Beitrag von Kroate »

Scaevola hat geschrieben:
Kroate hat geschrieben:
Also erstmal bestreite ich, dass die Anschnallpflicht tatsächlich ökonomische Vorteile bringt. Ebensowenig halte ich übrigens das Rauchen für ökonomisch nachteilhaft.

Aber in erster Linie finde ich, dass die ökonomische Sicht kein Kriterium sein kann, wenn es darum geht, mir eine gesunde Lebensweise aufzuoktroyieren. Das gilt für die Anschnallpflicht, die Helmpflicht für Radfahrer, die größe von Softdrinkbechern, die Ausübung von risikogeneigten Sportarten wie Boxen oder Höhenbergsteigen, bis hin zur Frage, ob ältere Menschen noch künstliche Hüftgelenke auf Kosten der Solidargemeinschaft bekommen sollten.
Mir ist egal, ob mein Verhalten nach Auffassung des Staates "erwünscht und wichtig" ist oder tatsächlich oder vermeintlich selbstschädigend. Das ist eine Abwägung, die ich selbst zu treffen habe, zumindest solange der vermeintliche ökonomische Schaden ausschließlich in der Gefahr einer Gesundheitsschädigung meiner Person zu sehen ist.
Ich habe zwar gewisse Sympathien für Deine Haltung, aber Du berücksichtigst m.E. nicht genügend, dass es in einigen Fällen durchaus zur Beschädigung fremder Güter kommen kann, deren Schutzinteresse Deine Freiheitsverluste mehr als ausgleichen kann. Da sind natürlich jeweils Wertungen vorzunehmen. Z.B. schon mal daran gedacht, dass Du jemanden töten kannst, wenn Du bei einem Unfall nicht angeschnallt bist und Dein Körper im Fahrzeug-Innenraum zum Geschoss wird?
Wenn Du nochmal den letzten Satz meines Postings liest, wirst Du sicherlich erkennen, dass ich einer solchen Argumentation aufgeschlossen gegenübertrete. Es geht mir nicht um die Anschnallpflicht an sich, sondern um das Argument, ich hätte eine ökonomische Verpflichtung gegenüber der Solidargemeinschaft ein gesundes Leben zu führen und dass der Staat diese vermeintliche Verpflichtung durch Gebote und Verbote erzwingen darf.
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Re: AW: Dao

Beitrag von Scaevola »

Kroate hat geschrieben:
Wenn Du nochmal den letzten Satz meines Postings liest, wirst Du sicherlich erkennen, dass ich einer solchen Argumentation aufgeschlossen gegenübertrete. Es geht mir nicht um die Anschnallpflicht an sich, sondern um das Argument, ich hätte eine ökonomische Verpflichtung gegenüber der Solidargemeinschaft ein gesundes Leben zu führen und dass der Staat diese vermeintliche Verpflichtung durch Gebote und Verbote erzwingen darf.
Ok, aber hat das jemand in dieser Absolutheit behauptet?
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Kroate
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Re: AW: Dao

Beitrag von Kroate »

Scaevola hat geschrieben: Ok, aber hat das jemand in dieser Absolutheit behauptet?
Volki hat rein ökonomisch argumentiert, also ja.
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Re: Dao

Beitrag von Klabusterbeere »

[enigma] hat geschrieben:EDIT: Mich würde mal interessieren, ob Klausterbeere und Kroate die Pflicht zum Einhalten von Tempolimits auf leeren Straßen für sinnvoll halten.
Wenn keine schwerwiegende konkrete Gefahr droht (andere Verkehrsteilnehmer sind ja nur eine Gefahrenquelle von vielen), dann Nein.
Allerdings kann die Anschnallpflicht nur für alle oder niemanden gelten.
Abgesehen davon, dass es bereits jetzt schon Ausnahmen von der Anschnallpflicht gibt, frage ich mich, wieso das so sein sollte?
hlubenow
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Re: AW: Dao

Beitrag von hlubenow »

Kroate hat geschrieben:Aber in erster Linie finde ich, dass die ökonomische Sicht kein Kriterium sein kann, wenn es darum geht, mir eine gesunde Lebensweise aufzuoktroyieren. Das gilt für die Anschnallpflicht, die Helmpflicht für Radfahrer, die größe von Softdrinkbechern, die Ausübung von risikogeneigten Sportarten wie Boxen oder Höhenbergsteigen, bis hin zur Frage, ob ältere Menschen noch künstliche Hüftgelenke auf Kosten der Solidargemeinschaft bekommen sollten.
Mir ist egal, ob mein Verhalten nach Auffassung des Staates "erwünscht und wichtig" ist oder tatsächlich oder vermeintlich selbstschädigend. Das ist eine Abwägung, die ich selbst zu treffen habe, zumindest solange der vermeintliche ökonomische Schaden ausschließlich in der Gefahr einer Gesundheitsschädigung meiner Person zu sehen ist.
Das ist exakt die Position von Juli Zeh (und auch meiner Wenigkeit).
Kann man in dem Artikel, den ich oben verlinkt hatte, nachlesen und auch in der (hochinteressanten) "Precht"-Sendung, in der sie zu Gast war, im Video anschauen:

http://www.zdf.de/Precht/Der-getunte-Mensch-27136194.html (Verwaister Link automatisch entfernt)

Es gibt tatsächlich Tendenzen in der Politik, die Freiheiten des Individuums zugunsten einer gesamtgesellschaftlich-ökonomischen Betrachtungsweise in dieser Hinsicht zu beschneiden. Der FDP-Gesundheitsminister scheint insoweit vorerst das Schlimmste verhindert zu haben: Das Präventionsgesetz fiel glücklicherweise deutlich zurückhaltender aus als ursprünglich geplant.

Allerdings befürworte ich, freiwillig Übungen zu machen, um sich körperlich und geistig gesund zu erhalten. Daoistische Übungen wie Tai Chi und Qigong sind dafür besonders geeignet. Aber, wie gesagt, das hat alles freiwillig zu geschehen. Der Staat hat sich da herauszuhalten.
»Wir empfehlen Ihnen den Postweg für alle Mitteilungen, die von keiner anderen Stelle gelesen oder zur Kenntnis genommen werden sollen.« - Rentenversicherung
Parabellum
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Re: AW: Dao

Beitrag von Parabellum »

hlubenow hat geschrieben:
Kroate hat geschrieben:Aber in erster Linie finde ich, dass die ökonomische Sicht kein Kriterium sein kann, wenn es darum geht, mir eine gesunde Lebensweise aufzuoktroyieren. Das gilt für die Anschnallpflicht, die Helmpflicht für Radfahrer, die größe von Softdrinkbechern, die Ausübung von risikogeneigten Sportarten wie Boxen oder Höhenbergsteigen, bis hin zur Frage, ob ältere Menschen noch künstliche Hüftgelenke auf Kosten der Solidargemeinschaft bekommen sollten.
Mir ist egal, ob mein Verhalten nach Auffassung des Staates "erwünscht und wichtig" ist oder tatsächlich oder vermeintlich selbstschädigend. Das ist eine Abwägung, die ich selbst zu treffen habe, zumindest solange der vermeintliche ökonomische Schaden ausschließlich in der Gefahr einer Gesundheitsschädigung meiner Person zu sehen ist.
Das ist exakt die Position von Juli Zeh (und auch meiner Wenigkeit).
Kann man in dem Artikel, den ich oben verlinkt hatte, nachlesen und auch in der (hochinteressanten) "Precht"-Sendung, in der sie zu Gast war, im Video anschauen:

http://www.zdf.de/Precht/Der-getunte-Mensch-27136194.html (Verwaister Link automatisch entfernt)

Es gibt tatsächlich Tendenzen in der Politik, die Freiheiten des Individuums zugunsten einer gesamtgesellschaftlich-ökonomischen Betrachtungsweise in dieser Hinsicht zu beschneiden. Der FDP-Gesundheitsminister scheint insoweit vorerst das Schlimmste verhindert zu haben: Das Präventionsgesetz fiel glücklicherweise deutlich zurückhaltender aus als ursprünglich geplant.

Allerdings befürworte ich, freiwillig Übungen zu machen, um sich körperlich und geistig gesund zu erhalten. Daoistische Übungen wie Tai Chi und Qigong sind dafür besonders geeignet. Aber, wie gesagt, das hat alles freiwillig zu geschehen. Der Staat hat sich da herauszuhalten.
Selbstverständlich kann der Staat da positive Anreize setzen, z.B. durch Kostenübernahmen, Bonus-Systeme usw, jedenfalls was die körperliche Gesundheit angeht. Das mit der geistigen Gesundheit ist schon schwieriger, ob da fernöstliche Esoterik erstattungsfähig sein muss oder sollte, möchte ich zumindest bezweifeln.
"Ich sage nicht, dass man sich hier zu siezen hätte oder ähnlichen Quatsch. Bei einem Forum von Juristen für Juristen ist meine Erwartungshaltung aber trotzdem nochmal eine andere als bei der Kneipe um die Ecke." OJ1988
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Re: Dao

Beitrag von hlubenow »

So, jetzt nochmal zum Thema:
schlemil hat geschrieben:Der Daoismus lehrt laut dem DTV-Philosophie-Atlas:
" Je mehr Gesetze und Vorschriften, desto mehr Verbrecher gibt es auch.
Je weniger der Herrscher regiert, umso besser wird sein Land sein."

Gibt es hier dazu Meinungen?
Ich denke, das entspricht dem, was wir "freiheitlich-demokratische Grundordnung" nennen: Wir lassen der Natur grundsätzlich ihren Lauf, wir lassen die Menschen grundsätzlich das tun, was sie selbst wollen (Art. 2 Abs. 1 GG).
Und wir machen nur dann Gesetze, wenn eine Sache im Einzelfall nicht ohne Regelung auskommt.
Wir haben keine Ideologie, die wir mithilfe der Gesetze den Menschen aufzudrängen versuchen.

Gegenmodell wäre ein Staat, der meint, mit Gesetzen alles beherrschen und regeln zu können und der versucht, mithilfe der Gesetze die Menschen zu einem Idealbild zu führen. Ein Staat, der meint, die Gesellschaft könne wie eine Maschine weiterentwickelt werden, planende "Sozialingenieure" bewirkten gesellschaftlichen Fortschritt, so wie technische Ingenieure technischen Fortschritt bewirkten.

So ist es aber nicht: Gesetze wirken vielmehr wie eine Waage: Gibt man dem einen Rechte, nimmt man sie gleichzeitig dem anderen. Es kann keinen Fortschritt dahingehend geben, daß Gesetze das Recht immer weiter vermehren. Stattdessen kann man nur die oben als Bild verwendete Waage möglicherweise etwas besser justieren.
Deshalb setzen wir stattdessen auf die Freiheit des Individuums. Das ist im Grunde auch daoistisch.
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schlemil
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Re: Dao

Beitrag von schlemil »

hlubenow hat geschrieben:So, jetzt nochmal zum Thema:
schlemil hat geschrieben:Der Daoismus lehrt laut dem DTV-Philosophie-Atlas:
" Je mehr Gesetze und Vorschriften, desto mehr Verbrecher gibt es auch.
Je weniger der Herrscher regiert, umso besser wird sein Land sein."

Gibt es hier dazu Meinungen?
Ich denke, das entspricht dem, was wir "freiheitlich-demokratische Grundordnung" nennen: Wir lassen der Natur grundsätzlich ihren Lauf, wir lassen die Menschen grundsätzlich das tun, was sie selbst wollen (Art. 2 Abs. 1 GG).
Und wir machen nur dann Gesetze, wenn eine Sache im Einzelfall nicht ohne Regelung auskommt.
Wir haben keine Ideologie, die wir mithilfe der Gesetze den Menschen aufzudrängen versuchen.

Gegenmodell wäre ein Staat, der meint, mit Gesetzen alles beherrschen und regeln zu können und der versucht, mithilfe der Gesetze die Menschen zu einem Idealbild zu führen. Ein Staat, der meint, die Gesellschaft könne wie eine Maschine weiterentwickelt werden, planende "Sozialingenieure" bewirkten gesellschaftlichen Fortschritt, so wie technische Ingenieure technischen Fortschritt bewirkten.

So ist es aber nicht: Gesetze wirken vielmehr wie eine Waage: Gibt man dem einen Rechte, nimmt man sie gleichzeitig dem anderen. Es kann keinen Fortschritt dahingehend geben, daß Gesetze das Recht immer weiter vermehren. Stattdessen kann man nur die oben als Bild verwendete Waage möglicherweise etwas besser justieren.
Deshalb setzen wir stattdessen auf die Freiheit des Individuums. Das ist im Grunde auch daoistisch.
Gut, das erklärt natürlich den Schönfelder (ca. 3000 Seiten reiner Gesetzestext), den Sartorius (ebenso ca. 3000 Seiten reiner Gesetzestext) und die jeweiligen landesspezifischen Gesetzessammlungen (nochmals ca. 3000 Seiten reiner Gesetzestext) nur als grundlegendes Hilfsmittel für Jura-Examenskandidaten, sowie die - wie ich meine, gehört zu haben - rund 30000 EU-Verordnungen und die ganzen juristischen Bibliotheken mit juristischer Sekundärliteratur voll, etc. .......

"Je weniger der Herrscher regiert, umso besser wird sein Land sein" - das scheint vielleicht - gar nicht mal so beklagenswerterweise - der jetzigen Bundeskanzlerin und Bundesregierung in einer Form mit als Leitbild vorzuschweben.
Der, die, das - wer, wie, was - wieso, weshalb, warum - wer nicht fragt, bleibt dumm!
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Re: Dao

Beitrag von hlubenow »

schlemil hat geschrieben:
hlubenow hat geschrieben:So, jetzt nochmal zum Thema:
schlemil hat geschrieben:Der Daoismus lehrt laut dem DTV-Philosophie-Atlas:
" Je mehr Gesetze und Vorschriften, desto mehr Verbrecher gibt es auch.
Je weniger der Herrscher regiert, umso besser wird sein Land sein."

Gibt es hier dazu Meinungen?
Ich denke, das entspricht dem, was wir "freiheitlich-demokratische Grundordnung" nennen: Wir lassen der Natur grundsätzlich ihren Lauf, wir lassen die Menschen grundsätzlich das tun, was sie selbst wollen (Art. 2 Abs. 1 GG).
Und wir machen nur dann Gesetze, wenn eine Sache im Einzelfall nicht ohne Regelung auskommt.
Wir haben keine Ideologie, die wir mithilfe der Gesetze den Menschen aufzudrängen versuchen.

Gegenmodell wäre ein Staat, der meint, mit Gesetzen alles beherrschen und regeln zu können und der versucht, mithilfe der Gesetze die Menschen zu einem Idealbild zu führen. Ein Staat, der meint, die Gesellschaft könne wie eine Maschine weiterentwickelt werden, planende "Sozialingenieure" bewirkten gesellschaftlichen Fortschritt, so wie technische Ingenieure technischen Fortschritt bewirkten.

So ist es aber nicht: Gesetze wirken vielmehr wie eine Waage: Gibt man dem einen Rechte, nimmt man sie gleichzeitig dem anderen. Es kann keinen Fortschritt dahingehend geben, daß Gesetze das Recht immer weiter vermehren. Stattdessen kann man nur die oben als Bild verwendete Waage möglicherweise etwas besser justieren.
Deshalb setzen wir stattdessen auf die Freiheit des Individuums. Das ist im Grunde auch daoistisch.
Gut, das erklärt natürlich den Schönfelder (ca. 3000 Seiten reiner Gesetzestext), den Sartorius (ebenso ca. 3000 Seiten reiner Gesetzestext) und die jeweiligen landesspezifischen Gesetzessammlungen (nochmals ca. 3000 Seiten reiner Gesetzestext) nur als grundlegendes Hilfsmittel für Jura-Examenskandidaten, sowie die - wie ich meine, gehört zu haben - rund 30000 EU-Verordnungen und die ganzen juristischen Bibliotheken mit juristischer Sekundärliteratur voll, etc. .......
Erstmal: In meinem vorherigen Posting hatte ich einen mehr oder weniger eigenen Gedanken dargestellt, den ich mal hatte, nachdem ich in einem rechtspholosophischen Buch was über Soziologie gelesen hatte und das mit dem zu vergleichen versuchte, was ich in den Grundrechtsvorlesungen gehört hatte. In dem Abschnitt über Soziologie war z.B. die Rede von jenem "Sozialingenieur", und mir schien das der Konzeption von Art. 2 Abs. 1 GG völlig zuwiderzulaufen (s.o.). Ich denke also schon, daß meine These richtig ist, aber wissenschaftlich belegt ist mein Posting nicht unbedingt. Trotzdem wichtig, mal darüber nachzudenken.

Es stimmt natürlich, daß wir heute eine Flut von Vorschriften haben. Bei Schwabe, "Grundkurs Staatsrecht" finde ich dazu folgenden Abschnitt:
J. Schwabe hat geschrieben:Vermutung für die Freiheit
... Man geht von der Freiheit aus und qualifiziert alles als erlaubt, was nicht ausdrücklich verboten ist. Dieses Denken von der Freiheit her schließt keineswegs das Ergebnis aus, daß am Ende von der Freiheit nicht allzuviel übrig bleibt. In der Tat wird ja unser Freiheitsspielraum leider zunehmend eingeschränkt, man kann ja kaum noch einen Baum pflanzen, ohne sich an Rechtsvorschriften zu stoßen. Aber das verträgt sich gleichwohl mit einer Vermutung für die Freiheit.
Das meinte ich oben: Man geht von der Freiheit aus und macht so viele Regelungen wie nötig und so wenige wie möglich. Andere gehen von einem Ideal aus und versuchen, die Gesellschaft durch Gesetze dorthin zu verbiegen. Das klappt auf die Dauer nicht, weil man sich so gegen die Natur stellt.

Leider gibt es auch bei uns überflüssige Gesetze. Es gibt das Bestreben zum Bürokratieabbau (Verwaister Link http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2013/07/2013-07-02-normenkontrollrat.html;jsessionid=F63FF7A0A27DF4CC61F0083E251BBE09.s4t2?nn=392426 automatisch entfernt), aber das ist eher halbherzig. Andere Ländern erlassen erheblich weniger Gesetze und lösen auftretende Probleme stattdessen durch "case law".
schlemil hat geschrieben:"Je weniger der Herrscher regiert, umso besser wird sein Land sein" - das scheint vielleicht - gar nicht mal so beklagenswerterweise - der jetzigen Bundeskanzlerin und Bundesregierung in einer Form mit als Leitbild vorzuschweben.
Aus neuerer Zeit fällt mir zunächst Bismarck ein, der sagte, die Regierung könne die Geschichte nicht kontrollieren und bestimmen. Sie könne nur versuchen, angemessen auf sie zu reagieren (mir fällt da immer das Bild "darauf surfen" ein ;) ).
Kohl saß alles aus, Schröder verfolgte eine "Politik der ruhigen Hand".
Im Grunde ist das "Wu wei", und insofern auch weise, auch wenn den Politikern die Theorie des Daoismus wohl nicht allzu vertraut gewesen sein dürfte.

Edit: Von Merkels Politikstil wurde bei Anne Will sogar schonmal behauptet, das sei Aikido.
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Re: Dao

Beitrag von schlemil »

hlubenow hat geschrieben: Edit: Von Merkels Politikstil wurde bei Anne Will sogar schonmal behauptet, das sei Aikido.

http://www.youtube.com/watch?v=FUp4-r4ym3E
http://www.youtube.com/watch?v=JQx5niLgXF0

Nenne es "Aikido", oder wie auch immer, ist eigentlich eher egal!
Der, die, das - wer, wie, was - wieso, weshalb, warum - wer nicht fragt, bleibt dumm!
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Re: Dao

Beitrag von hlubenow »

schlemil hat geschrieben:
hlubenow hat geschrieben: Edit: Von Merkels Politikstil wurde bei Anne Will sogar schonmal behauptet, das sei Aikido.

http://www.youtube.com/watch?v=FUp4-r4ym3E
http://www.youtube.com/watch?v=JQx5niLgXF0

Nenne es "Aikido", oder wie auch immer, ist eigentlich eher egal!
:-k Hab' mir die Torwartvideos angesehen, aber da werden weder "Wu Wei", noch sonstige Aikidoprinzipien umgesetzt.
Tut mir leid, aber wenn Du meinst, es sei "eigentlich eher egal", dann hast Du "Wu wei" und den Daoismus noch nicht verstanden. Ich weiß ja nicht, ob das Dein Ziel ist, aber Dein Ausgangsposting deutete für mich darauf hin.
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