schlemil hat geschrieben:hlubenow hat geschrieben:So, jetzt nochmal zum Thema:
schlemil hat geschrieben:Der Daoismus lehrt laut dem DTV-Philosophie-Atlas:
" Je mehr Gesetze und Vorschriften, desto mehr Verbrecher gibt es auch.
Je weniger der Herrscher regiert, umso besser wird sein Land sein."
Gibt es hier dazu Meinungen?
Ich denke, das entspricht dem, was wir "freiheitlich-demokratische Grundordnung" nennen: Wir lassen der Natur grundsätzlich ihren Lauf, wir lassen die Menschen grundsätzlich das tun, was sie selbst wollen (Art. 2 Abs. 1 GG).
Und wir machen nur dann Gesetze, wenn eine Sache im Einzelfall nicht ohne Regelung auskommt.
Wir haben keine Ideologie, die wir mithilfe der Gesetze den Menschen aufzudrängen versuchen.
Gegenmodell wäre ein Staat, der meint, mit Gesetzen alles beherrschen und regeln zu können und der versucht, mithilfe der Gesetze die Menschen zu einem Idealbild zu führen. Ein Staat, der meint, die Gesellschaft könne wie eine Maschine weiterentwickelt werden, planende "Sozialingenieure" bewirkten gesellschaftlichen Fortschritt, so wie technische Ingenieure technischen Fortschritt bewirkten.
So ist es aber nicht: Gesetze wirken vielmehr wie eine Waage: Gibt man dem einen Rechte, nimmt man sie gleichzeitig dem anderen. Es kann keinen Fortschritt dahingehend geben, daß Gesetze das Recht immer weiter vermehren. Stattdessen kann man nur die oben als Bild verwendete Waage möglicherweise etwas besser justieren.
Deshalb setzen wir stattdessen auf die Freiheit des Individuums. Das ist im Grunde auch daoistisch.
Gut, das erklärt natürlich den Schönfelder (ca. 3000 Seiten reiner Gesetzestext), den Sartorius (ebenso ca. 3000 Seiten reiner Gesetzestext) und die jeweiligen landesspezifischen Gesetzessammlungen (nochmals ca. 3000 Seiten reiner Gesetzestext) nur als grundlegendes Hilfsmittel für Jura-Examenskandidaten, sowie die - wie ich meine, gehört zu haben - rund 30000 EU-Verordnungen und die ganzen juristischen Bibliotheken mit juristischer Sekundärliteratur voll, etc. .......
Erstmal: In meinem vorherigen Posting hatte ich einen mehr oder weniger eigenen Gedanken dargestellt, den ich mal hatte, nachdem ich in einem rechtspholosophischen Buch was über Soziologie gelesen hatte und das mit dem zu vergleichen versuchte, was ich in den Grundrechtsvorlesungen gehört hatte. In dem Abschnitt über Soziologie war z.B. die Rede von jenem "
Sozialingenieur", und mir schien das der Konzeption von Art. 2 Abs. 1 GG völlig zuwiderzulaufen (s.o.). Ich denke also schon, daß meine These richtig ist, aber wissenschaftlich belegt ist mein Posting nicht unbedingt. Trotzdem wichtig, mal darüber nachzudenken.
Es stimmt natürlich, daß wir heute eine Flut von Vorschriften haben. Bei Schwabe, "Grundkurs Staatsrecht" finde ich dazu folgenden Abschnitt:
J. Schwabe hat geschrieben:Vermutung für die Freiheit
... Man geht von der Freiheit aus und qualifiziert alles als erlaubt, was nicht ausdrücklich verboten ist. Dieses Denken von der Freiheit her schließt keineswegs das Ergebnis aus, daß am Ende von der Freiheit nicht allzuviel übrig bleibt. In der Tat wird ja unser Freiheitsspielraum leider zunehmend eingeschränkt, man kann ja kaum noch einen Baum pflanzen, ohne sich an Rechtsvorschriften zu stoßen. Aber das verträgt sich gleichwohl mit einer Vermutung für die Freiheit.
Das meinte ich oben: Man geht von der Freiheit aus und macht so viele Regelungen wie nötig und so wenige wie möglich. Andere gehen von einem Ideal aus und versuchen, die Gesellschaft durch Gesetze dorthin zu verbiegen. Das klappt auf die Dauer nicht, weil man sich so gegen die Natur stellt.
Leider gibt es auch bei uns überflüssige Gesetze. Es gibt das Bestreben zum
Bürokratieabbau (Verwaister Link http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2013/07/2013-07-02-normenkontrollrat.html;jsessionid=F63FF7A0A27DF4CC61F0083E251BBE09.s4t2?nn=392426 automatisch entfernt), aber das ist eher halbherzig. Andere Ländern erlassen erheblich weniger Gesetze und lösen auftretende Probleme stattdessen durch "
case law".
schlemil hat geschrieben:"Je weniger der Herrscher regiert, umso besser wird sein Land sein" - das scheint vielleicht - gar nicht mal so beklagenswerterweise - der jetzigen Bundeskanzlerin und Bundesregierung in einer Form mit als Leitbild vorzuschweben.
Aus neuerer Zeit fällt mir zunächst Bismarck ein, der sagte, die Regierung könne die Geschichte nicht kontrollieren und bestimmen. Sie könne nur versuchen, angemessen auf sie zu reagieren (mir fällt da immer das Bild "darauf surfen" ein
).
Kohl saß alles aus, Schröder verfolgte eine "Politik der ruhigen Hand".
Im Grunde ist das "Wu wei", und insofern auch weise, auch wenn den Politikern die Theorie des Daoismus wohl nicht allzu vertraut gewesen sein dürfte.
Edit: Von Merkels Politikstil wurde bei Anne Will sogar schonmal behauptet,
das sei Aikido.