Zu § 184j StGB (Aus Gruppen): Also nachdem ich es nun gelesen habe, hat § 184j StGB ja doch einige Einschränkungen. Ich muss mich "Beteiligen an einer Gruppe", muss "billigend in Kauf nehmen, dass Straftaten aus der Gruppe begangen werden" und muss "Billigend in Kauf nehmen, dass dafür Leute Bedrängt werden". Es ist also ein Gesetz, welches tatsächlich auf die Kölnervorfälle zugeschnitten ist und gerade nicht den hiesigen Kegelclub oder den Junggesellenabschied betrifft. In der Praxis wird es dazu natürlich nie zu einer Verurteilung kommen, weil der Haufen an subjektiven Elementen nicht nachweisbar sein wird.
Zu § 184i StGB (Sexuelle Belästigung): Grundsätzlich ist es ja der einzige Tatbestand, den ich in der ganzen Reform für notwendig erachtet habe. Das Problem was ich aber ja schon vor einigen Seiten hier im Thread sah, hat der Gesetzgeber aber schlicht ignoriert. Nun wird jedes "Berühren auf sexuell bestimmter Weise" bestraft, wenn es die andere Person "belästigt". Das "belästigt" ist ein schlechter Versuch sozialadäquates Verhalten auszuklammern. Denn "belästigt" ist hier als subjektives Element beim Opfer angesiedelt. Also anders als z.B. bei der Beleidigung kommt es sehr wohl darauf an, ob sich das Opfer belästigt fühlt. Denn "An einer Belästigung fehlt es, wenn die betroffene Person einwilligt oder der Vorgang bei ihr nur Interesse, Verwunderung oder Vergnügen auslöst". Das Opfer und dessem Empfinden wird also zum "Gatekeeper" für den Tatbestand und nicht mehr nur für die Strafverfolgung durch seinen Antrag. Eine komische (und meines Erachtens auch überflüssige) Entscheidung.
So oder so wurde gegen diesen Straftatbestand heute morgen aber vermutlich schon millionenfach in Deutschland verstoßen. Jeder der seine noch Müde Ehefrau von hinten umarmt und geküsst hat und sie sich aufgrund der noch vorhandenen Schläfrigkeit belästigt fühlte, hätte sich demnach strafbar gemacht. Das kann doch nicht deren ernst sein... Und da hilft auch nicht, dass Hörnele lapidar sagt "Wer wird seinen Ehepartner dann da schon anzeigen?"... Es ist einfach absurd..
Zu § 177 (Sexuelle Nötigung): Meines Erachtens führt die Reform gerade nicht dazu, dass die immer erwähnten "Schutzlücken" nun geschlossen werden. Die Abgeordneten gingen ganz offensichtlich davon aus, dass man für den heutigen § 177 StGB ein "Wehren" oder ein "Versuch des Wehrens" des Opfers verlangt hat. Das ist aber schlicht falsch (Gewalt geht auch ohne wehren. Zum Beispiel wenn man jemanden von hinten niederschlägt). Darum wird nun verlangt, dass der Täter sich über den entgegenstehenden Willen hinweggesetzt hat. Die entgegenstehenden Willen muss das Opfer aber, wie bisher auch, noch immer ausdrücken. In der Gesetzesbegründung heißt es: „Denn es ist dem Opfer zuzumuten, dem entgegenstehenden Willen zum Tatzeitpunkt eindeutig Ausdruck zu verleihen“.
Die immer wieder aufgezählten angeblichen Strafbarkeitslücken werden dadurch aber gerade nicht geschlossen. Die immer wieder durch den Ring geschliffene Frau, die nicht wollte, dass ihre Kinder aufgeweckt werden und deswegen den Analsex schweigend über sich ergehen lassen hat, ist auch weiterhin nicht dadurch geschützt. Es werden mit dem neuen Straftatbestand exakt die Fälle erfasst, die auch heute schon strafbar sind. Dadurch wird der Straftatbestand jetzt aber überflüssig, da die ganzen alten Tatbestände ja einfach nur ein paar Absätze tiefer gerutscht sind und eine höhere Strafe vorsehen.
Noch verrückter ist aber § 177 II Nr. 3 StGB, der meines Erachtens nur ein Redaktionsversehen sein kann. Es soll künftig folgendes strafbar sein:
Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt.
Hier werden EINVERNEHMLICHE sexuelle Handlungen unter Strafe gestellt. Tatbestandsmerkmale: 1. Sexuelle Handlung 2. andere Person 3. Überraschungsmoment ausnutzen
Die Gesetzesbegründung hilft bei der Auslegung von TBM 3 und es heißt: "Das Überraschungsmoment wird von dem Täter auch ausgenutzt, wenn das Opfer im letzten Moment zwar noch des sexuellen Übergriffs gewahr wird und noch einen entgegenstehenden Willen
bilden, diesen aber nicht mehr dergestalt äußern
kann." [Hervorherbung durch mich]. Das Ausnutzen setzt ebenfalls keinen entgegenstehenden Willen voraus. Beim Ausnutzen beruft man sich auf die Begründung zu Nr. 1 und dort lautet sie nach der alglemeinen Definition: "Der Täter nutzt eine solche Lage aus, wenn er sie erkennt und sich für die sexuelle Handlung zunutze macht"
Es geht also nicht darum, dass dieser "entgegenstehende Wille" gebildet wird, sondern nur darum, dass dieser "gebildet werden kann". Oder ein Beispiel:
Im Audimax greift Student Sau S seiner langjährigen frivolen Freundin F völlig überraschend unter den Rock und befriedigt F bis zum Orgasmus. F ist völlig überrascht genießt es aber. S erkannte dabei, dass F völlig überrascht sein wird und wollte diese sich gezielt zunutze machen, um es für beide spannender zu machen.
Wir haben hier tatsächlich eine Strafbarkeit des S. Es droht S eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein Strafantrag der F wird nicht verlangt. Da die Handlung nicht gegen den Willen der Person erfolgen muss, kann ein Einverständnis nicht erfolgen. Eine Einwilligung muss vor der Handlung erfolgen, was es hier nicht gab. Somit wird S tatsächlich bestraft.
Es wird übrigens noch abstruser, dass S sogar das Regelbeispiel aus § 177 VI Nr. 1 verwirklicht hat (Beischlafähnlichehandlung).
Das Gesetz hat es also tatsächlich geschafft, dass eine normale Sexualität zwischen sei erwachsenen Menschen kriminalisiert wird....
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11