Entwicklung der Türkei

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[enigma]
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Re: Entwicklung der Türkei

Beitrag von [enigma] »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:Ansonsten ist natürlich offensichtlich, dass das heute ein Versuch war, sich auf türkischen Druck hin doch noch etwas mehr distanzieren (der dann aber, für diese Regierung typisch, doch nicht so ganz geklappt hat...).
Du unterstellst, dass es die Absicht der BReg war, sich zu distanzieren, dies aber nicht geklappt hat. Dafür sehe ich keinerlei Belege. Es hätte doch aber geklappt, sich zu distanzieren, wenn die Regierung die Erklärung einfach unkommentiert gelassen hätte. Man hätte Seibert auch ausdrücklich erklären lassen können, dass die BReg sich distanziert. Wer den Wortlaut liest, merkt sofort, dass diese ausdrücklich KEINE Distanzierung darstellt. Stattdessen wird später "aus dem Merkel Lager" ausdrücklich erklärt, dass damit keine Distanzierung verbunden ist, was ja gar nicht nötig gewesen wäre. Beziehungsweise nur nötig wurde, weil einige Medien bereits Stunden vorher dachten, von einer bevorstehenden Distanzierung berichten zu müssen. Spricht für mich dafür, dass es der Regierung tatsächlich nicht um eine Distanzierung geht. Man macht sich die Resulotion lediglich nicht zu eigen, weil man das für diplomatisch nicht opportun hält. Die heutige Erklärung war offensichtlich das Maximum, das die BReg bereit ist, Erdogan entgegen zu kommen. Und sämtliche Vorabmeldungen von wegen "ausdrückliche Distanzierung" waren völlig übertrieben.

Dass die Erwartung der Regierungskritiker, man dürfe Erdogan schlichtweg keinen Zentimeter entgegenkommen nicht nur dämlich, sondern außenpolitisch völlig verantwortungslos ist, habe ich ja schon dargelegt.
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Re: Entwicklung der Türkei

Beitrag von Honigkuchenpferd »

[enigma] hat geschrieben:
Honigkuchenpferd hat geschrieben:Ansonsten ist natürlich offensichtlich, dass das heute ein Versuch war, sich auf türkischen Druck hin doch noch etwas mehr distanzieren (der dann aber, für diese Regierung typisch, doch nicht so ganz geklappt hat...).
Du unterstellst, dass es die Absicht der BReg war, sich zu distanzieren, dies aber nicht geklappt hat. Dafür sehe ich keinerlei Belege. Es hätte doch aber geklappt, sich zu distanzieren, wenn die Regierung die Erklärung einfach unkommentiert gelassen hätte. Man hätte Seibert auch ausdrücklich erklären lassen können, dass die BReg sich distanziert. Wer den Wortlaut liest, merkt sofort, dass diese ausdrücklich KEINE Distanzierung darstellt. Stattdessen wird später "aus dem Merkel Lager" ausdrücklich erklärt, dass damit keine Distanzierung verbunden ist, was ja gar nicht nötig gewesen wäre. Beziehungsweise nur nötig wurde, weil einige Medien bereits Stunden vorher dachten, von einer bevorstehenden Distanzierung berichten zu müssen. Spricht für mich dafür, dass es der Regierung tatsächlich nicht um eine Distanzierung geht. Man macht sich die Resulotion lediglich nicht zu eigen, weil man das für diplomatisch nicht opportun hält. Die heutige Erklärung war offensichtlich das Maximum, das die BReg bereit ist, Erdogan entgegen zu kommen. Und sämtliche Vorabmeldungen von wegen "ausdrückliche Distanzierung" waren völlig übertrieben.
Nach der Vorabmeldung im "Spiegel" in dieser Form stand die Regierung unter erheblichem Druck. Es war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht beabsichtigt, dass das "rechtlich unverbindlich" unter "Aber keine Distanzierung"-Rufen untergeht. Ob es Erdogan dennoch zufrieden stellt oder sogar kontraproduktiv ist, wird sich, wie gesagt, zeigen.
Dass die Erwartung der Regierungskritiker, man dürfe Erdogan schlichtweg keinen Zentimeter entgegenkommen nicht nur dämlich, sondern außenpolitisch völlig verantwortungslos ist, habe ich ja schon dargelegt.
Du hast natürlich recht. Einen Völkermord sollte man im Angesicht eines Diktators, der einen eben solchen wieder verübten könnte (diesmal an den Kurden), keinesfalls klipp und klar so nennen. Alles andere wäre verantwortungslos. Bedauerlicherweise gibt es weltweit sehr viele "dämliche Verantwortungslose":

https://en.wikipedia.org/wiki/Armenian_ ... overnments
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Re: Entwicklung der Türkei

Beitrag von [enigma] »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:
Nach der Vorabmeldung im "Spiegel" in dieser Form stand die Regierung unter erheblichem Druck. Es war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht beabsichtigt, dass das "rechtlich unverbindlich" unter "Aber keine Distanzierung"-Rufen untergeht. Ob es Erdogan dennoch zufrieden stellt oder sogar kontraproduktiv ist, wird sich, wie gesagt, zeigen.
Natürlich war das nicht beabsichtigt. Wäre auch nicht nötig gewesen, wenn die Vorabmeldungen nicht offensichtlich falsch gewesen wären. Wie gesagt lässt sich die Distanzierung dem Wortlaut gerade nicht entnehmen.
Du hast natürlich recht. Einen Völkermord sollte man im Angesicht eines Diktators, der einen eben solchen wieder verübten könnte (diesmal an den Kurden), keinesfalls klipp und klar so nennen. Alles andere wäre verantwortungslos. Bedauerlicherweise gibt es weltweit sehr viele "dämliche Verantwortungslose":

https://en.wikipedia.org/wiki/Armenian_ ... overnments
Ich bezweifle weder, dass die Türkei vor fast 100 Jahren einen Völkermord an den Armeniern verübt hat, noch bestreitet die Bundesregierung dies. Es geht um die Frage, ob die Erklärung, die BT-Resolution sei rechtlich unverbindlich ein unerträgliches Entgegenkommen der Bundesregierung und einen "Kotau" (ich kann es langsam echt nicht mehr hören) darstellt. Das ist einfach simplifizierend und falsch. Die Bundesregierung muss (anders als der Bundestag) abwägen, welche diplomatischen Vorteile und Nachteile eine eindeutige Benennung des Völkermords als solcher hätte. Und ist zum gut vertretbaren Ergebnis gekommen, dass die Lösung "BT erkennt den Völkermord an, BReg äußert sich nicht dazu" ein guter Kompromiss ist, der in der Diplomatie keinesfalls unüblich ist. Ähnliche Differenzierungen hat man mit der Anerkennung von Staaten, insbesondere Palästina. Ich halte es für weltfremd, auf der moralisch zwar durchaus richtigen Lösung zu beharren, ohne aber die außenpolitischen Einflüsse zu beachten. Insbesondere von denjenigen, die ihre Gegner ansonsten gerne der Moralisierung beschuldigen.

Für absolut zynisch halte ich es übrigens, die inahltlich zwar richtige, offensichtlich aber taktisch motivierte Resolution des Bundestags mit einem angeblich bevorstehenden Völkermord an den Kurden zu rechtfertigen. 70 Jahre hat Deutschland zum Völkermord an den Armeniern geschwiegen und jetzt wird er zum Spielball in einer aktuellen politischen Frage und als solcher auch noch bejubelt? Der Bundestag wollte offensichtlich demonstrieren, dass sich Deutschland nicht von Erdogan abhängig gemacht hat. Respekt vor dem armenischen Volk sieht meiner Meinung anch anders aus.

Wenn Erdogan sich nen Ast freut, weil die Bundesregierung öffentlich erklärt, welche tatsächliche Relevanz die BT-Resolution hatte (nämlich keine), soll er das machen. Wenn Deutschland davon konkrete politische Vorteile hat, umso besser. Ich verlange auch von niemandem, dass er das genauso wie ich als diplomatischen Erfolg wertet. Insbesondere kann man meinetwegen auch kritisieren, dass die Bundesregierung sich der Resulotion nicht ausdrücklich angeschlossen hat, ich sehe es aus oben genannten Gründen halt anders. Diesbezüglich war die heutige Erklärung aber nunmal völlig irrelevant. Ich halte nur die Dramatisierung einerseits und die teilweise offensichtlich unrichtigen Tatsachenbehauptungen (à la "Kehrtwende") für nicht nachvollziehbar. Und mE lässt sich insbesondere an den Spiegel-Artikeln gut nachvollziehen, wie man nun versucht, die übereilte und falsche Vorabmeldung nachträglich zu rechtfertigen, indem man Dinge in die Erklärung hinein interpretiert, die dort nicht drin sind.
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Re: Entwicklung der Türkei

Beitrag von Honigkuchenpferd »

[enigma] hat geschrieben:Natürlich war das nicht beabsichtigt. Wäre auch nicht nötig gewesen, wenn die Vorabmeldungen nicht offensichtlich falsch gewesen wären. Wie gesagt lässt sich die Distanzierung dem Wortlaut gerade nicht entnehmen.
Auch wenn du dich zigmal auf den Kopf stellst: In einer solchen Stellungnahme darzulegen, die Resolution sei "rechtlich unverbindlich", ist eine Distanzierung.
Ich bezweifle weder, dass die Türkei vor fast 100 Jahren einen Völkermord an den Armeniern verübt hat, noch bestreitet die Bundesregierung dies. Es geht um die Frage, ob die Erklärung, die BT-Resolution sei rechtlich unverbindlich ein unerträgliches Entgegenkommen der Bundesregierung und einen "Kotau" (ich kann es langsam echt nicht mehr hören) darstellt. Das ist einfach simplifizierender Blödsinn. Die Bundesregierung muss (anders als der Bundestag) abwägen, welche Vorteile und Nachteile eine eindeutige Benennung des Völkermords als solcher hätte. Und ist zum gut vertretbaren Ergebnis gekommen, dass die Lösung "BT erkennt den Völkermord an, BReg äußert sich nicht dazu" ein guter Kompromiss ist, der in der Diplomatie keinesfalls unüblich ist. Die gleiche Situation hat man mit der Anerkennung von Staaten, insbesondere Palästina. Ich halte es für weltfremd, auf der moralisch zwar durchaus richtige Lösung zu beharren, ohne aber die außenpolitischen Einflüsse zu beachten. Insbesondere von denjenigen, die ihre Gegner ansonsten gerne der Moralisierung beschuldigen.
Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Es ist faszinierend, wie Leute, die eine (angebliche) Moral sonst überhöhen und allem überordnen wollen, (unter anderem) in diesem Fall keinerlei Probleme haben, noch in die tiefsten Untiefen hinabzusteigen. Haben Opfer eines Völkermordes keinen Anspruch darauf, dass man das, was ihnen bzw. ihren Angehörigen angetan worden ist, wenigstens beim Namen nennt und dann nicht wieder in Zweifel zieht? Wie kann man bitte ignorieren, dass eine solche Aussage den türkischen Medien gerade dazu dienen sollte, die historische Wahrheit wieder infrage zu stellen?

Es wird dir auch nicht gelingen, die übrigen Zusammenhänge im Nebel verschwinden zu lassen: Der Bundestag hat sehr lange gezögert, diese Resolution zu verabschieden. Erst 2016 gelang es, dann aber mit überwältigender Mehrheit, angesichts von Erdogans jüngstem Feldzug gegen die Kurden, sie endlich zu verabschieden. Die Bundesregierung wollte sich nicht hinter diese Resolution stellen, aber sie auch nicht von sich weisen. Erst auf eine Erpressung Erdogans hin, der einen Besuch deutscher Abgeordneten bei den deutschen Soldaten in der Türkei nicht mehr zulassen wollte, hat man den Sachverhalt Monate später wieder auf die Agenda gesetzt und zu dem "Wording" gefunden, die Resolution sei "rechtlich unverbindlich". Aber der tolle diplomatische Trick ist dann eben doch nicht so ganz aufgegangen - gerade weil die deutsche Bevölkerung es in ihrer Mehrheit nicht goutiert, Völkermorde nicht beim Namen zu nennen. Eine noch deutlichere Distanzierung wäre deshalb gar nie möglich gewesen.

Was die Bundesregierung hier getan hat, ist sicherlich nicht "gut vertretbar". Es ist überhaupt nicht vertretbar. Das wäre die wahre Lehre aus der deutschen Geschichte gewesen - und mit einiger Evidenz auch die der Realpolitik. Erdogan tanzt nämlich jedem, bei der er Schwäche wittert, auf der Nase herum.
Für absolut zynisch halte ich es übrigens, die inahltlich zwar richtige, offensichtlich aber taktisch motivierte Resolution des Bundestags mit einem angeblich bevorstehenden Völkermord an den Kurden zu rechtfertigen. 70 Jahre hat Deutschland zum Völkermord an den Armeniern geschwiegen und jetzt wird er zum Spielball in einer aktuellen politischen Frage und als solcher auch noch bejubelt? Der Bundestag wollte offensichtlich demonstrieren, dass sich Deutschland nicht von Erdogan abhängig gemacht hat. Respekt vor dem armenischen Volk sieht meiner Meinung anch anders aus.
2015 kam es zu zahlreichen entsprechenden Resolutionen (anlässlich des 100-jährigen Gedenkens), in Deutschland erst 2016, und zwar tatsächlich unter dem Eindruck der jüngsten Entwicklungen in der Türkei. Diesen Zusammenhang gibt es. Abgesehen davon ist es völlig absurd, so zu tun, als habe diese Resolution, die mit überwältigender Mehrheit von ganz unterschiedlichen Kräften angenommen worden ist - auch von etlichen Türkischstämmigen, die deshalb bedroht wurden -, ausschließlich oder vorrangig den Zweck gehabt zu zeigen, dass "Deutschland sich nicht von Erdogan abhängig gemacht hat":

https://www.bundestag.de/dokumente/text ... ier/423826

Es ging darum, den Völkermord endlich als solchen anzuerkennen und auch eine Zeichen für die Zukunft zu setzen. Die Nonchalance, mit der du das Gegenteil unterstellst und so tust, als sei das so etwas wie Potenzgehabe des Bundestages gewesen, ist unglaublich.
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Re: Entwicklung der Türkei

Beitrag von [enigma] »

Honigkuchenpferd hat geschrieben: Auch wenn du dich zigmal auf den Kopf stellst: In einer solchen Stellungnahme darzulegen, die Resolution sei "rechtlich unverbindlich", ist eine Distanzierung.
Nein, das ist es nicht. Gerade (aber nicht nur) Juristen sollte das eigentlich einleuchten. Insbesondere setzt eine Distanzierung bereits denklogisch voraus, dass die Resolution inhaltlich zuvor auch der Bundesregierung zugeschrieben wurde. Tatsächlich war das aber nie der Fall.
Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Es ist faszinierend, wie Leute, die eine (angebliche) Moral sonst überhöhen und allem überordnen wollen, (unter anderem) in diesem Fall keinerlei Probleme haben, noch in die tiefsten Untiefen hinabzusteigen. Haben Opfer eines Völkermordes keinen Anspruch darauf, dass man das, was ihnen bzw. ihren Angehörigen angetan worden ist, wenigstens beim Namen nennt und dann nicht wieder in Zweifel zieht? Wie kann man bitte ignorieren, dass eine solche Aussage den türkischen Medien gerade dazu dienen sollte, die historische Wahrheit wieder infrage zu stellen?
Wieder in Frage zu stellen? Die türkischen Medien streiten den Völkermord seit eh und je ab, daran hat die Resolution doch überhaupt nichts geändert. Kritische Stimmen gibt es in der türkischen Medienöffentlichkeit ohnehin nicht. Und den paar mutigen Regierungskritikern, die es bisher gewagt haben, auch den Völkermord zu kritisieren, hat die Resolution einen Bärendienst erwiesen.
Es wird dir auch nicht gelingen, die übrigen Zusammenhänge im Nebel verschwinden zu lassen: Der Bundestag hat sehr lange gezögert, diese Resolution zu verabschieden. Erst 2016 gelang es, dann aber mit überwältigender Mehrheit, angesichts von Erdogans jüngstem Feldzug gegen die Kurden, sie endlich zu verabschieden. Die Bundesregierung wollte sich nicht hinter diese Resolution stellen, aber sie auch nicht von sich weisen. Erst auf eine Erpressung Erdogans hin, der einen Besuch deutscher Abgeordneten bei den deutschen Soldaten in der Türkei nicht mehr zulassen wollte, hat man den Sachverhalt Monate später wieder auf die Agenda gesetzt und zu dem "Wording" gefunden, die Resolution sei "rechtlich unverbindlich". Aber der tolle diplomatische Trick ist dann eben doch nicht so ganz aufgegangen - gerade weil die deutsche Bevölkerung es in ihrer Mehrheit nicht goutiert, Völkermorde nicht beim Namen zu nennen. Eine noch deutlichere Distanzierung wäre deshalb gar nie möglich gewesen.
Ich hatte nicht den Eindruck, das Bekenntnis der BReg zum Völkermord an den Armeniern sei in der deutschen Öffentlichkeit in den letzten Jahrzehnten als relevantes Anliegen wahrgenommen worden. Letztendlich geht es wohl eher um die (nachvollziehbare) Ablehnung Erdogans als Despoten. Da wird dann alles, was ihn ärgert, als Erfolg gefeiert. Das könnte man ja noch als kindisch und einigermaßen amüsant belächeln. Wenn derartige Motivationen dann aber in der Politik Einzug halten, führt das nur zu Konflikten und hilft letztendlich niemandem.
Was die Bundesregierung hier getan hat, ist sicherlich nicht "gut vertretbar". Es ist überhaupt nicht vertretbar. Das wäre die wahre Lehre aus der deutschen Geschichte gewesen - und mit einiger Evidenz auch die der Realpolitik. Erdogan tanzt nämlich jedem, bei der er Schwäche wittert, auf der Nase herum.
Naja, es wäre halt auch ein bisschen heuchlerisch gewesen, Erdogan den Völkermord an den Armeniern unter die Nase zu reiben wegen historischer Verantwortung und so und andererseits die Reparationsforderungen Griechenlands mit (sehr umstrittenen) juristischen Argumenten abzulehnen.
2015 kam es zu zahlreichen entsprechenden Resolutionen (anlässlich des 100-jährigen Gedenkens), in Deutschland erst 2016, und zwar tatsächlich unter dem Eindruck der jüngsten Entwicklungen in der Türkei. Diesen Zusammenhang gibt es.
Und genau das ist das Problem. Die aktuellen Entwicklungen haben nämlich mit dem Völkermord nichts zu tun. Waren aber der Anlass für dessen Anerkennung. Nachdem Deutschland Jahrzehnte lang offensichtlich keinen akuten Drang verspürte, seiner historischen Verantwortung durch die offizielle Anerkennung des Völkermords gerecht zu werden.
Es ging darum, den Völkermord endlich als solchen anzuerkennen und auch eine Zeichen für die Zukunft zu setzen. Die Nonchalance, mit der du das Gegenteil unterstellst und so tust, als sei das so etwas wie Potenzgehabe des Bundestages gewesen, ist unglaublich.
Mein Fehler. Es ist natürlich völlig ausgeschlossen, dass Bundestagsabgeordnete derartige Entscheidungen von öffentlichen Stimmungen abhängig machen und dabei eher darüber nachdenken, wie die Resolution bei den Wählern ankommt, während der Respekt vor den Armeniern eine eher untergeordnete Rolle spielt. Du hast Recht, das ist unglaublich und ich bin offensichtlich völlig realitätsfremd.
Zuletzt geändert von [enigma] am Freitag 2. September 2016, 23:31, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Entwicklung der Türkei

Beitrag von OJ1988 »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:
[enigma] hat geschrieben:Ist schon putzig, wie jetzt versucht wird, die Regierungserklärung so zu drehen, wie es einem am besten in den eigenen Kram passt. Einerseits soll es ne peinliche Distanzierung auf Druck der Türkei sein, andererseits dann wohl doch nicht wirklich. Der Wortlaut der Regierungserklärung gibt wie gesagt nichts her, was auf eine Distanzierung hindeutet, zu relativieren gibt es auch nichts. Immerhin hat die Bundesregierung stets betont, die Resolution nicht mitzutragen. Das kann man meinetwegen als feige und peinlich kritisieren, die heutige Erklärung ist jedenfalls keinesfalls irgend eine Kursänderung.
Ich habe deine Einlassungen (à la "peinliche" Resolution) in diesem Thread ja extra unkommentiert gelassen, weil es mir mittlerweile zu blöd geworden ist. Wenn du tatsächlich meinst, bei dieser Resolution sei es darum gegangen, "dicke Eier" zu zeigen, ist dir einfach nicht zu helfen. Aber wenn sich jemand die Dinge zurechtbiegt, dann bist das du. So ignorierst du halt auch sämtliche Äußerungen, die diese Resolution wie "Regierungserklärung" begleitet haben, namentlich aus Merkels Lager. Die Bundesregierung hat nie "betont", die Resolution nicht "mitzutragen". Sie hat es lediglich vermieden, sich eindeutig hinter sie zu stellen, und schon das war eine Sauerei, zumal die Resolution (was du ebenfalls bewusst ignorierst) im Kontext mit Erdogans Feldzug gegen die Kurden stand und steht. Ansonsten ist natürlich offensichtlich, dass das heute ein Versuch war, sich auf türkischen Druck hin doch noch etwas mehr distanzieren (der dann aber, für diese Regierung typisch, doch nicht so ganz geklappt hat...).
+1
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Re: Entwicklung der Türkei

Beitrag von Honigkuchenpferd »

[enigma] hat geschrieben:
Honigkuchenpferd hat geschrieben: Auch wenn du dich zigmal auf den Kopf stellst: In einer solchen Stellungnahme darzulegen, die Resolution sei "rechtlich unverbindlich", ist eine Distanzierung.
Nein, das ist es nicht. Gerade (aber nicht nur) Juristen sollte das eigentlich einleuchten. Insbesondere setzt eine Distanzierung bereits denklogisch voraus, dass die Resolution inhaltlich zuvor auch der Bundesregierung zugeschrieben wurde. Tatsächlich war das aber nie der Fall.
Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Es ist faszinierend, wie Leute, die eine (angebliche) Moral sonst überhöhen und allem überordnen wollen, (unter anderem) in diesem Fall keinerlei Probleme haben, noch in die tiefsten Untiefen hinabzusteigen. Haben Opfer eines Völkermordes keinen Anspruch darauf, dass man das, was ihnen bzw. ihren Angehörigen angetan worden ist, wenigstens beim Namen nennt und dann nicht wieder in Zweifel zieht? Wie kann man bitte ignorieren, dass eine solche Aussage den türkischen Medien gerade dazu dienen sollte, die historische Wahrheit wieder infrage zu stellen?
Wieder in Frage zu stellen? Die türkischen Medien streiten den Völkermord seit eh und je ab, daran hat die Resolution doch überhaupt nichts geändert. Kritische Stimmen gibt es in der türkischen Medienöffentlichkeit ohnehin nicht. Und den paar mutigen Regierungskritikern, die es bisher gewagt haben, auch den Völkermord zu kritisieren, hat die Resolution einen Bärendienst erwiesen.
Es wird dir auch nicht gelingen, die übrigen Zusammenhänge im Nebel verschwinden zu lassen: Der Bundestag hat sehr lange gezögert, diese Resolution zu verabschieden. Erst 2016 gelang es, dann aber mit überwältigender Mehrheit, angesichts von Erdogans jüngstem Feldzug gegen die Kurden, sie endlich zu verabschieden. Die Bundesregierung wollte sich nicht hinter diese Resolution stellen, aber sie auch nicht von sich weisen. Erst auf eine Erpressung Erdogans hin, der einen Besuch deutscher Abgeordneten bei den deutschen Soldaten in der Türkei nicht mehr zulassen wollte, hat man den Sachverhalt Monate später wieder auf die Agenda gesetzt und zu dem "Wording" gefunden, die Resolution sei "rechtlich unverbindlich". Aber der tolle diplomatische Trick ist dann eben doch nicht so ganz aufgegangen - gerade weil die deutsche Bevölkerung es in ihrer Mehrheit nicht goutiert, Völkermorde nicht beim Namen zu nennen. Eine noch deutlichere Distanzierung wäre deshalb gar nie möglich gewesen.
Ich hatte nicht den Eindruck, das Bekenntnis der BReg zum Völkermord an den Armeniern sei in der deutschen Öffentlichkeit in den letzten Jahrzehnten als relevantes Anliegen wahrgenommen worden. Letztendlich geht es wohl eher um die (nachvollziehbare) Ablehnung Erdogans als Despoten. Da wird dann alles, was ihn ärgert, als Erfolg gefeiert. Das könnte man ja noch als kindisch und einigermaßen amüsant belächeln. Wenn derartige Motivationen dann aber in der Politik Einzug halten, führt das nur zu Konflikten und hilft letztendlich niemandem.
Was die Bundesregierung hier getan hat, ist sicherlich nicht "gut vertretbar". Es ist überhaupt nicht vertretbar. Das wäre die wahre Lehre aus der deutschen Geschichte gewesen - und mit einiger Evidenz auch die der Realpolitik. Erdogan tanzt nämlich jedem, bei der er Schwäche wittert, auf der Nase herum.
Naja, es wäre halt auch ein bisschen heuchlerisch gewesen, Erdogan den Völkermord an den Armeniern unter die Nase zu reiben wegen historischer Verantwortung und so und andererseits die Reparationsforderungen Griechenlands mit (sehr umstrittenen) juristischen Argumenten abzulehnen.
2015 kam es zu zahlreichen entsprechenden Resolutionen (anlässlich des 100-jährigen Gedenkens), in Deutschland erst 2016, und zwar tatsächlich unter dem Eindruck der jüngsten Entwicklungen in der Türkei. Diesen Zusammenhang gibt es.
Und genau das ist das Problem. Die aktuellen Entwicklungen haben nämlich mit dem Völkermord nichts zu tun. Waren aber der Anlass für dessen Anerkennung. Nachdem Deutschland Jahrzehnte lang offensichtlich keinen akuten Drang verspürte, seiner historischen Verantwortung durch die offizielle Anerkennung des Völkermords gerecht zu werden.
Es ging darum, den Völkermord endlich als solchen anzuerkennen und auch eine Zeichen für die Zukunft zu setzen. Die Nonchalance, mit der du das Gegenteil unterstellst und so tust, als sei das so etwas wie Potenzgehabe des Bundestages gewesen, ist unglaublich.
Mein Fehler. Es ist natürlich völlig ausgeschlossen, dass Bundestagsabgeordnete derartige Entscheidungen von öffentlichen Stimmungen abhängig machen und dabei eher darüber nachdenken, wie die Resolution bei den Wählern ankommt, während der Respekt vor den Armeniern eine eher untergeordnete Rolle spielt. Du hast Recht, das ist unglaublich und ich bin offensichtlich völlig realitätsfremd.
Das Bemerkenswerte ist ja, dass dir diese ganze Rabulistik, die du nun wirklich auf die Spitze getrieben hast (es sind wirklich alle denkbaren Nebelkerzen mit dabei), selbst nicht peinlich ist. Jetzt stellst du sogar infrage, dass Erdogan natürlich Deutschland als Ganzes in Haftung für die Resolution genommen hat (womit sie der Bundesregierung eben sehr wohl "zugeschrieben wurde"), und behauptest sogar dreist, die Armenien-Resolution sei ein "Bärendienst" für die Regierungskritiker in der Türkei gewesen. Warum? Weil sie Erdogan zu einer kranken Blut-und-Bode-Rede animiert hat?

https://de.wikipedia.org/wiki/Erdo%C4%9 ... Bundestags

Wie gesagt: Es ist sinnlos, und deshalb werde ich auch nicht mehr weiter auf dich eingehen.
Zuletzt geändert von Honigkuchenpferd am Freitag 2. September 2016, 23:40, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Entwicklung der Türkei

Beitrag von [enigma] »

Persönliche Diffamierungen sprechen nicht gerade für die Qualität deiner Argumente. Du kannst nur ins Lächerliche ziehen ohne fundiert zu antworten. Ich dagegen bin auf jedes deiner Argumente eingegangen. Insofern ist es wohl tatsächlich besser, wenn wir diese Diskussion mal wieder auf diese Weise enden lassen. Beim nächsten Anlass werde ich dich dennoch wieder mit sachlichen Argumenten konfrontieren, so schnell gebe ich nicht auf. Versprochen :)
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Re: Entwicklung der Türkei

Beitrag von famulus »

Das ist genau das, was Honigkuchenpferds Rhetorik in den politischen Debatten so unerträglich macht: die wenigen Argumente überzeugen nicht bzw. werden durch unangebrachte Arroganz und persönliche Angriffe völlig entwertet. Das hier war jedenfalls mal wieder nix.
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Re: Entwicklung der Türkei

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Wie erwartet. Schön, dass man sich bei manchen einfach auf die Reflexe verlassen kann. Ansonsten halt eine völlige Parallelwelt. So kommt es dann auch, dass sich gerade jemand, der hier praktisch nie irgendwelche inhaltlichen Beiträge schreibt, sich dafür aber kaum eine Gelegenheit zum Pöbeln entgehen lässt, über "unangebrachte Arroganz und persönliche Angriffe" beschwert.
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Re: Entwicklung der Türkei

Beitrag von Sebast1an »

Die Distanzierung oder die angebliche "Klarstellung der Nicht-Distanzierung" war wohl erfolgreich: http://www.spiegel.de/politik/ausland/v ... 10762.html
Ich bin auch nur ein Mensch. Genauso wie ein Weißer Hai auch nur ein Fisch ist. (Zlatan Ibrahimović)
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Re: Entwicklung der Türkei

Beitrag von OJ1988 »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:Wie erwartet. Schön, dass man sich bei manchen einfach auf die Reflexe verlassen kann. Ansonsten halt eine völlige Parallelwelt. So kommt es dann auch, dass sich gerade jemand, der hier praktisch nie irgendwelche inhaltlichen Beiträge schreibt, sich dafür aber kaum eine Gelegenheit zum Pöbeln entgehen lässt, über "unangebrachte Arroganz und persönliche Angriffe" beschwert.
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Re: Entwicklung der Türkei

Beitrag von Pillendreher »

Sebast1an hat geschrieben:Die Distanzierung oder die angebliche "Klarstellung der Nicht-Distanzierung" war wohl erfolgreich: http://www.spiegel.de/politik/ausland/v ... 10762.html
Die haben nur das Memo nicht erhalten. Das sollte man noch einmal klarstellen, nicht dass man sich davon distanzieren muss.
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Re: Entwicklung der Türkei

Beitrag von [enigma] »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:Wie erwartet. Schön, dass man sich bei manchen einfach auf die Reflexe verlassen kann. Ansonsten halt eine völlige Parallelwelt. So kommt es dann auch, dass sich gerade jemand, der hier praktisch nie irgendwelche inhaltlichen Beiträge schreibt, sich dafür aber kaum eine Gelegenheit zum Pöbeln entgehen lässt, über "unangebrachte Arroganz und persönliche Angriffe" beschwert.
Das gute alte Glashaus. Wer die Diskussionen, an denen du dich hier im Forum, insbesondere im Treffpunkt, beteiligst verfolgt, kommt eben schnell zur Erkenntnis, dass dir offensichtlich jegliche Fähigkeit zur sachlichen Debatte - zumindest im Internet - abgeht. Fast jeder einzelne deiner Beiträge ist gespickt mit persönlichen Angriffen und am Ende kommt dann immer das typische "du bist mir zu blöd, mit dir rede ich nicht". Nachdem sich der Gesprächspartner zuvor die Mühe gemacht hat, auf jedes deiner Argumente einzugehen. Als du dich im Rahmen der Diskussion um die Rolle der Türkei in der NATO wenigstens stellenweise etwas zusammengerissen hast, hatte ich noch ein wenig Hoffnung, dass du es vielleicht doch kannst, wenn du willst. Offensichtlich lag ich falsch. Eventuell nimmst du dir auch ein falsches Beispiel an OJ, der auch hier wieder meinte, mit der Feststellung in die Diskussion einzusteigen, ich würde mal wieder einfach alles nicht verstehen. Ist halt auch anstrengend, sich mit einer sachlich begründeten abweichenden Meinung inhaltlich auseinandersetzen zu müssen. Ich bin da einfach ein höheres Niveau gewöhnt.
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Re: Entwicklung der Türkei

Beitrag von OJ1988 »

Jedes Gegenargument fußt auf der Prämisse, dass der jeweilige Gegenüber etwas nicht oder missverstanden hat. Get off your high horse, Steffen Seibert ::roll:
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