»Ich kenne den Schmerz, den ich hatte, weil ich zweimal die Vorhaut mit dem Reißverschluss mitgenommen habe, so dass dieser - also Reißverschluss - einmal in einer Klinik entfernt werden musste.« - Chefreferendar
Man wird und man muss in einer Demokratie nicht alle erreichen. Man sollte sich lieber darauf konzentrieren, über die Werte und Wichtigkeiten zu sprechen, die im Zentrum der Demokratie stehen. Ohne Hetze, ohne Lügenvorwürfe, ohne Frauke Petry.
Hätte persönlich gar nichts dagegen, die AfD zu ignorieren, aber die zitierte Kolumne ist wirklich schlecht. Was Herr Diez meint ist vielleicht eine "Debattenkultur" o.Ä., aber "die Demokratie" wohl kaum.
"Mit Demokratie hat das nichts zu tun". Ja, sein Artikel auch nicht.
Im Übrigen muss man mit gar keinem reden, natürlich. Das werden die Anhänger der AfD aber genauso sehen.
Zuletzt geändert von recht_selten am Sonntag 31. Januar 2016, 21:11, insgesamt 1-mal geändert.
Es geht ihm wohl eher um das grundsätzliche Problem im öffentlichen Diskurs, das sich eben an den Talkshows besonders deutlich zeigt. Und es geht auch nicht darum, die AfD totzuschweigen. Es geht darum, ob man sich bei jedem Mist, den die Partei ins Gespräch bringt genötigt fühlen sollte, das ernsthaft inhaltlich zu diskutieren. Letztendlich bestimmt die AfD damit das Niveau der Debatte und das liegt nunmal extrem niedrig.
[enigma] hat geschrieben:Es geht ihm wohl eher um das grundsätzliche Problem im öffentlichen Diskurs, das sich eben an den Talkshows besonders deutlich zeigt. Und es geht auch nicht darum, die AfD totzuschweigen. Es geht darum, ob man sich bei jedem Mist, den die Partei ins Gespräch bringt genötigt fühlen sollte, das ernsthaft inhaltlich zu diskutieren. Letztendlich bestimmt die AfD damit das Niveau der Debatte und das liegt nunmal extrem niedrig.
Aber dennoch ist es doch verfehlt, Prinzipien, die man selbst für konsensual hält, argumentfrei vorrauszusetzen.
@ enigma: Das sicher nicht, da hast Du schon Recht. Wie gesagt, man muss auf gar nichts reagieren. Aber "die Demokratie" stützt seine Auffassung wenig, denn die maßgebliche ist die des GG (wenn er eine andere meint: bei der Zulässigkeit von Volksentscheiden sähe es wohl noch weniger nach seinem Geschmack aus) und diese erlaubt alle Parteien, die die freiheitlich demokratische Ordnung nicht aggressiv kämpferisch zu beseitigen versuchen, wobei dies nur durch das BVerfG feststellt werden kann. Bis dahin sieht "die Demokratie" die AfD genauso legitim an wie alle anderen Parteien auch.
Wenn man deren Politik schlecht findet, kann man das sagen, man kann mit ihr diskutieren, man kann sie ignorieren, man kann versuchen, sie verbieten zu lassen, aber man sollte nicht so tun als wäre die Demokratie nur für die eigene Ansicht - und selbst ausgewählte andere Ansichten - da.
@Samson: Positionen wie Demokratie, Menschenwürde, Schutz von Leib und Leben, Ablehnung von Fremdenhass und Verhältnismäßigkeitsprinzip würde ich durchaus argumentfrei (wohlgemerkt ohne Argumentation, nicht ohne Argumente) voraussetzen. Wer dem nicht zustimmen kann oder will, darf sich innerhalb rechtlicher Grenzen gerne dagegen aussprechen, ernst nehmen oder auf seine Argumente eingehen muss man so jemanden aber nicht. Und tut man es dennoch, beschreibt der Kommentar mE recht gut, was die Folge davon ist: Die Diskussion verlagert sich auf diese Scheinpunkte, an denen es ohnehin keinen Konsens geben kann und die Toleranzgrenze für menschenverachtende Positionen wird ein Stück weiter nach oben verlegt.
@recht_selten: Natürlich. Und er fordert ja auch nicht, dass die AfD verboten werden sollte. Er fordert - falls ich den Text nicht falsch verstanden habe - auch nicht, dass man sich gar nicht mehr mit ihren Positionen und insbesondere Argumenten auseinandersetzt. Es geht um punktuelle Diskussionen wie eben diesen Schießbefehl. Da ist in einer Demokratie einfach keine Diskussion auf Augenhöhe möglich.
Zuletzt geändert von [enigma] am Sonntag 31. Januar 2016, 21:36, insgesamt 1-mal geändert.
[enigma] hat geschrieben:@Samson: Positionen wie Demokratie, Menschenwürde, Schutz von Leib und Leben, Ablehnung von Fremdenhass und Verhältnismäßigkeitsprinzip würde ich durchaus argumentfrei (wohlgemerkt ohne Argumentation, nicht ohne Argumente) voraussetzen. Wer dem nicht zustimmen kann oder will, darf sich innerhalb rechtlicher Grenzen gerne dagegen aussprechen, ernst nehmen oder auf seine Argumente eingehen muss man so jemanden aber nicht.
Ich halte das Konstrukt Menschenwürde auch für verfehlt bis überflüssig. Wieso sollte man das nicht diskutieren? Und Demokratie hat heutzutage den Status eines säkularen Götzen. Ich halte das für falsch (nicht die Demokratie, sondern dass man sich zu dieser nur noch bestialische Alternativen vorstellen kann).
@recht_selten: Natürlich. Und er fordert ja auch nicht, dass die AfD verboten werden sollte. Er fordert - falls ich den Text nicht falsch verstanden habe - auch nicht, dass man sich gar nicht mehr mit ihren Positionen und insbesondere Argumenten auseinandersetzt. Es geht um punktuelle Diskussionen wie eben diesen Schießbefehl. Da ist in einer Demokratie einfach keine Diskussion auf Augenhöhe möglich.
Das bestreite ich entschieden.
Zumal Frau Petry keinen "Schießbefehl" forert.
Petry fordert, den Grenzübertritt als ultima ratio durch Schüsse zu verhindern. Sie will die Grenzpolizisten also anweisen, zur Not - wohlgemerkt ohne selbst angegriffen zu werden - auch scharf auf Flüchtlinge an der Grenze zu schießen. Das kann man durchaus als Schießbefehl bezeichnen.
Zu den restlichen Punkten betreffend Menschenwürde und Demokratie schweige ich mich wie angekündigt aus.
Vielleicht hat Herr Diez trotz schlechter Argumentation in seiner Grundannahme (=nicht ständig darüber reden) nicht mal Unrecht.
Die gegenwärtige Diskussion im Namen der Demokratie befremdet mich im Allgemeinen immer mehr: einerseits fürchtet man die "Hetzer" und versucht jedem noch so absurden Schwachsinn, den diese z.T. verbreiten, argumentativ entgegenzutreten. (Mag ein verständliches persönliches Bedürfnis sein, warum also nicht). Anderseits tut man dies offenbar tatsächlich, um die Demokratie zu schützen. Wenn man aber tatsächlich glaubt, dass die "Hetzer" durch ein paar unwidersprochen gebliebene und nicht gleich skandalisierte Facebook-Posts oder sonstige Äußerung zur parlamentarischen Mehrheit werden, dann liegt dem ein Menschenbild zugrunde, dass einem nahelegt, dass die Demokratie (als Herrschaft des Volkes) vielleicht generell kein gutes Modell sei. Das klingt jetzt vielleicht (leider) ein wenig nach AfD, aber vielleicht ist es wirklich die Furcht vor dem Volk. Überzeugte Demokraten und Humanisten sollten gelassener bleiben.
Demokratie beschränkt sich gerade nicht darauf, die Herrschaft der Mehrheit zu akzeptieren. Im dritten Reich waren die Nationalsozialisten die Mehrheit aber natürlich nicht demokratisch. Insofern muss sich die Demokratie natürlich davor schützen, dass demokratiefeindliche Tendenzen mehrheitsfähig werden.
recht_selten hat geschrieben:Wenn man aber tatsächlich glaubt, dass die "Hetzer" durch ein paar unwidersprochen gebliebene und nicht gleich skandalisierte Facebook-Posts oder sonstige Äußerung zur parlamentarischen Mehrheit werden, dann liegt dem ein Menschenbild zugrunde, dass einem nahelegt, dass die Demokratie (als Herrschaft des Volkes) vielleicht generell kein gutes Modell sei. Das klingt jetzt vielleicht (leider) ein wenig nach AfD, aber vielleicht ist es wirklich die Furcht vor dem Volk. Überzeugte Demokraten und Humanisten sollten gelassener bleiben.
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Die deutsche Öffentlichkeit braucht bei sowas viel mehr Gelassenheit, vor allem aber auch die deutsche Politik, zumindest wenn ich SPD+Grüne als Maßstab nehme. Dieses "Talkshow boykottieren" ist doch Quatsch, man muss der AFD doch die Möglichkeit geben, sich selbst zu entlarven. Wenn man ihnen genug Seil gibt, werden sie sich darin schon so verheddern, dass sie auf die Fresse fliegen. Und ob die Demokratie jetzt großen Schaden daran nimmt, dass in einer Vor-Wahl-Talkshow besonders schwachsinnige Thesen mit schwachsinnigen Leuten diskutiert werden, wage ich doch zu bezweifeln. Die echte praktische (Regierungs-)Arbeit in Demokratien findet ja regelmäßig nicht vor sondern nach Wahlen statt...
Solange die demokratische Mehrheit die Spielregeln nicht ändert (vgl Ungarn) und entsprechend schützende Regeln für die aktuelle Minderheit beibehält und diese auch die Perspektive auf eine eigene Mehrheit hat, dann muss man die aktuelle Mehrheit auch akzeptieren. Sobald die Mehrheit aber die Minderheit bekämpft und pseuderechtliche Anpassungen vornimmt (Verfassungsgerichtsbesetzungen; Wahlrechtsänderungen), dann ist auch der demokratische Boden verlassen. Ich hoffe du meintest das mit "Herrschaft".
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
[enigma] hat geschrieben:Demokratie beschränkt sich gerade nicht darauf, die Herrschaft der Mehrheit zu akzeptieren.
Sorry (ist gemein: aber:), das tut die AfD ja gerade.
...und mit Literatur über die Frage, warum die Nationalsozialisten die Macht ergreifen konnten, kann man wohl eine ganze Bibliothek füllen und der Streit der Historiker dreht sich - soweit ich dies, ohne je Geschichte studiert zu haben, beurteilen kann - um die Gewichtung sehr vielzähliger Faktoren.