Die Kanzlerin und das Ausländerrecht

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[enigma]
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Re: Die Kanzlerin und das Ausländerrecht

Beitrag von [enigma] »

Pillendreher hat geschrieben:Wieso? Man schafft sich seinen eigenen Elfenbeinturm, hat doch auch was.
Umgekehrt muss man auch nicht mit dem Strom schwimmen, wenn man dessen Richtung für falsch hält. "Die anderen machen das auch" war schon immer ein schwaches Argument. Gerade in den europäischen Ländern, die einige hier jetzt als Vorbild präsentieren wollen, entwickelt sich politisch derzeit einiges in eine falsche und höchst gefährliche Richtung.
Smooth seas don`t make good sailors
Kasimir
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Re: Die Kanzlerin und das Ausländerrecht

Beitrag von Kasimir »

Fyrion hat geschrieben:
hlubenow hat geschrieben:Wie gesagt, es geht mich nichts an, welche Kosten irgendwer im Nahen Osten haben man. Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, daß meine Kosten nicht zu hoch werden.
Es geht beim Zaun ja nicht um irgendwen im Nahen Osten, sondern um die Frage ob wir als Gesellschaft/Staat es vertretbar finden, wenn an unserer Grenze Menschen sterben, weil wir sie nicht ins Land lassen (mal vom worst case ausgehend). Ich habs ja schonmal geschrieben: es geht im Kern langfristig um die Frage, ob man damit Leben kann, dass man zur Wohlstandssicherung Menschen tötet. Diese Frage stellt sich aktuell noch nicht akut, aber angesichts des Bevölkerungswachstums in den nächsten Jahrzehnten und dem anhaltenden Migrationsdruck in der europäischen Peripherie wird sie sich noch zu unseren Lebzeiten stellen.
Guter Beitrag! Ich bin auch entsetzt darueber, dass in der Fluechtlingsdebatte die Wohlstandssicherung der westlichen Staaten als legitimes Ziel betrachtet wird. Es wird dann oft argumentiert, dass eine "Einwanderung in die Sozialsysteme" verhindert werden muesse. Es mag richtig sein, dass der syrische Fluechtling nicht in die deutschen Sozialversicherung eingezahlt hat. Aber muss die Frage nicht eher sein: "Haette sich der syrische Fluechtlin nicht auch einen entsprechende Absicherung erarbeitet, haette er die Moeglichkeit gehabt?" Das deutsche Sozialversicherungssystem ist keine Errungenschaft von Einzelnen. Warum soll ich davon profitieren, dass ich das Glueck hatte, in Deutschland geboren zu werden und mit weitgehend kostenloser Bildung und einem guten Sozialstaat mir ein Leben aufzubauen?

Zugleich stelle ich mir natuerlich auch die Frage, ob ich nicht selbst inkonsequent bin. Nehmen wir es nicht schon heute hin, dass Menschen fuer unseren Wohlstand sterben oder es ihnen zumindest erheblich schlechter geht? Wenn ich in meinen Kleiderschrank schaue, dann befinden sich darin sicher auch Kleidungsstuecke, die unter unzumutbaren Bedingungen hergestellt worden sind. Kinder in Indien spielen sicherlich auf Elektroschrotthalden, auf denen auch meine alten Elektrogeraete liegen.

Die Antwort auf deine Frage scheint mir vorgezeichnet, auch wenn sie mir selbst nicht gefaellt. Der Mensch ist bereit, es hinzunehmen, fuer seinen Wohlstand andere auszubeuten, solange ihm dies nicht zu direkt bewusst ist. Und deshalb halte ich es auch fuer wichtig, die Fluechtlingskrise nicht in irgendwelchen anonymen Lagern an den EU-Aussengrenzen zu loesen, sondern in der EU selbst. Das Problem muss uns tagtaeglich vor Augen gefuerht werden, damit wir helfen.
Eichhörnchen, Eichhörnchen wo sind deine Nüsse?
Gelöschter Nutzer

Re: Die Kanzlerin und das Ausländerrecht

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Fyrion hat geschrieben:
hlubenow hat geschrieben:Wie gesagt, es geht mich nichts an, welche Kosten irgendwer im Nahen Osten haben man. Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, daß meine Kosten nicht zu hoch werden.
Es geht beim Zaun ja nicht um irgendwen im Nahen Osten, sondern um die Frage ob wir als Gesellschaft/Staat es vertretbar finden, wenn an unserer Grenze Menschen sterben, weil wir sie nicht ins Land lassen (mal vom worst case ausgehend). Ich habs ja schonmal geschrieben: es geht im Kern langfristig um die Frage, ob man damit Leben kann, dass man zur Wohlstandssicherung Menschen tötet. Diese Frage stellt sich aktuell noch nicht akut, aber angesichts des Bevölkerungswachstums in den nächsten Jahrzehnten und dem anhaltenden Migrationsdruck in der europäischen Peripherie wird sie sich noch zu unseren Lebzeiten stellen.
Das ist wirklich ein lächerliches Argument.
In Deutschland werden ständig Menschen zur Wohlstandssicherung getötet, nicht nur in Notwehr sondern bei der ganz normalen Polizeiarbeit. Ebenso bei der Entscheidung welche Leistungen die Krankenkassen erbringen.

Ausserdem könnte ein guter Zaun die Notwendigkeit von Gewaltanwendung an der Grenze komplett verhindern.

Oder wär das dann auch Tötung zur Wohlstandssicherung, weil ja die Flüchtlinge dann in Syrien bleiben wo es (noch) gefährlicher ist als hier?
Was ist dann eigentlich mit den Milliarden Menschen, die in Ländern mit niedriger Lebenserwartung als hier leben?
Gelöschter Nutzer

Re: Die Kanzlerin und das Ausländerrecht

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Kasimir hat geschrieben: Guter Beitrag! Ich bin auch entsetzt darueber, dass in der Fluechtlingsdebatte die Wohlstandssicherung der westlichen Staaten als legitimes Ziel betrachtet wird. Es wird dann oft argumentiert, dass eine "Einwanderung in die Sozialsysteme" verhindert werden muesse. Es mag richtig sein, dass der syrische Fluechtling nicht in die deutschen Sozialversicherung eingezahlt hat. Aber muss die Frage nicht eher sein: "Haette sich der syrische Fluechtlin nicht auch einen entsprechende Absicherung erarbeitet, haette er die Moeglichkeit gehabt?" Das deutsche Sozialversicherungssystem ist keine Errungenschaft von Einzelnen. Warum soll ich davon profitieren, dass ich das Glueck hatte, in Deutschland geboren zu werden und mit weitgehend kostenloser Bildung und einem guten Sozialstaat mir ein Leben aufzubauen?
Das ist eine irrelevante Frage. Offene Sozialsysteme sind einfach nicht konsensfähig, weil es bedeutet dass man in erster Linie für andere arbeiten würde.
Deshalb haben Länder mit viel Immigration auch immer ein sehr schlechtes oder nicht existierendes Sozialsystem, siehe USA.
Zugleich stelle ich mir natuerlich auch die Frage, ob ich nicht selbst inkonsequent bin. Nehmen wir es nicht schon heute hin, dass Menschen fuer unseren Wohlstand sterben oder es ihnen zumindest erheblich schlechter geht? Wenn ich in meinen Kleiderschrank schaue, dann befinden sich darin sicher auch Kleidungsstuecke, die unter unzumutbaren Bedingungen hergestellt worden sind. Kinder in Indien spielen sicherlich auf Elektroschrotthalden, auf denen auch meine alten Elektrogeraete liegen.

Die Antwort auf deine Frage scheint mir vorgezeichnet, auch wenn sie mir selbst nicht gefaellt. Der Mensch ist bereit, es hinzunehmen, fuer seinen Wohlstand andere auszubeuten, solange ihm dies nicht zu direkt bewusst ist. Und deshalb halte ich es auch fuer wichtig, die Fluechtlingskrise nicht in irgendwelchen anonymen Lagern an den EU-Aussengrenzen zu loesen, sondern in der EU selbst. Das Problem muss uns tagtaeglich vor Augen gefuerht werden, damit wir helfen.
Wie wäre es wenn du anstatt unsere Unterschicht mit den Kosten deiner Menschenliebe zu belasten selbst tätig wirst und dein komplettes über dem Sozialhilfesatz liegendes Einkommen an Afrika etc. spendest?
Wenn du das noch nicht tust, wie kommst du dann dazu von deinen Mitmenschen zu verlangen für deine moralischen Spleens enteignet und vergewaltigt zu werden?

Sorry, aber mich nervt diese abgehobene Bigotterie einfach nur noch. [etwas freundlicher editiert]
Zuletzt geändert von Gelöschter Nutzer am Freitag 19. Februar 2016, 00:28, insgesamt 1-mal geändert.
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Vorkriegsjugend
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Re: Die Kanzlerin und das Ausländerrecht

Beitrag von Vorkriegsjugend »

Du kotzt mich auch an.

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Tibor
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Re: Die Kanzlerin und das Ausländerrecht

Beitrag von Tibor »

Mod: Ihr kotzt mich alle an. Können wir bitte die Diskussion wieder sachlicher gestalten? Ich schau mir das noch ein paar Tage an, dann mache ich den Fred zu und dann könnt ihr gern auf Facebook und Twitter euch weiter beleidigen.
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
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Re: Die Kanzlerin und das Ausländerrecht

Beitrag von hlubenow »

[enigma] hat geschrieben:
hlubenow hat geschrieben: Das ist übrigens ebenso die Position von Frankreich (Verwaister Link http://www.focus.de/politik/videos/ende-der-europaeischen-union-nicht-mehr-als-30-000-fluechtlinge-frankreich-fordert-aufnahmestopp_id_5111255.html automatisch entfernt), England, Österreich (Obergrenze), Polen, usw.. Wir sind die, die in Europa quertreiben, nicht die anderen.
http://i.imgur.com/AEpFV6I.jpg
Den alten Witz mit dem Geisterfahrer kennst Du aber nicht, oder? Der geht so:
Ein Autofahrer hört im Radio die Durchsage: "Achtung! Achtung! Auf der A9 kommt Ihnen ein Geisterfahrer entgegen. Fahren Sie bitte ganz rechts und überholen Sie nicht!" Der Autofahrer: "Was heißt hier einer? Hunderte!"
:D
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famulus
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Re: Die Kanzlerin und das Ausländerrecht

Beitrag von famulus »

Tibor hat geschrieben:Mod: Ihr kotzt mich alle an. Können wir bitte die Diskussion wieder sachlicher gestalten?
Nein, solche einen vollständigen Mangel an Empathie dokumentierenden Beiträge wie die von Lucid sind einfach nur widerlich und das - auch in der erforderlichen Deutlichkeit - herauszustellen, gehört zur Diskussion dazu. Ich verstehe diese Empfindlichkeit nicht.
»Ich kenne den Schmerz, den ich hatte, weil ich zweimal die Vorhaut mit dem Reißverschluss mitgenommen habe, so dass dieser - also Reißverschluss - einmal in einer Klinik entfernt werden musste.« - Chefreferendar
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Vorkriegsjugend
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Re: Die Kanzlerin und das Ausländerrecht

Beitrag von Vorkriegsjugend »

Sehe ich genauso, zumal sich der rechte Rand hier Argumenten nicht zugänglich zeigt, die in erstaunlicher Geduld vorgetragen werden.
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Fyrion
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Re: Die Kanzlerin und das Ausländerrecht

Beitrag von Fyrion »

Kasimir hat geschrieben:
Fyrion hat geschrieben:
hlubenow hat geschrieben:Wie gesagt, es geht mich nichts an, welche Kosten irgendwer im Nahen Osten haben man. Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, daß meine Kosten nicht zu hoch werden.
Es geht beim Zaun ja nicht um irgendwen im Nahen Osten, sondern um die Frage ob wir als Gesellschaft/Staat es vertretbar finden, wenn an unserer Grenze Menschen sterben, weil wir sie nicht ins Land lassen (mal vom worst case ausgehend). Ich habs ja schonmal geschrieben: es geht im Kern langfristig um die Frage, ob man damit Leben kann, dass man zur Wohlstandssicherung Menschen tötet. Diese Frage stellt sich aktuell noch nicht akut, aber angesichts des Bevölkerungswachstums in den nächsten Jahrzehnten und dem anhaltenden Migrationsdruck in der europäischen Peripherie wird sie sich noch zu unseren Lebzeiten stellen.
Guter Beitrag! Ich bin auch entsetzt darueber, dass in der Fluechtlingsdebatte die Wohlstandssicherung der westlichen Staaten als legitimes Ziel betrachtet wird. Es wird dann oft argumentiert, dass eine "Einwanderung in die Sozialsysteme" verhindert werden muesse. Es mag richtig sein, dass der syrische Fluechtling nicht in die deutschen Sozialversicherung eingezahlt hat. Aber muss die Frage nicht eher sein: "Haette sich der syrische Fluechtlin nicht auch einen entsprechende Absicherung erarbeitet, haette er die Moeglichkeit gehabt?" Das deutsche Sozialversicherungssystem ist keine Errungenschaft von Einzelnen. Warum soll ich davon profitieren, dass ich das Glueck hatte, in Deutschland geboren zu werden und mit weitgehend kostenloser Bildung und einem guten Sozialstaat mir ein Leben aufzubauen?

Zugleich stelle ich mir natuerlich auch die Frage, ob ich nicht selbst inkonsequent bin. Nehmen wir es nicht schon heute hin, dass Menschen fuer unseren Wohlstand sterben oder es ihnen zumindest erheblich schlechter geht? Wenn ich in meinen Kleiderschrank schaue, dann befinden sich darin sicher auch Kleidungsstuecke, die unter unzumutbaren Bedingungen hergestellt worden sind. Kinder in Indien spielen sicherlich auf Elektroschrotthalden, auf denen auch meine alten Elektrogeraete liegen.

Die Antwort auf deine Frage scheint mir vorgezeichnet, auch wenn sie mir selbst nicht gefaellt. Der Mensch ist bereit, es hinzunehmen, fuer seinen Wohlstand andere auszubeuten, solange ihm dies nicht zu direkt bewusst ist. Und deshalb halte ich es auch fuer wichtig, die Fluechtlingskrise nicht in irgendwelchen anonymen Lagern an den EU-Aussengrenzen zu loesen, sondern in der EU selbst. Das Problem muss uns tagtaeglich vor Augen gefuerht werden, damit wir helfen.
Ich stimme deinem letzten Absatz zu, das ist auch die Antwort, die ich erwartet habe. Nur deiner Schlussfolgerung stimme ich nicht zu.

Natürlich haben Menschen in der Vergangenheit, in der Gegenwart und werden auch in der Zukunft den Tod fremder Menschen in Kauf zu nehmen, um ihren Wohlstand zu sichern. Erst kommt das Fressen, dann die Moral. Spätestens wenn durch den Migrationsdruck aus Afrika tatsächlich exitenzbedrohende Menschenmassen nach Europa drängen, werden auch wir Stacheldraht und Wasserwerfer in Position bringen. Noch in der Geschichte der Menschheit hat irgend eine Gesellschaft fremden zuliebe auf Wohlstand verzichtet und/oder diesen nicht mit aller Gewalt verteidigt. Etwas anderes zu verlangen bedeutet für mich die Natur des Menschen zu verkennen - ein Fehler den gerade linkslastige Personen sehr gerne machen.

Insofern bin ich nur für etwas mehr Ehrlichkeit in der Debatte. Und für viel viel weniger Moralisierung. Das was famulus nämlich "menschenverachtend" nennt ist einfach nur menschlich.
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Vorkriegsjugend
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Re: Die Kanzlerin und das Ausländerrecht

Beitrag von Vorkriegsjugend »

Sich nicht bei kleinsten Konflikten den Schädel einzuschlagen ist eine gesellschaftliche Errungenschaft. Sich auf einen Naturalismus zu berufen ist zwangsläufig ein Fehlschluss, weil es Jahrtausende der menschlichen Entwicklung ausblendet.

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Levi
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Re: AW: Die Kanzlerin und das Ausländerrecht

Beitrag von Levi »

Vorkriegsjugend hat geschrieben:Sich nicht bei kleinsten Konflikten den Schädel einzuschlagen ist eine gesellschaftliche Errungenschaft. Sich auf einen Naturalismus zu berufen ist zwangsläufig ein Fehlschluss, weil es Jahrtausende der menschlichen Entwicklung ausblendet.
+1

Zu diesem kruden Naturalismus hat bereits Nietzsche in "Jenseits von Gut und Böse" alles erforderliche gesagt:
" »Gemäss der Natur« wollt ihr leben? Oh ihr edlen Stoiker, welche Betrügerei der Worte! Denkt euch ein Wesen, wie es die Natur ist, verschwenderisch ohne Maass, gleichgültig ohne Maass, ohne Absichten und Rücksichten, ohne Erbarmen und Gerechtigkeit, fruchtbar und öde und ungewiss zugleich, denkt euch die Indifferenz selbst als Macht – wie könntet ihr gemäss dieser Indifferenz leben? Leben – ist das nicht gerade ein Anders-sein-wollen, als diese Natur ist? Ist Leben nicht Abschätzen, Vorziehn, Ungerechtsein, Begrenzt-sein, Different-sein-wollen? Und gesetzt, euer Imperativ »gemäss der Natur leben« bedeute im Grunde soviel als »gemäss dem Leben leben« – wie könntet ihr's denn nicht? Wozu ein Princip aus dem machen, was ihr selbst seid und sein müsst? – In Wahrheit steht es ganz anders: indem ihr entzückt den Kanon eures Gesetzes aus der Natur zu lesen vorgebt, wollt ihr etwas Umgekehrtes, ihr wunderlichen Schauspieler und Selbst-Betrüger! Euer Stolz will der Natur, sogar der Natur, eure Moral, euer Ideal vorschreiben und einverleiben, ihr verlangt, dass sie »der Stoa gemäss« Natur sei und möchtet alles Dasein nur nach eurem eignen Bilde dasein machen – als eine ungeheure ewige Verherrlichung und Verallgemeinerung des Stoicismus! Mit aller eurer Liebe zur Wahrheit zwingt ihr euch so lange, so beharrlich, so hypnotisch-starr, die Natur falsch, nämlich stoisch zu sehn, bis ihr sie nicht mehr anders zu sehen vermögt, – und irgend ein abgründlicher Hochmuth giebt euch zuletzt noch die Tollhäusler-Hoffnung ein, dass, weil ihr euch selbst zu tyrannisiren versteht – Stoicismus ist Selbst-Tyrannei –, auch die Natur sich tyrannisiren lässt: ist denn der Stoiker nicht ein Stück Natur? Aber dies ist eine alte ewige Geschichte: was sich damals mit den Stoikern begab, begiebt sich heute noch, sobald nur eine Philosophie anfängt, an sich selbst zu glauben. Sie schafft immer die Welt nach ihrem Bilde, sie kann nicht anders; Philosophie ist dieser tyrannische Trieb selbst, der geistigste Wille zur Macht, zur »Schaffung der Welt«, zur causa prima."


(Menschliches) Leben ist " gerade ein Anders-sein-wollen, als diese Natur".
Ich zumindest bin keine Amöbe oder Ameise. - Ich will leben - nicht vegetieren. Und ich denke allen "freien Menschen" im Sinne Nietzsches geht es genauso.
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famulus
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Re: Die Kanzlerin und das Ausländerrecht

Beitrag von famulus »

Fyrion hat geschrieben:Insofern bin ich nur für etwas mehr Ehrlichkeit in der Debatte. Und für viel viel weniger Moralisierung. Das was famulus nämlich "menschenverachtend" nennt ist einfach nur menschlich.
Das wundert mich aber nun sehr. Ist die "Moralisierung" nicht gerade eine der wesentlichen Errungenschaften des Menschen? Gerade die Überwindung der von dir propagierten "Fressen oder gefressen werden"-Mentalität ist doch das, was uns von den übrigen Tieren unterscheidet. Ich ja sage nicht, dass es im Rahmen eines jeden Menschenlebens oder der Menschheit insgesamt nicht irgendwann einmal wieder darauf hinauslaufen könnte - nur werft ihr nach meinem Empfinden unsere evolutionären und den Sozialstaat tragenden Entwicklungen viel zu früh und bedenkenlos über Bord.
»Ich kenne den Schmerz, den ich hatte, weil ich zweimal die Vorhaut mit dem Reißverschluss mitgenommen habe, so dass dieser - also Reißverschluss - einmal in einer Klinik entfernt werden musste.« - Chefreferendar
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Re: Die Kanzlerin und das Ausländerrecht

Beitrag von Samson »

famulus hat geschrieben: Das wundert mich aber nun sehr. Ist die "Moralisierung" nicht gerade eine der wesentlichen Errungenschaften des Menschen? Gerade die Überwindung der von dir propagierten "Fressen oder gefressen werden"-Mentalität ist doch das, was uns von den übrigen Tieren unterscheidet. Ich ja sage nicht, dass es im Rahmen eines jeden Menschenlebens oder der Menschheit insgesamt nicht irgendwann einmal wieder darauf hinauslaufen könnte - nur werft ihr nach meinem Empfinden unsere evolutionären und den Sozialstaat tragenden Entwicklungen viel zu früh und bedenkenlos über Bord.
Das ist falsch. Um den soeben bereits zitierten Nietzsche - es kann auch Schopenhauer gewesen sein - zu zitieren: Es ist leicht, Moral zu predigen, aber ungleich schwerer, Moral zu begründen. Mann kann humane, moralische Werte vielleicht (vor)leben, es gibt aber keine tragfähige Grundlage, dies von anderen zu fordern.

Somit ist eine -überspitzt gesagt - Position der Art "lieber lasse ich tausende an der Grenze abknallen/in Syrien verrecken, als dass ich auch nur einen Euro weniger auf dem Konto habe oder auch nur die mindeste Beeinträchtigung meiner subjektiven Sicherheit hinnehme eine Position, gegen die man zwar, wie oben gesehen, sehr leicht pöbeln, aber nur schwer argumentieren kann.
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famulus
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Re: Die Kanzlerin und das Ausländerrecht

Beitrag von famulus »

Was ist falsch? Ich bin ja gerade der Ansicht, dass "wir" die moralischen Werte eben (weiterhin) leben sollten.
»Ich kenne den Schmerz, den ich hatte, weil ich zweimal die Vorhaut mit dem Reißverschluss mitgenommen habe, so dass dieser - also Reißverschluss - einmal in einer Klinik entfernt werden musste.« - Chefreferendar
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