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Tobias__21
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Re: Die Kanzlerin und das Ausländerrecht

Beitrag von Tobias__21 »

Kann es sein, dass das ganze ein eher begriffliches Problem ist?

Für mich liest es sich so, als würde Levi den Standpunkt vertreten, dass eine rechtmäßige ISB keinen Eingriff in Art. 14 darstellt. Man könnte dann bei einer ISB statt von einem "Eingriff" bspw. von einer "Regelung im Normbereich" sprechen und diese dann trotzdem (zumindest in der Klausur) auf ihre Verhältnismäßigkeit, etc. hin überprüfen. Die ISB definieren ja gewissermaßen auch den Schutzbereich, bzw. legen auf eine gewisse Art fest was Eigentum bedeutet. Gleichzeitig können sie aber auch in den Schutzbereich "eingreifen", bzw. ihn verkürzen. Vielleicht liegt in dieser Doppelfunktion das Problem, dass man nicht so ohne weiteres von einem Eingriff sprechen mag?

Zumindest in der Lehrbuchliteratur (Epping, Pieroth/Schlink, Gröpl,) und auch in den Aufsätzen der Ausbildungszeitschriften werden die ISB einem Eingriff gleichgestellt.

Am Ergebnis ändert sich ja bei einer rechtm. ISB nichts: Entweder ist der Eingriff gerechtfertigt, oder es liegt schon gar kein Eingriff vor.
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Swann
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Re: AW: Die Kanzlerin und das Ausländerrecht

Beitrag von Swann »

Levi hat geschrieben:
Swann hat geschrieben:Dort grenzt das BVerfG ja zwischen ISB und Enteignungen ab. Dass eine eigentumseinschränkende Regelung keine Enteignung ist, bedeutet indes nicht, dass sie unbeschränkt zulässig wäre. Denn auch ISB müssen verhältnismäßig sein und die Grundentscheidung des Verfassungsgebers für das Privateigentum respektieren.
Absolut unbestritten.

Ausgangspunkt dieser Diskussion war aber die These, dass die Einweisung obdachloser Flüchtlinge aufgrund gesetzlicher Vorschriften in leerstehende Gebäude eine Enteignung sei. - Und nur dieser (m. E. falschen) rechtlichen Bewertung bin ich entgegen getreten. Es handelt sich hierbei nicht um einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG, sondern um eine Maßnahme aufgrund einer den Eigentumsbegriff rechtmäßig ausfüllende Inhalts- und Schrankenbestimmung.

Das die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften verhältnismäßig sein müssen, insbesondere eine angemessene Entschädigung des Betroffenen vorsehen müssen, ist selbstverständlich. Dies ist im Übrigen auch der Fall. Der Betroffene (den Begriff "Eigentümer" vermeide ich hier) erhält grundsätzlich eine ortsübliche Vergleichsmiete als Entschädigung.
Das dürfte allerdings noch nicht ausreichen, um die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Auch eine zeitliche Befristung dürfte notwendig sein.
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Levi
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Re: AW: Die Kanzlerin und das Ausländerrecht

Beitrag von Levi »

Tobias__21 hat geschrieben:Kann es sein, dass das ganze ein eher begriffliches Problem ist?

Ja und Nein.
Ausbildungstechnisch und im praktischen Ergebnis ist es in der Regel ein rein begriffliches Problem.
Rechtstheoretisch ist die Frage jedoch von durchaus erheblicher Bedeutung. Sie berührt nämlich eine der wichtigsten Entscheidungen im Staat: was ist Eigentum und wer bestimmt darüber?
Für mich liest es sich so, als würde Levi den Standpunkt vertreten, dass eine rechtmäßige ISB keinen Eingriff in Art. 14 darstellt. Man könnte dann bei einer ISB statt von einem "Eingriff" bspw. von einer "Regelung im Normbereich" sprechen und diese dann trotzdem (zumindest in der Klausur) auf ihre Verhältnismäßigkeit, etc. hin überprüfen.

Man "könnte" die ISB nicht nur im Hinblick auf ihre Verhältnismäßigkeit prüfen, sondern man muss das sogar!
Ein möglicher (!) Aufbau ist dabei der, den das BVerfG in der Nassauskiesungsentscheidung gewählt hat:
(1) Keine Verletzung der institutionellen Garantie des Eigentum aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG.
(2) Keine Verletzung des Gleichheitssatzes aus Art. 3 GG.
(3) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss gewahrt bleiben.

Natürlich ist aber auch ein anderer Aufbau denkbar. Auch das BVerfG selbst hat diesen Aufbau nachfolgend nur selten eingehalten.
Zumindest in der Lehrbuchliteratur (Epping, Pieroth/Schlink, Gröpl,) und auch in den Aufsätzen der Ausbildungszeitschriften werden die ISB einem Eingriff gleichgestellt.

Aus didaktischen Gründen kann man das auch durchaus so machen. Man muss sich dann nicht mehrere Aufbauschemata einprägen.
Wenn man allerdings hohe zweistellige Punktzahlen (13+) haben will, sollte man bei ISB das Wort "Eingriff" besser vermeiden; insbesondere in Kombination mit dem Schlagwort "Nassauskiesungsentscheidung". Das könnte ansonsten beim Korrektor leicht Bauchgrimmen auslösen.
paul321
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Re: AW: Die Kanzlerin und das Ausländerrecht

Beitrag von paul321 »

Levi hat geschrieben: Wenn man allerdings hohe zweistellige Punktzahlen (13+) haben will, sollte man bei ISB das Wort "Eingriff" besser vermeiden; insbesondere in Kombination mit dem Schlagwort "Nassauskiesungsentscheidung". Das könnte ansonsten beim Korrektor leicht Bauchgrimmen auslösen.
Das sag ich dem Epping, dass es mit seinem Lehrbuch nicht möglich ist 18 Punkte zu schreiben.
Tobias__21
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Re: Die Kanzlerin und das Ausländerrecht

Beitrag von Tobias__21 »

15. Aber: Ist die Inhalts- und Schrankenbestimmung wirklich
ein Eingriff?
Diese Frage dürfte überholt sein. Auf den ersten Blick erscheint
es zwar in der Tat fraglich, ob eine Inhalts- und
Schrankenbestimmung ein „Eingriff“ sein kann – weil sie
doch den Schutzbereich des Eigentums, in den eingegriffen
werden könnte, überhaupt erst bestimmt. Jedenfalls dann
aber, wenn diese Inhalts- und Schrankenbestimmung für den
Eigentümer nachteilig ist (siehe auch Frage 22), handelt es
sich um einen Eingriff (womit aber weder über die Rechtfertigung
des Eingriffs noch über die Frage, ob entschädigt
werden muss, etwas präjudiziert ist22).

Möglicherweise könnte es doch Sinn haben, nicht von
„Eingriff“ zu reden, sondern – z.B. – von Regulation: Denn
„Eingriff“ suggeriert doch sehr, es handele sich beim Eigentum
um ein ebenso natürliches Recht wie (Bewegungs-)Freiheit,
Leben und Gesundheit (vgl. Frage 3). Jedoch würde man
dann wohl auch eine andere Grundrechtstheorie und ein anderes
Prüfungsschema als das Klapp-Klapp von „Schutzbereich
– Eingriff – Rechtfertigung des Eingriffs“ benötigen.

Lege - ZJS 2012, 45ff.
Naja, ich scheine auf dem richtigen Weg gewesen zu sein :)
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Ara
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Re: AW: Die Kanzlerin und das Ausländerrecht

Beitrag von Ara »

Levi hat geschrieben:
Zumindest in der Lehrbuchliteratur (Epping, Pieroth/Schlink, Gröpl,) und auch in den Aufsätzen der Ausbildungszeitschriften werden die ISB einem Eingriff gleichgestellt.

Aus didaktischen Gründen kann man das auch durchaus so machen. Man muss sich dann nicht mehrere Aufbauschemata einprägen.
Wenn man allerdings hohe zweistellige Punktzahlen (13+) haben will, sollte man bei ISB das Wort "Eingriff" besser vermeiden; insbesondere in Kombination mit dem Schlagwort "Nassauskiesungsentscheidung". Das könnte ansonsten beim Korrektor leicht Bauchgrimmen auslösen.
Ich finds immer merkwürdig, wenn man meint, dass eine hohe Punktzahl nur möglich wäre, wenn man die Ansicht des Korrektors folgt.

Die Behandlung als Eingriff scheint ja offensichtlich vertretbar zu sein.

Dadurch kommen dann Korrekturanmerkungen wie "Leider nur sehr schwer vertretbar" zustande, die zeigen, dass der Korrektor nicht verstanden hat, dass das Ziel eine vertretbare Lösung zu entwickeln ist und nicht hellseherisch die Meinung des Korrektors zu treffen. Eine nur sehr schwer vertretbare Ansicht ist noch eine vertretbare Ansicht und muss theoretisch den Weg zu 18 Punkten eröffnen.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
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Re: AW: Die Kanzlerin und das Ausländerrecht

Beitrag von Ryze »

Levi hat geschrieben:Aus didaktischen Gründen kann man das auch durchaus so machen. Man muss sich dann nicht mehrere Aufbauschemata einprägen.
Wenn man allerdings hohe zweistellige Punktzahlen (13+) haben will, sollte man bei ISB das Wort "Eingriff" besser vermeiden; insbesondere in Kombination mit dem Schlagwort "Nassauskiesungsentscheidung". Das könnte ansonsten beim Korrektor leicht Bauchgrimmen auslösen.
Genau das ist der Punkt, die zitierten Fundstellen belegen doch eindeutig, dass die Autoren den Begriff "Eingriff" hier auch nicht entsprechend der üblichen Grundrechtsdogmatik verwenden, sondern mehr als Hilfsumschreibung für das spezifische Problem, die Eigentumsdogmatik unterscheidet sich insofern von denen der anderen Grundrechte. Amüsanterweise wurde ich als Student in der mündlichen Prüfung als Zusatzfrage ebenfalls vom Professor gefragt, ob mir die Nassauskiesungsentscheidung bekannt sei, die konnte ich zwar noch halbwegs vortragen, aber in der Drucksituation habe ich auf die Frage, ob damit ein Eingriff in das Eigentum möglich sei, nur mit einem Ja geantwortet, das den Professor nicht sehr glücklich gemacht hat, da ein Eingriff in Art. 14 GG durch die Entscheidung gerade in Frage gestellt wurde. In dem Fall würde es hinterher auch nicht ausreichen, sich auf Wortklauberei zu berufen. Er wollte eben auf eine Eigentumstheoretische Diskussion hinaus, ein recht undankbares Thema natürlich in Anbetracht der Stofffülle, die man sich im Vorfeld noch beizubehalten versuchte. Es gab übrigens tatsächlich "nur" 12 Punkte auf diese Teilprüfung. ;)

Aber die Diskussion driftet schon seit Seiten viel zu weit ab und würde eher in das Subforum des Öffentlichen Rechts passen.

Zurück zum Thema: Mich würde ja interessieren, welche Maßnahmen die Zuwanderungsgegner hier vor Augen haben, wenn hier getönt wird, dass die Grenzschließung - die sich die meisten hier auch als wesentlich zu einfach vorstellen, insofern sei nur auf die Kosten der Grenze USA-Mexiko verwiesen, die selbst heute alles andere als dicht ist - nicht ausreiche und die Alternativlosigkeit spöttisch in Frage gestellt wird. Was sind denn nun die Alternativen? Sollen etwa einige der Eingereisten (welche, wieviele und durch welche Maßnahmen) ausreisen? Können wir dann nicht das Asylrecht vollständig abschaffen, wenn jeder Grenzübertritt rechtswidrig ist und daher niemand je auf deutschem Boden ein Verfahren anstrengen kann, da wir ja in der privilegierten Situation leben, an sämtlichen Grenzen von anderen EU-Staaten umringt zu sein?

Sollen die Flüchtlinge wieder alle in Italien und Griechenland bleiben und was sollen die beiden Länder mit welchen Mitteln mit diesen machen? Vielleicht erhalten sie ja noch, sofern wir im EU-Haushalt noch einen kleinen ungenutzten Geldtopf finden, ähnlich großzügige Summen wie die Türkei, dann würden die Flüchtlinge sich immerhin ein paar Äpfel im Jahr leisten können, was in etwa der Ertrag wäre, der durch die etwas mehr als 200 Millionen Euro für 2 Millionen Flüchtlinge in der Türkei seit Beginn der Krise finanzierbar wäre. Wie man überhaupt auf die Idee kam, dass das ein auch nur annähernd ausreichender Betrag sein könnte, ist nicht nachvollziehbar und nun wundert man sich über die Kosten von mehreren Milliarden jährlich im eigenen Land? Ja, wir waren wahrlich großzügig! Nebenbei ließ sich sogar die schwarze Null halten und diese Jahr sogar mit Überschuss übertreffen! Zuguterletzt die Frage, die nun schon an diversen Ecken (endlich) anklang: Wenn es nun die ganze Zeit zu kippen droht und das Boot bald voll ist, zu welchem Zeitpunkt kippt es denn/ist es denn gekippt und wann ist das Boot voll/geht es unter? Was ist denn der Maßstab einer "Kapazitätsgrenze"? Wenn jemand, den ihr kennt, "ausgeraubt" wird? Muss es persönlich spürbar sein? Wenn die schwarze Null nicht mehr gehalten werden kann? Klingt bisher stets nach einer sehr vagen Angst, den eigenen Lebensstandard nicht mehr halten zu können. Oder um es polemischer und provozierender zu halten, hier der Verweis auf den im Fischerthread bereits zitierten Artikel: Schaffen wir das?

In dem Versuch einer dauerhaften Grenzschließung kann ich bisher allein die Gefahr einer Torpedierung der EU sehen. Der Weg über das Wasser nach Griechenland und Italien wird immer ein gangbarer sein, den größeren Andrang können die beiden Länder allein aber nicht bewältigen und würden natürlich versuchen, die Flüchtlinge weiterzuschicken. Sollten wir der Hardliner-Ansicht hier folgen, wäre die logische Konsequenz das Ende des Schengenraums und in einem nächsten Schritt wohl auch schnell das Ende der Freizügigkeit. Ist das ein gewolltes/hinnehmbares Szenario oder wird das in Frage gestellt? Mir selbst scheint der Weg Merkels, weiter Druck auf Europa auszuüben, der einzig Gangbare, da es (Europa) mit der Entscheidung in dieser Sache zwangsläufig steht oder fällt.
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Einwendungsduschgriff
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Re: AW: Die Kanzlerin und das Ausländerrecht

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Levi hat geschrieben:Wenn man allerdings hohe zweistellige Punktzahlen (13+) haben will, sollte man bei ISB das Wort "Eingriff" besser vermeiden; insbesondere in Kombination mit dem Schlagwort "Nassauskiesungsentscheidung". Das könnte ansonsten beim Korrektor leicht Bauchgrimmen auslösen.
Wow, bist Du ein Tiger. Nach Deinen bisherigen Postings sollte man das freilich mit Vorsicht genießen. Dogmatik und gerade verfassungsrechtliche Dogmatik ist nun wirklich nicht Deine Stärke.
Mein Rat wäre: belehre nicht andere, sondere erarbeite Dir selbst die notwendigen Grundlagen.
Zuletzt geändert von Einwendungsduschgriff am Donnerstag 8. Oktober 2015, 16:16, insgesamt 1-mal geändert.
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
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Levi
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Re: AW: Die Kanzlerin und das Ausländerrecht

Beitrag von Levi »

Ara hat geschrieben:
Levi hat geschrieben:
Zumindest in der Lehrbuchliteratur (Epping, Pieroth/Schlink, Gröpl,) und auch in den Aufsätzen der Ausbildungszeitschriften werden die ISB einem Eingriff gleichgestellt.

Aus didaktischen Gründen kann man das auch durchaus so machen. Man muss sich dann nicht mehrere Aufbauschemata einprägen.
Wenn man allerdings hohe zweistellige Punktzahlen (13+) haben will, sollte man bei ISB das Wort "Eingriff" besser vermeiden; insbesondere in Kombination mit dem Schlagwort "Nassauskiesungsentscheidung". Das könnte ansonsten beim Korrektor leicht Bauchgrimmen auslösen.
Ich finds immer merkwürdig, wenn man meint, dass eine hohe Punktzahl nur möglich wäre, wenn man die Ansicht des Korrektors folgt.

Die Behandlung als Eingriff scheint ja offensichtlich vertretbar zu sein.

Dadurch kommen dann Korrekturanmerkungen wie "Leider nur sehr schwer vertretbar" zustande, die zeigen, dass der Korrektor nicht verstanden hat, dass das Ziel eine vertretbare Lösung zu entwickeln ist und nicht hellseherisch die Meinung des Korrektors zu treffen. Eine nur sehr schwer vertretbare Ansicht ist noch eine vertretbare Ansicht und muss theoretisch den Weg zu 18 Punkten eröffnen.
Natürlich ist eine Behandlung als Eingriff vertretbar - und sie wird auch von durchaus namhaften Autoren vertreten. - Aber eben nicht in Kombination mit der Rechtsprechung des BVerfG (insb. in der Nassauskiesungsentscheidung). Das zeigt, wie Ryze schon ganz richtig geschildert hat, dem Prüfer dann ein fehlendes Verständnis der eigentumtheoretischen Grundlagen von Art. 14 GG.

Im Übrigen erfordert es halt immer einen besonderen Begründungsaufwand, sich gegen die herrschende Grundrechtsdogmatik zu positionieren. Allein die Verwendung des Wortes "Eingriff" genügt hierfür keinesfalls. Es bedarf hier schon einer etwas ausführlicheren Begründung der eigenen Auffassung.

Als kleinen Lesetipp zu den theoretischen Hintergründen empfehle ich: Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14, insb. Rn. 35 ff.
Depenheuer ist ein Vertreter des "Eingriffs"-Modells, und auch wenn ich seine Meinung inhaltlich nicht teile, finde ich seine komprimierte Darstellung der historischen, philosophischen und politischen Hintergründe des Streits sehr gelungen.

Aber wie Ryze ebenfalls schon ganz richtig bemerkte, driftet die Diskussion aus dem Treffpunkt ab. Und genau das wollte ich eigentlich vermeiden. Ich habe mich jetzt von Ant-Man halt doch zu längeren Ausführungen provozieren lassen. :-)

Aber an dieser Stelle mache ich jetzt wirklich Schluss.
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Tibor
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Re: Die Kanzlerin und das Ausländerrecht

Beitrag von Tibor »

Gibt es Einwände, die Art 14 Diskussion abzutrennen?
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
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Re: AW: Die Kanzlerin und das Ausländerrecht

Beitrag von Tobias__21 »

Ara hat geschrieben: Ich finds immer merkwürdig, wenn man meint, dass eine hohe Punktzahl nur möglich wäre, wenn man die Ansicht des Korrektors folgt.

Die Behandlung als Eingriff scheint ja offensichtlich vertretbar zu sein.

Dadurch kommen dann Korrekturanmerkungen wie "Leider nur sehr schwer vertretbar" zustande, die zeigen, dass der Korrektor nicht verstanden hat, dass das Ziel eine vertretbare Lösung zu entwickeln ist und nicht hellseherisch die Meinung des Korrektors zu treffen. Eine nur sehr schwer vertretbare Ansicht ist noch eine vertretbare Ansicht und muss theoretisch den Weg zu 18 Punkten eröffnen.
Finde ich auch. Zumal ich bis jetzt weder in der JuS ab 2000 noch in den online verfügbaren Ausgaben der JURA, geschweige denn in den Standardlehrbüchern was dazu gefunden habe. Gut, Epping druckst auch ein bisschen rum, da klingt das schon etwas an, im Endeffekt sagt er aber auch: Eingriff und basta. Man müsste ja irgendwo wenigstens mal ein Aufbauschema dazu finden, wenn man erwartet dass der gute Student in der Lage sein muss dass ausserhalb der klassischen Eingriffsdogmatik zu lösen. Auch in den Unterlagen die ich von Prof. Dr. Schoch habe wird da kein Fass aufgemacht, und der reitet wirklich gerne auf solchen Sachen rum und regt zum eigenständigen Denken abseits der typischen Aufbauschemata an.

Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass man bei der ganzen Stoffmenge die man zu bewältigen hat da keine hohe Punktzahl vergibt, wenn sonst alles stimmt, auch wenn man das Wort "Eingriff" verwendet. Alles kann man doch wirklich nicht wissen, geschweige denn behalten, man hat ja genug Stoff vor sich den es zu bewältigen gilt. Vielleicht ist das ganze eher ein Thema für die Verfassungsrechtler und nicht unbedingt für den gemeinen Examenskandidaten.

EDIT:

Sorry, habe gerade erst gelesen, dass Tibor abtrennen will. Ihr habt Recht, gehört wirklich nicht in den Thread. Ich hör auf damit.
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Re: AW: Die Kanzlerin und das Ausländerrecht

Beitrag von hlubenow »

Tibor hat geschrieben:Gibt es Einwände, die Art 14 Diskussion abzutrennen?
Kann eigentlich drinbleiben: Es ging ja um Art. 14 in Bezug auf die Frage der Einweisung von Flüchtlingen in Wohn- oder Geschäftsräume, die Privateigentum sind.
famulus hat geschrieben:Deutsche Grenzen sofort dicht machen und Schutzsuchende notfalls davor sitzen lassen. Schließlich geht es im Kern nicht darum, Menschen zu helfen, sondern ein "Stopp-Signal" auszusenden und möglichst viele "aufzuhalten".
So auch das Grundgesetz: Wer aus einem EU-Land (z.B. Österreich) einreist, ist aufzuhalten, Art. 16a II GG. Grund: Sie hätten schon in dem anderen EU-Land Schutz finden können.
Zuletzt geändert von hlubenow am Donnerstag 8. Oktober 2015, 16:48, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: AW: Die Kanzlerin und das Ausländerrecht

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:Ich hatte ja auch gar nicht erwartet, dass du irgendetwas davon verstehen würdest. Das würde einen gewissen Sinn für die Realität voraussetzen. Aber wolltest du nicht aufhören, mich zu betrollen? "Hysterisch" bist in diesem Thread übrigens allein du, und zwar durchweg.
Findest Du Dich wirklich so toll? So intelligent? So über alles erhaben? Unabhängig ob man Dir zustimmt oder nicht, unabhängig ob man ein anderes Modell (z B. das von famulus) für das Bessere hält - reiß Dich zusammen und bleib sachlich.
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
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Re: AW: Die Kanzlerin und das Ausländerrecht

Beitrag von paul321 »

Tobias__21 hat geschrieben:
Ara hat geschrieben: Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass man bei der ganzen Stoffmenge die man zu bewältigen hat da keine hohe Punktzahl vergibt, wenn sonst alles stimmt, auch wenn man das Wort "Eingriff" verwendet. Alles kann man doch wirklich nicht wissen, geschweige denn behalten, man hat ja genug Stoff vor sich den es zu bewältigen gilt. Vielleicht ist das ganze eher ein Thema für die Verfassungsrechtler und nicht unbedingt für den gemeinen Examenskandidaten.
Jetzt lasst euch davon nicht verunsichern. Macht das so wie es in den Standardlehrbüchern steht und gut ist. Das reicht dann auch für wirklich viele Punkte. Gerade im Examen kann Luxuswissen auch schädlich sein. Im Zweifel korrigieren euch selbst im ersten Examen Praktiker vom örtlichen Verwaltungsgericht oder der örtlichen Kreisverwaltungsbehörde. Die haben regelmäßig eher verwaltungsrechtliche bzw. verwaltungsprozessuale Spezialprobleme präsent und wenig Zeit und Muße sich Luxuswissen drauf zu schaffen nur weil das eben in einer von den fünzig zu korrigierenden Klausuren anklingt. Im besten Fall schauen sie dann in einem Standardlehrbuch nach, was sie ohnehin im Regal stehen haben.
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Re: AW: Die Kanzlerin und das Ausländerrecht

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

paul321 hat geschrieben:
Tobias__21 hat geschrieben:
Ara hat geschrieben: Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass man bei der ganzen Stoffmenge die man zu bewältigen hat da keine hohe Punktzahl vergibt, wenn sonst alles stimmt, auch wenn man das Wort "Eingriff" verwendet. Alles kann man doch wirklich nicht wissen, geschweige denn behalten, man hat ja genug Stoff vor sich den es zu bewältigen gilt. Vielleicht ist das ganze eher ein Thema für die Verfassungsrechtler und nicht unbedingt für den gemeinen Examenskandidaten.
Jetzt lasst euch davon nicht verunsichern. Macht das so wie es in den Standardlehrbüchern steht und gut ist. Das reicht dann auch für wirklich viele Punkte. Gerade im Examen kann Luxuswissen auch schädlich sein. Im Zweifel korrigieren euch selbst im ersten Examen Praktiker vom örtlichen Verwaltungsgericht oder der örtlichen Kreisverwaltungsbehörde. Die haben regelmäßig eher verwaltungsrechtliche bzw. verwaltungsprozessuale Spezialprobleme präsent und wenig Zeit und Muße sich Luxuswissen drauf zu schaffen nur weil das eben in einer von den fünzig zu korrigierenden Klausuren anklingt. Im besten Fall schauen sie dann in einem Standardlehrbuch nach, was sie ohnehin im Regal stehen haben.
Vielleicht sollte man einfach still sein, wenn man keine Ahnung hat?
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
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