Stauffenberg - Guter oder Böse?

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[enigma]
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Re: Stauffenberg - Guter oder Böse?

Beitrag von [enigma] »

OJ1988 hat geschrieben:Läppisch und bequem ist es jedenfalls, jeden zu verdammen, der sich anno dunnemals erdreistete, die Beschlusslinie des Evangelischen Kirchentages nicht zu antezipieren.
Noch läppischer und bequemer ist es gar, jeden zu vergöttern, der zumindest bei sehr oberflächlicher Betrachtung alleine wegen seiner (sehr zögerlichen und späten) Opposition gegen den Nationalsozialismus als deutscher Held taugt, um den eigenen Nationalstolz zu rechtfertigen.
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OJ1988
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Re: Stauffenberg - Guter oder Böse?

Beitrag von OJ1988 »

Eine Bombe ins Führerhauptquartier tragen, in Berlin einen Putsch anführen, dafür erschossen werden: in der Tat eine 'sehr zögerliche' Opposition ::roll:

Gegenfrage: Gibt es für dich eigentlich sowas wie 'deutsche Helden' vor '45?
Tobias__21
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Re: Stauffenberg - Guter oder Böse?

Beitrag von Tobias__21 »

OJ1988 hat geschrieben:Eine Bombe ins Führerhauptquartier tragen, in Berlin einen Putsch anführen, dafür erschossen werden: in der Tat eine 'sehr zögerliche' Opposition ::roll:

Gegenfrage: Gibt es für dich eigentlich sowas wie 'deutsche Helden' vor '45?
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[enigma]
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Re: Stauffenberg - Guter oder Böse?

Beitrag von [enigma] »

OJ1988 hat geschrieben:Eine Bombe ins Führerhauptquartier tragen, in Berlin einen Putsch anführen, dafür erschossen werden: in der Tat eine 'sehr zögerliche' Opposition ::roll:
Das war mutig. Mut alleine macht keinen Helden. Der Putschversuch Hitlers war ebenfalls mutig.
OJ1988 hat geschrieben:Gegenfrage: Gibt es für dich eigentlich sowas wie 'deutsche Helden' vor '45?
Klar. Einige Beispiele: Die Sozialdemokraten zB, die in Kenntnis der Konsequenzen versucht haben, Hitlers Machtübernahme zu verhindern. Elser, dessen Motivation für das Hitlerattentat tatsächlich altruistischer Natur war und nicht darin bestand, im Anschluss eine neue, ebenfalls menschenverachtende Diktatur mit ihm als neuen Führer aufzubauen. Die Mitglieder der Weißen Rose. Und die ganzen Deutschen, die jüdische Nachbarn versteckt oder ins Ausland geschmuggelt haben. Aber über die dreht Tom Cruise halt keinen Film. Und die hatten auch nicht so schöne Uniformen.
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Re: Stauffenberg - Guter oder Böse?

Beitrag von OJ1988 »

Gut, wenn 'Helden' grds. nur Gesinnungsgenossen sein können, wirds natürlich eng. Übrigens waren die Scholl-Geschwister anfangs begeisterte Nationalsozialisten und auch nach ihrem Sinneswandel keineswegs "Linke". Am ehesten könnte man sie mit ihrer auf der christlichen Ethik aufbauender Opposition unter das Rubrum "Stauffenberg-Jugend" packen ;)
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[enigma]
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Re: Stauffenberg - Guter oder Böse?

Beitrag von [enigma] »

Es müssen nicht unbedingt Gesinnungsgenossen sein. Elser zB. war Kommunist. Es gab natürlich auch christliche Geistliche, die Helden waren, mit denen ich mich ideologisch nicht identifizieren kann.

Und da wird es auch nicht eng, ich habe ja viele Beispiele genannt, die demonstrieren, dass es damals durchaus möglich und damit auch zu erwarten war, sich tatsächlich heldenhaft zu verhalten. Aber es spielt natürlich eine Rolle, aus welcher Motivation heraus ein vermeintlicher Held handelt und welches Ziel seine Handlungen verfolgen. Und Stauffenbergs Vorstellung vom Nachkriegsdeutschland sowie seine sehr späte Erkenntnis, dass die Nationalsozialisten beseitigt werden müssen, relativieren den unbestrittenen Mut seiner Handlungen mE nunmal stark.
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Re: Stauffenberg - Guter oder Böse?

Beitrag von Mietspantrakt »

OJ1988 hat geschrieben:Gut, wenn 'Helden' grds. nur Gesinnungsgenossen sein können, wirds natürlich eng. Übrigens waren die Scholl-Geschwister anfangs begeisterte Nationalsozialisten und auch nach ihrem Sinneswandel keineswegs "Linke". Am ehesten könnte man sie mit ihrer auf der christlichen Ethik aufbauender Opposition unter das Rubrum "Stauffenberg-Jugend" packen ;)
"Der imperialistische Machtgedanke muß, von welcher Seite er auch kommen möge, für alle Zeit unschädlich gemacht werden. Ein einseitiger preußischer Militarismus darf nie mehr zur Macht gelangen. Nur in großzügiger Zusammenarbeit der europäischen Völker kann der Boden geschaffen werden, auf welchem ein neuer Aufbau möglich sein wird. Jede zentralistische Gewalt, wie sie der preußische Staat in Deutschland und Europa auszuüben versucht hat, muß im Keime erstickt werden. Das kommende Deutschland kann nur föderalistisch sein. Nur eine gesunde föderalistische Staatenordnung vermag heute noch das geschwächte Europa mit neuem Leben zu erfüllen. Die Arbeiterschaft muß durch einen vernünftigen Sozialismus aus ihrem Zustand niedrigster Sklaverei befreit werden. Das Truggebilde der autarken Wirtschaft muß in Europa verschwinden. Jedes Volk, jeder einzelne hat ein Recht auf die Güter der Welt!"

aus dem fuenften flugblatt der weissen rose. stauffenberg-jugend? :crazy:
der 1983 geborene klaeger studiert seit dem wintersemester 2003/2004 biologie (diplom) an der beklagten (vg goettingen, urteil vom 2.3.2010 - 4 a 39/07)
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Re: Stauffenberg - Guter oder Böse?

Beitrag von OJ1988 »

War auf den 'ethischen Glutkern' bezogen. Ansonsten muss es dich doch auch erschrecken, wie da mit ewiggestrigen Kategorien hantiert wird. Weiß doch jeder, dass ein "Volk" nur ein soziales Konstrukt ist.
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Re: Stauffenberg - Guter oder Böse?

Beitrag von OJ1988 »

[enigma] hat geschrieben:Es müssen nicht unbedingt Gesinnungsgenossen sein. Elser zB. war Kommunist. Es gab natürlich auch christliche Geistliche, die Helden waren, mit denen ich mich ideologisch nicht identifizieren kann.

Und da wird es auch nicht eng, ich habe ja viele Beispiele genannt, die demonstrieren, dass es damals durchaus möglich und damit auch zu erwarten war, sich tatsächlich heldenhaft zu verhalten. Aber es spielt natürlich eine Rolle, aus welcher Motivation heraus ein vermeintlicher Held handelt und welches Ziel seine Handlungen verfolgen. Und Stauffenbergs Vorstellung vom Nachkriegsdeutschland sowie seine sehr späte Erkenntnis, dass die Nationalsozialisten beseitigt werden müssen, relativieren den unbestrittenen Mut seiner Handlungen mE nunmal stark.
Die Aktivitäten der Weißen Rose fanden '42/'43 statt - also genau die Zeit, in der Stauffenberg erste Kontakte knüpfte. Finde es im Angesicht von den 99% aller Deutschen (die eigenen Groß- und Urgroßeltern mit eingerechnet), die gar keinen Widerstand leisten auch reichlich borniert, hier nochmal nach Zeitpunkten zu unterscheiden. Aber im bequemen Lehnstuhl der Nachgeborenen sitzend lässt sich ja über Vieles reden. Also: Wann wäre deiner Meinung nach die Sollbruchstellstelle erreicht ? Bereits am 1. April '33, zZ des ersten reichsweiten Judenboykottes? 1935 mit den Nürnberger Rassegesetzen? 1936 mit der Rheinlandbesetzung? Hätte man es da nicht schon alles "wissen können"? Elser war '39 - tja, 'reichlich spät'. . . ::roll:
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Re: Stauffenberg - Guter oder Böse?

Beitrag von Mietspantrakt »

OJ1988 hat geschrieben:War auf den 'ethischen Glutkern' bezogen.
und der "ethische glutkern" von stauffenberg war wirklich christlich? ich finde ja, das an den george-kreis angelehnte elitaere (" Wir wollen eine Neue Ordnung, die alle Deutschen zu Trägern des Staates macht und ihnen Recht und Gerechtigkeit verbürgt, verachten aber die Gleichheitslüge und fordern die Anerkennung der naturgegebenen Ränge.") weltverstaendnis stauffenbergs hatte eher wenig mit dem urchristlichen, protestantischen und auf dem gedanken der gleichheit der menschen beruhenden christentum der geschwister scholl zu tun.
der 1983 geborene klaeger studiert seit dem wintersemester 2003/2004 biologie (diplom) an der beklagten (vg goettingen, urteil vom 2.3.2010 - 4 a 39/07)
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Re: Stauffenberg - Guter oder Böse?

Beitrag von OJ1988 »

Es ging mir darum, dass es überhaupt einen ethischen Impetus (gegen die "wollte nur Kriegsniederlage abwenden"-These) gab.
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Re: Stauffenberg - Guter oder Böse?

Beitrag von [enigma] »

OJ1988 hat geschrieben:Also: Wann wäre deiner Meinung nach die Sollbruchstellstelle erreicht ? Bereits am 1. April '33, zZ des ersten reichsweiten Judenboykottes?

Hätte Stauffenberg den eskalierenden Antisemitismus tatsächlich zur Grundlage seines Widerstands gemacht, wäre das natürlich tatsächlich heldenhaft gewesen, aber das verlangt ja niemand. Es geht darum, dass Stauffenberg den Nationalsozialismus zunächst lange gestützt hat, obwohl dessen Verbrechen gegen die Menschheit bereits offensichtlich waren. Da spielt es dann keine Rolle, ob man die "Sollbruchstelle" 33 oder 39 im Überfall auf Polen sieht. Selbst diese anfängliche Unterstützung würde seiner Heldenhaftigkeit nicht im Wege stehen, wenn er dann etwa durch die Erfahrungen an der Kriegsfront tatsächlich geläutert worden und für ein friedliches und freies Deutschland eingetreten wäre. Gerade das war aber nicht sein Ziel. Und ich werfe ihm natürlich nicht vor, als preußischer Offizier kein linkes oder modernes Demokratieverständnis gehabt zu haben. Zwischen "links" sowie Militärdiktatur mit zur Not gewalttätiger Erhaltung des Lebensraums im Osten (mit der dortigen minderwertigen Bevölkerung als Arbeitssklaven für das Reich) gibt es aber ne Menge Spielraum. Und derartige Ansichten waren auch damals nicht zwingend, wie die Schicksale und Biographien übrigens nicht nur linker, sondern auch konservativer Politiker und Intellektueller im Widerstand belegen.

Ich kann ja wie gesagt gut nachvollziehen, dass konservative Demokraten ein großes Bedürfnis daran haben, auf einen "eigenen" Helden verweisen zu können. Allerdings eignet sich Stauffenberg dafür eben nur auf den ersten Blick. Dafür gibt es bessere Beispiele.
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batman
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Re: Stauffenberg - Guter oder Böse?

Beitrag von batman »

Gut dass "juraidiot" mit einem banalen Posting diesem wunderbaren Thread neues Leben eingehaucht hat.
Gelöschter Nutzer

Re: Stauffenberg - Guter oder Böse?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Gut dass "juraidiot" mit einem banalen Posting diesem wunderbaren Thread neues Leben eingehaucht hat.
Sehe ich auch so.
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Re: Stauffenberg - Guter oder Böse?

Beitrag von OJ1988 »

Falschbehauptungen zu wiederholen, macht sie nicht richtiger.
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