BAMF sucht Volljuristen - Wettbewerbsverbot zulässig?

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julée
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von julée »

paul321 hat geschrieben:
Abgesehen davon gibt es bei den hier interessierenden Rechtsanwälten ja auch eine entsprechende Regelung (§ 43a Abs. IV BRAO). Das scheint dem BAMF aber nicht zu genügen.
Und wie scharf ist dieses Schwert, wenn sich Anwalt A nur zum Aufbau seiner Asylrechtskanzlei für ein halbes Jahr beim BAMF einstellen lässt, um anschließend die Bescheide seiner Kollegen B, C und D anzufechten (und die wiederum die Bescheide von A anfechten)?
Tobias__21 hat geschrieben:Das BAMF wendet sich ja nicht nur an Rechtsanwälte, sondern an Volljuristen im Allgemeinen. Unter die BRAO fällt doch nur, wer auch eine Rechtsanwaltszulassung hat, oder seh ich das falsch?
Ja, die BRAO gilt nur für die Anwälte (für Justiz und Verwaltung bestehen gesonderte Befangenheitsvorschriften). Das "Problem" dürfte aber vor allem bestehen, wenn jemand anschließend als Rechtsanwalt auf der Seite von Asylbewerbern tätig wird.
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Parabellum
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von Parabellum »

Wie verträgt sich eigentlich "Das Stellenangebot richtet sich daher nicht an Juristen/Juristinnen, die auf dem Gebiet des Asyl- und Ausländerrechts tätig sind. " mit Art. 33 Abs. 2 GG?
"Ich sage nicht, dass man sich hier zu siezen hätte oder ähnlichen Quatsch. Bei einem Forum von Juristen für Juristen ist meine Erwartungshaltung aber trotzdem nochmal eine andere als bei der Kneipe um die Ecke." OJ1988
paul321
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von paul321 »

Also, nach meiner Erfahrung reagieren beim Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen alle Beteiligten, inklusive mir selbst, sehr sensibel.

Eines meiner ersten Mandate - mit sehr interessantem Streitwert - war mit einem Gegner, der von einer meiner Ausbildungskanzleien vertreten wurde. Ich war dort zwar nicht in die Mandatsbearbeitung eingebunden, aber es dauerte Wochen bis ich das Ok der Kammergeschäftsführerin hatte, die sich ihrerseits noch beim Vorstand rückversicherte. Ungeachtet dessen stand in der E-Mail dann immer noch ein Disclaimer.

Formal gilt das Verbot meines Erachtens ohnehin nur für Fälle, die als Rechtsanwalt bearbeitet wurden. Notwendig, aber auch ausreichend wäre es dann aber die Regelung nicht derart pauschal zu treffen, sondern nur - wie bei § 43a BRAO - auf den Einzelfall zu beziehen.

Ein pauschales Verbot von einschlägiger Berufserfahrung zu profitieren halte ich für schwierig.
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von paul321 »

Parabellum hat geschrieben:Wie verträgt sich eigentlich "Das Stellenangebot richtet sich daher nicht an Juristen/Juristinnen, die auf dem Gebiet des Asyl- und Ausländerrechts tätig sind. " mit Art. 33 Abs. 2 GG?
Ist es ein öffentliches Amt?
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von Parabellum »

Wieso denn nicht?
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von julée »

Ich sehe das so weitreichende Verbot, wenn man sich explizit auch an Anwälte richtet, auch kritisch - aber das praktische Problem dürfte ja letztlich sein, dass man bei der Masse der Verfahren später kaum nachverfolgen kann, wie eng die Beziehung zwischen Anwalt A und dem damaligen Entscheider B war und inwieweit dort möglicherweise schon im Vorfeld "künstlich" Arbeit geschaffen wird bzw Akquise betrieben wird. Insofern hat man ja schon während der Tätigkeit fürs BAMF einen potentiellen Interessenkonflikt, wenn man genau weiß, dass man demnächst als Anwalt in vergleichbaren Verfahren tätig wird.
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von Parabellum »

Ich halte das Misstrauen - hier und beim BAMF -, mit denen pauschal und abstrakt Anwältinnen und Anwälten unterstellt wird, sowohl in der Anstellung beim BAMF gegen ihre (dortigen) arbeitsvertraglichen Pflichten zu verstoßen, als auch danach gegen das anwaltliche Berufsrecht zu verstoßen, für unerhört.
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von julée »

@Parabellum: Hältst Du es tatsächlich für so ausgeschlossen, dass Einzelne versucht sein könnten, diese Situation für ihre eigenen Zwecke auszunutzen?
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von Parabellum »

Natürlich nicht. Aber damit kann man dann im Einzelfall entsprechend umgehen, auf § 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO wird nochmals ausdrücklich hingewiesen. Einen solchen Generalverdacht kann man darauf jedenfalls nicht stützen.
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von [enigma] »

julée hat geschrieben:@Parabellum: Hältst Du es tatsächlich für so ausgeschlossen, dass Einzelne versucht sein könnten, diese Situation für ihre eigenen Zwecke auszunutzen?
Natürlich ist das nicht ausgeschlossen. Dann verstoßen sie halt gegen die berufsrechtlichen Vorschriften, die genau für solche Fälle geschaffen wurden. Die Frage ist ja eher, ob diese eher abstrakte Gefahr und die zu erwartenden Einzelfälle für die Erforderlichkeit und Wirksamkeit einer derartigen Regelung ausreichen. Wenn man das bejaht, müsste man die Freiheiten von Anwälten - die fast immer mit Missbrauchsgefahr und -fällen einhergehen - noch an ganz anderen Stellen einschränken.
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von julée »

Sicherlich, man wird das Problem am Ende im extremen Einzelfall auch anders lösen können. Aber ich kann - auch mit Blick auf die sonstigen Ausschreibungsbedingungen - durchaus verstehen, dass das BAMF Angst hat, von schwarzen Schafen überrannt zu werden, und nach einer möglichst weitreichenden Abschreckungs- und Schutzmaßnahme sucht.
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von Sebast1an »

Nach § 110 GewO i.V.m. § 74 ff. HGB ist das Wettbewerbsverbot ohne Entschädigung m. E. zweifelslos nichtig. Und ich vermute nicht, dass das BAMF eine Entschädigung vorgesehen hat?

§ 43a Abs. 4 BRAO verbietet dann nur das Tätigwerden in dem vorher selbst entschiedenen Fall. Warum sollte es auch ein Interessenkonflikt sein, den Bescheid des ehemaligen Kollegen anzugreifen?
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von Niederegger »

Was beispielsweise die ausschließende Abgrenzung der anwaltlichen von der notariellen Tätigkeit in derselben Angelegenheit betrifft (§ 45 I Nr. 1, 2 BRAO einerseits, § 3 I Nr. 7 BeurkG andererseits), würde es - ohne Sanktionierung durch diese Vorschriften - m. E nicht nur um wirtschaftlich belanglose Einzelfälle gehen. Das sieht man daran, dass es im nachfolgenden Disziplinarrecht auf notarieller Seite (zu § 50 I Nr. 9 BNotO) durchaus Anschauungsmaterial gibt - das ja dann nur die allergravierendsten Fälle betrifft, die mit einfachem freundlichen/weniger freundlichen Hinweis bei der Prüfung der Amtsführung und milderen Disziplinarmaßnahmen nicht mehr in den Griff zu bekommen waren.
Zuletzt geändert von Niederegger am Samstag 30. April 2016, 13:24, insgesamt 1-mal geändert.
Simplex sigillum veri.
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von paul321 »

Niederegger hat geschrieben:Was beispielsweise die ausschließende Abgrenzung der anwaltlichen von der notariellen Tätigkeit in derselben Angelegenheit betrifft (§ 45 I Nr. 1, 2 BRAO einerseits, § 3 I Nr. 7 BeurkG andererseits), würde es - ohne Sanktionierung durch diese Vorschriften - m. E nicht nur um wirtschaftlich belanglose Einzelfälle gehen. Das sieht man daran, dass es im nachfolgenden Disziplinarrecht auf notarieller Seite (zu § 50 I Nr. 9 BNotO) durchaus Anschauungsmaterial gibt.
Niemand bestreitet auch deren Sinnhaftigkeit bei einem konkreten Interessenskonflikt.
Julee formuliert aber eher ein allgemeines Unbehagen, das man in anderen Bereichen der Justiz nicht hegt. Ein Wechsel zwischen Verwaltung, Staatsanwaltschaft und Gerichten ist vollkommen unproblematisch möglich.

Letztlich spricht das BAMF doch nur aus was ohnehin häufig gedacht wird: Es gibt die guten Juristen beim "Staat" und es gibt Anwälte.
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Re: Manches muss einfach gemeldet werden

Beitrag von julée »

@paul321: ich möchte bitte nicht dahingehend verstanden werden, dass ich die pauschalen Vorbehalte des BAMF gegen alle Anwälte teile. Ich kann aber grds nachvollziehen, dass man dort diffuse Ängste vor schwarzen Schafen hegt - und davon gibt es auch unter Juristen genügend und zwar in allen Bereichen.

Edit: typo
Zuletzt geändert von julée am Samstag 30. April 2016, 13:35, insgesamt 1-mal geändert.
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