[enigma] hat geschrieben:Das sehe ich anders. Der Bundespräsident würde schon faktisch an politischem Einfluss gewinnen, wenn er direkt gewählt würde, das Mandat wäre einfach viel stärker und sogar stärker als das des Bundeskanzlers. Das wäre selbst dann der Fall, wenn man an den Kompetenzen formell nichts ändert. Wobei eine verfassungsrechtliche Stärkung des Amtes dann eigentlich der nächste logische Schritt wäre. Kann man ja gut finden (ich nicht), aber dann sollte man das auch so sagen.
Die Stärke des Mandats hängt richtigerweise aber von den verfassungsrechtlichen Vorgaben ab. Der Bundespräsident würde sich dann vielleicht zugespitzter und häufiger zu bestimmten politischen Angelegenheiten äußern oder eben verstärkt Gesetze "kassieren", wie es so schön heißt. Diese Befugnis hat er aber bereits nach dem geltenden Recht, und es wäre mir, wie gesagt, durchaus recht, wenn sie - gerade bei einer Großen Koalition - verstärkt genutzt würden. Köhler hat sein Amt ab 2005 auch entsprechend interpretiert.
Ich bin im Übrigen auch davon überzeugt, dass es keineswegs ein Ding der Unmöglichkeit wäre, das der Bevölkerung zu vermitteln. Die Stellung des Bundespräsidenten in Österreich ist z.B. auch nicht viel machtvoller als in Deutschland und beschränkt sich im Wesentlichen auf repräsentative und "notarielle" Aufgaben. Gleichwohl kommt dort niemand auf die Idee, die Direktwahl deshalb abschaffen zu wollen.
Daher ist die Behauptung, eine Direktwahl könne man nur fordern, wenn man zugleich die verfassungsrechtlichen Kompetenzen des Bundespräsidenten (deutlich) erweitere, eben denkbar wenig überzeugend. Es ist m.E. in der Regel eher eine Nebelkerze, die verhüllen soll, dass man eben ganz froh ist, den Posten weitgehend nach eigenem Gusto besetzen zu können.