Brexit-Referendum.

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immer locker bleiben
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Re: Brexit-Referendum.

Beitrag von immer locker bleiben »

Ich wäre auch gar nicht so sicher ob "Folgen aushalten" für die Briten am Ende wirklich so schlecht ist. Ich halte es gar nicht für ausgeschlossen, dass die Briten da irgendwie einen Modus (und auch eine Vereinbarung mit der EU) finden, mit dem sie unter dem Strich so schlecht nicht fahren. Auf den ersten Schreck ist der Brexit eine Katastrophe. Wie sich das nacher wirklich darstellt, können wir nur vermuten ...
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[enigma]
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Re: Brexit-Referendum.

Beitrag von [enigma] »

Mr_Black hat geschrieben:
Da es aber der Bürger ist, der die Folgen aushalten muss - egal ob die Entscheidung der Parlamentarier oder er selber fällt - warum nicht ihn selber entscheiden lassen?
Weil "der Bürger" bei einer solchen Wahl nicht über die Folgen nachdenkt, die er tatsächlich aushalten muss, sondern über den möglicherweise kurzfristig eingetretenen Gewinn, selbst wenn dieser nur in der Befriedigung von Instinkten besteht. Je komplexer die Frage, desto eher fehlen dem Bürger die Informationen, um eine Entscheidung zu treffen. Gerade deshalb geht es in den Kampagnen zu derartigen Referenden ja häufig gar nicht mehr um die Informationen, sondern um Emotionen. Da wird dann eben mal für den EU-Austritt gestimmt, weil Cameron nen Denkzettel verdient. Das liegt nicht daran, dass der Bürger dumm ist, sondern daran, dass er ein Mensch ist und Menschen nunmal dazu tendieren, egoistisch und kurzfristig zu denken.

Politiker werden damit beauftragt, das große Ganze im Auge zu haben und Entscheidungen unter allen Aspekten abzuwägen. Dafür verfügen sie über gut qualifizierte Experten und andere Informationsquellen. Es gibt Politiker, die das nicht nutzen und tatsächlich keine Ahnung haben, worüber sie abstimmen. Die sind schlecht und sollten nicht gewählt werden. Jedes Volk bekommt die Politiker und damit letztendlich auch die Entscheidungen, die es verdient.

Die indirekte Demokratie schließt schlechte Entscheidungen natürlich nicht aus, sie macht vernünftige Entscheidungen aber deutlich wahrscheinlicher. Man könnte diese Lücke natürlich dadurch schließen, dass man vor einem solchen Referendum jedem stimmberechtigten Bürger ein Semester lang einen Grundlagenkurs in Volkswirtschaft zur Verfügung stellt. Inklusive bezahltem Bildungsurlaub natürlich. Halte ich aber für eher unpraktikabel.
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Re: Brexit-Referendum.

Beitrag von Remus »

Die Schotten streben jetzt ein zweites Unabhängigkeits-Refrendum an. Kommt nicht wirklich überraschend ...

http://www.handelsblatt.com/politik/int ... l=facebook (Verwaister Link http://www.handelsblatt.com/politik/international/grossbritannien-schotten-wollen-zweites-unabhaengigkeits-referendum/14682982.html?social=facebook automatisch entfernt)
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Mr_Black
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Re: Brexit-Referendum.

Beitrag von Mr_Black »

[enigma] hat geschrieben:
Mr_Black hat geschrieben:
Da es aber der Bürger ist, der die Folgen aushalten muss - egal ob die Entscheidung der Parlamentarier oder er selber fällt - warum nicht ihn selber entscheiden lassen?
Weil "der Bürger" bei einer solchen Wahl nicht über die Folgen nachdenkt, die er tatsächlich aushalten muss, sondern über den möglicherweise kurzfristig eingetretenen Gewinn, selbst wenn dieser nur in der Befriedigung von Instinkten besteht. Je komplexer die Frage, desto eher fehlen dem Bürger die Informationen, um eine Entscheidung zu treffen.
Der Bürger ist also unmündig. Warum dann nicht gleich einen Rat der Weisen, der aus qualifizierten Leuten besteht und die gar nicht erst gewählt werden?

Du gehtst offensichtlich davon aus, dass es in vielen Fragen nur eine einzige richtige Entscheidung gibt, die der Bürger aus Dummheit oder mangelndem Fachwissen aber nicht herausfinden kann. Aber wenn das so wäre, dann bräuchten wir aber auch nicht verschiedene Partien mit verschiedenen politischen Forderungen, sondern nur eine einzige Einheitspartei, die dann immer Recht hat.
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Re: Brexit-Referendum.

Beitrag von Juratutorium »

Das haben wir doch schon längst: https://www.youtube.com/watch?v=PB1tQHofs_Y
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famulus
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Re: Brexit-Referendum.

Beitrag von famulus »

Mr_Black hat geschrieben:Der Bürger ist also unmündig. Warum dann nicht gleich einen Rat der Weisen, der aus qualifizierten Leuten besteht und die gar nicht erst gewählt werden?

Du gehtst offensichtlich davon aus, dass es in vielen Fragen nur eine einzige richtige Entscheidung gibt, die der Bürger aus Dummheit oder mangelndem Fachwissen aber nicht herausfinden kann. Aber wenn das so wäre, dann bräuchten wir aber auch nicht verschiedene Partien mit verschiedenen politischen Forderungen, sondern nur eine einzige Einheitspartei, die dann immer Recht hat.
Es gibt auch bei der Frage nach der Unmittelbarkeit der Demokratie nicht nur eine einzige richtige Entscheidung. Die Bürger wählen aus ihrer Sicht geeignete (d.h. für ihre unmittelbaren Interessen eintretende) Repräsentanten, die sich ihrerseits - anders als der Bürger - in Vollzeit und unter Inanspruchnahme von Sachverständigen mit den zu lösenden Problemen befassen können. Meiner Ansicht nach ist damit eine wesentlich höhere "Qualität" bei der Problemlösung gewährleistet, daher erscheint mir dieses System vorzugswürdig.

Auch bei der direkten Demokratie sind die zu stellenden Fragen zunächst einfach beantwortbar aufzubereiten - wer soll das denn machen? Oder soll es direkt Gesetzgebungsverfahren via Wiki geben und jeder kann sich direkt einbringen?
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Re: Brexit-Referendum.

Beitrag von [enigma] »

Mr_Black hat geschrieben:

Der Bürger ist also unmündig. Warum dann nicht gleich einen Rat der Weisen, der aus qualifizierten Leuten besteht und die gar nicht erst gewählt werden?
Nein, der Bürger ist nicht unmündig, das habe ich nie gesagt, wird mir aber ständig unterstellt. Der Bürger ist Souverän und wählt Volksvertreter. Diese sind auch keine elitäre Kaste, wer selbst Politik machen will, kann sich ja wählen lassen. Dieses System eignet sich vor allem in großen Systemen und bei komplexen Entscheidungen deutlich besser, als eine Volksabstimmung. Der Bürger kann derart wichtige Entscheidungen nicht in jedem beliebigen Sachgebiet treffen, weil kein Bürger über einen wissenschaftlichen Dienst oder Sachverständige verfügt, von dem er man eben wissenschaftlich fundierte Gutachten einholen kann. Oder weil er mit Job und Familie genug andere Dinge hat, die seine Zeit beanspruchen. Deshalb lässt er sich bei solchen Fragen von Vereinfachungen und Emotionen beeinflussen, weil das einfacher ist. Das ist nicht dumm oder unmündig, sondern menschlich.
Mr_Black hat geschrieben:Du gehtst offensichtlich davon aus, dass es in vielen Fragen nur eine einzige richtige Entscheidung gibt, die der Bürger aus Dummheit oder mangelndem Fachwissen aber nicht herausfinden kann. Aber wenn das so wäre, dann bräuchten wir aber auch nicht verschiedene Partien mit verschiedenen politischen Forderungen, sondern nur eine einzige Einheitspartei, die dann immer Recht hat.
Nein, häufig gibt es kein absolutes "richtig" und "falsch". Dass der Brexit ein Fehler war, ist meine persönliche Meinung. Aber was heisst das schon? Ich würde darauf keine politische Grundlagenentscheidung für die Zukunft meines Landes stützen wollen. Dafür kenne ich mich in dem Thema einfach zu wenig aus, und ich würde mich als mindestens durchschnittlich informierten und interessierten Bürger bezeichnen. Vielleicht profitiert England ja langfristig vom Brexit und wird stärker und gesünder als zuvor. Unwahrscheinlich, aber nach dem Zweiten Weltkrieg hätte auch niemand gedacht, dass Deutschland so eine Entwicklung hinlegt. Die Brexit-Entscheidung war dennoch falsch, weil sie das Ergebnis eines Wahlkampfes war, der von beiden Seiten extrem unsachlich, unseriös und emotional geführt wurde. Es wurde gar nicht erst versucht, den Bürgern ihre Entscheidung mit neutralen Informationen zu erleichtern. Das Ergebnis ist, wie man es auch dreht und wendet, eine uninformierte Entscheidung über eine Frage, die die Zukunft des Landes maßgeblich beeinflussen wird. Das halte ich für falsch, und zwar selbst dann, wenn sich in 25 Jahren wider Erwarten herausstellen sollte, dass es der richtige Weg war. Denn das Risiko, mit so einem Referendum richtig ins Klo zu greifen, ist immens.

Und ja, mir wäre es lieber gewesen, Remain hätte gewonnen. Dennoch war ich von Anfang an gegen das Referendum, auch als Remain deutlich vorne lag. Mir geht es nicht um die Entscheidung an sich, sondern um den Prozess der Entscheidungsfindung.

Und ich bin froh, dass ich kein Brite bin. Denn auch ich wäre nicht dazu in der Lage gewesen, sämtliche Argumente die für und gegen einen Austritt sprechen, sachlich fundiert abzuwägen. Ich wäre aber gezwungen gewesen, an der Abstimmung teilzunehmen, wenn ich den Brexit als volkswirtschaftlicher Laie und "aus dem Bauch heraus" für einen Fehler halte und verhindern will.
Zuletzt geändert von [enigma] am Donnerstag 13. Oktober 2016, 13:36, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Brexit-Referendum.

Beitrag von Juratutorium »

Das Problem in Deutschland ist nicht die repräsentative Demokratie, es ist die Homöopathie. Unsere gewählten Volksvertreter bekommen von der EU vorschrieben, welche Richtlinien sie umzusetzen haben. In der EU ist Demokratie, als Wirkstoff nicht mehr nachweisbar. Nun gibt es dennoch Leute, die auf Homöopathie vertrauen und sich daran nicht stören, weil es für sie bislang nicht schlecht gelaufen ist. In anderen EU-Ländern mag man es anders sehen. Die Griechen fragt man am besten gar nicht.
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Re: Brexit-Referendum.

Beitrag von [enigma] »

Juratutorium hat geschrieben:Das Problem in Deutschland ist nicht die repräsentative Demokratie, es ist die Homöopathie. Unsere gewählten Volksvertreter bekommen von der EU vorschrieben, welche Richtlinien sie umzusetzen haben. In der EU ist Demokratie, als Wirkstoff nicht mehr nachweisbar. Nun gibt es dennoch Leute, die auf Homöopathie vertrauen und sich daran nicht stören, weil es für sie bislang nicht schlecht gelaufen ist. In anderen EU-Ländern mag man es anders sehen. Die Griechen fragt man am besten gar nicht.
Unsere gewählten Volksvertreter haben Einfluss auf das Zustandekommen der Richtlinien, deren Umsetzung ihnen vorgeschrieben wird. Und wenn das Interesse an der EU-Gesetzgebung größer wäre, würden die Volksvertreter ihren Job diesbezüglich wohl auch ernster nehmen.
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Re: Brexit-Referendum.

Beitrag von Mr_Black »

famulus hat geschrieben: Es gibt auch bei der Frage nach der Unmittelbarkeit der Demokratie nicht nur eine einzige richtige Entscheidung. Die Bürger wählen aus ihrer Sicht geeignete (d.h. für ihre unmittelbaren Interessen eintretende) Repräsentanten, die sich ihrerseits - anders als der Bürger - in Vollzeit und unter Inanspruchnahme von Sachverständigen mit den zu lösenden Problemen befassen können. Meiner Ansicht nach ist damit eine wesentlich höhere "Qualität" bei der Problemlösung gewährleistet, daher erscheint mir dieses System vorzugswürdig.
Es gibt in der Politik aber nicht nur zu lösende Probleme, sondern auch Richtungsentscheidungen für die Zukunft. Rein in die EU? Die eigene Währung zugunsten des Euro abschaffen - ja oder nein? Werden solche Entscheidungen dann allein von Berufspolitikern getroffen, die dieses Thema im Wahlkampf vielleicht noch nicht einmal thematsiert haben, kann die daraus resultierende Entscheidung später ein echtes Akzeptanzproblem bekommen, so wie es die EU heute eben hat.
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Re: Brexit-Referendum.

Beitrag von Juratutorium »

[enigma] hat geschrieben:Unsere gewählten Volksvertreter haben Einfluss auf das Zustandekommen der Richtlinien, deren Umsetzung ihnen vorgeschrieben wird. Und wenn das Interesse an der EU-Gesetzgebung größer wäre, würden die Volksvertreter ihren Job diesbezüglich wohl auch ernster nehmen.
Glaubst du das wirklich?
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Re: Brexit-Referendum.

Beitrag von [enigma] »

Mmmmmmmmmmmh..... ja. Warum? Weil ich es weiß.
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Re: Brexit-Referendum.

Beitrag von Juratutorium »

Es war nur eine Frage und weder polemisch noch sarkastisch gemeint.

Ich glaube daran nicht und stütze das, der Einfachheit halber, auf: http://www.zdf.de/ZDF/zdfportal/blob/45096752/2/data.pdf (Verwaister Link automatisch entfernt)
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Re: Brexit-Referendum.

Beitrag von [enigma] »

Worauf dort genau?
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Re: Brexit-Referendum.

Beitrag von immer locker bleiben »

Bekommen wir da eine neue Lehrstunde aus dem Mutterland der Demokratie?
http://www.bbc.com/news/uk-politics-37857785

Und da wir Juristen ja die Originalquelle sehen wollen:
https://www.judiciary.gov.uk/judgments/r-miller-v-secretary-of-state-for-exiting-the-european-union/ (Verwaister Link automatisch entfernt)
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