Bundestagswahl 2017.

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sai
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Re: Bundestagswahl 2017.

Beitrag von sai »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:
Darüber hinaus ist dieses "Links-rechts-Schema" doch sehr vereinfachend und wird der Komplexität der Realität nicht gerecht. Ich halte es für einen katastrophalen Fehler, dass etliche Parteien mit sozialdemokratischem Herkommen irgendwann angefangen haben, Migrationsbegrenzung als ein ausschließlich "rechtes" Anliegen zu begreifen, das man moralisch mit aller Schärfe zurückweisen muss.
Ich rede ja auch nicht von rechts - links im Sinne von pro und contra Ausländer oder was auch immer. Sieht man ja gut an der Linkspartei und Sara Wagenknecht, dass das so auch nicht richtig ist.
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Tibor
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Re: Bundestagswahl 2017.

Beitrag von Tibor »

@Suchender: Deine Beurteilung hinsichtlich SPD & Sozialdemokratie und der fehlenden Programmatik kannst du unbesehen auch auch CDU & Konservativ übertragen.
Aber selbst die 20 % sind doch eine hohle Zahl. Es gibt in Deutschland keine 20 % halbwegs wohlsituierten Menschen, denen aber gleichzeitig die Grünen zu alternativ (?) und die SPD zu sozial (?) sind. Entfernte man die ganze Patina (Adenauer, Einheitspartei, Kohl), käme die CDU womöglich nur noch auf 10 % oder weniger.

Was der CDU ganz entscheidend fehlt, ist jedweder Mut. Was du sagst, bringt es ganz gut auf den Punkt: sie hat stets nur Angst, dass ihr hier oder dort Wähler weglaufen. Das kann nicht funktionieren. Eine gesichtslose Partei der Mitte zu sein mag geklappt haben, als sich die SPD noch klar links-sozialdemokratisch positioniert hat. Und als es keine gemäßigten Grünen gab, sodass vor allem "rechte Alternativos" sie gewählt haben.

Wofür steht die CDU denn noch? Weshalb sollte man sie wählen? Ein bisschen rechts, ein bisschen Europa, ein bisschen Schuldenvergemeinschaftung, ein bisschen SPD, aber netter kommuniziert?

Will die CDU wieder ernst genommen werden, dann muss sie sich hinstellen und einen klaren, unterscheidbaren, einzigartigen Kurs in klarer Opposition zu den herrschenden Verhältnissen fahren. Nur ein paar Beispiele:

[wahllos einsetzen: Atom- und Kohleenergie, Personenstandsrecht, Familienwerte, Zuwanderungsrecht, Euro-Politik, Automobilität]

Die CDU versteckt sich, will es [insbesondere Merkel] allen recht machen, niemanden verprellen. Hierdurch verspielt sie aber alle Glaubwürdigkeit, jeden Respekt.

Politik lebt von Unterscheidbarkeit, von Gegensätzen. Wenn alle irgendwie das Gleiche sagen und wollen, gleichzeitig sich aber teilweise selbst widersprechen und vor allem die Gegensätze in der Bevölkerung nicht widerspiegeln, dann kann das nicht gut gehen.
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Gelöschter Nutzer

Re: Bundestagswahl 2017.

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

@Tibor:

Ja, du hast Recht. Merkel ist natürlich völlig beliebig. Das erklärt aber mE auch z.T. den Stimmenverlust der CDU in den letzten Jahren. Merkel hat nur ein paar Vorteile gegenüber der SPD: sie ist persönlich noch immer recht beliebt, sie hat (gerade in unsicheren Zeiten) einen Bonus als Amtsinhaberin und es geht Deutschland wirtschaftlich momentan recht gut.

-----


Ich sehe heutzutage das Problem, dass fast alle Parteien versuchen, das "gesamte Spektrum" mehr oder weniger abzudecken. Das liegt teilweise daran, dass unterschiedliche Charaktere in einer Partei sind (z.B. Ströbele =/= Boris Palmer), andererseits ist es aber auch Ausfluss der Angst, andernfalls Wähler verloren zu geben.

Die Folge davon ist, dass sich (auch führende) Politiker der meisten Parteien äußerst widersprüchlich äußern. Hinzu kommen Kompromisse bei der Koalitionsbildung. Dies macht die Auswirkungen einer Wahlentscheidung völlig unberechenbar:

Wenn ich für eine strengere Migrationspolitik bin, soll ich dann die Linke deshalb wählen, weil ich auf die Durchsetzungskraft von Frau Wagenknecht vertraue? Oder soll ich als Fan einer großzügigen Migration nach Deutschland die Linke nur deshalb nicht wählen, weil Frau Wagenknecht sich dagegen ausspricht?

Soll ich für die CDU stimmen, weil Frau Merkel die "Willkommenskultur" gefördert hat? Oder doch gegen sie, weil sie mit der CSU im Boot sitzt und eine Obergrenze fordert? Soll ich für die FDP stimmen, wenn ich sichere Grenzen möchte? Oder doch nicht, weil die FDP eventuell mit CDU und Grünen einer "atmenden" Obergrenze zustimmt?

Natürlich ist ein solches Verhalten in einer repräsentativen Demokratie zu einem gewissen Grad unvermeidbar. Aber dennoch ist mE inzwischen jede Berechenbarkeit verloren gegangen. Eine Stimme für die CDU kann mittelbar Steuererhöhungen, den Mindestlohn, den Atomausstieg und offene Grenzen bedeuten. Oder auch das Gegenteil, wer weiß das schon?
Survivor
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Re: Bundestagswahl 2017.

Beitrag von Survivor »

Suchender_ hat geschrieben:@Tibor:

Ja, du hast Recht. Merkel ist natürlich völlig beliebig. Das erklärt aber mE auch z.T. den Stimmenverlust der CDU in den letzten Jahren. Merkel hat nur ein paar Vorteile gegenüber der SPD: sie ist persönlich noch immer recht beliebt, sie hat (gerade in unsicheren Zeiten) einen Bonus als Amtsinhaberin und es geht Deutschland wirtschaftlich momentan recht gut.

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Ich sehe heutzutage das Problem, dass fast alle Parteien versuchen, das "gesamte Spektrum" mehr oder weniger abzudecken. Das liegt teilweise daran, dass unterschiedliche Charaktere in einer Partei sind (z.B. Ströbele =/= Boris Palmer), andererseits ist es aber auch Ausfluss der Angst, andernfalls Wähler verloren zu geben.

Die Folge davon ist, dass sich (auch führende) Politiker der meisten Parteien äußerst widersprüchlich äußern. Hinzu kommen Kompromisse bei der Koalitionsbildung. Dies macht die Auswirkungen einer Wahlentscheidung völlig unberechenbar:

Wenn ich für eine strengere Migrationspolitik bin, soll ich dann die Linke deshalb wählen, weil ich auf die Durchsetzungskraft von Frau Wagenknecht vertraue? Oder soll ich als Fan einer großzügigen Migration nach Deutschland die Linke nur deshalb nicht wählen, weil Frau Wagenknecht sich dagegen ausspricht?

Soll ich für die CDU stimmen, weil Frau Merkel die "Willkommenskultur" gefördert hat? Oder doch gegen sie, weil sie mit der CSU im Boot sitzt und eine Obergrenze fordert? Soll ich für die FDP stimmen, wenn ich sichere Grenzen möchte? Oder doch nicht, weil die FDP eventuell mit CDU und Grünen einer "atmenden" Obergrenze zustimmt?

Natürlich ist ein solches Verhalten in einer repräsentativen Demokratie zu einem gewissen Grad unvermeidbar. Aber dennoch ist mE inzwischen jede Berechenbarkeit verloren gegangen. Eine Stimme für die CDU kann mittelbar Steuererhöhungen, den Mindestlohn, den Atomausstieg und offene Grenzen bedeuten. Oder auch das Gegenteil, wer weiß das schon?
=D> Besser kann man die fundamentale Krise unserer Parteiendemokratie kaum beschreiben. Früher war es so, dass man sich auf die Positionen der Parteien zumindest grundsätzlich verlassen konnte. Und das lag m.E. vor allem an den Partei-Granden. Du wusstest einfach, dass ein Helmut Schmidt auch harte Entscheidungen, notfalls auch gegen die eigene Partei und gegen die aktuelle öffentliche Meinung, treffen würde, wenn das für das Land notwendig werden sollte (Nato-Doppelbeschluss, RAF-Terrorismus). Gleiches gilt für Kohl (Wiedervereinigung) und Schröder (Hartz-Gesetzgebung). Solches Verhalten gibt Glaubwürdigkeit, die dann auf die Partei ausstrahlt. Dazu braucht es aber Personen, die aus dem richtigen Holz geschnitzt sind. Solche sehe ich aktuell leider nicht.
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famulus
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Re: Bundestagswahl 2017.

Beitrag von famulus »

Survivor hat geschrieben: Du wusstest einfach, dass ein Helmut Schmidt auch harte Entscheidungen, notfalls auch gegen die eigene Partei und gegen die aktuelle öffentliche Meinung, treffen würde, wenn das für das Land notwendig werden sollte (Nato-Doppelbeschluss, RAF-Terrorismus). Gleiches gilt für Kohl (Wiedervereinigung) und Schröder (Hartz-Gesetzgebung). Solches Verhalten gibt Glaubwürdigkeit, die dann auf die Partei ausstrahlt. Dazu braucht es aber Personen, die aus dem richtigen Holz geschnitzt sind. Solche sehe ich aktuell leider nicht.
Also so wie Merkel im September 2015?


Im Übrigen wüsste ich gern mal, worauf konkret eigentlich die permanent in hlubenow-Sprech wiederholten Behauptungen gründen, die benannten Parteien würden derzeit eine großzügige Migration nach Deutschland befürworten bzw. Migrationsbegrenzung als rechtes Anliegen begreifen.

Ich nehme das so nämlich nicht wahr. Vielleicht eine Frage der Perspektive?
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Honigkuchenpferd
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Re: Bundestagswahl 2017.

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Natürlich: Die Hunderttausenden Asylbewerber 2015, 2016 und 2017, die nahezu alle nach Deutschland kamen (warum nur?), haben wir uns halt alle nur eingebildet, richtig? Genauso wie zum Beispiel die Behauptung Merkels, Deutschland könne seine Grenzen nicht mehr schützen, es könne überhaupt nicht entscheiden, wer kommt und wer nicht. Alles zur besten Sendezeit live im Fernsehen. Und natürlich haben wir uns auch alle nur eingebildet, dass praktisch jeder, der diese Politik kritisch sieht, bepöbelt und diffamiert wird, bis hin zur Wolfang Streeck, der manchen ebenfalls ganz flugs als "Rechter" galt.

Wobei bekanntlich auch du bei dieser Übung gut dabei warst und bist, wie auch dein letzter Kommentar mal wieder schön zeigt.
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Gelöschter Nutzer

Re: Bundestagswahl 2017.

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

famulus hat geschrieben: Also so wie Merkel im September 2015?
Ich glaube, du schätzt ihre "Entscheidung" völlig falsch ein. Zunächst ist es wichtig festzuhalten, dass Merkel damals nichts (Wesentliches) aktiv getan hat, sondern stattdessen vor allem nichts unternommen hat. Passivität ist in der Politik in aller Regel vorteilhafter als aktives Handeln: man hält sich alle Optionen offen. Vor allem aber ist es politisch immer noch besser, fälschlich nicht gehandelt zu haben (zumal sich die Kausalkette im Nachhinein kaum beweisen lässt), als aktiv einen Fehler begangen zu haben.

Darüber hinaus lässt sich Merkels Unwillen, die Grenzen zu schließen, relativ leicht erklären. Denn dies hätte ihr enorm politisch geschadet und potentiell sogar ihre Arbeit der vorangegangenen Jahre zunichte gemacht:

1. Die Übernahme klassisch "linker" Themen (Abschaffung der Wehrpflicht, Atomausstieg, gleichgeschlechtliche Ehe) hat die Parteien links von der CDU, gerade die SPD, extrem geschwächt. Hierdurch hat Merkel sichergestellt, dass die CDU absehbar stets stärkste Partei bleibt. Dies genügt mit größter Wahrscheinlichkeit aber, um das Kanzleramt zu behalten: RRG ist unmöglich, alle anderen Koalitionen beinhalten die CDU als stärkste Partei. Durch die Sozialdemokratisierung der CDU hat sie insbesondere ein Bündnis mit den Grünen ermöglicht und wohl auch angestrebt. Zudem wurde auch eine GroKo erleichtert.

2. Was wäre aber im Falle einer Grenzschließung passiert? Sämtliche "linke" Parteien hätten plötzlich ein wunderbares neues Thema gewonnen. Frierende Flüchtlinge an der Grenze, herzzerreißende Geschichten, "böse Bilder" -- das alles vor laufender Kamera, mit Claudia Roth und Andrea Nahles im Bild. Wie kann die Kanzlerin so kaltherzig sein? Dies hätte nicht nur die Distanz zu den Grünen deutlich erhöht und ein Schwarz-Grünes Bündnis erheblich erschwert. Vor allem hätte es potentiell der SPD mit Unterstützung der Medien neues Leben eingehaucht und evtl. sogar RRG 2017 herbeigeführt.

Natürlich kann man im Nachhinein sagen, dass Merkels Popularität unter ihrer Entscheidung 2015 gelitten und dass diese der CDU geschadet hat. Dies ist aber erst die Folge von Monaten an weiteren Ereignissen: Silvester in Köln, Terroranschläge, Kriminalitätsstatistiken, hohe Kosten usw. Nichts davon war im September 2015 sicher vorhersehbar, jedenfalls waren es nur zukünftige Probleme. Die "bösen Bilder" standen dagegen unmittelbar bevor.

Aus der Ex-ante-Perspektive einer Kanzlerin, die 2017 an der Macht bleiben wollte und hierdurch die "linken" Parteien schwächen musste, war ihre Entscheidung 2015 also die beste Alternative. Tatsächlich war diese Entscheidung aus dieser Perspektive sogar ex post "richtig": Merkel bleibt wohl Kanzlerin. Hätte sie sich 2015 knallhart gegeben, hätten wir heute womöglich RRG.
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Re: Bundestagswahl 2017.

Beitrag von Backstubentaler »

famulus hat geschrieben:
Survivor hat geschrieben: Du wusstest einfach, dass ein Helmut Schmidt auch harte Entscheidungen, notfalls auch gegen die eigene Partei und gegen die aktuelle öffentliche Meinung, treffen würde, wenn das für das Land notwendig werden sollte (Nato-Doppelbeschluss, RAF-Terrorismus). Gleiches gilt für Kohl (Wiedervereinigung) und Schröder (Hartz-Gesetzgebung). Solches Verhalten gibt Glaubwürdigkeit, die dann auf die Partei ausstrahlt. Dazu braucht es aber Personen, die aus dem richtigen Holz geschnitzt sind. Solche sehe ich aktuell leider nicht.
Also so wie Merkel im September 2015?
Man mag die Politik von Merkel im September 2015 bewerten wie man will und ich weiß nicht wie ich gehandelt hätte, aber eines hat Merkel sicher nicht getan: bewusst eine Entscheidung gegen die öffentliche Meinung getroffen. Entscheidend war, dass Merkel spätestens seit dem unglücklichen Interview mit einem Palästinensermädchen im Juni 2015 massiv unter Druck und dem Vorwurf ausgesetzt war, herz- und empathielos zu sein.
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Re: Bundestagswahl 2017.

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Suchender_ hat geschrieben:Nichts davon war im September 2015 sicher vorhersehbar, jedenfalls waren es nur zukünftige Probleme. Die "bösen Bilder" standen dagegen unmittelbar bevor.
Doch, im Kern war das alles vorhersehbar - sofern man die "Dinge vom Ende her denkt".

Im Übrigen kann inzwischen als gesichert gelten, dass die ganze Situation nur entstand, weil Merkel völlig unterschätzte, welche Wirkung die Entscheidung haben würde, die Migranten aus Ungarn ungehindert einreisen zu lassen, die übrigens auf die Initiative Werner Faymanns zurückging, der damals in Österreich Bundeskanzler war. Er rief Merkel spätabends an und schlug ihr das vor.

Bei Robin Alexander kann man ferner nachlesen, dass die GroKo sich schon auf Grenzkontrollen mit Zurückweisung geeinigt hatte, die am 14.9.2015 beginnen sollten. Als dann aber doch gewisse Bedenken aufkamen, dass dies "böse Bilder" provozieren könnte, war niemand mehr bereit, die Verantwortung für diesen Befehl zu übernehmen, insbesondere nicht Thomas de Maizière, den Merkel in die Pflicht nehmen wollte. Und so nahm das alles seinen Lauf, weil es danach für die Regierung schlicht nicht mehr möglich war, ihre Entscheidung ohne massiven Gesichtsverlust zu korrigieren. Das taten dann erst Österreich und die Balkanstaaten, als sich abzeichnete, dass Merkel keinerlei wie auch immer gearteten Plan hatte.

Seehofer hat diese Darstellung Alexanders erst vor wenigen Wochen ausdrücklich bestätigt.
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famulus
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Re: Bundestagswahl 2017.

Beitrag von famulus »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:Natürlich: Die Hunderttausenden Asylbewerber 2015, 2016 und 2017, die nahezu alle nach Deutschland kamen (warum nur?), haben wir uns halt alle nur eingebildet, richtig? Genauso wie zum Beispiel die Behauptung Merkels, Deutschland könne seine Grenzen nicht mehr schützen, es könne überhaupt nicht entscheiden, wer kommt und wer nicht. Alles zur besten Sendezeit live im Fernsehen. Und natürlich haben wir uns auch alle nur eingebildet, dass praktisch jeder, der diese Politik kritisch sieht, bepöbelt und diffamiert wird, bis hin zur Wolfang Streeck, der manchen ebenfalls ganz flugs als "Rechter" galt.
Ich denke schon, dass vieles davon tatsächlich nur Einbildung bzw. persönliche Wahrnehnung ist. Gerade eine "institutionelle" pauschale Diffamierung einer kritischen Auseinandersetzung mit der Thematik konnte und kann ich nicht erkennen. Mir scheint es vielmehr so, dass völlig selektiv und zusammenhanglos Aussagen bestimmter Politiker herausgegriffen wurden, um diese für den Opfermythos auf alle anderen zu übertragen. Für mich ist diese ganze Prämisse, die dieser Haltung zugrunde liegt, schon eine reine Pauschalierung.

@Suchender: Es war eine Entscheidung und dass ihr so oder so auch aus ex-ante-Perspektive ein Strick daraus gedreht werden konnte, wird doch keiner ernsthaft bezweifeln wollen? Die Entscheidung war also unbequem und sie hat sich - neben den von dir spekulierten Gründen - offensichtlich für die humanitäre Variante entschieden. Wenn das kein ausschlaggebender Punkt gewesen sein soll: weshalb steht sie dann heute noch dazu und rudert nicht zurück?

Für mich basieren eure geschlaumeierten Feststellungen und Schlussfolgerungen auf viel zu vielen Unbekannten.
Zuletzt geändert von famulus am Freitag 24. November 2017, 16:47, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Bundestagswahl 2017.

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:
Suchender_ hat geschrieben:Nichts davon war im September 2015 sicher vorhersehbar, jedenfalls waren es nur zukünftige Probleme. Die "bösen Bilder" standen dagegen unmittelbar bevor.
Doch, im Kern war das alles vorhersehbar - sofern man die "Dinge vom Ende her denkt".

Im Übrigen kann inzwischen als gesichert gelten, dass die ganze Situation nur entstand, weil Merkel völlig unterschätzte, welche Wirkung die Entscheidung haben würde, die Migranten aus Ungarn ungehindert einreisen zu lassen, die auf die Initiative Werner Faysmanns zurückging. Er rief Merkel spätabends an und schlug ihr das vor.

Bei Robin Alexander kann man ferner nachlesen, dass die GroKo sich schon auf Grenzkontrollen mit Zurückweisung geeinigt hatte, die am 14.9.2015 beginnen sollten. Als dann aber doch gewisse Bedenken aufkamen, dass dies "böse Bilder" provozieren könnte, war niemand mehr bereit, die Verantwortung für diesen Befehl zu übernehmen, insbesondere nicht Thomas de Maizière, den Merkel in die Pflicht nehmen wollte. Und so nahm das alles seinen Lauf, weil es danach für die Regierung schlicht nicht mehr möglich war, ihre Entscheidung ohne massiven Gesichtsverlust zu korrigieren. Das taten dann erst Österreich und die Balkanstaaten, als sich abzeichnete, dass Merkel keinerlei wie auch immer gearteten Plan hatte.

Seehofer hat diese Darstellung Alexanders erst vor wenigen Wochen ausdrücklich bestätigt.
Ja, da bin ich ganz bei dir, bei einer rationalen Betrachtung orientiert an den Vor- und Nachteilen für das Land waren die späteren Geschehnisse durchaus in etwa absehbar.

Ich wollte aber vor allem zum Ausdruck bringen, dass aus der rein politischen, auf Machterhalt ausgerichteten Perspektive potentielle (wenngleich naheliegende) Nachteile für Deutschland noch in der fernen Zukunft lagen, wohingegen die "bösen Bilder" unmittelbar drohten. Merkel war bereit, die zukünftigen Nachteile (sowie die hiermit ggf. einhergehenden Stimmenverluste) einzugehen, um so die unmittelbare, rein politische Folge einer Stärkung der linken Parteien abzuwenden.

Traurigerweise hat es sich im Ergebnis ja sogar für Merkel "ausgezahlt": RRG ist unmöglich, die SPD zertrümmert. Der Aufstieg der AfD und die Stimmenverluste der CDU wiegen demgegenüber schwächer.

famulus hat geschrieben: @Suchender: Es war eine Entscheidung und dass ihr so oder so auch aus ex-ante-Perspektive ein Strick daraus gedreht werden konnte, wird doch keiner ernsthaft bezweifeln wollen? Die Entscheidung war also unbequem und sie hat sich - neben den von dir benannten Spekulationen - offensichtlich für die humanitäre Variante entschieden.
Nur eben ersichtlich aus anderen Gründen, wie die Hintergrundberichte zeigen.
Wenn das kein ausschlaggebender Punkt gewesen sein soll: weshalb steht sie dann heute noch dazu und rudert nicht zurück?
Das liegt doch auf der Hand: was hätte sie davon? Die triumphierende AfD würde gestärkt, ihre innerparteilichen Kritiker würden es ihr weiter unter die Nase reiben. Gleichzeitig würden evtl. einige SPDler und Grüne verprellt.
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Re: Bundestagswahl 2017.

Beitrag von famulus »

Zwei Jahre vor der Wahl müssen das natürlich die tragenden Erwägungen gewesen sein - liegt ja auf der Hand. ::roll:

Nee, also diese Unterstellung ausschließlich parteitaktischer Erwägungen bei der eiligen Entscheidung einer Regierungschefin in einer humanitären Notlage halte ich - gerade jetzt in der bequemen Lage der Kenntnis der letztendlichen politischen Konsequenzen - für reichlich wohlfeil.
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Re: Bundestagswahl 2017.

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Nee, also diese Unterstellung ausschließlich parteitaktischer Erwägungen bei der eiligen Entscheidung einer Regierungschefin in einer humanitären Notlage halte ich - gerade jetzt in der bequemen Lage der Kenntnis der letztendlichen politischen Konsequenzen - für reichlich wohlfeil.
Also meinst du, Merkel hätte die Genzen 2015 aus einem humanitären Impuls heraus geöffnet? Ich kenne die inneren Beweggründe der Kanzlerin natürlich genauso wenig wie du, halte diese Ansicht aber für naiv und unzutreffend.

Merkel hat doch oft genug gezeigt, dass sie zu keinem Thema eine wirkliche eigene Meinung hat, so auch zum Themenkomplex Migration, hatte sie doch irgendwann in den Nullerjahren verkündet, "Multikulti sei gescheitert".
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Re: Bundestagswahl 2017.

Beitrag von Steffen1991 »

Also meinst du, Merkel hätte die Genzen 2015 aus einem humanitären Impuls heraus geöffnet?
Da bin ich mir sogar sehr sicher. Auch in Hinblick auf ihre eigene Vergangenheit in der DDR ergibt das schon Sinn.
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Re: Bundestagswahl 2017.

Beitrag von Backstubentaler »

famulus hat geschrieben: Nee, also diese Unterstellung ausschließlich parteitaktischer Erwägungen bei der eiligen Entscheidung einer Regierungschefin in einer humanitären Notlage halte ich - gerade jetzt in der bequemen Lage der Kenntnis der letztendlichen politischen Konsequenzen - für reichlich wohlfeil.
Die aufrichten Ziele des Handelns anderer in Frage zu stellen mag billig, zumal wenn man selber nicht entscheiden musste oder selber gar nicht anders entschieden hätte. Bei anderen Entscheidungen Merkels ist es vielleicht deutlicher: den Zeitpunkt der Aufkündigung des Atomkonsenses kann man recht gut an den Umfrageergebnissen der Grünen ablesen. Die Entscheidung Merkels für eine offene Abstimmung über die Gleichgeschlechtliche Ehe kam wenige Tage, nachdem Grüne und FDP diese zu einer Voraussetzung für eine Regierungsbeteiligung erklärt hatten.
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