Levi hat geschrieben:Die Aufgabe, für soziale Gerechtigkeit zu sorgen, hat für mich der Staat und nicht der einzelne Bürger (hier also nicht die Eltern). Ich mache es niemandem zum Vorwurf, wenn von bestehenden Möglichkeiten Gebrauch gemacht wird, auch wenn ich sie in der Sache für unberechtigt halte. Natürlich genieße ich beispielsweise die Vorteile, die ich als Privatpatient beim Arzt habe, auch wenn ich es für ein absolutes Unding halte, dass es diese Zweiklassenmedizin in Deutschland gibt.
Man könnte die Ablehnung eines Systems, dessen Vorteile man gerne nutzt, als "scheinheilig" bezeichnen.
Levi hat geschrieben:Was das Thema soziale Gerechtigkeit im Bildungswesen anbelangt, ist Berlin hinsichtlich der Hinführung von "Arbeiterkindern" (genauer gesagt: Kinder von Eltern ohne höheren Bildungsabschluss) zum formalen Abitur vorbildlich und insoweit deutlich erfolgreicher als Bayern. Berlin führt - bezogen auf die Bevölkerungszahl - mehr als viermal so viele "Arbeiterkinder" zum Abitur wie Bayern. Dass Berlin das auf eine Weise tut, die ich nicht gut finde (nämlich durch Absenkung der Leistungsanforderungen), ist eine andere Sache. Man kann Berlin aber auch nicht absprechen, dass es mit seinem Modell nicht im Ergebnis erfolgreich wäre.
Du ziehst es mithin vor, dass mehr "Arbeiterkinder" - formal - Abitur machen, weil schlicht die Leistungsanforderungen abgesenkt werden, zumindest solange Dich das nicht betrifft, weil Du es vorziehst, Deine Kinder nicht diesem "vorbildlichen" Schulsystem anzuvertrauen? Ich bitte Dich.
Levi hat geschrieben:Aber was das Thema 'soziale Gerechtigkeit' anbelangt, hat Bayern eindeutig Nachholbedarf.
Was "soziale Gerechtigkeit" mit der Entwertung von Bildungsabschlüssen für alle zur Verbesserung von Indikatoren - auf dem Papier - zu tun hat, erschließt sich mir weiterhin nicht.
Levi hat geschrieben:Viel wahrscheinlicher ist es dagegen, dass auch in Bayern ein deutlich höheres Interesse an qualifizierten Schulabschlüssen besteht als es vom Schulsystem zurzeit befriedigt wird. Es sind nicht die Eltern, die einer höheren Schulbildung der unteren Schichten mehrheitlich im Wege stehen, sondern die sozialen Selektionsmechanismen des bayerischen Schulsystems.
Du setzt hier zu Unrecht die Verleihung eines formalen Abschlusses mit "höherer Schulbildung" gleich. Eine solche wird in Berlin ja nun gerade allen Schülern der staatlichen Schulen offenbar nicht zu teil.
Auch die automatische Verleihung des Abiturs zusammen mit dem erfolgreichen Erlangen des Realschul- oder Hauptschulabschlusses hätte nichts mit Chancengleichheit odr sozialer Gerechtigkeit zu tun, sondern allenfalls mit Augenwischerei.