Swann hat geschrieben:Levi hat geschrieben:
Arbeit =/= Anwesenheit
Ich kenne niemanden, der über einen längeren Zeitraum hinweg 10-12 h produktiv arbeiten kann.
Du bist ja auch im öffentlichen Dienst. SCNR.
Ich kenne aber ja durchaus beide Seiten und kann aus eigener Erfahrung sagen, dass ich als Rechtsanwalt im Ergebnis nicht mehr gearbeitet habe als heute; die Arbeit hat sich nur über einen längeren und andere Zeitraum erstreckt. Natürlich passt man sich als junger Anwalt seinem Chef und den Kollegen an und merkt schnell, dass es niemand interessiert, wenn man morgens schon um 7 Uhr im Büro ist und mittags nur schnell ein Brötchen am Schreibtisch verspeist. Entscheidend sind allein die Stunden am Abend ("ich war wieder bis 23 Uhr im Büro"); nur Nachtarbeit ist sexy. Das hat viel mit der Arbeitskultur von Kanzleien zu tun, notwendig ist es aber keineswegs.
Wenn man die Leerlaufzeiten verkürzt, kann man die tatsächliche Arbeit auch auf 6-8 h komprimieren.
Das kollidiert mit dem Geschäftsmodell einer Großkanzlei, die nur deshalb ihre hohe Vergütung verlangen kann, weil sie Mandantenanfragen etc. auch außerhalb der Arbeitszeiten des öffentlichen Dienstes bearbeitet.
Die Vergütung hängt doch nicht davon ab, zu welcher Uhrzeit die Arbeit erledigt wird, sondern vom Ergebnis. Die Uhrzeit interessiert normalerweise keinen Mandanten (von Fällen der Zeitverschiebung im internationalen Bereich jetzt mal abgesehen). Die Rechtsanwälte der GKen, die für mich arbeiten, brauchen mich jedenfalls nicht mehr nach 17 Uhr zu kontaktieren, da bin ich nämlich nicht mehr da.
Sie sollten ihnen deshalb den Rücken freihalten, weil sie irgendwann ja auch in dieselbe Situation kommen können.
Prinzip: "Heute für dich, morgen für mich."
Das dürfte zu wenig sein, zumal für die Menschen, die kein Interesse an einer eigenen Familie haben oder aus sonstigen Gründen in diese Situation nicht kommen werden. Klar, Teilzeitarbeit kann im engen Rahmen auch in der Großkanzlei funktionieren. Dann aber mit Abstrichen bei Gehalt und Karrierechancen, sodass der Familienmensch auch auf diese Weise nicht dieselben Karrierechancen hat wie der Rest.
Du beschreibst das Sein, ich das Sollen. Das sind zwei unterschiedliche Kategorien.
Im Übrigen ist die Welt nicht nur Schwarz und Weiß; es gibt nicht nur "Familienmenschen" und "Karrieremenschen", sondern die meisten Menschen sind beides - nur eben nicht immer zur gleichen Zeit. Es gibt im Leben unterschiedliche Phasen, solchen in denen mehr die Arbeit im Vordergrund steht und anderen, in denen es eher die Familie ist. Kinder brauchen nicht immer die gleiche intensive Betreuung und die intensive Familienphase ist nach spätestens 10-12 Jahren typischerweise abgeschlossen.
Wenn frau jedoch schon weiß, dass eine Familienphase in dem Arbeitsumfeld überhaupt nicht oder jedenfalls nicht ohne deutlichen Karrierenachteil realisiert werden kann, wird sie sich vernünftigerweise etwas anderes suchen (auch wenn sie eigentlich mehr ein "Karrieremensch" ist).
Überzeugendes Argument.
Es bedarf keines Argumentes, um die unsinnige Behauptung, Großkanzleien würden ihre Tätigkeit bewusst so strukturieren, dass Frauen ferngehalten werden, abzutun. Zumal du diesen Unfug ja auch nicht in irgendeiner Weise belegt hast.
Das ist dieselbe scheinheilige Argumentation wie bei Unternehmen, die behaupten, angeblich keine (qualifizierten) Frauen für Vorstände und Aufsichtsräte zu finden und nur deswegen - leider - Männer nehmen (müssen). In Wirklichkeit wollen sie aber nur die zusätzliche Konkurrenz fern- und die Preise hochhalten, und das macht man am einfachsten dadurch, dass man (Arbeits-)Bedingungen schafft, die von Frauen mehrheitlich nicht erfüllt werden können. Natürlich ist das eine Form von geschlechterbezogener mittelbarer Diskriminierung. Nicht unbedingt im rechtlichen Sinne - aber im gesellschafts- und verteilungspolitischen Sinne.