Der US-Spionageskandal

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[enigma]
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Der US-Spionageskandal

Beitrag von [enigma] »

Wir hatten es ja im Melde-Thread schon mehrmals davon, aber so langsam nimmt das doch Ausmaße an, die einen eigenen Fred rechtfertigen sollten, oder?

http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpoli ... 08517.html

Ich persönlich glaube ja, dass das einzige, was Merkel an der Meldung wirklich gegen den Strich geht, die Einstufung Deutschlands als Verbündeter dritter Klasse ist. War sie doch schon zu Bush jr. Zeiten so sehr um ein harmonisches und völlig unkritisches Verhältnis beider Länder bemüht. Dem Bundeskanzler bei dessen Anti-Irakkriegskurs in den Rücken gefallen und deutsche Basen für CIA Flüge in Länder bereitgestellt, in denen man es mit menschenwürdigen Verhörmethoden nicht so genau nimmt. Und jetzt erkennen die das nicht mal an. Menno.

Was die für Montag geplante Videokonferenz mit den Engländern (Videokonferenz, alleine das zeigt doch wie ernst die Beteiligten die Sache nehmen) bringen soll, weiß ich auch nicht. Dass die Freihandelszone als Faustpfand gegen die USA genutzt wird, glaube ich auch nicht. Dafür bräuchte man Eier, und die hat Merkel nun mal nicht.
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Re: Der US-Spionageskandal

Beitrag von Scaevola »

Zu dem verlinkten Artikel: 500 Millionen Verbindungen monatlich ist ja eigentlich nicht sonderlich viel. So gesehen bin ich ein wenig enttäuscht von den amerikanischen Schlapphüten... :)
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[enigma]
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Re: Der US-Spionageskandal

Beitrag von [enigma] »

Das stimmt, und "überwacht" klingt auch immer nach mithören/mitlesen, was bei der Speicherung von Verbindungsdaten ja gerade nicht der Fall ist. Dennoch: Es geht ums Prinzip :D
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Re: Der US-Spionageskandal

Beitrag von Scaevola »

Ich will das ja auch nicht beschönigen... :)
(Mich nervt nur, wenn faule Journalisten mit irgendwelchen Zahlen hantieren, und hoffen, dass sie den Leser irgendwie beeindrucken. Zum Beispiel eben gelesen:
Die gigantische Sause fand im neuen Badeort Awasa statt. Der Bau der Retortenstadt hat seit 2007 rund zwei Milliarden Dollar gekostet. Bis 2020 soll Awasa jährlich bis zu 20.000 Touristen aufnehmen können.
http://www.spiegel.de/panorama/leute/je ... 08601.html)
Doch zurück zum Thema: Ich bin mir nicht sicher, ob Frau Merkel das einfach so wegmoderieren kann. Das hat ja schon ein gewisses Empörungspotenzial, und das im Wahlkampf. Außerdem geht es ja nicht allein um den Schutz der Privatsphäre der Bundesbürger, sondern um handfeste deutsche Interessen darüber hinaus, die auch ihr (hoffentlich) nicht gleichgültig sein werden.
Aber was können wir tun. Obama nett bitten, die Spionageaktivitäten bei uns zu beenden, da sind wir uns wohl einig, wird nicht funktionieren.
Die Freihandelsgespräche als Druckmittel zu nutzen, läge natürlich auf der Hand, zumal man (europäischerseits) hier noch keinen unfreundlichen Akt begehen müsste, schließlich ist alles Verhandlungssache.
Aber wie weit können wir gehen, ohne die grundsätzliche Freundschaftlichkeit der Beziehungen zu gefährden. (Oder wären wir bereit, gerade das zu tun? Wäre das in unserem Interesse?)
Einbestellen des Botschafters? Wäre schon mal eine Ansage, das dürfte bisher noch nicht vorgekommen sein.
Asyl für Snowden? Wäre ein noch etwas größerer Affront, für den ich zugegebenermaßen gewisse Sympathien hege...
Kündigung der Verträge über die Stationierung amerikanischer Truppen in Deutschland (= Austritt aus der Nato?). Da wäre ich schon skeptischer... :D
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Re: Der US-Spionageskandal

Beitrag von Kasimir »

Was soll daran ein Skandal sein, dass ein Geheimdienst das tut, wozu er da ist?
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Re: Der US-Spionageskandal

Beitrag von [enigma] »

@Scaevola: +1. Zumal auf die deutsche Anfrage bei den Briten ein Dreizeiler als Antwort von wegen "können wir nix zu sagen" zurück kam. Das ist schon ne üble Dreistigkeit. Was man machen kann (zumindest bzgl. der Amerikaner) wäre zum Beispiel, Druck bezüglich der anstehenden Freihandelszone aufzubauen. Ein solches Projekt ist immerhin ein Ausdruck gegenseitiger Partnerschaft und Vertrauens, beides wird durch solche Maßnahmen torpediert.

Aber wie gesagt, Merkel macht sowas nicht, die sitzt große Probleme bekanntlich aus. Auch wenn ich Schröder ebenfalls nicht abkonnte, dessen Reaktion wäre zumindest mal interessant gewesen :)
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Re: Der US-Spionageskandal

Beitrag von [enigma] »

Kasimir hat geschrieben:Was soll daran ein Skandal sein, dass ein Geheimdienst das tut, wozu er da ist?
Ein Geheimdienst ist nicht dazu da, die Zivilbevölkerung eines befreundeten souveränen Staates ohne Verdacht in einem derart großen Ausmaß zu überwachen. Meinetwegen sollen die sich bei einem konkreten Verdacht in die jeweilige Verbindung hacken, aber nicht ohne jegliche gerichtliche Kontrolle pauschal die Privatsphäre einer fremden Bevölkerung verletzen.
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Re: Der US-Spionageskandal

Beitrag von Scaevola »

[enigma] hat geschrieben:
Kasimir hat geschrieben:Was soll daran ein Skandal sein, dass ein Geheimdienst das tut, wozu er da ist?
Ein Geheimdienst ist nicht dazu da, die Zivilbevölkerung eines befreundeten souveränen Staates in einem derart großen Ausmaß zu überwachen.
Oder Regierungsstellen, EU-Organe etc...

Es ist jedenfalls reichlich naiv, sich damit zufrieden zu geben, dass eine Institution ihren Auftrag erfüllt. Vielleicht ist ja gerade der der Skandal?
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Re: Der US-Spionageskandal

Beitrag von julée »

Scaevola hat geschrieben: Asyl für Snowden? Wäre ein noch etwas größerer Affront, für den ich zugegebenermaßen gewisse Sympathien hege...
Könnte dann nicht GB (die haben potentiellerweise ja auch ein Interesse an Snowden) immer noch via EU-Recht die Auslieferung verlangen?
Scaevola hat geschrieben:Doch zurück zum Thema: Ich bin mir nicht sicher, ob Frau Merkel das einfach so wegmoderieren kann. Das hat ja schon ein gewisses Empörungspotenzial, und das im Wahlkampf. Außerdem geht es ja nicht allein um den Schutz der Privatsphäre der Bundesbürger, sondern um handfeste deutsche Interessen darüber hinaus, die auch ihr (hoffentlich) nicht gleichgültig sein werden.
Wegmoderieren lässt sich das sicherlich auch nicht. Aber einfach zu lösen ist es wohl auch nicht. Die Opposition ist bislang ja auch überraschend zurückhaltend.
In Deiner Auflistung fehlt übrigens die klassische Steinbrücksche Vorgehensweise :D

Vor allem liegt ja noch einiges im Dunkeln, was man für eine umfassende Reaktion wohl noch wissen sollte:
- Was wussten die deutschen Behörden?
- Wer hat sonst noch bespitzelt?

Und das alles in Kombination mit:
- Was packt Snowden/sonstwer noch aus?
"Auch eine stehengebliebene Uhr kann noch zweimal am Tag die richtige Zeit anzeigen; es kommt nur darauf an, daß man im richtigen Augenblick hinschaut." (Alfred Polgar)
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Re: Der US-Spionageskandal

Beitrag von Scaevola »

julée hat geschrieben:
Scaevola hat geschrieben: Asyl für Snowden? Wäre ein noch etwas größerer Affront, für den ich zugegebenermaßen gewisse Sympathien hege...
Könnte dann nicht GB (die haben potentiellerweise ja auch ein Interesse an Snowden) immer noch via EU-Recht die Auslieferung verlangen?
Nein: Bis Snowden hier ist, hat man GB längst unehrenhaft aus der EU geworfen. :D
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Re: Der US-Spionageskandal

Beitrag von julée »

Kasimir hat geschrieben:Was soll daran ein Skandal sein, dass ein Geheimdienst das tut, wozu er da ist?
Und deshalb muss der Geheimdienst aufzeichnen, wann Lucas an Sophie eine SMS mit "xoxo" schickt? Nur weil etwas technisch möglich ist, heißt es noch lange nicht, dass es auch in den Kompetenzkreis des Geheimdienstes fallen sollte. Und das dürfte erst recht gelten, soweit hier getreu der Maxime "jeder ist verdächtig" mehr Datensätze gesammelt werden als man überhaupt verarbeiten kann.
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Re: Der US-Spionageskandal

Beitrag von julée »

Scaevola hat geschrieben:
julée hat geschrieben:
Scaevola hat geschrieben: Asyl für Snowden? Wäre ein noch etwas größerer Affront, für den ich zugegebenermaßen gewisse Sympathien hege...
Könnte dann nicht GB (die haben potentiellerweise ja auch ein Interesse an Snowden) immer noch via EU-Recht die Auslieferung verlangen?
Nein: Bis Snowden hier ist, hat man GB längst unehrenhaft aus der EU geworfen. :D
Sie wollen ja eh austreten. Insofern Bespitzelung als konkludenter Austritt - gute Idee :D
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Re: Der US-Spionageskandal

Beitrag von [enigma] »

Ich persönlich fühle mich von der Aktion (zumindest derzeit) nicht mal bedroht. Nicht weil ich nichts zu verbergen hätte, sondern weil die NSA in dem gigantischen Datenvolumen erst mal gezielt nach einem bestimmten Verbindungsdatensatz suchen müsste. Und die entsprechenden Informationen (Anschlussinhaber) erhalten sie nur über das jeweilige Unternehmen, für das dann wieder deutsche Gesetze gelten.

Dennoch ist das einfach ein schwerwiegender Eingriff in die Souveränität der betroffenen Staaten, das darf man nicht so einfach hinnehmen. Noch wesentlich schwerer als das US-Programm wirken für mich dabei die Aktionen der Engländer. Die spionieren immerhin EU-Partner aus, das machts nochmal schlimmer.
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Re: Der US-Spionageskandal

Beitrag von julée »

[enigma] hat geschrieben:Ich persönlich fühle mich von der Aktion (zumindest derzeit) nicht mal bedroht. Nicht weil ich nichts zu verbergen hätte, sondern weil die NSA in dem gigantischen Datenvolumen erst mal gezielt nach einem bestimmten Verbindungsdatensatz suchen müsste. Und die entsprechenden Informationen (Anschlussinhaber) erhalten sie nur über das jeweilige Unternehmen, für das dann wieder deutsche Gesetze gelten.
Wobei das Argument natürlich hinfällig wird, wenn auch die entsprechenden Stellen unterlaufen sind und auch diese Daten illegal abgegriffen werden.

Sich persönlich bedroht zu fühlen, dürfte derzeit tatsächlich eher irrational sein (500 Mio. Datensätze/Monat sind unter 10 pro Bundesbürger). Allerdings habe ich schon was dagegen, wenn einfach meine Daten irgendwo gespeichert werden, zu irgendwelchen mir nicht näher bekannten Zwecken verwendet werden und das alles ohne eine adäquate Kontrolle - ganz zu schweigen von einer Rechtsschutzmöglichkeit. Und wenn im Ergebnis irgendwann der BND vor der Haustür steht und was von "geheimen Informationen aus den USA" faselt, dann dürfte das auch eher unlustig sein.
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Re: Der US-Spionageskandal

Beitrag von [enigma] »

Klar. Einverstanden bin ich auch nicht damit. Ich wollte mich nur von der allgemeinen Panikmache ("die Amis hören alle Telefone auf der Welt ab") distanzieren :)

Am meisten stört mich wie gesagt der diplomatische Affront. Antiamerikanismus ist natürlich scheiße und geht gar nicht, aber die USA machen es einem im Moment auch nicht gerade einfach, Verständnis für sie zu haben.
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