Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite?

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julée
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Re: Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite

Beitrag von julée »

[enigma] hat geschrieben:Definitiv werde ich nicht sagen "wenn die Polizei was macht, dann ist es immer richtig, selbst wenn es auf den ersten Blick total schlimm aussieht". Da werden wir uns dann wohl in der Tat nicht einig, muss ja auch nicht sein.
Da willst Du mich offensichtlich missverstehen: Natürlich kann die Polizei auch falsch handeln - und das würde ich meinem Kind auch nicht verschweigen. Aber mir käme es zum einen darauf an, dass es rechtsstaatlichere und bessere Wege gibt, hiergegen - im Fall der Fälle - vorzugehen, als staatliche Maßnahmen unmittelbar zu behindern. Und zum anderen hielte ich es für wichtig, dass sich die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns als Außenstehender kaum beurteilen lässt, weil man den vollen Sachverhalt in aller Regel gar nicht kennt - und ihn möglicherweise auch nicht kennt, nur weil man mit jemandem befreundet ist. Wenn man den Sachverhalt aber nur zu kennen meint, sollte man in Betracht ziehen, dass es tatsächlich völlig anders sein könnte, als man denkt.
Und ob ich auf mein Kind und sein Engagement "stolz" wäre, wäre von dem Gespräch völlig unabhängig - ich schrieb ja auch "kein uneingeschränktes Lob verdient", nicht "überhaupt kein Lob" ;)
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Levi
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Re: Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite

Beitrag von Levi »

hlubenow hat geschrieben:Und wie lösen wir nun das Problem, daß in den Schulen offenbar Schüler sitzen, die zwar sehr gut integriert sind, aber nach geltender Rechtslage abzuschieben sind?
Ich könnte mir tatsächlich eine Art Härtefallregelung vorstellen, nach der derjenige ganz ausnahmsweise dableiben darf, der a) ausgezeichnete Kenntnisse der deutschen Sprache nachweist und b) genug ehrenwerte alteingesessene Deutsche vorweisen kann, die sein Bleiben (nach Art einer Petition) ernsthaft unterstützen.
Aber das gibt es doch längst. 

Das nennt sich Entscheidung der Härtefallkommission. Die unabhängige Härtefallkommission ist besetzt mit Vertretern der Wohlfahrtverbände, der Kirchen und mit Landtagsabgeordneten und sie kann die Empfehlung an die oberste Landesbehörde aussprechen, eine rechtskräftige Ausreisepflicht nicht zu vollziehen, weil sie menschlich oder moralisch unverträglich wäre oder aufgrund einer gefestigten Integration des Ausländers in die deutsche Gesellschaft zu unbilligen Härten führen würde. Es ist gängige Praxis, dass die obersten Landesbehörden einer positiven Entscheidung der Härtefallkommission entsprechen und ein Bleiberecht gewähren. 

Die Härtefallkommission wird nicht von sich aus tätig und in den meisten Bundesländern auch nicht auf Antrag des Ausländers selbst, sondern auf entsprechende Anregung von Kirchen, Verbänden oder Bürgerinnen und Bürgern. 

Im Fall der Familie des nepalesischen Mädchens aus Duisburg, das aus der Schule abgeholt wurde, hat diese Härtefallkommission des Landes NRW sogar getagt und sie hat mit breiter Mehrheit entschieden, dass kein Härtefall vorliegt. 

Gerade vor diesem Hintergrund fand ich die Aufregung über den Fall in den Medien unverständlich. 
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Re: Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite

Beitrag von hlubenow »

Tibor hat geschrieben:Haha. Da sind sie wieder deine monokauselen Betrachtungen, die die Komplexität der Welt ignorieren. Vielleicht ist es auch ein Fehler von Stolpe gewesen? Immerhin hat er das eigentliche Zuwanderungsgesetz im BR zu Fall gebracht (zum Weiterlesen: 2 BvF 1/02), vielleicht waren es aber auch grds nur CDU/SPD, die die Zeichen der Zeit (Süssmuth-Kommission) nicht erkennen wollten und deutlich zu kurzfristig dachten, weil sie die Regelungen zur Einwanderungssteuerung (Vgl http://www.faz.net/aktuell/politik/sues ... 30717.html) unter den Tisch fielen ließen?
Art. 65 GG hat geschrieben:Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung.
Deshalb lag es monokausal grundgesetzmäßig in der Verantwortung unserer allseits hochverehrten Bundeskanzlerin. :alright
hlubenow
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Re: Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite

Beitrag von hlubenow »

Levi hat geschrieben:
hlubenow hat geschrieben:Und wie lösen wir nun das Problem, daß in den Schulen offenbar Schüler sitzen, die zwar sehr gut integriert sind, aber nach geltender Rechtslage abzuschieben sind?
Ich könnte mir tatsächlich eine Art Härtefallregelung vorstellen, nach der derjenige ganz ausnahmsweise dableiben darf, der a) ausgezeichnete Kenntnisse der deutschen Sprache nachweist und b) genug ehrenwerte alteingesessene Deutsche vorweisen kann, die sein Bleiben (nach Art einer Petition) ernsthaft unterstützen.
Aber das gibt es doch längst. 

Das nennt sich Entscheidung der Härtefallkommission. Die unabhängige Härtefallkommission ist besetzt mit Vertretern der Wohlfahrtverbände, der Kirchen und mit Landtagsabgeordneten und sie kann die Empfehlung an die oberste Landesbehörde aussprechen, eine rechtskräftige Ausreisepflicht nicht zu vollziehen, weil sie menschlich oder moralisch unverträglich wäre oder aufgrund einer gefestigten Integration des Ausländers in die deutsche Gesellschaft zu unbilligen Härten führen würde. Es ist gängige Praxis, dass die obersten Landesbehörden einer positiven Entscheidung der Härtefallkommission entsprechen und ein Bleiberecht gewähren. 

Die Härtefallkommission wird nicht von sich aus tätig und in den meisten Bundesländern auch nicht auf Antrag des Ausländers selbst, sondern auf entsprechende Anregung von Kirchen, Verbänden oder Bürgerinnen und Bürgern.
Das mag in etwa der Gedanke gewesen sein. Natürlich wieder typisch deutsch besetzt mit Vertretern der Verbände.
Das Problem, das wir haben, ist aber, daß sich eine Schulklasse aufregt und es deshalb ggf. zu Unruhen kommt, über die dann auch die Medien berichten.
Ich dachte daher nicht an eine Funktionärskommission, sondern wenn es jemandem gelingt, den Einsatz von sagen wir 30 Leuten zu mobilisieren, bekommt er eine Chance zu bleiben. So wie man in einen englischen Club nur aufgenommen wird, wenn einen ein bisheriges Mitglied in diese Gesellschaft einführt und mit seinem guten Namen für einen bürgt.
Ziel wäre auch nicht so sehr, objektiv einen Härtefall festzustellen, sondern Unruhen in der Bevölkerung zu vermeiden.
sai
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Re: Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite

Beitrag von sai »

hlubenow hat geschrieben:
Levi hat geschrieben:
hlubenow hat geschrieben:Und wie lösen wir nun das Problem, daß in den Schulen offenbar Schüler sitzen, die zwar sehr gut integriert sind, aber nach geltender Rechtslage abzuschieben sind?
Ich könnte mir tatsächlich eine Art Härtefallregelung vorstellen, nach der derjenige ganz ausnahmsweise dableiben darf, der a) ausgezeichnete Kenntnisse der deutschen Sprache nachweist und b) genug ehrenwerte alteingesessene Deutsche vorweisen kann, die sein Bleiben (nach Art einer Petition) ernsthaft unterstützen.
Aber das gibt es doch längst. 

Das nennt sich Entscheidung der Härtefallkommission. Die unabhängige Härtefallkommission ist besetzt mit Vertretern der Wohlfahrtverbände, der Kirchen und mit Landtagsabgeordneten und sie kann die Empfehlung an die oberste Landesbehörde aussprechen, eine rechtskräftige Ausreisepflicht nicht zu vollziehen, weil sie menschlich oder moralisch unverträglich wäre oder aufgrund einer gefestigten Integration des Ausländers in die deutsche Gesellschaft zu unbilligen Härten führen würde. Es ist gängige Praxis, dass die obersten Landesbehörden einer positiven Entscheidung der Härtefallkommission entsprechen und ein Bleiberecht gewähren. 

Die Härtefallkommission wird nicht von sich aus tätig und in den meisten Bundesländern auch nicht auf Antrag des Ausländers selbst, sondern auf entsprechende Anregung von Kirchen, Verbänden oder Bürgerinnen und Bürgern.
Das mag in etwa der Gedanke gewesen sein. Natürlich wieder typisch deutsch besetzt mit Vertretern der Verbände.
Das Problem, das wir haben, ist aber, daß sich eine Schulklasse aufregt und es deshalb ggf. zu Unruhen kommt, über die dann auch die Medien berichten.
Ich dachte daher nicht an eine Funktionärskommission, sondern wenn es jemandem gelingt, den Einsatz von sagen wir 30 Leuten zu mobilisieren, bekommt er eine Chance zu bleiben. So wie man in einen englischen Club nur aufgenommen wird, wenn einen ein bisheriges Mitglied in diese Gesellschaft einführt und mit seinem guten Namen für einen bürgt.
Ziel wäre auch nicht so sehr, objektiv einen Härtefall festzustellen, sondern Unruhen in der Bevölkerung zu vermeiden.
Das ist - mit Verlaub - ein ausgesprochen unsinniger Vorschlag, der am geltenden Asyl- und Aufenthaltsrecht und dem damit verbundenen System völlig vorbeigeht.

Vollziehbar ausreisepflichtige Personen müssen konsequent abgeschoben werden. Dieses Damoklesschwert ist das Einzige, was der Staat in der Hand hat, um ein bisschen Druck zu machen. Ob man Leute jetzt auch Schulen rausholen muss, kann man sicher diskutieren. Das hätte man in diesem Fall sicherlich "sauberer" lösen können. Es ändert aber nichts daran, dass unser gesamtes System nur funktioniert, wenn wir die Leute auch konsequent(er) in ihre Heimatstaaten zurückschicken.
hlubenow
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Re: Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite

Beitrag von hlubenow »

sai hat geschrieben:Das ist - mit Verlaub - ein ausgesprochen unsinniger Vorschlag
Er ist des Treffpunkts würdig! ;)
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thh
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Re: Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite

Beitrag von thh »

sai hat geschrieben:
hlubenow hat geschrieben:Das Problem, das wir haben, ist aber, daß sich eine Schulklasse aufregt und es deshalb ggf. zu Unruhen kommt, über die dann auch die Medien berichten.
Ich dachte daher nicht an eine Funktionärskommission, sondern wenn es jemandem gelingt, den Einsatz von sagen wir 30 Leuten zu mobilisieren, bekommt er eine Chance zu bleiben. So wie man in einen englischen Club nur aufgenommen wird, wenn einen ein bisheriges Mitglied in diese Gesellschaft einführt und mit seinem guten Namen für einen bürgt.
Ziel wäre auch nicht so sehr, objektiv einen Härtefall festzustellen, sondern Unruhen in der Bevölkerung zu vermeiden.
Das ist - mit Verlaub - ein ausgesprochen unsinniger Vorschlag, der am geltenden Asyl- und Aufenthaltsrecht und dem damit verbundenen System völlig vorbeigeht.
Wieso? Er ist durchaus verallgemeinerungsfähig und konnte bspw. im Sozial-, Verwaltungs- und Strafrecht in erheblichem Umfang den Ich Instanzenzug ersetzen. Wer 30 Leute mobilisiert, der erhält die begehrten Leistungen, dessen belastender Verwaltungsakt wird aufgehoben und dessen Strafe wird annulliert.
Deutsches Bundesrecht? https://www.buzer.de/ - tagesaktuell, samt Änderungsgesetzen und Synopsen
Gesetze mit Rechtsprechungsnachweisen und Querverweisen? https://dejure.org/ - pers. Merkliste u. Suchverlauf
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Tibor
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Re: Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite

Beitrag von Tibor »

Aber nur Ehrenmänner toitschen Blutes und kein Weibsvolk.
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Re: Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Kirchenasyl und natürlich Frauen und Kinder zuerst. Ich wäre dafür, die unnützen Neonazis abzuschieben, die stören nur. Vor allem die Reichsbürger könnte man doch in Berufung auf ihre eigene Staatlichkeit für staatenlos erklären, da deren Staat nicht mehr existiert. :D
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[enigma]
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Re: Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite

Beitrag von [enigma] »

Levi hat geschrieben:
Im Fall der Familie des nepalesischen Mädchens aus Duisburg, das aus der Schule abgeholt wurde, hat diese Härtefallkommission des Landes NRW sogar getagt und sie hat mit breiter Mehrheit entschieden, dass kein Härtefall vorliegt. 

Gerade vor diesem Hintergrund fand ich die Aufregung über den Fall in den Medien unverständlich. 
Die Härtefallkommission hat den Härtefall explizit deswegen abgelehnt, weil die Eltern vor 15 Jahren mit falschen Namen eingereist sind. Der Vater hat sich deshalb selbst angezeigt und behauptet, er sei unter falscher Identität eingereist, weil er in Nepal unter seiner echten Identität verfolgt wurde. Aufgrund dieser Täuschung wurden zunächst der Asylantrag abgelehnt und über 10 Jahre später die Abschiebung verfügt. Ich gebe gerne zu, dass ich die Akten nicht kenne und deshalb nicht abschließend beurteilen kann, ob die Voraussetzungen für einen Härtefall nun vorliegen oder nicht. Aber für so unfehlbar halte ich die Entscheidung dann auch nicht.
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Levi
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Re: Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite

Beitrag von Levi »

[enigma] hat geschrieben:
Levi hat geschrieben:
Im Fall der Familie des nepalesischen Mädchens aus Duisburg, das aus der Schule abgeholt wurde, hat diese Härtefallkommission des Landes NRW sogar getagt und sie hat mit breiter Mehrheit entschieden, dass kein Härtefall vorliegt. 

Gerade vor diesem Hintergrund fand ich die Aufregung über den Fall in den Medien unverständlich. 
Die Härtefallkommission hat den Härtefall explizit deswegen abgelehnt, weil die Eltern vor 15 Jahren mit falschen Namen eingereist sind. Der Vater hat sich deshalb selbst angezeigt und behauptet, er sei unter falscher Identität eingereist, weil er in Nepal unter seiner echten Identität verfolgt wurde. Aufgrund dieser Täuschung wurden zunächst der Asylantrag abgelehnt und über 10 Jahre später die Abschiebung verfügt. Ich gebe gerne zu, dass ich die Akten nicht kenne und deshalb nicht abschließend beurteilen kann, ob die Voraussetzungen für einen Härtefall nun vorliegen oder nicht. Aber für so unfehlbar halte ich die Entscheidung dann auch nicht.
Ich weiß nicht, welche Gründe die Härtefallkomission zu ihrer Entscheidung veranlasst haben; dazu kenne ich den Fall zu wenig. Ich fand es allerdings sehr wichtig, darauf hinzuweisen, dass es diese Möglichkeit gibt und sich die Kommission mit dem Fall auch explizit beschäftigt hat.

Insbesondere mit Blick auf die Kritik am Vorgehen der Ausländerbehörden in diesem Fall finde ich es schon erwähnenswert, dass Deutschland solche unangenehmen Maßnahmen wahrlich nicht übereilt trifft und sich die Entscheidung auch alles andere als leicht macht.

Seit der ersten Verwaltungsentscheidung ist mehr als ein Jahrzehnt vergangen und zahlreiche Instanzen wurden beteiligt, sowohl gerichtliche wie "moralische". Mehr Verfahrensgerechtigkeit lässt sich schwerlich herstellen. Will man mehr erreichen, müsste man an die gesetzlichen Vorschriften herangehen. Hierfür ist jedoch weder die Exekutive noch die Jurisdiktion zuständig und Kritik an ihrem Vorgehen daher von vornherein verfehlt.
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Re: Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite

Beitrag von julée »

[enigma] hat geschrieben:Die Härtefallkommission hat den Härtefall explizit deswegen abgelehnt, weil die Eltern vor 15 Jahren mit falschen Namen eingereist sind. Der Vater hat sich deshalb selbst angezeigt und behauptet, er sei unter falscher Identität eingereist, weil er in Nepal unter seiner echten Identität verfolgt wurde. Aufgrund dieser Täuschung wurden zunächst der Asylantrag abgelehnt und über 10 Jahre später die Abschiebung verfügt. Ich gebe gerne zu, dass ich die Akten nicht kenne und deshalb nicht abschließend beurteilen kann, ob die Voraussetzungen für einen Härtefall nun vorliegen oder nicht. Aber für so unfehlbar halte ich die Entscheidung dann auch nicht.
"Unfehlbar" ist kein sonderlich fairer Maßstab - schon gar nicht aus der Ferne. Gleichwohl dürfte es - nach allem, was man über den Fall weiß - Fälle geben, die noch viel eindeutiger ein Härtefall sind, in denen es z. B. entsprechende Täuschungshandlungen nicht gab oder eine Abschiebung tatsächlich eine extrem außergewöhnliche Härte bedeutete. Und dann weiß man auch nicht so ganz, warum das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung so lange gedauert hat - damit dürfte sich aber ggf. auch das Argument "hat lange gedauert" relativieren (jedenfalls hielte ich es für problematisch, denjenigen, der selbst dafür gesorgt hat, dass das Verfahren so lange gedauert hat, ab einem gewissen Zeitpunkt automatisch mit der Anerkennung als Härtefall zu "belohnen"). Insofern mag die Entscheidung für das Mädchen für hart halten (das ist sie gewiss), aber es dürfte auch Punkte geben, die eher gegen die Annahme eines Härtefalls sprechen. Einen Mangel an Beschäftigung mit dem Fall wird man den zuständigen Stellen wahrscheinlich nicht vorwerfen können.
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Re: Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite

Beitrag von Tibor »

Die Sache ist doch ganz einfach: Wir wissen nur was über die Tochter, nicht aber über die Eltern. Ggf waren die gerade nicht integriert, arbeitslos, nach 15 Jahren immer noch nicht der deutschen Sprache mächtig etc. pp. Wir wissen es schlicht nicht, weil sich die Presse natürlich auf die medial wirksamen Fakten stürzt: Vor 15 Jahren geschummelt und Kind aus Schule abgeschoben. Und wenn bspw die Eltern null integriert waren, geht natürlich das minderjährige Kind mit, oder hat hier jemand tatsächlich gedacht, dass das integrierte Kind ohne Eltern hier bleiben kann?
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Re: Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite

Beitrag von [enigma] »

@julée Das habe ich auch nicht behauptet und ich habe ja selbst gesagt, dass hier ohnehin niemand den Fall verlässlich beurteilen kann. Ich fand nur Levis Argument, die Ablehnung durch die Härtefallkommission mache die Aufregung unverständlich nicht überzeugend.
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Re: Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite

Beitrag von [enigma] »

Tibor hat geschrieben:Die Sache ist doch ganz einfach: Wir wissen nur was über die Tochter, nicht aber über die Eltern. Ggf waren die gerade nicht integriert, arbeitslos, nach 15 Jahren immer noch nicht der deutschen Sprache mächtig etc. pp. Wir wissen es schlicht nicht, weil sich die Presse natürlich auf die medial wirksamen Fakten stürzt: Vor 15 Jahren geschummelt und Kind aus Schule abgeschoben. Und wenn bspw die Eltern null integriert waren, geht natürlich das minderjährige Kind mit, oder hat hier jemand tatsächlich gedacht, dass das integrierte Kind ohne Eltern hier bleiben kann?
Die Fälle, in denen die Eltern absolut nicht integriert sind, das Kind aber sehr gut, sind ziemlich selten. Auch die Selbstanzeige des Vaters spricht eher für aufrichtige Integrationsbemühungen. Mag ja aber alles sein, ich kenne die Familie nicht. Es geht auch nicht darum, ob die Abschiebung gerechtfertigt war oder nicht. Das kann hier wie gesagt niemand beurteilen. Es geht darum, dass Abschiebungen aus der Schule zu enormen Problemen führen und nicht nur eine Belastung für die abgeschobenen Kinder, sondern für alle Kinder und die ganze Schule sind. Die Kinder werden faktisch vor die Wahl gestellt, tatenlos zuzusehen, wie ihr Schulfreund für immer weggebracht wird oder sich einzumischen. Ich hatte hier auch schon erwähnt, dass Abschiebungen aus der Schule in einigen Fällen vielleicht unausweichlich sein mögen, weil es keinen anderen Weg gibt, an das Kind zu kommen. Derzeit sind sie aber bei der Abschiebung von Kindern der Regelfall, nicht die Ausnahme. Es scheint Schulen zu geben, in denen solche Fälle möglichst sensibel und diskret gehandhabt werden, es gibt aber auch Fälle, in denen die Polizei in den Klassenraum marschiert und das Kind vor versammelter Klasse mitnimmt. Selbst erlebt, ist nicht schön.

Und wenn man Schulkinder schon mit einer solchen Situation konfrontiert, kann man es ihnen mE schlecht vorwerfen, wenn sie sich dann "falsch" (Ansichtssache) verhalten.
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