Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite?

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julée
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Re: Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite

Beitrag von julée »

[enigma] hat geschrieben:
Meine Mutter hat sich in den wilden 70ern mit anderen am Eingangstor der örtlichen Verkehrsbetriebe angekettet, um gegen die Erhöhung der Fahrpreise um 5 Pfennig zu demonstrieren. Heute wählt sie CDU. :D
So kann es gehen :D
"Auch eine stehengebliebene Uhr kann noch zweimal am Tag die richtige Zeit anzeigen; es kommt nur darauf an, daß man im richtigen Augenblick hinschaut." (Alfred Polgar)
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Re: Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

julée hat geschrieben:
Candor hat geschrieben:
Honigkuchenpferd hat geschrieben:Insofern ist auch dein Verweis auf die Schweiz nicht zielführend: Auch dort bedient man sich der vorgesehenen rechtliche und demokratischen Verfahrensweisen.
Ja klar, aber man muss es nicht als Elternteil noch obrigkeitshörig abnicken, darum ging es ja, weil ich dies übertrieben finde, was aber nicht bedeutet, gegen das Gesetz zu verstoßen.
Man kann die Funktionsweise staatlicher Vorgänge seinen Kindern auch erläutern, ohne sie gleich "obrigkeitshörig ab(zu)nicken". Genauso kann man den Spagat zwischen "schön, dass Du Dich für Deinen Mitschüler einsetzen willst" und "beim nächsten Mal setzt Du Dich gefälligst nicht vor den Streifenwagen; die Rechtmäßigkeit staatlicher Maßnahmen wird auf anderem Wege kontrolliert und sichergestellt" schaffen.
Sicher, aber die Eltern erfahren so was meistens erst hinterher. Man kann nur versuchen, dem Jugendlichen klarzumachen, dass er mit politischen und rechtlichen Mitteln weiterkommt. Gerade in der Schweiz kann das bis zur Abstimmung führen, wenn man genug Stimmen zusammenkriegt.
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Re: Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

[enigma] hat geschrieben:Meine Mutter hat sich in den wilden 70ern mit anderen am Eingangstor der örtlichen Verkehrsbetriebe angekettet, um gegen die Erhöhung der Fahrpreise um 5 Pfennig zu demonstrieren. Heute wählt sie CDU. :D
Aha, daher Deine hier gezeigten rebellischen Tendenzen. :D
julée
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Re: Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite

Beitrag von julée »

Candor hat geschrieben:
julée hat geschrieben:
Candor hat geschrieben:
Honigkuchenpferd hat geschrieben:Insofern ist auch dein Verweis auf die Schweiz nicht zielführend: Auch dort bedient man sich der vorgesehenen rechtliche und demokratischen Verfahrensweisen.
Ja klar, aber man muss es nicht als Elternteil noch obrigkeitshörig abnicken, darum ging es ja, weil ich dies übertrieben finde, was aber nicht bedeutet, gegen das Gesetz zu verstoßen.
Man kann die Funktionsweise staatlicher Vorgänge seinen Kindern auch erläutern, ohne sie gleich "obrigkeitshörig ab(zu)nicken". Genauso kann man den Spagat zwischen "schön, dass Du Dich für Deinen Mitschüler einsetzen willst" und "beim nächsten Mal setzt Du Dich gefälligst nicht vor den Streifenwagen; die Rechtmäßigkeit staatlicher Maßnahmen wird auf anderem Wege kontrolliert und sichergestellt" schaffen.
Sicher, aber die Eltern erfahren so was meistens erst hinterher. Man kann nur versuchen, dem Jugendlichen klarzumachen, dass er mit politischen und rechtlichen Mitteln weiterkommt. Gerade in der Schweiz kann das bis zur Abstimmung führen, wenn man genug Stimmen zusammenkriegt.
Auch unabhängig von konkreten Vorkommnissen kann man seinen Kindern ein Gefühl dafür vermitteln, wie das Rechtssystem funktioniert und was richtig und was falsch ist; es geht um die Grundeinstellung: Verdient staatliches Handeln grundsätzlich Respekt? Besteht für staatliches Handeln grundsätzlich eine Vermutung der Rechtmäßigkeit oder der Rechtswidrigkeit und Willkür? Mit welchen Mitteln kann / darf ich mich dagegen wehren, wenn ich staatliches Handeln subjektiv für falsch halte? Und im Nachhinein kann man seinen Kindern erklären, warum es trotz allem möglicherweise falsch war, vor dem Streifenwagen zu sitzen.
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Re: Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ja, sicher, aber die Jugendlichen haben ihren eigenen Kopf und lassen sich auch durch Freunde beeinflussen. Dann diese ungeschriebenen Gesetze in der Peer Group. Es sind nun mal nicht alle Jugendlichen stubenhockende Streber, die immer hübsch brav zuhause bleiben und den Eltern aufs Wort gehorchen. Ganz im Gegenteil führt eine autoritäre Erziehung noch eher zur Rebellion. Es ist immer noch am besten, möglichst gemäßigt und tolerant auf solche Aspekte hinzuweisen. Erzwingen kann man den Respekt vor sich oder Polizisten nicht. Zuerst will Sohnemann Polizist werden, dann kommt eben die Phase, wo die "Bullen" keine positiven Assoziationen wecken, allein schon wegen den Verkehrskontrollen. Und irgendwann normalisiert sich das wieder und einer der Kumpels bewirbt sich bei der Polizeischule oder der Vater der Freundin ist Polizist. :D
julée
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Re: Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite

Beitrag von julée »

"Autoritäre Erziehung", nur weil man seinem Kind beibringt, dass wir zum Glück in einem Staat leben, in dem man sich nicht vor Streifenwagen setzen oder an irgendwelche Bäume/Tore/Gleise ketten muss? Und dass Erziehungsmaßnahmen (bzw. die Vermittlung von Werten) möglicherweise nicht den gewünschten Effekt zeigen, mag sein - das ist aber keine Entschuldigung dafür, es noch nicht mal zu versuchen.
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Re: Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ich denke schon, dass solche Eltern es versuchen. Man kann eben nicht alles steuern, vor allem auch nicht seine Kinder. Solche Schuldzuweisungen sind zu kurz gegriffen. Das hat gesellschaftliche Gründe. Und besser das Kind rebelliert und handelt sich vielleicht eine geringe Strafe ein, als dass es sich depressiv vor den nächsten Zug wirft. Ich sehe das einfach nicht so dramatisch. Aus meiner Sicht wird das arg hochgeschaukelt als Problem. Man könnte die Polizisten vielleicht noch besser unterstützen durch psychologisch ausgebildete Deeskalationshelfer.
julée
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Re: Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite

Beitrag von julée »

Aber vielleicht können wir Einigkeit darüber erzielen, dass das Kind für eine solche Aktion auch kein uneingeschränktes Lob für sein staatsbürgerliches Engagement, sondern ein Gespräch darüber verdient hat, warum sein Verhalten - bei allem Verständnis für die Situation - falsch war und auch nicht dadurch gerechtfertigt ist, dass "alle anderen" das auch gemacht haben? Die strafrechtliche Seite halte ich an der Stelle für vernachlässigbar (Fehler passieren, gerade wenn man "jung" ist und situativ nicht richtig nachgedacht hat).
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Re: Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

julée hat geschrieben:Aber vielleicht können wir Einigkeit darüber erzielen, dass das Kind für eine solche Aktion auch kein uneingeschränktes Lob für sein staatsbürgerliches Engagement, sondern ein Gespräch darüber verdient hat, warum sein Verhalten - bei allem Verständnis für die Situation - falsch war und auch nicht dadurch gerechtfertigt ist, dass "alle anderen" das auch gemacht haben? Die strafrechtliche Seite halte ich an der Stelle für vernachlässigbar (Fehler passieren, gerade wenn man "jung" ist und situativ nicht richtig nachgedacht hat).
+1

Ja, vollste Zustimmung! :)

Respekt verdient jeder Mensch, auch Polizisten! :D

Im Ernst: Es ist noch nicht lange her, wo ich mich beim Polizeipräsidium unserer Stadt dafür einsetzte, den geplanten Stellenabbau bei der Polizei zwecks Sparmaßnahmen zu verhindern. Die Chefin, mit der ich per Du bin, war auch dagegen, aber sie konnte sich leider nicht durchsetzen. (Nur so nebenbei: Sie war wohl eine der schlimmsten Blockadenhocker in alten Zeiten, wie sie mal andeutete. :D )
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Re: Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite

Beitrag von [enigma] »

julée hat geschrieben:Aber vielleicht können wir Einigkeit darüber erzielen, dass das Kind für eine solche Aktion auch kein uneingeschränktes Lob für sein staatsbürgerliches Engagement, sondern ein Gespräch darüber verdient hat, warum sein Verhalten - bei allem Verständnis für die Situation - falsch war und auch nicht dadurch gerechtfertigt ist, dass "alle anderen" das auch gemacht haben? Die strafrechtliche Seite halte ich an der Stelle für vernachlässigbar (Fehler passieren, gerade wenn man "jung" ist und situativ nicht richtig nachgedacht hat).
Ein Gespräch definitiv. Die Standpauke hängt davon ab, was das Kind denn genau gemacht hat. Ich hätte als Vater schon deshalb meine Probleme damit, weil meine Sorge zu groß wäre, das Kind könne in die Eskalation hineingezogen werden und würde schon deshalb dazu raten, sich rauszuhalten. Wenn mir mein Kind aber erklären kann, dass es friedlich (!) Widerstand geleistet hat, und zwar nicht, weil es ne tolle Möglichkeit war, mal was gegen die böse Polizei zu machen oder vor den Freunden der Held zu sein, sondern weil es die Abschiebung eines Freundes für unerträgliches Unrecht hielt und ohne sich selbst zu gefährden, wäre ich in der Tat stolz auf das Kind. Definitiv werde ich nicht sagen "wenn die Polizei was macht, dann ist es immer richtig, selbst wenn es auf den ersten Blick total schlimm aussieht". Da werden wir uns dann wohl in der Tat nicht einig, muss ja auch nicht sein.
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Re: Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite

Beitrag von Mietspantrakt »

danke enigma, dass wenigstens du noch den geist der empathie hochhaelst!
wenn man hier mitliest hat man fast hat das gefuehl, dass man mit einem (ggfs. erfolgreichen) examen in den obrigkeitshoerigen stock-im-arsch-modus geraet. literaturempfehlung: heinrich mann - der untertan.
liegt dieser junge mann eher auf eurer wellenlaenge? http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft ... 91955.html
der 1983 geborene klaeger studiert seit dem wintersemester 2003/2004 biologie (diplom) an der beklagten (vg goettingen, urteil vom 2.3.2010 - 4 a 39/07)
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Re: Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite

Beitrag von hlubenow »

Und wie lösen wir nun das Problem, daß in den Schulen offenbar Schüler sitzen, die zwar sehr gut integriert sind, aber nach geltender Rechtslage abzuschieben sind?
Ich könnte mir tatsächlich eine Art Härtefallregelung vorstellen, nach der derjenige ganz ausnahmsweise dableiben darf, der a) ausgezeichnete Kenntnisse der deutschen Sprache nachweist und b) genug ehrenwerte alteingesessene Deutsche vorweisen kann, die sein Bleiben (nach Art einer Petition) ernsthaft unterstützen.
Merkel ist übelzunehmen, daß sie einen in die Lage gebracht hat, über solche eher willkürlichen Regelungen der Art "Wer dableiben darf oder nicht, bestimmen wir" nachzudenken zu müssen.
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Tibor
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Re: Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite

Beitrag von Tibor »

Merkel?
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hlubenow
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Re: Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite

Beitrag von hlubenow »

Tibor hat geschrieben:Merkel?
Das alte Problem: Es hätten die Grenzen streng kontrolliert werden müssen, so daß Leute, die jetzt abzuschieben sind, gar nicht erst reingekommen wären.
Stattdessen werden die Grenzen sogar immer noch nicht streng kontrolliert (was wir nur deshalb nicht mehr so stark merken, weil Ungarn u.a. diese Arbeit machen (und sich von unseren Medien dann sogar noch dafür beschimpfen lassen müssen)).
Merkels Flüchtlingspolitik halt.
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Tibor
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Re: Abschiebungen nach Afghanistan - postfaktisch die zweite

Beitrag von Tibor »

Haha. Da sind sie wieder deine monokauselen Betrachtungen, die die Komplexität der Welt ignorieren. Vielleicht ist es auch ein Fehler von Stolpe gewesen? Immerhin hat er das eigentliche Zuwanderungsgesetz im BR zu Fall gebracht (zum Weiterlesen: 2 BvF 1/02), vielleicht waren es aber auch grds nur CDU/SPD, die die Zeichen der Zeit (Süssmuth-Kommission) nicht erkennen wollten und deutlich zu kurzfristig dachten, weil sie die Regelungen zur Einwanderungssteuerung (Vgl http://www.faz.net/aktuell/politik/sues ... 30717.html) unter den Tisch fielen ließen?
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