Unbegrenzte Gefährderhaft?

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Vortex
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Re: Unbegrenzte Gefährderhaft?

Beitrag von Vortex »

Levi hat geschrieben:Man müsste dem Gesetzgeber unterstellen, dass er überflüssige Normen schafft.
Da das Kernstrafrecht deiner Meinung nach keine Verbote enthält, müsstest du dem Gesetzgeber wiederum unterstellen, dass er bei der Schaffung des § 134 BGB ziemlich stümperhafte Arbeit geleistet hat.
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Levi
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Re: Unbegrenzte Gefährderhaft?

Beitrag von Levi »

Tibor hat geschrieben:Gegen deine Auffassung (Adressat sind nur die Strafverfolgungsbehörden) spricht auch das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot. Wenn es so wäre, dass nicht der Bürger der Adressat wäre, dann müsstest du mit Blankettstrafnormen keinerlei Probleme haben. Du könntest auch einen Straftatbestand "Verwaltungsrechtsbruch" schaffen: "Wer gegen ein Handlungsgebot nach einem Verwaltungsgesetzt des Bundes (Sartorius Nr. X-Y) oder der Länder (xxx) verstößt, wird bestraft mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis 15 Jahren." Die Norm richtet sich ja an die Behörde, die nur prüfen muss, ob der Bürger Ggf entgegen irgendwelcher Anordnungen oder Anzeigepflichten gehandelt hat. Eine nähere Ausgestaltung des Tatbestandes wäre überflüssig, weil der Bürger weder den Straftatbestand noch die Verwaltungsrechtsnormen kennen wird. Wer verstößt wird halt bestraft und irgendwann hat schon jeder mitbekommen, dass die Strafkammern 3 Jahre einsitzen verschreiben, wenn man ohne Baugenehmigung mit dem Bau angefangen hat.
Das Problem an einer solchen generellen Blankettnorm wäre aber doch nicht das Bestimmtheitsgebot ("Alles ist strafbar" ist hinreichend bestimmt genug), sondern das Übermaßverbot. Es ist eben in keiner Rechtsordnung dieser Welt jegliche Zuwiderhandlung gegen eine Vorschrift gleichermaßen strafwürdig und strafbedürftig. Vielmehr bedarf es notwendigerweise  einer Differenzierung, und (erst) dadurch fängt das Problem mit der Bestimmtheit an (Was soll nun wie strafbar sein?). Das ist genau so wie mit Aras gesellschaftlichen Normen: das materielle Strafrecht ist eben nur eine Teilmenge dieser in der Gesellschaft von irgendwem und irgendwo erdachten Normen. Sie sind nicht deckungsgleich. 

Hinzu kommt in westlichen Gesellschaften gemeinhin das Problem der Gewaltenteilung und der arbeitsteiligen Hierarchie. Wenn in einem absolutistischen System der Souverän selbst entscheidet, ergeben sich hier keine Probleme. Das ist aber gemeinhin nicht der Fall. Der einzelne subalterne Amtsträger ist eben nicht der Papst, sondern er handelt nur im Namen des Souveräns ("Im Namen des Volkes", "des Königs", "der Arbeiterklasse" etc.). Der Souverän hat daher ein berechtigtes Interesse daran, dass der Amtsträger auch tatsächlich das tut, was dem Willen des Souveräns entspricht. Er also (nur) das bestraft, was der Souverän für strafwürdig und strafbedürftig hält und dies (unter Beachtung der jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls) im Rahmen dessen tut, was der Souverän für Zuwiderhandlungen der jeweiligen Art für angemessen erachtet. 

Um in deinem Bauordnungsbeispiel zu bleiben: Ich halte es für wenig plausibel anzunehmen, dass sich eine Vorschrift wie beispielsweise Art. 79 BayBO ( http://www.gesetze-bayern.de/Content/Do ... eSupport=1 ) tatsächlich an die Bürger richten und ihnen Gebote/Verbote auferlegen soll. Ein Verständnis der Norm als Handlungsanweisung/Befehl an die jeweils zuständigen Amtsträger erscheint da wesentlich naheliegender und der Lebensrealität auch besser zu entsprechen. 

Aus Sicht des Bürgers dagegen genügt es zu wissen (und im Normalfall wird er auch gar nicht mehr wissen): "Wenn ich etwas tue, was mir die Verwaltung verboten hat oder ich etwas nicht tue, was mir die Verwaltung geboten hat, kann ich bestraft werden."
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Vortex
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Re: Unbegrenzte Gefährderhaft?

Beitrag von Vortex »

Ist § 211 StGB deiner Ansicht nach ein Verbotsgesetz, oder um beim Wortlaut zu bleiben, ein gesetzliches Verbot iSd. § 134 BGB?
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Levi
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Re: Unbegrenzte Gefährderhaft?

Beitrag von Levi »

@Vortex
Ich verstehe die Frage nicht.
Worauf willst du hinaus?
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Vortex
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Re: Unbegrenzte Gefährderhaft?

Beitrag von Vortex »

Hm, ich verstehe nicht, was es an der Frage nicht zu verstehen gibt?

Du sagst doch, Strafnormen enthalten keine Verbote, also interessiert mich einfach deine Antwort auf die obige Frage.
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Levi
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Re: Unbegrenzte Gefährderhaft?

Beitrag von Levi »

Mich interessiert halt, in welchem Anwendungsfall diese Frage streitentscheidend sein sollte.
Bilde einfach einen entsprechenden Fall, und dann lösen wir ihn gerne gemeinsam.
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Vortex
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Re: Unbegrenzte Gefährderhaft?

Beitrag von Vortex »

V verspricht dem K die Zahlung von 50.000 EUR, wenn K die Ehefrau des V ermordet.

Es geht aber gar nicht so sehr um § 211 StGB. Nimm von mir aus § 259 StGB, das dürfte häufiger vorkommen.
Mir geht es allgemein um die Frage, ob du der Ansicht bist, der Gesetzgeber hatte bei § 134 BGB nicht auch Strafnormen (zB. des StGB) im Sinn.
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Levi
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Re: Unbegrenzte Gefährderhaft?

Beitrag von Levi »

Es war mir schon fast klar, dass du auf diese Schulfällchen aus dem 1. Semester hinauswillst. Daher auch meine Nachfrage.

Bitte zeige mir doch mal die Berufskiller oder Hehler, die ihre vermeintlichen Ansprüche gerichtlich geltend machen.
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Vortex
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Re: Unbegrenzte Gefährderhaft?

Beitrag von Vortex »

Und mir war schon fast klar, dass du mit Praxisrelevanz ankommen wirst, obwohl das gar nicht der Hintergrund meiner Frage war und auch gar nichts zur Sache tut. Mir ging es vielmehr um die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung.

Aber schön zu sehen, wie du dich aus einer simplen Ja/Nein-Frage herauswindest. Ich hab jetzt jedenfalls erstmal genug von deiner Sophisterei. Man stellt dir einfache Fragen und du mäanderst ohne Ende rum. Nervig.
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Levi
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Re: Unbegrenzte Gefährderhaft?

Beitrag von Levi »

Ich mäander nicht herum, sondern ich halte einfach die Frage für banal und belanglos und habe keine Lust, meine Lebenszeit mit der Beantwortung von Fragen zu vergeuden, auf die jeder juristische Laie die Antwort weiß.
Aber dich scheint die Frage ja wirklich umzutreiben, daher will ich mal nicht so sein.

Also: Die Widerspruchsfreiheit gehört zu den Grundvoraussetzungen einer jeden Rechtsordnung. Ein Verhalten kann nicht zugleich staatlich sanktioniert und gefördert werden. Die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung steht als Gedanke auch hinter § 134 BGB, sie erschöpft sich jedoch nicht darin. 

Selbstverständlich wird der Souverän nicht einerseits den Auftragskiller für seinen Mord bestrafen und ihm andererseits bei der Durchsetzung seines Blutgeldes behilflich sein. Das gilt unabhängig davon, ob man die Tatbestandsvoraussetzungen des § 134 BGB nun als erfüllt ansehen möchte oder nicht. Selbst wenn es die Vorschrift nicht geben würde, dürfte die Obrigkeit dem Killer nicht bei der Durchsetzung seiner Ansprüche behilflich sein; sie würde sich anderenfalls in Widerspruch zu ihrem Strafen setzen. 

Wenn man meint, man brauche für diese rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit tatsächlich noch die Begründung mit einer Norm, kann man sich hier natürlich des § 134 BGB bedienen. Das ist sicher nicht sachfremd, auch wenn der Wortlaut der Vorschrift den Sachverhalt eigentlich nicht genau trifft. 
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Tibor
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Re: Unbegrenzte Gefährderhaft?

Beitrag von Tibor »

PS Ganz so ist es nun auch nicht. Dem Steuerstaat ist herzlich egal, ob der Steuerpflichtige sein Geld durch Straftaten erzielt (Vgl § 40 AO). Der Drogendealer muss seine Umsätze versteuern, darf aber auch den Drogeneinkauf und Vermittlungsprovisionen an Junkies als Betriebsausgaben in Abzug bringen.
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Levi
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Re: Unbegrenzte Gefährderhaft?

Beitrag von Levi »

@Tibor 
Aber auch das ist doch gerade Ausfluss des Grundsatzes der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung?!

Einkünfte aus illegalen Tätigkeiten dürfen steuerlich nicht günstiger behandelt werden als solche aus erlaubten Tätigkeiten, da der Staat sie anderenfalls durch diese Begünstigung fördern würde. Das stünde im Widerspruch dazu, dass er die Tätigkeit zugleich als sozial unerwünscht bestraft. Gewerbsmäßiger Drogenhandel ist eben nicht "gemeinnützig", sondern das genaue Gegenteil davon. Darüber hinaus stünde eine Steuerfreiheit der Einkünfte aus illegalen Tätigkeiten auch noch im Widerspruch zu tragenden Strukturprinzipien des Steuerrechts, wie dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Eine Steuerfreiheit von Einkünften aus illegalen Tätigkeiten kommt damit - gerade aus Gründen der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung - nicht in Betracht.  

Dann ist es aber auch nur konsequent und systemgerecht, sie grundsätzlich in jeglicher Hinsicht steuerlich gleichzustellen. Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit wirken auch zugunsten des Drogendealers. Zwar kann man zweifellos einzelnen - sozial besonders unerwünschte - "Betriebsausgaben" die Absetzbarkeit verweigern aber nicht allen Ausgaben, mit denen (auch) illegale Zwecke verfolgt werden. 
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Tibor
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Re: Unbegrenzte Gefährderhaft?

Beitrag von Tibor »

@Levi: Bezüglich der Betriebsausgaben kann man aber auch den Widerspruch aufzeigen, dass Betriebsausgaben (Wareneinkauf Drogen) unabhängig davon ist, ob der Großhändler seine Einnahmen versteuert hat (fehlende materielle Korrespondenz).
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Re: Unbegrenzte Gefährderhaft?

Beitrag von Vortex »

Levi hat geschrieben:Das ist sicher nicht sachfremd, auch wenn der Wortlaut der Vorschrift den Sachverhalt eigentlich nicht genau trifft. 
Der Wortlaut einiger Vorschriften erscheint durch die Linse der Mindermeinung einfach merkwürdig:

- § 134 BGB ("gesetzliches Verbot")
- § 17 StGB ("Verbotsirrtum")
- § 11 II OWiG ("etwas Unerlaubtes")
- § 142 StGB ("Unerlaubtes...", "Verpflichtung")
usw.

Das hälst du sicher wieder für banal, mich überzeugt es jedenfalls mehr als irgendwelche Doppelungen im Nebenstrafrecht, die wohl eher was mit Übersichtlichkeit zu tun haben.
Gelöschter Nutzer

Re: Unbegrenzte Gefährderhaft?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Levi hat geschrieben:Das Stichwort für diese rechtstheoretische Frage heißt übrigens: "Adressatenproblem im Strafrecht".

Meine Auffassung (Adressat sind nur die Strafverfolgungsbehörden) ist zwar nur eine Mindermeinung (Austin, Binding, Kelsen, Schmidthäuser, Röhl/bis 2. Aufl. etc.), während die herrschende Meinung (Hardt, Hoerster, Rüthers, Röhl/seit 3. Aufl., Hörnle etc.) den Standpunkt einnimmt, dass Adressaten der Strafgesetze die Strafverfolgungsbehörden und die Bürger seien; es wird dagegen - soweit ich es übersehen kann - von niemandem außerhalb dieses Forums vertreten, dass Adressaten der Strafgesetze nur die Bürger seien.
Das wollte ich gerade ergänzen, dass doch beide - Strafverfolgungsbehörden UND Bürger - angesprochen werden. Wie anders sollte die Durchsetzung von Gesetzen funktionieren?
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