Klage gegen Deutschland wg. Völkermord

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Mr_Black
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Klage gegen Deutschland wg. Völkermord

Beitrag von Mr_Black »

Kennt sich eigentlich jemand mit dem amerikanischen Recht in Bezug auf die in New York anhängige Zivilklage gegen die Bundesrepublik wegen des Völkermordes in Namibia aus?

Ich werde rechtlich aus der Darstellung in diesem Artikel nicht ganz schlau.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/h ... 89609.html
Die Bundesregierung rechne aber trotzdem weiterhin mit dem Scheitern der Klage. "Es gilt die Staatenimmunität, vor einem Zivilgericht kann kein ganzes Land verklagt werden", sagte Polenz dem SPIEGEL.
Die Klage soll also unzulässig sein. Das kann ja nicht so schwer festzustellen sein.
Doch Mitte Januar kam Bewegung in das Verfahren, wenn auch nur durch einen deutschen Abwehrversuch: Die Bundesregierung beantragte über Anwälte die Einstellung, die wurde allerdings postwendend abgelehnt.
Wenn die Einstellung abgelehnt wurde, scheint das US Gericht wohl doch der Meinung zu sein, man könne zivilrechtlich ein Land verklagen.
Für den Ausgang der Verhandlung am Donnerstag sind mehrere Szenarien denkbar: Weigert sich Deutschland weiter teilzunehmen, ist theoretisch ein sofortiger Schuldspruch möglich.
So eine Art Säumnisurteil? Was ist mit der Frage der Zulässigkeit?
- Söldner des Rechts -
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immer locker bleiben
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Re: Klage gegen Deutschland wg. Völkermord

Beitrag von immer locker bleiben »

Mr_Black hat geschrieben:Kennt sich eigentlich jemand mit dem amerikanischen Recht in Bezug auf die in New York anhängige Zivilklage gegen die Bundesrepublik wegen des Völkermordes in Namibia aus?

Ich werde rechtlich aus der Darstellung in diesem Artikel nicht ganz schlau.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/h ... 89609.html
Die Bundesregierung rechne aber trotzdem weiterhin mit dem Scheitern der Klage. "Es gilt die Staatenimmunität, vor einem Zivilgericht kann kein ganzes Land verklagt werden", sagte Polenz dem SPIEGEL.
Die Klage soll also unzulässig sein. Das kann ja nicht so schwer festzustellen sein.
https://www.law.cornell.edu/uscode/text/28/1605
(a) A foreign state shall not be immune from the jurisdiction of courts of the United States or of the States in any case
[...]
(3) in which rights in property taken in violation of international law are in issue and that property or any property exchanged for such property is present in the United States in connection with a commercial activity carried on in the United States by the foreign state; or that property or any property exchanged for such property is owned or operated by an agency or instrumentality of the foreign state and that agency or instrumentality is engaged in a commercial activity in the United States;
[...]
... darauf stützen die Klägervertreter wohl die Zulässigkeit der Klage.
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Gelöschter Nutzer

Re: Klage gegen Deutschland wg. Völkermord

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Lesenswert hierzu auch, um die Rechtsauffassung der Kläger einordnen zu können:
http://genocide-namibia.net/wp-content/ ... plaint.pdf (vor allem Rn. 15).
hlubenow
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Klage gegen Deutschland wg. Völkermord

Beitrag von hlubenow »

Quantensprung hat geschrieben:Lesenswert hierzu auch, um die Rechtsauffassung der Kläger einordnen zu können:
http://genocide-namibia.net/wp-content/ ... plaint.pdf (vor allem Rn. 15).
Ich finde, wir sollten dann auch Frankreich wegen der Landnahme und der Schäden während der Besetzung Preußens 1806-1815 verklagen.
Und Schweden für die Schäden im Dreißigjährigen Krieg 1618-1648.
Ach, und wie war das mit dem Dresdner Feuersturm? Die Amis können dann ja auch gern mal für Tokio (Feuer) sowie Hiroshima und Nagasaki bezahlen.
Blödsinn, solche historischen Schäden geltend machen zu wollen.

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Vorkriegsjugend
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Klage gegen Deutschland wg. Völkermord

Beitrag von Vorkriegsjugend »

hlubenow hat geschrieben:
Quantensprung hat geschrieben:Lesenswert hierzu auch, um die Rechtsauffassung der Kläger einordnen zu können:
http://genocide-namibia.net/wp-content/ ... plaint.pdf (vor allem Rn. 15).
Ich finde, wir sollten dann auch Frankreich wegen der Landnahme und der Schäden während der Besetzung Preußens 1806-1815 verklagen.
Und Schweden für die Schäden im Dreißigjährigen Krieg 1618-1648.
Ach, und wie war das mit dem Dresdner Feuersturm? Die Amis können dann ja auch gern mal für Tokio (Feuer) sowie Hiroshima und Nagasaki bezahlen.
Blödsinn, solche historischen Schäden geltend machen zu wollen.

...
MODEDIT: Erwiderung auf gelöschten Teil entfernt. Sorry

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Schnitte
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Re: Klage gegen Deutschland wg. Völkermord

Beitrag von Schnitte »

Die Zulässigkeit ist im Wesentlichen eine Frage der Staatenimmunität. Die gibt es im Völkergewohnheitsrecht ebenso wie im nationalen amerikanischen Verfahrensrecht; gleichwohl gibt es in beiden Rechtsgebieten dazu auch Ausnahmen. Die große Frage ist, ob eine dieser Ausnahmen hier greift.
"Das Vertragsrecht der Bundesrepublik Deutschland und die gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten, die Erfüllung von Verträgen zu erzwingen [...], verstoßen nicht gegen göttliches Recht."

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Re: Klage gegen Deutschland wg. Völkermord

Beitrag von Schnitte »

Mr_Black hat geschrieben: Wenn die Einstellung abgelehnt wurde, scheint das US Gericht wohl doch der Meinung zu sein, man könne zivilrechtlich ein Land verklagen.
Die pauschale und undifferenzierte Behauptung, man könne ein Land nicht zivilrechtlich vor den Gerichten eines anderen Staates verklagfen, ist ja auch Quatsch. Natürlich kann ein Staat Partei eines Zivilprozesses vor den Gerichten eines anderen Staates sein, aktiv wie passiv. Die Frage ist, ob die Staatenimmunität greift oder hier eine der anerkannten Ausnahmen vom Grundsatz dieser Immunität greift.
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Klage gegen Deutschland wg. Völkermord

Beitrag von scndbesthand »

Ich fand die Ausführungen in BGH XI ZR 217/16, Rn. 17 zur Staatenimmunität ganz erhellend.

Betrifft natürlich einen anderen Zusammenhang.
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Re: Klage gegen Deutschland wg. Völkermord

Beitrag von Micha79 »

Das wird schwer für die Kläger, hier die Zuständigkeit der US-Gerichte zu begründen. Vermutlich landet das Teil wieder vor dem Supreme Court. Schwer wird es auch für die Kläger, festzustellen, auf welchen allgemeinen Grundsatz des Völkerrechts aus den Jahren 1885-1914 sich die Kläger berufen wollen. Kolonien waren wohl üblich seinerzeit, und ebenso die gewaltsame Unterdrückung von Rebellionen.

Dessen völlig ungeachtet stellt sich tatsächlich die Frage, wie lange denn Leute Zeit haben sollen, um Klagen zu erheben: mehr als 100 Jahre ist mE ein schlechter Witz. Was hat die Kläger daran gehindert, früher Klage zu erheben?
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Schnitte
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Re: Klage gegen Deutschland wg. Völkermord

Beitrag von Schnitte »

Für die Zuständigkeit der amerikanischen Gerichte wird sich die Klage - ohne dass ich sie im Wortlaut gelesen hätte - vermutlich auf den berüchtigten Alien Tort Claims Act von 1789 (!) stützen. Dieses Gesetz hat die US-Gerichte zu einem beliebten Tummelplatz für Kläger aus aller Welt gemacht.
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Re: Klage gegen Deutschland wg. Völkermord

Beitrag von Micha79 »

Genau. Allerdings hat der Supreme Court das ATS in Kiobel restriktiv interpretiert. Andererseits hat er in Altman vs Austria (Klimt-Gemälde) eine weitgehende Zuständigkeit bejaht. Jener Fall über die Klimt-Gemälde ging dann an ein österreichisches Schiedsgericht, mE zu Recht. Indes ist der jetzige Fall kaum vergleichbar.
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Schnitte
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Re: Klage gegen Deutschland wg. Völkermord

Beitrag von Schnitte »

Die Rechtsprechung in den einzelnen Fällen kenne ich nicht so gut wie du, weiß aber, dass der Supreme Court diese Zuständigkeitsklausel enger auslegt, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Zum Einen aus Rücksicht auf andere Staaten, die diese weite Beanspruchung von Jurisdiktion durch die USA nicht toll finden, zum Anderen aus gesundem Eigeninteresse heraus - man will halt nicht zum überlasteten Gerichtssystem für den Rest der Welt werden.
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