Lange Arbeitszeiten

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Kasimir
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Re: Lange Arbeitszeiten

Beitrag von Kasimir »

Liz hat geschrieben:@Kasimir: Die Gesellschaft hat durchaus ein Interesse daran, dass die Leute Kinder bekommen und gleichzeitig arbeiten gehen (Stichwort: Fachkräftemangel). Dazu passt es aber nicht, wenn ein entsprechendes Betreuungsangebot nicht flächendeckend vorhanden ist (auch einen Platz bei einer Tagesmutter muss man erstmal finden) - über die Frage der Finanzierung der Kinderbetreuung ist damit noch nichts gesagt. Es macht aber einen Unterschied, ob bereits die Zeit zwischen 13/14 und 18 Uhr "privat" abgedeckt werden muss oder ob ein normaler 9-to-5-Job ohne Weiteres möglich ist und erst alles andere etwas mehr Organisation und / oder Finanzkraft erfordert.
Auch wenn ich selbst davon profitieren würde: Nein, die Gesellschaft hat kein Interesse daran, dass Leute Kinder bekommen. Wir steuern auf eine Überbevölkerung zu. Nur weil in unseren Landstrichen die Geburtenraten zurückgehen, heißt das nicht, dass es insgesamt einen Fachkräftemangel geben muss. In Zukunft wird man daher eher auf gezielte Immigration setzen, wie dies die meisten Staaten schon machen. D.h. Investition in Bildung (auch von Migranten oder Migrationswilligen) statt Gießkannenförerung von deutschen Familien.

Das Problem des Übergangs ist in der Tat schwierig. In meinem Umfeld bekommt das aber niemand hin; d.h. es gibt keine Betreuungen, die die Kinder von der Kita abholen, da eine solche Individualbetreuung schlicht nicht zu bezahlen ist. Wenn dein Kind bis 14 Uhr in die Kita geht und du dann jemanden finanzierst, der das Kind abholt und bis 19 Uhr betreut, sind das 25 Stunden pro Woche. Wie willst du das bezahlen? Das ist mehr als einen 50%-Stelle für eine Betreuungskraft mit sämtlichen Lohnnebenkosten. Stattdessen weichen Familien auf Gesamtbetreuungsangebote aus, die privat sind. D.h. die Kita, die gleich bis 19 Uhr offen hat, dafür dann halt aber 1000-1500 Euro im Monat kostet. Die Individualbetreuung nehmen meine Bekannten dann in Notsituationen (Kind krank, Dienstreise etc.) in Anspruch.
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Re: Lange Arbeitszeiten

Beitrag von wololo »

Kasimir hat geschrieben:Zudem: Für 500.000 Euro bekommst du in keiner Großstadt ein Einfamilienhaus; weder Reihenhaus noch DHH; freistehend erst gar nicht. Das liegt auch daran, dass die Handwerkerpreise durch die Decke gehen, weil kaum Handwerker verfügbar sind. In Großstädten bekommst du für 500.000 Euro in der Tat nicht mehr als eine 3-Zimmer-Wohnung.
Das bestreite ich dann doch (sofern man annimmt, dass es mit Großstadt nicht lediglich Berlin, Hamburg, München gemeint sind).
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Muirne
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Re: Lange Arbeitszeiten

Beitrag von Muirne »

Ich hab nicht eine KiTa oder Tagesmutter gesehen, die bis 19 Uhr aufhat (und ehrlich gesagt ist das doch auch bei nem ganz normalen Job nicht mal lang). Wo findet man sowas außer vllt völlig überlaufen in den 3, 4 top Großstädten?
»Natürlich ist das herablassend. Torquemada ist mir gegenüber herablassend, ich bin esprit gegenüber herablassend. So ist die Nahrungskette in diesem Forum nunmal.« - Swann
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11 Freunde
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Re: Lange Arbeitszeiten

Beitrag von 11 Freunde »

Kasimir hat geschrieben:
11 Freunde hat geschrieben:
Schnitte hat geschrieben:
Tibor hat geschrieben:Der rechnerische 1,x% Satz für 5 Jahre ist aber soooo verlockend
25 Jahre Zinsbindung kriegst du auf dem freien Markt für 1,8 bis 2 %.
Das ist ja der Punkt. Meine Frau und ich kalkulieren zur Zeit mit einem Volumen von 500.000 Euro für ein Einfamilienhaus mit Garten. Grundstück mit 850m2 ist vorhanden. Bei 25 Jahren Zinsbindung liegen wir da nicht weit über dem Betrag, den wir zurzeit monatlich an Kaltmiete für unsere Wohnung bezahlen. Da ich aber hier im Thread erfahren musste, dass man mit rund 7.000 netto so etwas nicht stemmen kann, werden wir das Projekt jetzt beerdigen. Wir haben halt nur einmal R1 und einmal A14. Wir armen Schlucker. Wäre ich nur Star-Anwalt geworden.
Naja wenn man das Grundstück bereits hat, dann muss man auch einrechnen, was man dafür bezahlt hat, bzw. ggf. Schenkungssteuer. Zudem: Für 500.000 Euro bekommst du in keiner Großstadt ein Einfamilienhaus; weder Reihenhaus noch DHH; freistehend erst gar nicht. Das liegt auch daran, dass die Handwerkerpreise durch die Decke gehen, weil kaum Handwerker verfügbar sind. In Großstädten bekommst du für 500.000 Euro in der Tat nicht mehr als eine 3-Zimmer-Wohnung.

Und R1 und A14 ist, wenn es beides Vollzeitstellen sind, doch OK, um ggf. auch ein Haus zu finanzieren, wenn man sich bewusst ist, dass man dafür halt nicht in Toplage wohnen kann.
Du widersprichst dich. Einerseits schreibst du, man müsse den Grundstückspreis noch hinzu rechnen. Anderseits vergleichst du lediglich den für Haus und Außenanlagen von uns einkalkulierten Betrag mit den Kaufpreisen für Wohnungen in der Stadt. Für den Betrag, für den wir einschließlich der Grundstückskosten bauen, bekommt man sehr wohl ein Reihenhaus in der Stadt. Wir sind uns beide über das Preisniveau in der Stadt bewusst - wohnen wir doch zurzeit (leider) noch mitten in einer Großstadt. Wir sind aber beide nicht derart denkbefreit, für einen Betrag von fast einer dreiviertel Million Euro eine 110m2 Hasenkiste mit einem "Gartenanteil" von fünf auf fünf Metern zu erwerben und jegliche Privatsphäre aufzugeben. Und wer definiert denn was Toplage ist? Soll Toplage eine Wohnung in einer WEG sein, bei der ständig die Parteien wechseln, bei dem Lärm und Gestank der Stadt? Wir haben diese Frage für uns mit einem klaren "Nein" beantwortet. Toplage ist eben für uns unser Grundstück, welches als letztes in einem gewachsenen Wohngebiet verkauft wurde und Waldrandlage mit unverbaubarem Talblick aufweist. Ich schwinge mich abends auf das MTB und bin in einer Minute im ruhigen Wald. Morgens brauche ich mit dem Rad drei Minuten zum Bahnhof und bin mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in guten 20 Minuten mitten in Frankfurt.
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Muirne
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Re: Lange Arbeitszeiten

Beitrag von Muirne »

11Freunde: klingt gut. Finde ich auch viel erstrebenswerter als mitten in der Großstadt. Wobei man bei 20 Minuten ja auch gar nicht von außerhalb reden kann.
»Natürlich ist das herablassend. Torquemada ist mir gegenüber herablassend, ich bin esprit gegenüber herablassend. So ist die Nahrungskette in diesem Forum nunmal.« - Swann
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Re: Lange Arbeitszeiten

Beitrag von halb eins »

11 Freunde hat geschrieben: Du widersprichst dich. Einerseits schreibst du, man müsse den Grundstückspreis noch hinzu rechnen. Anderseits vergleichst du lediglich den für Haus und Außenanlagen von uns einkalkulierten Betrag mit den Kaufpreisen für Wohnungen in der Stadt.
Naja, darum ging es doch gerade.

Dein Beitrag klang so, als sei es für ein Richterehepaar problemlos möglich ein Einfamilienhaus mit Garten in Stadtnähe zu finanzieren. Dass man, wenn man das Grundstück, jedenfalls ein so großes, hinzurechnet realistischerweise aber über ein Summe von fast 750.000 Euro redet, lässt das ganze doch etwas anders aussehen. Wenn man da die empfohlen 20% -30% Eigenkapital plus Kaufnebenkosten erstmal ansparen will, ist man, selbst wenn man sparsam ist, auch mit 7000 Euro netto im Monat eine ganze Weile beschäftigt. Insofern finde ich die ursprüngliche Aussage, dass ein Eigenheim mit zweimal R1 mittelfristig nicht unbedingt finanzierbar ist, jedenfalls nicht vollkommend falsch.

Klar, am Ende machbar ist ein Eigenheim auch für das Richterehepaar schon (wäre ja schlimm, wenn nicht). Gerade auch weil man als Richter eben nicht in der teuersten Innenstadtlage wohnen muss, sondern auch etwas oder auch ganz weit außerhalb wohnen kann (wo es - da hast du Recht - meist ohnehin viel schöner und lebenswerter ist). Auch ist man durch die relativ gute Absicherung im Alter nicht zwingend darauf angewiesen bis Mitte 50 seinen Kredit abbezahlt zu haben, damit man noch was fürs Alter zurück legen kann. Aber für besonders große Sprünge reicht es, wenn man nebenbei ein Haus finanziert, eben auch nicht mehr, und dass dann der eine oder andere etwas gefrustet ist, kann ich - zumindest ein wenig - schon verstehen ...
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Re: Lange Arbeitszeiten

Beitrag von 11 Freunde »

Große Sprünge noch für was, wenn man ein Eigenheim mit "richtigem" Grundstück, 200 Quadratmeter Wohnfläche und zwei Autos hat und noch Geld für Urlaube übrig hat? Diskutieren wir ernsthaft darüber, ob sich ein Richter ein Eigenheim leisten kann? Sorry, da bin ich raus. Hier scheinen einige etwas das richtige Maß verloren zu haben oder sind in einem entsprechenden Schickeria-Umfeld groß geworden.
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Re: Lange Arbeitszeiten

Beitrag von markus87 »

Man braucht doch kein Eigenkapital mit 7000 € netto. (braucht man bei vielen Banken wohl noch nicht mal bei 2000 netto)

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halb eins
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Re: Lange Arbeitszeiten

Beitrag von halb eins »

11 Freunde hat geschrieben:. Hier scheinen einige etwas das richtige Maß verloren zu haben oder sind in einem entsprechenden Schickeria-Umfeld groß geworden.
Sollte das auf nicht bezogen sein, wäre der Vorwurf, würdest Du mich persönlich kennen, reichlich absurd....
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Tibor
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Re: Lange Arbeitszeiten

Beitrag von Tibor »

11 Freunde hat geschrieben:Diskutieren wir ernsthaft darüber, ob sich ein Richter ein Eigenheim leisten kann? Sorry, da bin ich raus. Hier scheinen einige etwas das richtige Maß verloren zu haben oder sind in einem entsprechenden Schickeria-Umfeld groß geworden.
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Re: Lange Arbeitszeiten

Beitrag von Liz »

Kasimir hat geschrieben:
Liz hat geschrieben:@Kasimir: Die Gesellschaft hat durchaus ein Interesse daran, dass die Leute Kinder bekommen und gleichzeitig arbeiten gehen (Stichwort: Fachkräftemangel). Dazu passt es aber nicht, wenn ein entsprechendes Betreuungsangebot nicht flächendeckend vorhanden ist (auch einen Platz bei einer Tagesmutter muss man erstmal finden) - über die Frage der Finanzierung der Kinderbetreuung ist damit noch nichts gesagt. Es macht aber einen Unterschied, ob bereits die Zeit zwischen 13/14 und 18 Uhr "privat" abgedeckt werden muss oder ob ein normaler 9-to-5-Job ohne Weiteres möglich ist und erst alles andere etwas mehr Organisation und / oder Finanzkraft erfordert.
Auch wenn ich selbst davon profitieren würde: Nein, die Gesellschaft hat kein Interesse daran, dass Leute Kinder bekommen. Wir steuern auf eine Überbevölkerung zu. Nur weil in unseren Landstrichen die Geburtenraten zurückgehen, heißt das nicht, dass es insgesamt einen Fachkräftemangel geben muss. In Zukunft wird man daher eher auf gezielte Immigration setzen, wie dies die meisten Staaten schon machen. D.h. Investition in Bildung (auch von Migranten oder Migrationswilligen) statt Gießkannenförerung von deutschen Familien.

Das Problem des Übergangs ist in der Tat schwierig. In meinem Umfeld bekommt das aber niemand hin; d.h. es gibt keine Betreuungen, die die Kinder von der Kita abholen, da eine solche Individualbetreuung schlicht nicht zu bezahlen ist. Wenn dein Kind bis 14 Uhr in die Kita geht und du dann jemanden finanzierst, der das Kind abholt und bis 19 Uhr betreut, sind das 25 Stunden pro Woche. Wie willst du das bezahlen? Das ist mehr als einen 50%-Stelle für eine Betreuungskraft mit sämtlichen Lohnnebenkosten. Stattdessen weichen Familien auf Gesamtbetreuungsangebote aus, die privat sind. D.h. die Kita, die gleich bis 19 Uhr offen hat, dafür dann halt aber 1000-1500 Euro im Monat kostet. Die Individualbetreuung nehmen meine Bekannten dann in Notsituationen (Kind krank, Dienstreise etc.) in Anspruch.
Wie die richtige Lösung des Fachkräftemangels aussieht, darüber kann man sicherlich streiten. Allerdings dürfte doch einiges dafür sprechen, dafür Sorge zu tragen, dass die bereits vorhandenen, gut ausgebildeten Fachkräfte auch tatsächlich arbeiten gehen (können) und nicht zu Hause bleiben, unter ihrer eigentlichen Qualifikation oder Teilzeit arbeiten, weil sie eine ganztägige Kinderbetreuung nicht organisiert und / oder bezahlt bekommen. Ich habe mal spaßeshalber bei meinen Eltern (plattes Land) nach den Kita-Öffnungszeiten geschaut: Die meisten Gruppen haben nur eine Betreuungszeit von 8-12 Uhr (also im Wesentlichen: Spielen und Sozialkontakte fürs Kind und freier Vormittag für Mama), vereinzelt mit "Sonderöffnungszeiten" von 7:30-13 Uhr (Halbtagsstelle also mit Fahrzeiten knapp möglich) und nur ganz wenige Ganztagesgruppen bis 16-17:30 Uhr, d. h. selbst wenn man dort einen Platz bekommt, muss man da rechtzeitig im Büro den Stift fallen lassen, um das Kind aus der Kita abzuholen. Krippenplätze für unter 2-Jährige kann man zahlenmäßig mehr oder weniger ebenso wie den dort angebotenen Betreuungsumfang vergessen. Nicht anders in der Großstadt: Ich habe mal das Verzeichnis der Tagesmutter (wo man ja eigentlich von etwas mehr Flexibilität ausgehen würde) für meinen Stadtteil durchgesehen: Die wenigsten bieten Betreuungszeiten an, bei denen ich mich unter Berücksichtigung der Fahrzeiten wirklich 8-9 Stunden im Büro aufhalten könnte, wenn ich das Kind bringen und holen muss. Also müsste es die von Dir angeführte private Kita sein - wo man dann allerdings auch erstmal einen Platz bekommen muss. Und selbst mit R1 muss man dann sagen: Wenn eine zuverlässige Ganztagsbetreuung bis 18/19 Uhr (was ja vor allem hieße: Entspannt vom Büro zur Kita fahren oder mal etwas länger bleiben zu können) knapp 1.000 Euro mehr als eine Halbtagsbetreuung kostet, dann lohnt es sich kaum, Vollzeit zu arbeiten.
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Tibor
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Re: Lange Arbeitszeiten

Beitrag von Tibor »

Naja, bezahlbare Ganztagsbetreuung geht nur in der Gruppenbetreuung, sonst ist das unbezahlbar (außer du hast ne schwarz bezahlte Nanny aus Indonesien die bei dir zu Hause im Keller wohnt). Die schlechten Betreuungsangebote sind eben eine Folge der früheren Leitbilder: Mutter bleibt 10 Jahre zu Hause und Vater schleppt die Kohle ran. Dieses System beruhte auf klassischen Strukturmängeln: Mann heiratet „nach Unten“;
Karrierefrauen bleiben kinderlos. Das war der Preis für die frühzeitige Abnabelung vom eigenen Elternhaushalt (Mehrgenerationenhaushalt), in dem wie selbstverständlich die Oma die Betreuung übernimmt.
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Re: Lange Arbeitszeiten

Beitrag von Kasimir »

Liz hat geschrieben:
Kasimir hat geschrieben:
Liz hat geschrieben:@Kasimir: Die Gesellschaft hat durchaus ein Interesse daran, dass die Leute Kinder bekommen und gleichzeitig arbeiten gehen (Stichwort: Fachkräftemangel). Dazu passt es aber nicht, wenn ein entsprechendes Betreuungsangebot nicht flächendeckend vorhanden ist (auch einen Platz bei einer Tagesmutter muss man erstmal finden) - über die Frage der Finanzierung der Kinderbetreuung ist damit noch nichts gesagt. Es macht aber einen Unterschied, ob bereits die Zeit zwischen 13/14 und 18 Uhr "privat" abgedeckt werden muss oder ob ein normaler 9-to-5-Job ohne Weiteres möglich ist und erst alles andere etwas mehr Organisation und / oder Finanzkraft erfordert.
Auch wenn ich selbst davon profitieren würde: Nein, die Gesellschaft hat kein Interesse daran, dass Leute Kinder bekommen. Wir steuern auf eine Überbevölkerung zu. Nur weil in unseren Landstrichen die Geburtenraten zurückgehen, heißt das nicht, dass es insgesamt einen Fachkräftemangel geben muss. In Zukunft wird man daher eher auf gezielte Immigration setzen, wie dies die meisten Staaten schon machen. D.h. Investition in Bildung (auch von Migranten oder Migrationswilligen) statt Gießkannenförerung von deutschen Familien.

Das Problem des Übergangs ist in der Tat schwierig. In meinem Umfeld bekommt das aber niemand hin; d.h. es gibt keine Betreuungen, die die Kinder von der Kita abholen, da eine solche Individualbetreuung schlicht nicht zu bezahlen ist. Wenn dein Kind bis 14 Uhr in die Kita geht und du dann jemanden finanzierst, der das Kind abholt und bis 19 Uhr betreut, sind das 25 Stunden pro Woche. Wie willst du das bezahlen? Das ist mehr als einen 50%-Stelle für eine Betreuungskraft mit sämtlichen Lohnnebenkosten. Stattdessen weichen Familien auf Gesamtbetreuungsangebote aus, die privat sind. D.h. die Kita, die gleich bis 19 Uhr offen hat, dafür dann halt aber 1000-1500 Euro im Monat kostet. Die Individualbetreuung nehmen meine Bekannten dann in Notsituationen (Kind krank, Dienstreise etc.) in Anspruch.
Wie die richtige Lösung des Fachkräftemangels aussieht, darüber kann man sicherlich streiten. Allerdings dürfte doch einiges dafür sprechen, dafür Sorge zu tragen, dass die bereits vorhandenen, gut ausgebildeten Fachkräfte auch tatsächlich arbeiten gehen (können) und nicht zu Hause bleiben, unter ihrer eigentlichen Qualifikation oder Teilzeit arbeiten, weil sie eine ganztägige Kinderbetreuung nicht organisiert und / oder bezahlt bekommen. Ich habe mal spaßeshalber bei meinen Eltern (plattes Land) nach den Kita-Öffnungszeiten geschaut: Die meisten Gruppen haben nur eine Betreuungszeit von 8-12 Uhr (also im Wesentlichen: Spielen und Sozialkontakte fürs Kind und freier Vormittag für Mama), vereinzelt mit "Sonderöffnungszeiten" von 7:30-13 Uhr (Halbtagsstelle also mit Fahrzeiten knapp möglich) und nur ganz wenige Ganztagesgruppen bis 16-17:30 Uhr, d. h. selbst wenn man dort einen Platz bekommt, muss man da rechtzeitig im Büro den Stift fallen lassen, um das Kind aus der Kita abzuholen. Krippenplätze für unter 2-Jährige kann man zahlenmäßig mehr oder weniger ebenso wie den dort angebotenen Betreuungsumfang vergessen. Nicht anders in der Großstadt: Ich habe mal das Verzeichnis der Tagesmutter (wo man ja eigentlich von etwas mehr Flexibilität ausgehen würde) für meinen Stadtteil durchgesehen: Die wenigsten bieten Betreuungszeiten an, bei denen ich mich unter Berücksichtigung der Fahrzeiten wirklich 8-9 Stunden im Büro aufhalten könnte, wenn ich das Kind bringen und holen muss. Also müsste es die von Dir angeführte private Kita sein - wo man dann allerdings auch erstmal einen Platz bekommen muss. Und selbst mit R1 muss man dann sagen: Wenn eine zuverlässige Ganztagsbetreuung bis 18/19 Uhr (was ja vor allem hieße: Entspannt vom Büro zur Kita fahren oder mal etwas länger bleiben zu können) knapp 1.000 Euro mehr als eine Halbtagsbetreuung kostet, dann lohnt es sich kaum, Vollzeit zu arbeiten.
Ja, klar; ich stimme dir absolut zu. Man sollte dafür sorgen, dass Frauen nach Ausbildung und Studium nicht zu reinen Kinderbetreuerinnen gezwungen werden. In vielen Fällen wird dies allerdings wohl auch Ausdruck eines konservativen Familienbildes und so gewollt sein. Die von dir angesprochenen Zeiten finde ich erschreckend. Liegt das daran, dass die Leute dort so konservativ sind, dass die Frauen automatisch zuhause bleiben oder bleiben sie zuhause, weil es keine Betreuung gibt. Solche Verhältnisse tragen aber natürlich zur Landflucht bei.

Was den zweiten Punkt angeht. Lohnt sich arbeiten? Ich glaube, dass man bei normalen Jobs in der Tat für eine Zeit "draufzahlt"; d.h. die Kosten für die Kinderbetreuung sind ggf. höher als die Einnahmen der Mutter. Aber man muss es ja auch langfristig sehen. Wie Tibors schon richtig sagte, sind Kinder ja nur ein paar Jahre betreuungsbedürftig. Bei den meisten in meinem Bekanntenkreis setzt sich auch das Modell durch: Ein Elternteil betreut die Kinder morgens und bringt sie in die Kita und ist dafür erst um 9 Uhr im Büro. Das andere Elternteil ist schon um 7 Uhr im Büro und dafür früher zuhause, um die Kinder zu betreuen.
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Muirne
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Re: Lange Arbeitszeiten

Beitrag von Muirne »

Erst um 9 im Büro tut in meinen Ohren weh.

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Re: Lange Arbeitszeiten

Beitrag von Liz »

Kasimir hat geschrieben: Ja, klar; ich stimme dir absolut zu. Man sollte dafür sorgen, dass Frauen nach Ausbildung und Studium nicht zu reinen Kinderbetreuerinnen gezwungen werden. In vielen Fällen wird dies allerdings wohl auch Ausdruck eines konservativen Familienbildes und so gewollt sein. Die von dir angesprochenen Zeiten finde ich erschreckend. Liegt das daran, dass die Leute dort so konservativ sind, dass die Frauen automatisch zuhause bleiben oder bleiben sie zuhause, weil es keine Betreuung gibt. Solche Verhältnisse tragen aber natürlich zur Landflucht bei.
Sonderlich konservativ nicht, sondern in der Entwicklung einfach 10-20 Jahre den Großstädten hinterher. Und bis es ein vernünftiges Betreuungsangebot gibt, bleiben die Frauen eben notgedrungen zu Hause, wenn nicht die Großeltern einspringen können oder sich eine Tagesmutter finden lässt.
Was den zweiten Punkt angeht. Lohnt sich arbeiten? Ich glaube, dass man bei normalen Jobs in der Tat für eine Zeit "draufzahlt"; d.h. die Kosten für die Kinderbetreuung sind ggf. höher als die Einnahmen der Mutter. Aber man muss es ja auch langfristig sehen. Wie Tibors schon richtig sagte, sind Kinder ja nur ein paar Jahre betreuungsbedürftig.
Dass sich die Investition am Ende möglicherweise auszahlt, wenn die Frau bis auf kleinere Auszeiten in den ersten Lebensmonaten der Kinder Vollzeit durcharbeitet, anstatt für die Kinderbetreuung sämtliche Karrierechancen fahren zu lassen, ist richtig. Allerdings setzt man m. E. die falschen Anreize, wenn man sehenden Auges von Müttern verlangt, ein paar Jahre lang quasi "umsonst" zu arbeiten oder gar noch draufzuzahlen. Jedenfalls kann man in der Situation - um zum Ausgangspunkt der Diskussion zurückzukehren - nicht ernstlich davon sprechen, dass das alles vollkommen freiwillig geschehe. Womit ich nicht ausschließen möchte, dass es Frauen gibt, die ihre Berufung in der Kinderbetreuung sehen, aber es dürfte eben bei Weitem nicht jede Frau sein, die irgendwie in der Kinder-/Teilzeitfalle gelandet ist.
Bei den meisten in meinem Bekanntenkreis setzt sich auch das Modell durch: Ein Elternteil betreut die Kinder morgens und bringt sie in die Kita und ist dafür erst um 9 Uhr im Büro. Das andere Elternteil ist schon um 7 Uhr im Büro und dafür früher zuhause, um die Kinder zu betreuen.
Gewiss, das ist eine Möglichkeit, das Ganze zeitlich zu entzerren und auch unter der Woche wirklich mal Zeit mit dem Kind zu verbringen. Das setzt allerdings voraus, dass die Kita für beide Elternteile einigermaßen verkehrsgünstig liegt und nicht doch ein Elternteil öfters mal beide Wege machen muss.
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