Assessment Center für Richter in NRW

Für alle Fragen, die sich speziell für Richter, Staatsanwälte oder Verwaltungsbeamte ergeben, z.B. Bewerbung, Arbeitszeit, Laufbahnentwicklung, Wechsel des Bundeslandes oder der Gerichtsbarkeit usw.

Moderator: Verwaltung

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Thandor79
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Re: Assessment Center für Richter in NRW

Beitrag von Thandor79 »

Ich bin R1, ich bleib R1 und geh um 1 gilt nicht mehr?
urlauberin
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Re: Assessment Center für Richter in NRW

Beitrag von urlauberin »

Habe mal in der Info-Broschüre des OLG Hamm zum Einstellungsverfahren gestöbert. Anscheinend sollen Bewerber dort einen Thesenvortrag halten. Dort heisst es:
"Das Thema des Vortrages wird ohne inhaltliche
Vorgaben von den Bewerbern frei gewählt und
muss nicht aus dem juristischen Bereich stammen. Es
wird bis zum Beginn des Vortrags weder den anderen
Bewerbern noch der Auswahlkommission mitgeteilt
"

Aus purer Neugier: Gibt es da tatsächlich Bewerber, die einen nicht juristischen Inhalt wählen? #-o Vermutlich ist ja Sinn der Sache, dass der Bewerber unter Beweis stellt, dass er argumentieren und vortragen kann, aber wie kommt das wohl rüber, wenn jemand als Thema wählt" Warum jede Oma einen Hund haben sollte" oder so? :-k
Sind euch real gewählte Themen bekannt? Evtl mag jemand preisgeben, was er selbst als Thema hatte?
Das ist keine Generalprobe.
Stalker
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Re: Assessment Center für Richter in NRW

Beitrag von Stalker »

Ich habe in meinem Bekanntenkreis genügend Leute, die ihr Vorstellungsgespräch (allerdings nicht als Richter in NRW) dadurch "gewonnen" haben, dass sie in irgendeiner Hinsicht aufgefallen bzw. aus der Masser herausgestochen sind. Ich meine jetzt Sachen, die nichts mit Qualifikationen zu tun haben. Ich kann mir also gut vorstellen, dass es Leute gibt, die etwas Nicht-Juristisches wählen.
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Urs Blank
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Re: Assessment Center für Richter in NRW

Beitrag von Urs Blank »

Die NRW-Landesregierung hat in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage u. a. aufgeschlüsselt, welche Noten die eingestellten Richter auf Probe im 2. Staatsexamen hatten. Die Daten beziehen sich auf die 2014 eingestellten Richter.

So wurden in NRW 2014 insgesamt 309 Richter auf Probe eingestellt (Summe aus allen Gerichtsbarkeiten und der Staatsanwaltschaft). Davon hatten 67 ein befriedigend (ab 7,75 Punkten) im 2. Examen, also gut 20 %.

Der Anteil der befriedigenden Examen schwankt allerdings stark: Im Bereich des Oberverwaltungsgerichts waren es 0, im Bereich des OLG Hamm 32 von 91, also gut 1/3.

Außerdem weist die Antwort aus, dass der Frauenanteil unter den Neueinstellungen derzeit bei knapp 2/3 liegt (195 von 309).

Schließlich eine Statistik zu den „besonderen Eigenschaften“ der „befriedigenden“ Bewerber (allerdings nicht sehr aussagekräftig).

http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/do ... uelle=alle
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Re: AW: Assessment Center für Richter in NRW

Beitrag von Thandor79 »

Urs Blank hat geschrieben: Außerdem weist die Antwort aus, dass der Frauenanteil unter den Neueinstellungen derzeit bei knapp 2/3 liegt (195 von 309).
Ist das nicht eine Ungleichbehandlung? Oder hatten die einfach die besten Noten?
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Re: Assessment Center für Richter in NRW

Beitrag von Eagnai »

Teilweise steht in den Ausschreibungen noch, dass Frauen bei gleichen Noten bevorzugt berücksichtigt werden, weil sie in der Justiz insgesamt noch unterrepräsentiert sind.

Daran dürften diese Einstellungszahlen aber eher nicht liegen, sondern vielmehr daran, dass sich - meiner Kenntnis nach - derzeit einfach wesentlich mehr Frauen bei der Justiz bewerben als Männer.

Für Frauen, die Kinder bekommen wollen, ist der Staat eben ein nach wie vor attraktiver Arbeitgeber, weil es (im Gegensatz zur freien Wirtschaft) absolut unproblematisch ist, ein paar Jahre auszusetzen und dann mit Voll- oder Teilzeit wieder einzusteigen.

Wenn man diesen Aspekt außer Acht lässt, sind die Arbeitsbedingungen in der Justiz aber nicht immer so toll, und wenn man dann berücksichtigt, dass Bewerber, die notenmäßig für die Justiz in Frage kommen, in der freien Wirtschaft mit ihren Noten im Regelfall deutlich mehr verdienen können, ist es durchaus nachvollziehbar, dass sich Männer eher für die freie Wirtschaft entscheiden.
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Re: AW: Assessment Center für Richter in NRW

Beitrag von julée »

Thandor79 hat geschrieben:
Urs Blank hat geschrieben: Außerdem weist die Antwort aus, dass der Frauenanteil unter den Neueinstellungen derzeit bei knapp 2/3 liegt (195 von 309).
Ist das nicht eine Ungleichbehandlung? Oder hatten die einfach die besten Noten?
Es haben sich auch mehr Frauen beworben: von 1277 Bewerbern waren 728 weiblich, also 57 %. Wobei bei den Bewerbern mit gut / vb der Frauenanteil bei 60 % liegt, also auch leicht bessere Noten.

Eingestellt hat man demgegenüber zu 63 % Frauen. Woran die leicht höhere Erfolgsquote liegt, darüber wird man dann nur spekulieren können.
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Joshua
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Re: Assessment Center für Richter in NRW

Beitrag von Joshua »

Danke für die Zahlen aus NRW!

Ich finde erst einmal beruhigend, dass bei 309 Neueinstellungen "nur" 60 Eingestellte kein VB haben. Das ist zwar keine ganz marginale Zahl, aber es sind weniger als 1/5.

Auch in NRW, für das immer wieder behauptet wird, das VB sei längst nicht mehr der Standardfall bei Neueinstellungen, haben als mehr als 4/5 der Jungrichter ein VB oder besser. Allein für den Bezirk Hamm gelten hier Besonderheiten.

Dennoch ist natürlich ein Trend nach unten bei den Notenerfordernissen unverkennbar, gerade in Flächenstaaten wie NRW, Niedersachsen, Bayern. Dieser hat mehrere Ursachen: Demographische, aber auch solche abnehmender Attraktivität der Vergütung und Arbeitsbedingungen im richterlichen und staatsanwaltlichen Amt. Nicht zuletzt schrecken die schwer verdaulichen Sonderlasten der 3 Jahre währenden Proberichterzeit offenbar - nach meiner Erfahrung im Bekanntenkreis - einige ab. Hier sollten die Landesgesetzgeber dringlich gegensteuern, wenn der Abwärtstrend nicht weitergehen oder gar umgekehrt werden soll: Endlich eine amtsangemessene Vergütung; endlich echte Karriereplanung in der Proberichterzeit gewährleisten (z.B. durch getrennt straf- und zivilrechtliche "tracks" in den ordentlichen Gerichtsbarkeit); endlich die Unterbesetzung in manchen Gerichtsbezirken nachhaltig bekämpfen u.a.

„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“
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Re: Assessment Center für Richter in NRW

Beitrag von julée »

Joshua hat geschrieben:Danke für die Zahlen aus NRW!

Ich finde erst einmal beruhigend, dass bei 309 Neueinstellungen "nur" 60 Eingestellte kein VB haben. Das ist zwar keine ganz marginale Zahl, aber es sind weniger als 1/5.
wobei diese 60 immer noch ein vb im 1. Examen haben können. Und wenn jemand mit der Notenkombi 10 / 8.5 eingestellt wird, halte ich das nun nicht für besonders beunruhigend...
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Re: Assessment Center für Richter in NRW

Beitrag von falsus »

Joshua hat geschrieben: Dieser hat mehrere Ursachen: Demographische, aber auch solche abnehmender Attraktivität der Vergütung und Arbeitsbedingungen im richterlichen und staatsanwaltlichen Amt. Nicht zuletzt schrecken die schwer verdaulichen Sonderlasten der 3 Jahre währenden Proberichterzeit offenbar - nach meiner Erfahrung im Bekanntenkreis - einige ab. Hier sollten die Landesgesetzgeber dringlich gegensteuern, wenn der Abwärtstrend nicht weitergehen oder gar umgekehrt werden soll: Endlich eine amtsangemessene Vergütung; endlich echte Karriereplanung in der Proberichterzeit gewährleisten (z.B. durch getrennt straf- und zivilrechtliche "tracks" in den ordentlichen Gerichtsbarkeit); endlich die Unterbesetzung in manchen Gerichtsbezirken nachhaltig bekämpfen u.a.
In meinem Vorgespräch zur Mündlichen im Zweiten hat mir ein OLG-Vize einen sehr viel naheliegenderen Grund für den Bewerbermangel gennant, als dein Kriterienbündel und dieses ständige Gejammer über die vermeintlich amtsunangemesse Vergütung es sind: http://www.lto.de/jura/studium/zahl-der ... 1959-2012/
Joshua
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Re: Assessment Center für Richter in NRW

Beitrag von Joshua »

julée hat geschrieben:
Joshua hat geschrieben:Danke für die Zahlen aus NRW!

Ich finde erst einmal beruhigend, dass bei 309 Neueinstellungen "nur" 60 Eingestellte kein VB haben. Das ist zwar keine ganz marginale Zahl, aber es sind weniger als 1/5.
wobei diese 60 immer noch ein vb im 1. Examen haben können. Und wenn jemand mit der Notenkombi 10 / 8.5 eingestellt wird, halte ich das nun nicht für besonders beunruhigend...
Ja, stimmt.

„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“
Egon Bahr 2013
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Re: Assessment Center für Richter in NRW

Beitrag von Joshua »

falsus hat geschrieben:
Joshua hat geschrieben: Dieser hat mehrere Ursachen: Demographische, aber auch solche abnehmender Attraktivität der Vergütung und Arbeitsbedingungen im richterlichen und staatsanwaltlichen Amt. Nicht zuletzt schrecken die schwer verdaulichen Sonderlasten der 3 Jahre währenden Proberichterzeit offenbar - nach meiner Erfahrung im Bekanntenkreis - einige ab. Hier sollten die Landesgesetzgeber dringlich gegensteuern, wenn der Abwärtstrend nicht weitergehen oder gar umgekehrt werden soll: Endlich eine amtsangemessene Vergütung; endlich echte Karriereplanung in der Proberichterzeit gewährleisten (z.B. durch getrennt straf- und zivilrechtliche "tracks" in den ordentlichen Gerichtsbarkeit); endlich die Unterbesetzung in manchen Gerichtsbezirken nachhaltig bekämpfen u.a.
In meinem Vorgespräch zur Mündlichen im Zweiten hat mir ein OLG-Vize einen sehr viel naheliegenderen Grund für den Bewerbermangel gennant, als dein Kriterienbündel und dieses ständige Gejammer über die vermeintlich amtsunangemesse Vergütung es sind: http://www.lto.de/jura/studium/zahl-der ... 1959-2012/
Die abnehmende Absolventenzahl ist mit Sicherheit eine der Ursachen. 2013 haben ca. 1600 Absolventen (von ca. 8700) deutschlandweit ein VB oder besser im 2. gemacht. Das Reservoir für Richter und Staatsanwälte ist also weiter groß. Aber es ist keineswegs mehr so riesig, dass der Staat weiterhin Unterbesoldung und mangelnde Karriereplanung anbieten darf. Und mit "Gejammer" hat das nichts zu tun. Und das wird das BVerfG hoffentlich genauso sehen! \:D/ \:D/ \:D/

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Re: Assessment Center für Richter in NRW

Beitrag von julée »

Naja, "groß" ist das Reservoir nicht wirklich, wenn allein NRW 309 Richter und Staatsanwälte im Jahr neu einstellt, also knapp 20 % der Zielgruppe vb und besser. Wenn man konservativ davon ausgeht, dass die andern Bundesländer zusammen nur genauso viele Richter einstellen wie NRW, dann müssten 40 % der Zielgruppe bei der Justiz anfangen.

Und wenn man berücksichtigt, dass Wissenschaft, Verwaltung und Großkanzlei doch für den ein oder anderen - egal wie gut das Angebot der Justiz ist - vorzugswürdige Alternativen sind, dann liegt es m. E. auf der Hand, dass auch die Absolventenzahlen ein Problem sein können.
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Re: Assessment Center für Richter in NRW

Beitrag von Tibor »

Dann wäre es doch irgendwann sinnvoll lieber Kandidaten mit Berufserfahrung entsprechend finanziell zu locken, als Newbies mit schlechten Noten anzuheuern.
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Re: Assessment Center für Richter in NRW

Beitrag von Joshua »

julée hat geschrieben:Naja, "groß" ist das Reservoir nicht wirklich, wenn allein NRW 309 Richter und Staatsanwälte im Jahr neu einstellt, also knapp 20 % der Zielgruppe vb und besser. Wenn man konservativ davon ausgeht, dass die andern Bundesländer zusammen nur genauso viele Richter einstellen wie NRW, dann müssten 40 % der Zielgruppe bei der Justiz anfangen.

Und wenn man berücksichtigt, dass Wissenschaft, Verwaltung und Großkanzlei doch für den ein oder anderen - egal wie gut das Angebot der Justiz ist - vorzugswürdige Alternativen sind, dann liegt es m. E. auf der Hand, dass auch die Absolventenzahlen ein Problem sein können.
Kommt in etwa hin. Wir haben ca. 25.000 Richter und StA in D. Geht man von durchschnittlich 35 Berufsjahren aus, müssen jährlich 714 Neueinstellungen erfolgen. Das aus ca. 1600 Absolventen abzudecken setzt - wie du sagst - einiges voraus angesicht der Konkurrenz (Anwaltschaft; Wissenschaft; freie Wirtschaft; Verwaltung; Diplomatie usw.). Umso wichtiger ist, bei Besoldung und Arbeitsbedingungen mehr zu tun!

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