Niedersachen: "Identifikation" als Auswahlkriterium

Für alle Fragen, die sich speziell für Richter, Staatsanwälte oder Verwaltungsbeamte ergeben, z.B. Bewerbung, Arbeitszeit, Laufbahnentwicklung, Wechsel des Bundeslandes oder der Gerichtsbarkeit usw.

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JonasB
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Re: Niedersachen u.a.: "Identifikation" als Auswahlkriterium

Beitrag von JonasB »

Parabellum hat geschrieben:
julée hat geschrieben:
JonasB hat geschrieben:Meines Erachtens: Man sollte die Noten dennoch zum Leitkriterium machen, ergänzend aber Gespräche auf Augenhöhe mit den Kandidaten führen. Nota: Letzteres ist etwas anderes, als die Einstellungsprüfung nach einem strikten Punktekatalog.
Und ein "Gespräch auf Augenhöhe" führt natürlich zwingend zu völlig anderen Ergebnissen. Letztlich wird es immer darum gehen, ob es am Ende des Gesprächs nach dem mehr oder weniger subjektiv geprägten Eindruck der Kommission "passt" oder nicht. Die Definition eines klaren Anforderungskatalogs dürfte jedenfalls den Vorteil haben, dass hier die Bewertungen ein Stück weit offen gelegt und vergleichbar gemacht werden.
Kommt drauf an. So eine Pseudo-Objektivität mit einem Anforderungskatalog, der dann wiederum durchgepunktet wird, halte ich auch für absurd. Solche Kataloge handwerklich gut zu erstellen, insbesondere mit einer sinnvollen Wichtung zwischen Einzelkategorien, ist aufwändig. Und am Ende ersetzt man dann doch nur den einen wertungsbedürftigen Begriff durch einen anderen. Insofern bevorzuge ich da eher eine ehrliche "wertende Gesamtbetrachtung" in Hinblick auf das Gesamtergebnis des Gesprächs. Der sinnvollere Hebel wird da sein, die Auswahlkommission sinnvoll zu schulen, um da eine Selbstkritik hinsichtlich der eigenen Rolle und Wahrnehmung anzustoßen.
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julée
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Re: Niedersachen u.a.: "Identifikation" als Auswahlkriterium

Beitrag von julée »

JonasB hat geschrieben:Ich halte den Anforderungskatalog aber nicht für klar. Denn letztlich werden Rollenspiele durchgeführt, und da kann man wiederum immer sagen, der Kandidat oder die Kandidatin habe völlig daneben gelegen (oder eben nicht die "2" verdient). Die Rollenspiele werden selbstverständlich nicht öffentlich gemacht, und erst recht können damit auch die Bewertungskriterien nicht transparent sein. Es handelt sich um eine Schein-Objektivität, hinter der sich das Irrationale, das jeder Entscheidung anhaftet, verbergen lässt.
Ich habe auch nicht gesagt, dass der Katalog in seiner praktischen Anwendung ideal sein muss. Aber es macht m. E. sehr wohl einen Unterschied, ob allgemein am Ende mal jeder abstimmen darf, ob der Bewerber "passt" oder ob im Detail darüber disktutiert wird, ob man jetzt davon ausgeht, dass der Bewerber etwa zu einer "verantwortungsbewussten Machtausübung" fähig ist und man diese Einschätzung (mehr kann es zu diesem Zeitpunkt nie sein) an konkreten Beispielen aus dem Gespräch festmachen kann. Die Entscheidung mag am Ende immer noch nicht "objektiv" sein, aber es ist sicherlich mehr als reines Bauchgefühl dabei...

Umgekehrt gefragt: Anhand welcher Kriterien würdest Du denn innerhalb von 1-2 Stunden entscheiden, ob jemand auch in menschlicher / tatsächlicher Hinsicht als Richter geeignet ist? Welche Fragen würdest Du stellen?
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Zippocat
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Re: Niedersachen u.a.: "Identifikation" als Auswahlkriterium

Beitrag von Zippocat »

JonasB hat geschrieben:Ich halte den Anforderungskatalog aber nicht für klar. Denn letztlich werden Rollenspiele durchgeführt, und da kann man wiederum immer sagen, der Kandidat oder die Kandidatin habe völlig daneben gelegen (oder eben nicht die "2" verdient). Die Rollenspiele werden selbstverständlich nicht öffentlich gemacht, und erst recht können damit auch die Bewertungskriterien nicht transparent sein. Es handelt sich um eine Schein-Objektivität, hinter der sich das Irrationale, das jeder Entscheidung anhaftet, verbergen lässt.
Wie nun schon mehrfach von julée und anderen gefragt: Was schlägst du vor? "Gespräche auf Augenhöhe" soll was genau bedeuten?

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Re: Niedersachen u.a.: "Identifikation" als Auswahlkriterium

Beitrag von JonasB »

Zippocat hat geschrieben:
JonasB hat geschrieben:Ich halte den Anforderungskatalog aber nicht für klar. Denn letztlich werden Rollenspiele durchgeführt, und da kann man wiederum immer sagen, der Kandidat oder die Kandidatin habe völlig daneben gelegen (oder eben nicht die "2" verdient). Die Rollenspiele werden selbstverständlich nicht öffentlich gemacht, und erst recht können damit auch die Bewertungskriterien nicht transparent sein. Es handelt sich um eine Schein-Objektivität, hinter der sich das Irrationale, das jeder Entscheidung anhaftet, verbergen lässt.
Wie nun schon mehrfach von julée und anderen gefragt: Was schlägst du vor? "Gespräche auf Augenhöhe" soll was genau bedeuten?
Ich traue erfahrenen Richtern zu, dass sie in einem Gespräch herausfinden können, ob der Kandidat oder die Kandidatin in etwa der Papierform entspricht. So wird in vielen Bundesländern weiter verfahren, und wie man hört (oder besser: liest) denken diese Bundesländer auch nicht entfernt daran, so ein AC wie in Nds. oder NRW einzuführen:
"Nein, es gibt in unserem Bundesland kein förmliches Assessmentcenter (AC) für die Einstellung in den Richterdienst, und es ist auch nicht beabsichtigt, solche einzuführen." Fragt man bei den Landesjustizministerien nach, ist das eine sehr häufige Antwort.
http://www.lto.de/recht/job-karriere/j/ ... -gerichte/

Die Strukturierung der Interviews bedeutet ja letztlich, alle in ein Schema F zu pressen. Dabei wird außer Acht gelassen, dass viele der "Rollespiel-Fälle" unter den Referendaren diskutiert werden und man sich sehr wohl auf diese Interviews vorbereiten kann. Es lässt sich durchaus in Erfahrung bringen, welche Fälle gestellt werden, und welche Antworten man auf keinen Fall geben sollte. Das Schema F erlaubt es dann einerseits, dass perfekt vorbereitete KandidatInnen etwas vorspiegeln. Andererseits ist das Schema zu eng, um in den Gesprächen angemessen auf die individuell unterschiedlichen Persönlichkeits- und Qualifikationsprofile der Bewerber flexibel zu reagieren. Ich respektiere aber, wenn andere hier Assessment-Center für Juristen ganz toll finden.
julée
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Re: Niedersachen u.a.: "Identifikation" als Auswahlkriterium

Beitrag von julée »

JonasB hat geschrieben: Ich traue erfahrenen Richtern zu, dass sie in einem Gespräch herausfinden können, ob der Kandidat oder die Kandidatin in etwa der Papierform entspricht.
Vertrauen auf die Kompetenz anderer reicht nicht. Irgendwelche Fragen müssen auch erfahrene Richter stellen. Also, welche?
JonasB hat geschrieben: Es lässt sich durchaus in Erfahrung bringen, welche Fälle gestellt werden, und welche Antworten man auf keinen Fall geben sollte. Das Schema F erlaubt es dann einerseits, dass perfekt vorbereitete KandidatInnen etwas vorspiegeln. Andererseits ist das Schema zu eng, um in den Gesprächen angemessen auf die individuell unterschiedlichen Persönlichkeits- und Qualifikationsprofile der Bewerber flexibel zu reagieren.
Und wer sagt, dass durch Diskussionsbeispiele angereicherte Gespräche (ACs wie in NRW diskutieren wir ja gerade überhaupt nicht) unflexibel sind und keine Nachfragen dort erlauben, wo die Antworten zu glatt und perfekt sind oder wo das Gefühl besteht, man müsse mal ein wenig nachbohren oder auf den Bewerber individueller eingehen?

Und zur Tauglichkeit bereits bekannter "Aufgaben": im Rahmen von mündlichen SPB-Prüfungen habe ich es mehrfach erlebt, dass zu irgendeinem Zeitpunkt dann mit geringfügigen Varianten der gleiche Fall (der natürlich als ein "Lieblingsthema" des Profs bekannt ist) als Diskussiongrundlage verwendet worden ist. Die Tauglichkeit zur Notendifferenzierung hat der Fall aber bislang nicht eingebüßt und dürfte vermutlich auch noch in 5 Jahren Verwendung finden ;)
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Re: Niedersachen u.a.: "Identifikation" als Auswahlkriterium

Beitrag von Survivor »

@JonasB: Wie gesagt kann ich die Kritik an dem niedersächsischen Vorgehen zu einem guten Teil nachvollziehen. Die AC-Problematik hast Du aber doch mittlerweile in fast allen Bewerbungsverfahren, etwa auch für den höheren Dienst und sogar bereits darunter. Insofern sind die Bewerber um den Richterdienst vielleicht insofern privilegiert, als dass sie sich dieser Prüfung nicht stellen müssen. AC sind wohl einfach eine Zeiterscheinung, gegen die anzukämpfen dem Kampf gegen Windmühlen gleicht. Es wurde obne ja bereits angesprochen: Falls Du persönlich davon betroffen sein solltest, dann hak es als Erfahrung ab. Wurdest Du in Nds. eingeladen, sollten die Noten auch für andere Bundesländer genügen.
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Re: Niedersachen u.a.: "Identifikation" als Auswahlkriterium

Beitrag von Learned Hand »

JonasB hat geschrieben: Ich traue erfahrenen Richtern zu, dass sie in einem Gespräch herausfinden können, ob der Kandidat oder die Kandidatin in etwa der Papierform entspricht. So wird in vielen Bundesländern weiter verfahren, und wie man hört (oder besser: liest) denken diese Bundesländer auch nicht entfernt daran, so ein AC wie in Nds. oder NRW einzuführen:
Worin soll denn der Sinn dieser Feststellung ("entspricht der Papierform") liegen? Herauszufinden, ob die sich aus den Examensnoten ersichtliche juristische Befähigung evtl. nur auf Glück in der jeweiligen Examenskampagne basiert und deshalb abzuwerten oder evtl. aufzuwerten ist, weil der Kandidat einen besseren Eindruck macht? Oder willst Du sicherstellen, dass sich die intellektuelle Leistungsfähigkeit des Kandidaten seit dem letzten Examen nicht rapide verschlechtert hat? Das ist nach einigen Jahren Berufserfahrung vielleicht nicht auszuschliessen... Aber evtl. überschätzt Du auch die Fähigkeiten erfahrener Richter.

Die Papierform heißt Papierform, weil jeder sie schon aufgrund der Papierlage erkennen kann. Mehr als die juristische Befähigung kann man der typischen Papierlage aber nicht entnehmen. Die Stationszeugnisse enthalten ja in der Regel keine Ausführungen zur Eignung für die Justiz (außer vielleicht mal in der OLG-Station) und allein die Bescheinigung von irgendwelchen über-den-Tellerand-hinausschau-pimp-my-Lebenslauf-Praktika sagt doch nichts verlässliches über den Kandidaten oder die Kandidatin aus, das nur noch im Gespräch abgeklopft werden müsste. Vor allem weiß ich doch nicht, ob der Ausbilder an der Botschaft in Taka-Tuka-Land die Fähigkeit zur Selbstkritik und die hervorragende Teamfähigkeit nicht vielleicht jedem Referendar bescheinigt.

Das Einstellungsgespräch - egal wie es strukturiert ist - dient stattdessen dazu, auch unmittelbare Erkenntnisse zur Eignung des Kandidaten bzw. der Kandidatin zu gewinnen, die sich aus der Papierlage eben nicht ablesen lassen. Es ist deshalb nicht vollständig objektivierbar und enthält einen letzten Rest Willkür. Im Ergebnis geht es immer darum herauszufinden, ob man sich den Kandidaten oder die Kandidatin als zukünftigen Kollegen oder Kollegin vorstellen kann oder ob man den Kandidaten oder die Kandidatin zumindest auf die Parteien am Amtsgericht loslassen kann.

Du dagegen scheinst die Ernennung zum Richter auf Probe mit einer Art Belohnung für ein besonders erfolgreiches Studium und Referendariat, evtl. noch für den besonders schön ausgeschmückten Lebenslauf, zu verwechseln. Das ist sie nicht und das war sie auch vor der Einführung von AC´s in einigen Bundesländern nicht.

Mit dieser speziellen Form der Anspruchshaltung könnte es Dir auch in anderen Bundesländern als Niedersachsen im Einstellungsgespräch schwerfallen.
Parabellum
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Re: Niedersachen u.a.: "Identifikation" als Auswahlkriterium

Beitrag von Parabellum »

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Re: Niedersachen u.a.: "Identifikation" als Auswahlkriterium

Beitrag von Trojan »

Ich bin selber in der Justiz, allerdings nicht in Nds.
Nach meiner Auffassung ist eine weitere Komponete, neben der reinen Note (die natürlich stimmen sollte) sehr zu begrüßen. Dies hält soziale Vollpfosten davon ab, diesen Beruf zu ergreifen.
Ich kenne selber Kollegen aus Nds. Die haben weder eine einschlägige Wahlstation absolviert noch sonst "was" gedreht. Es sind einfach gute Juristen mit Sozialkompetenz...
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Re: Niedersachen u.a.: "Identifikation" als Auswahlkriterium

Beitrag von Tibor »

eben; und wer das nicht mag, den empfängt der Blau-Weiße-Freistaat mit offenen Armen und einer Umrechnung der "Nordnote" in bajuwarische Noten.
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Re: Niedersachen u.a.:

Beitrag von ToSaPhi »

Tibor hat geschrieben:eben; und wer das nicht mag, den empfängt der Blau-Weiße-Freistaat mit offenen Armen und einer Umrechnung der "Nordnote" in bajuwarische Noten.
Soweit ich weiß, wird selbst hierzulande mittlerweile zumindest kritischer nachgefragt... In den sonstigen Ministerien muss man eigentlich immer mit strukturierten Interviews rechnen.
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Re: Niedersachen u.a.: "Identifikation" als Auswahlkriterium

Beitrag von Stalker »

Ich weiss nicht, ob sich in den letzten paar Jahren gerade in Nds. was geändert hab - aber ich hab einen Lebenslauf gehabt, der alles andere als "Will in die Justiz" geschrien hat. Bereits vor dem Studium, zumal ich als Schüler komplett andere Pläne hatte und das auch im Vorstellungsgespräch gesagt hab. Und die Dauer meines Studiums war jetzt auch nicht unbedingt "stromlinienförmiger Jurist".

Ich glaube eher, dass es der Kommission darauf ankommt, dass man seine Entscheidungen nachvollziehbar begründen kann.

Und ansonsten... na ja, dass nicht allein die Examennoten entscheiden, finde ich völlig nachvollziehbar. Ich weiss nicht, wie das Gespräch bei anderen lief, aber im "Rollenspiel" wurde mir so oft ins Wort gefallen, dass ich irgendwann ausgerastet bin und die Kommission niedergebrüllt habe. Das ist sicherlich nicht unbedingt die beste Entscheidung (ich dachte in dem Moment auch, das Gespräch wäre jetzt gelaufeN), aber ich würde eher einen Richter einstellen, der irgendwann cholerisch austickt als einen, der sich auf der Nase rumtanzen lässt und im Zweifel irgendwann heulend aus dem Raum rennt.

EDIT: Und ich will keinesfalls sagen, dass die nds. Einstellungspolitik das Nonplusultra ist. Ich hab Kollegen ungefähr in meinem Alter, die nach herrschender Meinung arrogante Arschlöcher sind und die richterliche Unabhängigkeit als Hängematte benutzen. Allerdings ist die Examensnote als alleiniges Kriterium (wie es ja noch vor 20 Jahren war) völlig ungeeignet - ich kenne selbst mehrere Studienkollegen, die zwar brilliante Juristen sind, aber eben eher auf theoretischer Ebene - von denen sind auch viele in die Wissenschaft, aber ein paar haben es auch im Justizdienst (nicht unbedingt in Nds.) versucht - aber ein... sagen wir mal "Jura-Nerd" ist nicht unbedingt ein guter Richter.
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Re: Niedersachen u.a.: "Identifikation" als Auswahlkriterium

Beitrag von JonasB »

Learned Hand hat geschrieben:
JonasB hat geschrieben:
Das Einstellungsgespräch - egal wie es strukturiert ist - dient stattdessen dazu, auch unmittelbare Erkenntnisse zur Eignung des Kandidaten bzw. der Kandidatin zu gewinnen, die sich aus der Papierlage eben nicht ablesen lassen. Es ist deshalb nicht vollständig objektivierbar und enthält einen letzten Rest Willkür.
Die Frage ist nur, ob es sich nur um einen "Rest Willkür" handelt. Mein Eindruck ist schlicht ein anderer. Leider ist es intersubjektiv in einem Forum kaum vermittelbar, weshalb mich die Ablehnung der beiden Kollegen so sehr im Vertrauen in die Angemessenheit der Einstellungsentscheidungen erschüttert hat. Ich denke, wenn du selbst die Personen kennen würdest (und sie denen gegenüberstellen könntest, die zugleich genommen wurden...), bestünde eine gute Aussicht, dass du meine Kritik - jedenfalls bezogen auf die genannten Fälle - absolut nachvollziehen könntest!
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Re: Niedersachen u.a.: "Identifikation" als Auswahlkriterium

Beitrag von JonasB »

Stalker hat geschrieben: Und ich will keinesfalls sagen, dass die nds. Einstellungspolitik das Nonplusultra ist. Ich hab Kollegen ungefähr in meinem Alter, die nach herrschender Meinung arrogante Arschlöcher sind und die richterliche Unabhängigkeit als Hängematte benutzen.

Allerdings ist die Examensnote als alleiniges Kriterium (wie es ja noch vor 20 Jahren war) völlig ungeeignet - ich kenne selbst mehrere Studienkollegen, die zwar brilliante Juristen sind, aber eben eher auf theoretischer Ebene - von denen sind auch viele in die Wissenschaft, aber ein paar haben es auch im Justizdienst (nicht unbedingt in Nds.) versucht - aber ein... sagen wir mal "Jura-Nerd" ist nicht unbedingt ein guter Richter.
Was du mE übersiehst: Das 8-Punkte-Kriterium ist nachgerade eine Einladung an die mäßig Begabten, sich über über eine gute Performance im Vorstellungsgespräch die von dir genannte Hängematte zu erschleichen.
Zuletzt geändert von JonasB am Mittwoch 25. Juni 2014, 13:59, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Niedersachen u.a.: "Identifikation" als Auswahlkriterium

Beitrag von JonasB »

Trojan hat geschrieben:Ich bin selber in der Justiz, allerdings nicht in Nds.
Nach meiner Auffassung ist eine weitere Komponete, neben der reinen Note (die natürlich stimmen sollte) sehr zu begrüßen. Dies hält soziale Vollpfosten davon ab, diesen Beruf zu ergreifen.
Ich kenne selber Kollegen aus Nds. Die haben weder eine einschlägige Wahlstation absolviert noch sonst "was" gedreht. Es sind einfach gute Juristen mit Sozialkompetenz...
Nach langer Unierfahrung: Ich halte das für eine Legende, dass gerade die "guten" und "sehr guten" Juristen zum Nerdtum neigten in dem Sinne, dass sie mit praktischen Herausforderungen der Berufswelt nicht zurechtkämen. Das widerspricht auch der Intelligenzforschung: Menschen mit herausragenden Examina verfügen in aller Regel auch über eine hohe Intelligenz. Und der IQ ist immer noch der beste Lackmustest dafür, ob jemand mit Situationen, die komplexe Entscheidungen und soziale Interaktionen verlangen, schnell und effektiv zurecht kommt. Kurzum: Die Examensnote ist und bleibt das geeignetste und fairste Kriterium für die Feststellung der Eignung bei allen juristischen Berufen.
soziale Vollpfosten
Und wer darf sich das anmaßen, zu beurteilen, ob jemand ein "sozialer Vollpfosten" ist? Dafür gibt es doch schlicht keine objektiven Kriterien. Wir neigen dazu, die Menschen zu mögen, die uns ähnlich sind, im Habitus, im Verhalten. Und umgekehrt: Diejenigen schlecht zu sehen, du uns sehr unähnlich sind. Es ist eine ungeheuerliche Anmaßung, bewerten zu wollen, jemand sei ein "sozialer Vollpfosten". Ein Psychologe kann vielleicht einige der in Nds. geprüften Kriterien wie "Gerechtigkeitssinn" in nach dem Stand der Wissenschaft akzeptierten Testverfahren bewerten. Ein wenige Stunden umfassender "Rundumschlag"-Test, geleitet durch Menschen, die keine Fachleute sind, (mit-) entwickelt von einer Unternehmensberatung (sic!) vermag das nicht zu leisten.
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