Niedersachen: "Identifikation" als Auswahlkriterium

Für alle Fragen, die sich speziell für Richter, Staatsanwälte oder Verwaltungsbeamte ergeben, z.B. Bewerbung, Arbeitszeit, Laufbahnentwicklung, Wechsel des Bundeslandes oder der Gerichtsbarkeit usw.

Moderator: Verwaltung

JonasB
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Re: Niedersachen: "Identifikation" als Auswahlkriterium

Beitrag von JonasB »

julée hat geschrieben:
Wie kommst Du auf die Idee, 98 % Top-Absolventen (100 % abzüglich 2 % absolute Soziopathen) seien uneingeschränkt für eine Tätigkeit in der Justiz geeignet?
Glaube ich nicht. Ich halte, wenn ich mir meine Studienkollegen anschaue, aber auch die vielen Studenten, die ich in AGs über Jahre betreut habe, durchaus für realistisch, dass man bei 10% der fachlich Qualifizierten, vielleicht auch 20%, Zweifel an hinreichenden Sozialkompetenzen für den die Fähigkeit zum Ausgleich fordernden Richterberuf haben kann. Aber bei 43%, also fast jedem Zweiten? Nein.

Ob die Ablehnungsquote in Nds mit ihren 43 % angemessen ist, will ich nicht behaupten;
Eben.
Werden tatsächlich hochmotivierte Bewerber abgelehnt, die schon seit der Grundschule davon träumen, Richter zu werden - oder werden vorwiegend solche Kandidaten aussortiert, die sich bewerben, weil sie einen sicheren Job wollen und / oder weil man sich einfach bewirbt, wenn man die Noten dafür hat?
Das halte ich wieder für klischeehaft: Der Grundschulrichterträumer. Leider wollen die scheinbar genau solche Biographien. Wie gesagt bevorzugt ein solches System nur die Oberschichtsprösslinge. Denn wer ein positives Rollenmodell zu Hause rumlaufen hat, kann viel eher und früher den Entschluss fassen, Richter zu werden, und seinen Lebenslauf darauf abstimmen. So erklärt sich dann auch, dass sich die Richterschaft sehr stark aus der oberen und obersten Schicht rekrutiert. Das ist schädlich für unsere Gesellschaft.
Roger Fisher
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Re: Niedersachen: "Identifikation" als Auswahlkriterium

Beitrag von Roger Fisher »

Komm lass. Julee muss heute abend noch ihre Perlenohrringe sortieren.
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julée
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Re: Niedersachen: "Identifikation" als Auswahlkriterium

Beitrag von julée »

JonasB hat geschrieben:
Werden tatsächlich hochmotivierte Bewerber abgelehnt, die schon seit der Grundschule davon träumen, Richter zu werden - oder werden vorwiegend solche Kandidaten aussortiert, die sich bewerben, weil sie einen sicheren Job wollen und / oder weil man sich einfach bewirbt, wenn man die Noten dafür hat?
Das halte ich wieder für klischeehaft: Der Grundschulrichterträumer. Leider wollen die scheinbar genau solche Biographien. Wie gesagt bevorzugt ein solches System nur die Oberschichtsprösslinge. Denn wer ein positives Rollenmodell zu Hause rumlaufen hat, kann viel eher und früher den Entschluss fassen, Richter zu werden, und seinen Lebenslauf darauf abstimmen. So erklärt sich dann auch, dass sich die Richterschaft sehr stark aus der oberen und obersten Schicht rekrutiert. Das ist schädlich für unsere Gesellschaft.
Insoweit habe ich natürlich erstmal plakativ ein Klischee bedient. Aber zwischen "Traumberuf" seit Kindesbeinen oder Studientage und einer halbernsten Bewerbung aus der Motivation "weil ich kann" (oder noch schlimmer "GK ist mir zu anstrengend" - im Treffpunkt schon diskutiert: http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance ... 78407.html) heraus dürfte ein Unterschied liegen.
Roger Fisher hat geschrieben:Komm lass. Julee muss heute abend noch ihre Perlenohrringe sortieren.
Mach' Dir um meine Perlensammlung mal keine Sorgen. Die sind schon sortiert.
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Re: Niedersachen: "Identifikation" als Auswahlkriterium

Beitrag von JonasB »

Ob sie Perlenohrringe sortiert - weiß nicht. Leider hat sie wie viele andere nichts über für einige kritische Diskussionsansätze. Insbesondere den, dass ein sehr offenes, in den Kriterien dehnbares Auswahlsystem nach allen Erfahrungen, die wir aus der empirischen Sozialforschung haben, sozial höchst selektiv sind. Grund: Man wählt nach Habitus aus, was immer die Kriterien sind, die auf dem Papier stehen. Also: Oberschichtrichter wählt Oberschichtspross. In der Tendenz. Konkrete Zahlen, welcher sozialen Schicht die ausgewählten Richter auf Probe in Nds. gehören, habe ich nicht; aber wir haben von diesem Jahr sehr interessante Erkenntnisse zu den Auswahlprozessen in der juristischen Wissenschaft. Das alte Ergebnis, dass die Oberschicht sich selbst reproduziert, hat sich wieder mal bestätigt.
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Re: Niedersachen: "Identifikation" als Auswahlkriterium

Beitrag von julée »

JonasB hat geschrieben:Leider hat sie wie viele andere nichts über für einige kritische Diskussionsansätze.
Wie war das mit dem Schreiben in 3. Person von anderen Diskussionsteilnehmern?
Insbesondere den, dass ein sehr offenes, in den Kriterien dehnbares Auswahlsystem nach allen Erfahrungen, die wir aus der empirischen Sozialforschung haben, sozial höchst selektiv sind.
Den Effekt verkenne ich definitiv nicht. Aber bei den von Dir vorgeschlagenen bloßen Kennenlern-Gesprächen (Deine Vorschläge hast Du ja auch immer wieder variiert) dürfte die soziale Selektion noch wesentlich stärker und wesentlich unkontrollierter zu Tage treten.
JonasB hat geschrieben:Konkrete Zahlen, welcher sozialen Schicht die ausgewählten Richter auf Probe in Nds. gehören, habe ich nicht; aber wir haben von diesem Jahr sehr interessante Erkenntnisse zu den Auswahlprozessen in der juristischen Wissenschaft. Das alte Ergebnis, dass die Oberschicht sich selbst reproduziert, hat sich wieder mal bestätigt.
Wäre noch zu beweisen, dass der Selektionsprozess in der Justiz genauso abläuft wie in der juristischen Wissenschaft. Ohne Kenntnis der sozialen Herkunft der am Auswahlgespräch beteiligten, dürfte das aber relativ schwer nachzuvollziehen sein.
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Re: Niedersachen: "Identifikation" als Auswahlkriterium

Beitrag von JonasB »

julée hat geschrieben:Aber zwischen "Traumberuf" seit Kindesbeinen oder Studientage und einer halbernsten Bewerbung aus der Motivation "weil ich kann" (oder noch schlimmer "GK ist mir zu anstrengend" - im Treffpunkt schon diskutiert: http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance ... 78407.html) heraus dürfte ein Unterschied liegen.
Ja, die Kollegen, die genommen sagten mir zum Verfahren in Nds. sinngemäß, überwiegend gar wortgetreu: Wenn du dich bewirbst, du musst denen das Blaue vom Himmel vorlügen, du musst die zuschleimen, dass der Richterberuf das Geilste der Welt sei, du darfst keinerlei Zweifel an deiner Motivation aufkommen lassen usw. Wenn es nicht meine Anonymität gefährdete und Vertraulichkeit verletzte, würde ich hier einige Mails heutiger Richter auf Probe abdrucken...

Letztlich geht es darum, sich als frei von Zweifeln darzustellen. Aber sind die, die frei von Zweifeln sind, nicht die Kränksten? Ist es nicht ein Zeichen von Reife, wenn man sich mehr als einen juristischen Beruf vorstellen kann?

Letztlich fordert dieses System auf, auch dreist zu lügen, und das möglichst gekonnt. Selbst deine "Traumjurabarbie mit vonkindesbeinennichtsalsrichterinimkopp" hat schon gezogen. Das ist dermaßen unappetitlich. Ich kann nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte darüber.

Entschuldigt die Polemik...
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Re: Niedersachen: "Identifikation" als Auswahlkriterium

Beitrag von Parabellum »

JonasB hat geschrieben:
julée hat geschrieben:Aber zwischen "Traumberuf" seit Kindesbeinen oder Studientage und einer halbernsten Bewerbung aus der Motivation "weil ich kann" (oder noch schlimmer "GK ist mir zu anstrengend" - im Treffpunkt schon diskutiert: http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance ... 78407.html) heraus dürfte ein Unterschied liegen.
Ja, die Kollegen, die genommen sagten mir zum Verfahren in Nds. sinngemäß, überwiegend gar wortgetreu: Wenn du dich bewirbst, du musst denen das Blaue vom Himmel vorlügen, du musst die zuschleimen, dass der Richterberuf das Geilste der Welt sei, du darfst keinerlei Zweifel an deiner Motivation aufkommen lassen usw. Wenn es nicht meine Anonymität gefährdete und Vertraulichkeit verletzte, würde ich hier einige Mails heutiger Richter auf Probe abdrucken...

Letztlich geht es darum, sich als frei von Zweifeln darzustellen. Aber sind die, die frei von Zweifeln sind, nicht die Kränksten? Ist es nicht ein Zeichen von Reife, wenn man sich mehr als einen juristischen Beruf vorstellen kann?

Letztlich fordert dieses System auf, auch dreist zu lügen, und das möglichst gekonnt. Selbst deine "Traumjurabarbie mit vonkindesbeinennichtsalsrichterinimkopp" hat schon gezogen. Das ist dermaßen unappetitlich. Ich kann nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte darüber.

Entschuldigt die Polemik...
Unterstellen wir einmal spaßeshalber, das wäre tatsächlich so: Wie unterscheidet sich das nun noch mal genau von jeder beliebigen anderen Vorstellungsgesprächssituation?
"Ich sage nicht, dass man sich hier zu siezen hätte oder ähnlichen Quatsch. Bei einem Forum von Juristen für Juristen ist meine Erwartungshaltung aber trotzdem nochmal eine andere als bei der Kneipe um die Ecke." OJ1988
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Re: Niedersachen: "Identifikation" als Auswahlkriterium

Beitrag von JonasB »

julée hat geschrieben:
Wie war das mit dem Schreiben in 3. Person von anderen Diskussionsteilnehmern?
Wollte nur mal testen, ob es bei dir nicht doch anstößt. Und siehe da. ;)
Den Effekt verkenne ich definitiv nicht. Aber bei den von Dir vorgeschlagenen bloßen Kennenlern-Gesprächen (Deine Vorschläge hast Du ja auch immer wieder variiert) dürfte die soziale Selektion noch wesentlich stärker und wesentlich unkontrollierter zu Tage treten.
Ok, schön, dass du an der Stelle diskutierst, statt zu blocken. Zur Antwort auf deine These: Nicht, wenn man wie in Bayern das "No!" zu absoluten Ausnahme macht. Bayern ist nach meiner Einschätzung das am wenigsten sozial selektive System bei der Richterauswahl, wobei - um die Schattenseite nicht auszusparen - in diesem Bundesland schon der Zugang zum Gymnasium nach meinem Wissensstand sehr selektiv ist. Das hochtalentierte Arbeiterkind hat es in Bayern recht gut; es schafft die Hürden Gymnasium und Einstieg in das Studium und kommt dann in den Genuss eines eher wenig selektiven Auswahlrasters beim Berufseinstig; das "nur" talentierte eher nicht. Aber wir sind uns einig, dass wir das ideale System nicht am Reißbrett entwerfen können.
Wäre noch zu beweisen, dass der Selektionsprozess in der Justiz genauso abläuft wie in der juristischen Wissenschaft. Ohne Kenntnis der sozialen Herkunft der am Auswahlgespräch beteiligten, dürfte das aber relativ schwer nachzuvollziehen sein.
Das wurde zuletzt in den 1970ern und 1980ern speziell für Richter untersucht. Man findet das in den Lehrbüchern zur Rechtssoziologie. Leider gibt es soweit mir bekannt keine aktuelle Studie.
Zuletzt geändert von JonasB am Montag 11. August 2014, 23:01, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Niedersachen: "Identifikation" als Auswahlkriterium

Beitrag von JonasB »

Parabellum hat geschrieben: Unterstellen wir einmal spaßeshalber, das wäre tatsächlich so: Wie unterscheidet sich das nun noch mal genau von jeder beliebigen anderen Vorstellungsgesprächssituation?
Spaßeshalber? Ich kann nur sagen, dass die Kollegen mir das unisono berichtet haben. Aber du musst mir und ihnen natürlich nicht glauben.
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Re: Niedersachen: "Identifikation" als Auswahlkriterium

Beitrag von julée »

JonasB hat geschrieben:Letztlich geht es darum, sich als frei von Zweifeln darzustellen. Aber sind die, die frei von Zweifeln sind, nicht die Kränksten? Ist es nicht ein Zeichen von Reife, wenn man sich mehr als einen juristischen Beruf vorstellen kann?
Zeugt ein "Also Verwaltung könnte ich mir auch vorstellen... oder Großkanzlei..." wirklich von "Reife"?

JonasB hat geschrieben:
julée hat geschrieben:
Wie war das mit dem Schreiben in 3. Person von anderen Diskussionsteilnehmern?
Wollte nur mal testen, ob es bei dir nicht doch anstößt. Und siehe da. ;)
Ich hatte da Deine bitterböse Anprangerung noch im Ohr ;)
JonasB hat geschrieben:
Ok, schön, dass du an der Stelle diskutierst, statt zu blocken. Zur Antwort auf deine These: Nicht, wenn man wie in Bayern das "No!" zu absoluten Ausnahme macht. Bayern ist nach meiner Einschätzung das am wenigsten selektive System, wobei in diesem Bundesland schon der Zugang zum Gymnasium sehr selektiv ist. Das wirklich talentierte Arbeiterkind hat es in Bayern recht gut; das "nur" talentierte eher nicht.
Naja, aber Bayern nimmt nur Leute, die sich in den ersten 3 Jahren nach dem 2. Examen bewerben. Damit ist also derjenige, der sich nach 5 Jahren Anwaltstätigkeit bewirbt (und der in Nds. vielleicht aufgrund seiner uneindeutigen Motivation im Gespräch abgelehnt wird), in Bayern gleich außen vor. Und wenn man in Bayern möglicherweise schon seit der Grundschule selektiert (und auswärtige Examensergebnisse umrechnet), dann könnte da ebenso gut im finalen Bewerbungsgespräch fast niemand mehr übrig sein, den man nach dem sozialen Habitus auszusortieren könnte. Ob es in Bayern also unbedingt gerechter zugeht, vermag ich nicht zu sagen. Auch insoweit fehlen uns ja die entsprechenden Daten, wer sich wann wie und wo bewirbt und wer ihm gegenübersitzt.

Aber wir sind uns einig, dass wir das ideale System nicht am Reißbrett entwerfen können.
Das sicherlich. Aber vor dem Hintergrund kann man auch nicht alle bestehenden Systeme, mögen sie auch Mängel und Schwächen haben, in Bausch und Bogen verdammen. Man kommt ja nicht umhin, tatsächlich eine Entscheidung zu treffen.
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Re: Niedersachen: "Identifikation" als Auswahlkriterium

Beitrag von JonasB »

julée hat geschrieben:
JonasB hat geschrieben:Letztlich geht es darum, sich als frei von Zweifeln darzustellen. Aber sind die, die frei von Zweifeln sind, nicht die Kränksten? Ist es nicht ein Zeichen von Reife, wenn man sich mehr als einen juristischen Beruf vorstellen kann?
Zeugt ein "Also Verwaltung könnte ich mir auch vorstellen... oder Großkanzlei..." wirklich von "Reife"?
Leider bringst du jetzt wieder nur ein Extrembeispiel, so eine Art Persiflage. Wer sagt schon: "Also Verwaltung könnte ich mir auch vorstellen... oder Großkanzlei..."?

Ich spreche von sehr ernsthaften Beiträgen hier im Forum, nach denen Leute, die vorher Anwälte waren, die Identifikationszweifel nicht mehr ausräumen konnten. Also von Leuten, die sehr gerne Richter werden möchten, ohne deswegen andere Berufe für sich auszuschließen. Für mich gibt es eine Präferenzliste. Da steht der Richter oben. Aber es gibt auch noch Plätze 2, 3 und 4.
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Re: Niedersachen: "Identifikation" als Auswahlkriterium

Beitrag von julée »

Leute, die vorher längere Zeit Anwalt waren, dürften ein Sonderfall sein.

Aber ich kenne nicht Wenige, die sich hier und da bewerben und die eigentlich selbst nicht so ganz genau wissen, was sie wirklich machen wollen. Das dürfte sich aber auf die Überzeugungskraft im Gespräch auswirken. Und entweder schafft man es, die Gesprächspartner davon zu überzeugen, dass das jetzt für einen die Nr. 1 ist und dann ganz, ganz lange nichts kommt und man es sich auch nicht so schnell anders überlegen wird, oder man schafft es eben nicht.
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Re: Niedersachen: "Identifikation" als Auswahlkriterium

Beitrag von JonasB »

Leider übernimmst du wieder nur komplett die Argumentation mancher Auswahlbehörden. Die wollen so eine Art Exklusivitätsschwur: "Ich kann mir nur Richter vorstellen; bewerben werde ich mich für nichts anderes." Das hat fast was von einem Schwur, wie ihn manche Sekten verlangen.

Das ist ein verzerrtes Menschenbild, das hinter diesen Auswahlritualen steckt.

Kannst du dir nicht vorstellen, dass es viele Absolventen gibt, für die MEHRERE juristische Berufe gleichsam erfüllend sein können? Und die dennoch in jedem einzelnen davon voll aufgehen und ihre Bestleistung bringen? Kannst du dir vorstellen, dass der faktische Zwang zum "only this one" geradezu zum Lügen anstiftet und - schlimmer noch - zur Selbstverleugung und Entpersönlichung? Nichts ist schlimmer als das.
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Re: Niedersachen: "Identifikation" als Auswahlkriterium

Beitrag von JonasB »

Man müsste auch mal einen Ländervergleich anstrengen:

MeckPomm z.B. nimmt jeden, der sich vorgestellt hat. Ist dort etwa eine riesiges Problem mit Richtern entstanden, die dem Staat mangels "Identifikation" wieder davon gelaufen sind oder ihre Aufgaben nicht ernst angegangen sind? Ist mir nicht bekannt. Hätte nicht die Opposition in diesen Ländern längst Alarm geschlagen und eine Justizreform angemahnt?

Wenn aber diese Länder auch gut fahren: Wo ist dann die Rechtfertigung für diesen riesigen Leidensdruck, den man erzielt, wenn man 43% der Absolventen die "Nichteignung" für den Beruf attestiert, für den sie studiert haben?
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Re: Niedersachen: "Identifikation" als Auswahlkriterium

Beitrag von batman »

Nach meinem Kenntnisstand gibt es keine Landesjustizverwaltung, bei der in größerer Zahl Bewerber eingestellt worden sind, die umfassend gelogen haben, sich selbst verleugnet und entpersönlicht haben. Das kann natürlich an meiner völligen Unkenntnis der Materie liegen.
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