Qualitätskontrolle contra richterliche Unabhängigkeit

Für alle Fragen, die sich speziell für Richter, Staatsanwälte oder Verwaltungsbeamte ergeben, z.B. Bewerbung, Arbeitszeit, Laufbahnentwicklung, Wechsel des Bundeslandes oder der Gerichtsbarkeit usw.

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Qualitätskontrolle contra richterliche Unabhängigkeit

Beitrag von Amtsgerichtsrat »

Hallo zusammen. Wie hier: in diesem Beitrag bereits angekündigt, möchte ich gern ein paar Worte zur (leider oft missvertsandenen) richterlichen Unabhängigkeit (bzw. meiner Aufffassung davon) und der oft gerügten mangelnden Qualität der richterlichen Arbeit (in Einzelfällen) verlieren. Ich bemühe mich trotz meiner Lagerstellung um größtmögliche Neutralität. Ich werde versuchen, nicht zu sehr in dienstrechtliche Ausführungen abzugleiten. Und ich bin an konstruktiven Beiträgen und Lösungsvorschlägen ehrlich interessiert - nur her damit.


1. Richterliche Unabhängigkeit

Dass die richterliche Unabhängigkeit Ausfluss der Gewaltenteilung und grundgesetzlich durch Art. 97 GG garantiert ist, erwähne ich nur der Vollständigkeit halber. Dass dieser Gedanke grundsätzlich im Sinne einer funktionierenden und unabhängigen Rechtspflege sehr gut gedacht ist und war, bedarf keiner Erörterung. Der Grundgesetzgeber hatte sicherlich nachvollziehbare Motive dafür, Justiz und Politik vollständig zu entkoppeln, bzw. jedwede Möglichkeit der Einflussnahme im Keim zu unterbinden. Inbesondere Art. 97 Abs. 2 GG soll die Versetzung, Entlassung, Demotion oder sonst irgendwie geartete Züchtigung der Richter verhindern. Auch ein sehr valides Prinzip, denke ich. Andernfalls wären eine Klassenjustiz und von sachfremden Erwägungen getragene Entscheidungen nur eine Frage der Zeit. ("Das Verfahren XY müssen Sie bitte so, so und so bearbeiten, weil der Herr Ministerpräsident angerufen hat...")

So etwas darf und soll es nicht geben - und dafür ist Art. 97 GG gedacht. (Dass es andersherum dazu führt, dass das Bundesverfassungsgericht die Gesetzgebung durch aktuelle Entscheidungen teilweise (mit-)bestimmt, anstatt sich vollständig auf nachträgliche Kontrolle zu beschränken, steht auf einem anderen Blatt, soll aber an dieser Stelle nicht mein Thema werden...)


2. Qualität richterlicher Arbeit

Nun gibt es (in Einzelfällen! Ich werde nicht müde, zu betonen, dass 99% aller Richter ihre Arbeit gut, ambitioniert, gerne und fleissig machen, jedenfalls unter denen, die ich persönlich kenne und das sind nicht wenige) leider hin und wieder (und durch alle Gerichtszweige und Behörden und Bundesländer und Dienstalter und Geschlechter) durchaus diejenigen, die hinter dem zurück bleiben, was man unter der Durchschnittsqualität richterlicher Arbeit verstehen darf. Das sind diejenigen, die ihr Dezernat selbstverschuldet absaufen lassen, Akten unbearbeitet liegen lassen, im Rahmen der Verhandlung keinem zuhören, ihre Fortbildung vernachlässigen, nicht mehr auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft arbeiten und generell mit derjenigen Null-Bock- bzw. Nach-mir-die-Sintflut-Stimmung an die Sache herangehen, die man dann so ganz global immer mal wieder "den faulen Beamten der Justiz" vorwirft. Diese Menschen gibt es. Ihre statistische Häufigkeit hält sich indes in Grenzen. Jeder kennt "den faulen Kollegen" im Bezirk. Aber ist eben meistens wirklich "nur" dieser eine. Und die anderen 100, die diesen Vorwurf trotz zum Teil erheblicher überobligatorische Arbeit an den Kopf geworfen bekommen, bedanken sich natürlich recht herzlich.

Wir sind uns einig, dass jeder einzelne Null-Bock-Kollege einer zu viel ist und es sich um Menschen handelt, die eine große Verantwortung tragen und mit ihrer Einstellung zur Arbeit dieser großen Verantwortung nicht gerecht werden.


3. Dienstrechtliche Handhabe zur Qualitätssicherung

In der Theorie besteht keine direkte dienstrechtliche Handhabe für die oben angesprochene Art der qualitativen Minderleistung. So lange der betroffene Kollege die Arbeit nicht vollständig verweigert, sondern ab und an mal einen Stempel in Akte knallt, mürrisch eine Verhandlung leitet und ein zweiseitiges Urteil schreibt, tut er ja "Dienst". Die einzige Möglichkeit der Disziplinierung ist de lege lata nur "durch die Hintertür" in Form der dienstlichen Beurteilung möglich. Die dienstliche Beurteilung ist für jedwede Personalentscheidung (insbesondere in Richtung "oben") das wichtigste und aussagekräftigste Kriterium. Einen homogenen Personalstab, der insgesamt nach oben strebt, als "Ideal" unterstellt, könnte man mit dem Mittel der (guten bzw. schlechten) dienstlichen Beurteilung entsprechend auf die jenigen Kollegen Druck ausüben, die hinter der gewünschten Qualität zurückbleiben, und diejenigen fördern, die eben überdurchschnittlich gut arbeiten. Allein - es fehlt am homogenen Personalstab. Denn diejnigen, die sich im oben dargestellten Sinne mit ihrer Leistungsbereitschaft zurückhalten (um es mal sehr diplomatisch zu formulieren), machen dies ja mitunter getreu der Devise:

"Ich bin R1, ich bleib R1, ich geh um 1."

Will sagen: Sie streben nicht nach höherem und ob sie befördert werden oder nicht, haben diejenigen schon lange in der "Egal"-Schublade abgelegt. Mit dem in diesem Fall zahnlosen Tiger der dientlichen Beurteilung kommt man diesen Kollegen also nicht bei.

Die Justiz behilft sich in Einzefällen leider immer noch mit dem guten alten "Wegbefördern" (meist dahin, wo entsprechen Kollegen dann weniger Schaden anrichten) oder mit Geschäftsverteilungen dahingehend, dass man die Kollegen, die weniger arbeiten wollen eben weniger arbeiten lässt (bei voller Bezahlung, versteht sich). Die werden dann in Bereichen eingesetzt (gerichtsinterne Zuständigkeiten-Verschiebung ist ja durch Präsidiumsbeschluss jederzeit möglich, auch gegen den Willen des Einzelnen), wo eben die Belastung geringer ist. Oder man entlastet (selbstverschuldet) abgesoffene Dezernate durch eine zeitweise Umverteilung der neu eingehenden Verfahren, o.ä.
Natürlich in der Hoffnung, dass die "Entlasteten" dann ihre neu gewonnene Zeit nutzen, ihren Rückstand abzutragen und zu vormaliger Qualität zurückzufinden. Das klappt manchmal. Aber nicht immer. Und kommt übrigens bei den Kollegen, die die Mehrbelastung im Gegenzug übernehmen total gut an... ::evil:


4. Verbesserungsmöglichkeiten

Die Justiz tut grundsätzlich schon sehr vieles, um die Fälle nicht erst entstehen zu lassen, sie zu verbessern oder jedenfalls den Schaden für den Bürger so gering wie möglich zu halten. Wer sich in seiner (idR dreijährigen) Probezeit schon so anstellt, dass absehbar ist, dass er nicht 100% Einsatz bringt, wird mit seiner Verlebzeitung nicht rechnen brauchen. Wer (selbstverschuldet) mit der Qualität in Rückstand gerät, dem wird (lange und mehrmals) Hilfe zugetragen, man betreibt Ursachenforschung, man bietet Alternative Tätigkeitsgebiete an. Für viele findet sich früher oder später der Schuh, der passt. Manch einer ist vielleicht einfach kein Strafrechtler und blüht dann nach dem Wechsel ins Zivilrecht auf. Hat man alles schon erlebt. Ganz am Schluss bleiben einige wenige, denen man auch mit aller Liebe nicht beikommt, das ist richtig. Und die kann man (anders als einen angestellten Rechtsanwalt oder Sachbearbeiter) eben auch nicht einfach vor die Tür setzen.

Es stellt sich aber die Frage, wie man auch diese Fälle noch abstellen kann. Und zwar idealerweise in einer mit Artikel 97 GG zu vereinbarenden Weise. Einige Lösungsansätze (und deren Schwächen) zu diesem Thema habe ich schon gehört, bzw. mir erdacht. Wirklich befriedigen tut keiner davon.

a) Verlängerung der Probezeit: Sicher könnte man die Probezeit verlängern. Doch wer es 3 Jahre schafft, unbemerkt zu bluffen, schafft es auch 5. Und ab einem gewissen Zeitpunkt wird die Probezeit (und der damit einhergehende Unsicherheitsfaktor) eben auch für diejenigen zur - nicht mehr tragbaren - Belastung, die ihr bestes geben und den Job gut und gerne machen.

b) Richterernennung nicht auf Lebenszeit, sondern im 5, oder 7, oder 10-Jahresturnus: Eine denkbare Variante wäre, dass man nur zeitweise zum Richter ernannt wird, freilich mit der fortwährenden Option der wiederholten Verlängerung, wenn man sich halbwegs vernünftig angestellt hat.

c) Kündigungsmöglichkeiten (ggf. nach mehrfacher Abmahnung, etc.): Auch dies wäre für den - grundsätzlich dauerhaft ernannten - Richter eine Möglichkeit, diesen im Fall der Fälle wieder aus dem Amt zu entlassen.


Nun stellen sich mir bei den Varianten b) und c) die Nackenhaare auf. Nicht weil ich Angst habe, unter denjenigen zu sein, die dann irgendwann nicht mehr dabei sind, sondern weil hier wieder Artikel 97 Abs. 2 GG winkt. Wer kann garantieren, dass von den Möglichkeiten b) und c) nicht auch aus sachfremden Erwägungen heraus Gebrauch gemacht werden würde? Und was ist - um diese Frage nur kurz aufzuwerfen, weil sie sehr komplex würde - eigentlich die durchschnittliche Qualität richterlicher Arbeit und woran kann und will man sie messen?

Wann macht ein Richter eine "gute" Arbeit?
- Wenn alle zufrieden mit der Entscheidung sind? Dann können wir das Strafrecht komplett einstampfen.
- Wenn er viele rechtskräftige Urteile spricht und möglichst wenig Berufungen/Revisionen eingelegt werden? Das kann kein Maßstab sein.
- Wenn er mindestens Akten im Monat bearbeiten kann? Das würde doch auch nur dazu führen, dass man durch schlanke und arbeitsvermeidene Vorgehensweise die Zahlen künstlich hoch hält - zu Lasten der Qualität im Einzelfall.
- Wenn er mindestens 40 Stunden in der Woche im Büro verbringt? Wäre das demjenigen gegenüber, der eine sehr zielstrebige und straffe Arbeitsweise hat und auch mal in 35 Stunden fertig wird, gerecht? Wäre es demjenigen gegenüber gerecht, der auch mal Akten mit nach Hause nimmt und dort bearbeitet?

- All diese Ansätze sind durchweg unbefriedigend. Wenn jemandem ein messbares Kriterium einfällt, ich bin sehr gespannt.


Der Beitrag wurde länger als geplant. Daher mache ich hier mal eine Pause zum einhaken und gehe dann gern auf neu aufgeworfene Aspekte ein.
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Re: Qualitätskontrolle contra richterliche Unabhängigkeit

Beitrag von Roger Fisher »

Wieso nicht diejenigen befragen, die damit bestimmungsgemäß in Berührung kommen, sprich: die Anwälte.

Ich werde nicht müde zu betonen, dass in meinen Augen die Qualität in der Schiedsgerichtsbarkeit deswegen so hoch ist, weil der Markt die Faulen und Schlechten aussortiert. Entgegen der doch sehr realitätsfremden Ansicht einiger "kauft" man kein Urteil, im Gegenteil kann man auch unterliegen und trotzdem das Gefühl haben, 1) das Verfahren wurde gut geführt und 2) das Urteil ist, trotz allem, gut begründet.

Nichts anderes gilt doch in der staatlichen Gerichtsbarkeit: Man kann mit einem grottenschlechten Urteil gewinnen, man kann mit einem sehr guten Urteil verlieren. Der Anwalt wird das in einer entsprechenden Befragung auch angeben. Wenn Richter X das Verfahren sehr gut geführt hat und die Begründung seines Urteils wirklich gut ist, wird man Richter X gut bewerten - auch, wenn man selbst im konkreten Fall die unterliegende Partei beraten hat.

Von daher: Anonyme Befragung der Anwaltschaft. Wenn über 3 Jahre hinweg Richter Y von Anwälten verschiedenster Couleur immer die Schulnote 5 bekommt, ist vielleicht was dran. Und umgekehrt wenn verschiedenste Anwälte aus In- und Umland Richter Z top bewerten, wieso soll das nicht mehr wert sein als eine intransparente dienstliche Bewertung? Denn Z liefert das, wofür er bezahlt wird.
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Re: Qualitätskontrolle contra richterliche Unabhängigkeit

Beitrag von Amtsgerichtsrat »

Funktioniert überall dort, wo Anwaltszwang herrscht, sehr gut. Z.B. für einen Jugendrichter am Amtsgericht ist das indes schwierig, der hat 80% seiner Verfahren ohne Verteidiger zu bestreiten. Im Betreuungsrecht ist es ähnlich, da verirrt sich auch nur alle Jubeljahre mal ein Anwalt in´s Verfahren.

Ich finde die Idee der Evaluation grds. gut - man hätte aber evtl. das Problem, dass (einzelne, wenige!) Anwälte nach dem Motto "dann werde ich dafür sorgen, dass alle meine Kollegen Sie schlecht bewerten, Herr Vorsitzender" Druck ausüben. (Ob man den als Richter dann ernst nimmt, hängt vom drohenden Anwalt im Einzelfall ab *g* Mir würde das nichts ausmachen - aber einen anfangs noch unsicheren Proberichter könnte man damit sicher einschüchtern :(

Nachtrag: Diese Evaluationen müsste jemand auswerten und daran anknüpfend dann Entscheidungen treffen. Das verursacht Kosten. Der Staat scheut Kosten. Ist leider ein offenes Geheimnis :(
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Re: Qualitätskontrolle contra richterliche Unabhängigkeit

Beitrag von julée »

Das setzt aber natürlich auch voraus, dass der einzelne Anwalt in der Lage ist zu verstehen, warum er den Prozess gewonnen oder verloren hat. Wer immer noch an das alte Schuldrecht glaubt, dem dürfte auch mit einem mustergültigen Urteil nicht klar zu machen sein, dass er nach neuem Schuldrecht vollkommen zu Recht verloren hat. Das mag sich ausgleichen, aber wenn ein solcher Anwalt gerade ein fleißiger Beurteiler ist, dürfte sich das im Ergebnis schon niederschlagen.
Man kann natürlich sagen, dann hat der Richter es nicht geschafft, das Ergebnis richtig zu vermitteln, aber erforderlich ist wohl auch die Bereitschaft des Anwalts, zuzuhören und eventuellerweise noch was dazu zu lernen.

Um eine Parallele zu ziehen: Protokolle von mündlichen Prüfungen sind oft auch von unterschiedlicher Qualität. Wer grds. verstanden hat, worum es geht, schreibt ein anderes Protokoll als jemand, der weder während der Prüfung noch danach den Ausgangsfall verstanden hat.
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Re: Qualitätskontrolle contra richterliche Unabhängigkeit

Beitrag von Roger Fisher »

julée hat geschrieben:Das setzt aber natürlich auch voraus, dass der einzelne Anwalt in der Lage ist zu verstehen, warum er den Prozess gewonnen oder verloren hat.
Es gibt auch genug Richter (insbes. in Senaten), die noch altes SchuldR anwenden. Wegen solcher Ausreißer hier wie da sollte man sich nicht vom Kurs abbringen lassen.
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Re: Qualitätskontrolle contra richterliche Unabhängigkeit

Beitrag von julée »

Roger Fisher hat geschrieben:
julée hat geschrieben:Das setzt aber natürlich auch voraus, dass der einzelne Anwalt in der Lage ist zu verstehen, warum er den Prozess gewonnen oder verloren hat.
Es gibt auch genug Richter (insbes. in Senaten), die noch altes SchuldR anwenden. Wegen solcher Ausreißer hier wie da sollte man sich nicht vom Kurs abbringen lassen.
Blöd nur, wenn im ländlichen Bereich 10 Anwälte des alten Schlages auf einen jungen Richter treffen.
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Re: Qualitätskontrolle contra richterliche Unabhängigkeit

Beitrag von Amtsgerichtsrat »

@julée: Da möchte ich aber auch den Anwälten zur Ehrenrettung zu Hilfe springen.

Denn diese vollkommen fortbildungsresistenten ewig-planlos-und-meistens-Brüllfrosch-Kollegen stellen auch eben nur 1% der Anwaltschaft. Das muss man fairerweise dazu sagen.

Hat allerdings nicht verhindert, dass ich im Jahr 2011(!) am LG eine Klage auf "Wandelung" auf den Tisch bekommen habe ... *seufz* Aber man muss diesem Anwalt zugestehen, er war "Zugelassen an allen Oberlandesgerichten und beim Bundesgerichtshof in Strafsachen" - stand jedenfalls so auf seinem Briefkopf :lmao:
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Re: Qualitätskontrolle contra richterliche Unabhängigkeit

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Bei entsprechenden Evaluationsbemühungen - sofern man sie gutheißt, ich halte davon angesichts des im Normalfall eröffneten Rechtsweges und der Strukturierung der richterlichen Aufgabe, die sich eben gerade anhand von Einzelfallergebnissen messen lassen muss - müsste man natürlich das Sample beziehungsweise die Prämissen des Samples entsprechend konditionieren und insbesondere solche Effekte ausbalancieren, die sachfremde Erwägungen oder anfänglich-statistische Fehler mit zu großem Gewicht in eine solche Untersuchung einfließen lassen. Ich würde so eine Untersuchung durchaus für spannend erachten, selbiger aber nicht im Ansatz nutzen als Ersatz für dienstliche Beurteilungen. Das Entsetzen wäre wohl auch groß, würde man das Modell herumdrehen: Richterinnen und Richter bewerten die Anwaltschaft und diese Bewertungen regulieren die anwaltliche Vergütung.
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
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Re: Qualitätskontrolle contra richterliche Unabhängigkeit

Beitrag von Roger Fisher »

Man kann das Modell ja einseitig fahren. Keine "Bestrafung" bei schlechten Bewertungen (aber ggf. genauere dienstlichere Beurteilungen), aber erleichterter Fortsprung bei dauerhaft guten BEwertungen.

Ich meine, in Süddeutschland gab es das vor einiger Zeit versuchsweise (Freiburg?). Tja, das GEdächtnis. :D
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Re: Qualitätskontrolle contra richterliche Unabhängigkeit

Beitrag von julée »

Amtsgerichtsrat hat geschrieben:@julée: Da möchte ich aber auch den Anwälten zur Ehrenrettung zu Hilfe springen.

Denn diese vollkommen fortbildungsresistenten ewig-planlos-und-meistens-Brüllfrosch-Kollegen stellen auch eben nur 1% der Anwaltschaft. Das muss man fairerweise dazu sagen.
Das stimmt natürlich.

Allerdings ist es ein Aspekt, den man m. E., wenn man die Anwälte flächendeckend zur Evaluation bitten möchte, nicht völlig außer Acht lassen sollte. Insbesondere wenn sich dann möglicherweise zwischen den einzelnen Dezernaten Unterschiede hinsichtlich der fachlichen Qualifikation der Anwälte ergeben. Wer es überwiegend mit engagierten Fachanwälten zu tun hat, dürfte andere, aussagekräftigere Bewertungen erhalten als jemand, in dessen Gerichtssaal sich nur selten ein Fachanwalt verirrt und dafür häufiger der gerichtsbekannte Anwalt X, der seit dem Studium kein Fachbuch mehr aufgeschlagen hat.
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Re: Qualitätskontrolle contra richterliche Unabhängigkeit

Beitrag von Roger Fisher »

Man kann das Ganze zB koppeln mit der elektronischen Signatur, die ja (verbindlich) kommen soll. FA-Titel sind mW dort auch gespeichert. Wenn ein FA für MietR die Behandlung eines MietR-Falls bewertet, kann das anders gewichtet werden als wenn das ein FA für StrafR macht.
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Re: Qualitätskontrolle contra richterliche Unabhängigkeit

Beitrag von Amtsgerichtsrat »

Roger Fisher hat geschrieben:Man kann das Ganze zB koppeln mit der elektronischen Signatur, die ja (verbindlich) kommen soll. FA-Titel sind mW dort auch gespeichert. Wenn ein FA für MietR die Behandlung eines MietR-Falls bewertet, kann das anders gewichtet werden als wenn das ein FA für StrafR macht.
Ab diesem Punkt wäre es aber nicht mehr - ganz - anonym und Anwälte würden sicherlich Repressalien von denjenigen Richtern fürchten, die sie schlecht bewerten. Das verzerrt dann das System auch wieder. Nehmen wir an, einer der Richter ist a) faul, b) schlecht und c) cholerisch. Den will man als Anwalt (vor allem auf dem flachen Land, wo man weiß, dass man noch häufiger zu diesem Richter muss) sicherlich nicht vergrätzen und bewertet ihn dann womöglich sogar noch positiv! Das wäre natürlich extremst kontraproduktiv.
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Re: Qualitätskontrolle contra richterliche Unabhängigkeit

Beitrag von Tikka »

Amtsgerichtsrat hat geschrieben:@julée: Da möchte ich aber auch den Anwälten zur Ehrenrettung zu Hilfe springen.

Denn diese vollkommen fortbildungsresistenten ewig-planlos-und-meistens-Brüllfrosch-Kollegen stellen auch eben nur 1% der Anwaltschaft. Das muss man fairerweise dazu sagen.

Hat allerdings nicht verhindert, dass ich im Jahr 2011(!) am LG eine Klage auf "Wandelung" auf den Tisch bekommen habe ... *seufz* Aber man muss diesem Anwalt zugestehen, er war "Zugelassen an allen Oberlandesgerichten und beim Bundesgerichtshof in Strafsachen" - stand jedenfalls so auf seinem Briefkopf :lmao:
Die Ehrenrettung in Ehren, ich würde die Blindgängerquote persönlich deutlich höher ansetzen wollen. Aber sei es drum.

Ich befürchte ernsthafte Bewertungen im öffentlichen Dienst sind kaum durchsetzbar. Davon ab, selbst wenn man ein solches System mit Bewertung durch externe (Prozeßbevollmächtigte) einführen würde, worauf würde sich dies exakt auswirken? Karrierechancen? Damit kriegt man nur die noch motivierten Richter. Den Typus "Ich bin R1,..." interessiert doch nicht ob er regelmäßig eine schlechte Bewertung bekommt.
Den Typus bekommt man nur wenn akute Sanktionen drohen. Gekürztes Gehalt oder sogar eie Entfernung aus dem Richterdienst. Und genau das dürfte -unabhängig vom genauen Modus- praktisch unmöglich sein. Es müssten jedenfalls bestehende Gesetze geändert werden und eine Motivation das zu tun kann ich derzeit bei keinem politischen Lager erkennen.
Keine Experimente! Wählt Adenauer.
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Re: Qualitätskontrolle contra richterliche Unabhängigkeit

Beitrag von julée »

Amtsgerichtsrat hat geschrieben:
Ab diesem Punkt wäre es aber nicht mehr - ganz - anonym und Anwälte würden sicherlich Repressalien von denjenigen Richtern fürchten, die sie schlecht bewerten. Das verzerrt dann das System auch wieder. Nehmen wir an, einer der Richter ist a) faul, b) schlecht und c) cholerisch. Den will man als Anwalt (vor allem auf dem flachen Land, wo man weiß, dass man noch häufiger zu diesem Richter muss) sicherlich nicht vergrätzen und bewertet ihn dann womöglich sogar noch positiv! Das wäre natürlich extremst kontraproduktiv.
man könnte diese Information natürlich anonymisieren und nur als Gewichtungsfaktor einfließen lassen, ohne dass dies dem einzelnen Richter im Einzelnen bekannt wird.
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Re: Qualitätskontrolle contra richterliche Unabhängigkeit

Beitrag von Roger Fisher »

Amtsgerichtsrat hat geschrieben:
Roger Fisher hat geschrieben:Man kann das Ganze zB koppeln mit der elektronischen Signatur, die ja (verbindlich) kommen soll. FA-Titel sind mW dort auch gespeichert. Wenn ein FA für MietR die Behandlung eines MietR-Falls bewertet, kann das anders gewichtet werden als wenn das ein FA für StrafR macht.
Ab diesem Punkt wäre es aber nicht mehr - ganz - anonym und Anwälte würden sicherlich Repressalien von denjenigen Richtern fürchten, die sie schlecht bewerten. Das verzerrt dann das System auch wieder. Nehmen wir an, einer der Richter ist a) faul, b) schlecht und c) cholerisch. Den will man als Anwalt (vor allem auf dem flachen Land, wo man weiß, dass man noch häufiger zu diesem Richter muss) sicherlich nicht vergrätzen und bewertet ihn dann womöglich sogar noch positiv! Das wäre natürlich extremst kontraproduktiv.
True. Good point.
Als sich der Ochs im Paradies langweilte, erfand er die Jurisprudenz - Hans Litten
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