Qualitätskontrolle contra richterliche Unabhängigkeit

Für alle Fragen, die sich speziell für Richter, Staatsanwälte oder Verwaltungsbeamte ergeben, z.B. Bewerbung, Arbeitszeit, Laufbahnentwicklung, Wechsel des Bundeslandes oder der Gerichtsbarkeit usw.

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j_laurentius
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Re: Qualitätskontrolle contra richterliche Unabhängigkeit

Beitrag von j_laurentius »

Amtsgerichtsrat hat geschrieben:Das Erstgericht ist ja nur mittelbar der Adressat der Verzögerungsrüge.

Primärer Zweck der Rüge ist doch, sich die Klagemöglichkeit zu eröffnen...

Traurig sind diese überlangen Verfahrensdauern aber zweifellos :(
Natürlich dient die Verzögerungsrüge der Geltendmachung von Schadenersatz-/Entschädigungsansprüchen, aber findet so eine Verzögerungsrüge nicht faktisch durchaus irgendeinen Widerhall beim Ausgangsgericht, nach dem Motto "wir müssen mal prüfen, was hier bei uns falsch läuft"?
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Amtsgerichtsrat
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Re: Qualitätskontrolle contra richterliche Unabhängigkeit

Beitrag von Amtsgerichtsrat »

Das ist idealerweise natürlich so, ja. Aber meist hat es ja einen Grund, dass ein Verfahren lang dauert.

Entweder es ist ein Grund, der auch da Gericht nervt (lahmer Sachverständiger, etc.), dann wird es ohnehin selbst etwas tun.

Oder man hat es (im traurigen Einzelfall) mit einem Gericht zu tun, dass den Fall nicht vorantreiben will - dann hilft auch die Verzögerungsrüge wenig ;)

Verzögerungsrügen kann man - wenn man sich Hoffnung auf Wirkung im Erstgericht macht - natürlich über den Gerichtspräsidenten einreichen. Ob und inweiweit der das zum Anlass nimmt, den Sachbearbeiter anzustubsen, bleibt abzuwarten. Gefallen wird es dem betroffenen allerdings ganz und gar nicht.
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famulus
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Re: Qualitätskontrolle contra richterliche Unabhängigkeit

Beitrag von famulus »

Roger Fisher hat geschrieben:Ich mache da nix ausser alle 6 Monate wegverfuegen. einmal eine unbeantwortete Nachfrage 2013. Seitdem angenehm ruhig.
Und die Zinsen?
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Re: Qualitätskontrolle contra richterliche Unabhängigkeit

Beitrag von Roger Fisher »

Dem Mdt. egal. Still soll der See ruhen
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j_laurentius
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Re: Qualitätskontrolle contra richterliche Unabhängigkeit

Beitrag von j_laurentius »

Amtsgerichtsrat hat geschrieben:Das ist idealerweise natürlich so, ja. Aber meist hat es ja einen Grund, dass ein Verfahren lang dauert.

Entweder es ist ein Grund, der auch da Gericht nervt (lahmer Sachverständiger, etc.), dann wird es ohnehin selbst etwas tun.

Oder man hat es (im traurigen Einzelfall) mit einem Gericht zu tun, dass den Fall nicht vorantreiben will - dann hilft auch die Verzögerungsrüge wenig ;)

Verzögerungsrügen kann man - wenn man sich Hoffnung auf Wirkung im Erstgericht macht - natürlich über den Gerichtspräsidenten einreichen. Ob und inweiweit der das zum Anlass nimmt, den Sachbearbeiter anzustubsen, bleibt abzuwarten. Gefallen wird es dem betroffenen allerdings ganz und gar nicht.
Also, wenn bei mir in der Kanzlei eine Beschwerde eines Mandanten eintrudelt - und nichts anderes ist die Verzögerungsrüge faktisch doch auch - , nehme ich diese ernst und überlege bzw. bespreche mit Kollegen und Angestellten, was geändert werden kann/muß (Querulanten mal ausgenommen). Das verstehe ich unter Qualitätskontrolle. Wenn unter Richtern, die mit einer Verzögerungsrüge konfrontiert sind, die Haltung "ist mir doch wurscht" herrscht und man auch noch beleidigt ist, wenn der Gerichtspräsident persönlich mit der Sache konfrontiert wird, und das den betreffenden Anwalt und damit letztlich dessen Partei auch spüren läßt, ohne daß das Gericht hiergegen wiederum Maßnahmen ergreift, weiß ich nicht, warum hier überhaupt über "Qualitätskontrolle" diskutiert wird. Die Gerichte selbst müssen da auch mitmachen wollen.
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Amtsgerichtsrat
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Re: Qualitätskontrolle contra richterliche Unabhängigkeit

Beitrag von Amtsgerichtsrat »

Aus meiner Sicher gibt es ausser den zwei von mir oben geschilderten Möglichkeiten fast keinen denkbaren Fall, in dem das Verfahren überlang wird. Entweder es wird bei Gericht (vorsätzlich oder fahrlässig) verbusselt (und das kann dann fast nur den Grund haben, dass da jemand keinen Bock hat) oder die Verzögerung hat ihren Grund nicht in der Sphäre des Gerichts.

Jeder "ganz normale" Kollege produziert nicht selbstverschuldet überlange Verfahren, bzw. würde so jemand auf eine (begründete und nicht bloß querulatorische) Verzögerungsrüge hin sofort alle Hebel in Bewegung setzen und dann hat die Rüge ja ihren Zweck erfüllt.

Allein schon im eigenen Interesse und zur Vermeidung entsprechender Rügen macht man idealerweise einen (digitalen) Aktensturz alle 2-3 Monate, um zu sehen, ob man irgendwo etwas aus den Augen verloren hat. So mache ich es jedenfalls.

Wir können uns gern noch den Spaß gönnen, die Diskussion darüber zu beginnen, wann ein Verfahren überlang und rügebedürftig wird. Das wird sich abseits des Einzelfalles kaum sagen lassen.

Sind drei Wochen lang, sechs Monate, drei Jahre? Kommt doch ganz auf´s Verfahren an. Drei Wochen für die Bearbeitung einer dringenden eV sind sicherlich zu lang, sechs Monate für eine Verkehrs-Owi sicher auch, drei Jahre können für einen großen Bauprozess sehr schnell sein ...
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batman
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Re: Qualitätskontrolle contra richterliche Unabhängigkeit

Beitrag von batman »

Es gibt durchaus Gründe in der Sphäre des Gerichts, ohne dass jemand "keinen Bock" hat.
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Amtsgerichtsrat
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Re: Qualitätskontrolle contra richterliche Unabhängigkeit

Beitrag von Amtsgerichtsrat »

batman hat geschrieben:Es gibt durchaus Gründe in der Sphäre des Gerichts, ohne dass jemand "keinen Bock" hat.
Die werden dann aber in aller Regel unverschuldet sein. Mir fielen personelle Umstrukturierungen, Krankheitsvertretung, Nachbesetzungssperren und ähnliches ein - aber in all diesen Fällen würde auf eine Verzögerungsrüge hin der Fall eben entsprechend vorgezogen werden.

Was jetzt nicht heissen soll, dass jetzt alle mit Rügen um sich werfen. Bitte :)
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Re: Qualitätskontrolle contra richterliche Unabhängigkeit

Beitrag von Kritikus »

Liebe Gemeinde,

das ist ein weites Feld....

...und es ist schon jede Menge dazu geschrieben worden. Abgesehen davon, dass es aufgrund der richterlichen Unabhängigkeit nur eine unverbindliche Qualitätsdiskussion in richterlicher Eigenregie geben kann und Aktivitäten der Justizverwaltung sich eher verbieten, fängt das Problem doch schon bei der Definition der Qualität richterlicher Arbeit und den Möglichkeiten ihrer Messung an. Wer definiert die Messlatte? Die Exekutive in Gestalt des Justizministers? Bei Verwaltungsrichter/innen womöglich nach Rücksprache mit dem Innenminister? Wohl kaum, das wäre der offene Abschied von der ohnehin schon löchrigen Gewaltenteilung. Die Pflichten der Richterinnen und Richter ergeben sich aus dem Gesetz, siehe schlicht Art. 97 GG: "Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen". So unvollkommen das sein mag, es hat seinen sehr tiefen Sinn.

Ein Workshop in Nordrhein-Westfalen hat übrigens schon vor vielen Jahren ergeben, dass die Vorstellungen zur Qualitätsfrage auch in der Richterschaft enorm unterschiedlich sind:

http://betrifftjustiz.de/wp-content/uploads//texte/frame.php?ID=BJ (Verwaister Link automatisch entfernt) 87_Addicks.pdf

Freundliche Grüße!
Kritikus
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