Tagungen
Moderator: Verwaltung
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Tagungen
Hallo!
Die Liste möglicher Tagungen ist lang - es gibt sowohl landeseigene, die hierzulande oft ein- oder zweitägig ausgestaltet sind, als auch diejenigen der Deutschen Richterakademie, die regelmäßig länger sind. Dann gibt es "Pflicht"-Tagungen, deren Besuch durch Proberichter ohnehin erwartet wird; Tagungen, die dezernatsspezifisch einen erheblichen Nutzen versprechen, etwa zum Verkehrsunfall- oder Schadensrecht; und Tagungen mit Titeln wie "Der MENSCH in der Robe" oder Richterethik, deren Beschreibungen manchmal eher auf esoterische und spirituelle Treffen hindeuten und deren jedenfalls berufspraktischer Nutzen sich nicht unmittelbar erschließt.
Meine Fragen: Wie haltet ihr es mit dem Tagungsbesuch? Haben die durch euch besuchten Tagungen einen Nutzen gebracht mit Blick auf eure Arbeit? Reicht z.B. ein Buch zur Aussagepsychologie oder ist es tatsächlich sinnvoll, sich mal einige Tage "live" mit der Glaubhaftigkeits- und -würdigkeitsprüfung zu befassen, auch in Rollenspielen? Und: Wie wirkt sich der überobligatorische Besuch von Tagungen auf die Beurteilungen aus? Ich vermute, die Beurteilenden sind tendenziell sehr ambitionierte Tagungsgänger, sehen das also gern.
Viele Grüße
Tobi
Die Liste möglicher Tagungen ist lang - es gibt sowohl landeseigene, die hierzulande oft ein- oder zweitägig ausgestaltet sind, als auch diejenigen der Deutschen Richterakademie, die regelmäßig länger sind. Dann gibt es "Pflicht"-Tagungen, deren Besuch durch Proberichter ohnehin erwartet wird; Tagungen, die dezernatsspezifisch einen erheblichen Nutzen versprechen, etwa zum Verkehrsunfall- oder Schadensrecht; und Tagungen mit Titeln wie "Der MENSCH in der Robe" oder Richterethik, deren Beschreibungen manchmal eher auf esoterische und spirituelle Treffen hindeuten und deren jedenfalls berufspraktischer Nutzen sich nicht unmittelbar erschließt.
Meine Fragen: Wie haltet ihr es mit dem Tagungsbesuch? Haben die durch euch besuchten Tagungen einen Nutzen gebracht mit Blick auf eure Arbeit? Reicht z.B. ein Buch zur Aussagepsychologie oder ist es tatsächlich sinnvoll, sich mal einige Tage "live" mit der Glaubhaftigkeits- und -würdigkeitsprüfung zu befassen, auch in Rollenspielen? Und: Wie wirkt sich der überobligatorische Besuch von Tagungen auf die Beurteilungen aus? Ich vermute, die Beurteilenden sind tendenziell sehr ambitionierte Tagungsgänger, sehen das also gern.
Viele Grüße
Tobi
"die Bezeichnung Penner hat nicht...stets beleidigenden...Charakter. So werden etwa im Einzelhandel umgangssprachlich schlecht verkäufliche Artikel...im Gegensatz zum Renner auch als Penner bezeichnet (wikipedia.de)" (BayVGH NZA-RR 2012, 302)
- Zippocat
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Re: Tagungen
Tagungen = Fortbildungen?
Ich denke, fachbezogene Fortbildungen helfen in der täglichen Arbeit und machen sich natürlich in der Personalakte gut, wenn es um Auswahlentscheidungen geht.
Die aussagepsychologischen FoBi sind zB gut, aber vermitteln auch keine Zauberrezepte. Ein Buch mag auch da ausreichen. Am sinnvollsten sind m. E. Fach-FoBi in für die eigene Arbeit wichtigen Bereichen, die kompliziert sind und/oder zu denen man nur wenige Kollegen befragen kann - Steuerrecht ist so ein Klassiker.
Bei Labertagungen wäre ich ganz vorsichtig. Erstens reagieren Kollegen/Vorsitzende ggf. verschnupft, wenn Vertretungsmehrarbeit anfällt, weil man "Mensch in der Robe" mitmachen will, zweitens halte ich den Nutzen für überschaubar (ohne eigene Erfahrungen mit dieser Veranstaltung zu haben).
Ich denke, fachbezogene Fortbildungen helfen in der täglichen Arbeit und machen sich natürlich in der Personalakte gut, wenn es um Auswahlentscheidungen geht.
Die aussagepsychologischen FoBi sind zB gut, aber vermitteln auch keine Zauberrezepte. Ein Buch mag auch da ausreichen. Am sinnvollsten sind m. E. Fach-FoBi in für die eigene Arbeit wichtigen Bereichen, die kompliziert sind und/oder zu denen man nur wenige Kollegen befragen kann - Steuerrecht ist so ein Klassiker.
Bei Labertagungen wäre ich ganz vorsichtig. Erstens reagieren Kollegen/Vorsitzende ggf. verschnupft, wenn Vertretungsmehrarbeit anfällt, weil man "Mensch in der Robe" mitmachen will, zweitens halte ich den Nutzen für überschaubar (ohne eigene Erfahrungen mit dieser Veranstaltung zu haben).
"If we should deal out justice only, in this world, who would escape?"
- Tibor
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Re: Tagungen
Hier ist gerade folgendes Angebot eingetrudelt: »E-Mail- und Terminsverwaltung in der gerichtlichen Praxis mit MS Outlook (Version 2010)«
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
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Re: AW: Tagungen
Bei manchem sicher bitter nötig. Ich würde aber vorsichtshalber noch eine Stufe tiefer anfangenTibor hat geschrieben:Hier ist gerade folgendes Angebot eingetrudelt: »E-Mail- und Terminsverwaltung in der gerichtlichen Praxis mit MS Outlook (Version 2010)«
"Auch eine stehengebliebene Uhr kann noch zweimal am Tag die richtige Zeit anzeigen; es kommt nur darauf an, daß man im richtigen Augenblick hinschaut." (Alfred Polgar)
- batman
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Re: Tagungen
Noch tiefer? Meinst Du "Steuerrecht für Anfänger"?
- TaxMan
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Re: Tagungen
Steuerrecht für an Anfänger? Sowas gibt es?!
Wer bei Vermietungs- und Gewinneinkünften keinen Steuerberater aufsucht, handelt i.d.R. grob fahrlässig.
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- Fossil
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Re: AW: Tagungen
Ich dachte eher an die Behandlung grundlegender Fragen wie "Emails schreiben ohne Hilfe der Ehefrau" oder "habe ich die Email-Adresse einer Person, die mir schon mal eine Mail geschickt hat oder muss sie mir die nochmal schicken?"
"Auch eine stehengebliebene Uhr kann noch zweimal am Tag die richtige Zeit anzeigen; es kommt nur darauf an, daß man im richtigen Augenblick hinschaut." (Alfred Polgar)
- batman
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Re: Tagungen
Zurück zum Thema:
Ich sehe es ähnlich wie Zippocat. Für den Berufsanfänger empfiehlt sich neben den (meist obligatorischen) Einführungstagungenen maximal 1 Tagung pro Jahr - und zwar eine Fachtagung mit Bezug zur aktuellen Tätigkeit. Die übliche Teilnahmebescheinigung reicht man dann in Kopie an seinen Präsidenten zur Kenntnis und Beinahme zur Personalakte. Tagungen zu übergreifenden Themen sollte man erst ins Auge fassen, wenn man etabliert ist. In Trier und Wustrau ist neben dem (erhofften) fachlichen Erkenntnisgewinn der Austausch mit Kollegen aus anderen Bundesländern ganz nett.
Veranstaltungen zur Vernehmungslehre werden häufig auch über die örtlichen Anwaltsvereine angeboten, da kann man sich als Richter oder StA kostenlos oder sehr preiswert einklinken. Zwingend sind solche Tagungen nicht, weil man hier mit den wesentlichen theoretischen Grundlagen und "learning by doing" ganz gut zurechtkommt.
Ich sehe es ähnlich wie Zippocat. Für den Berufsanfänger empfiehlt sich neben den (meist obligatorischen) Einführungstagungenen maximal 1 Tagung pro Jahr - und zwar eine Fachtagung mit Bezug zur aktuellen Tätigkeit. Die übliche Teilnahmebescheinigung reicht man dann in Kopie an seinen Präsidenten zur Kenntnis und Beinahme zur Personalakte. Tagungen zu übergreifenden Themen sollte man erst ins Auge fassen, wenn man etabliert ist. In Trier und Wustrau ist neben dem (erhofften) fachlichen Erkenntnisgewinn der Austausch mit Kollegen aus anderen Bundesländern ganz nett.
Veranstaltungen zur Vernehmungslehre werden häufig auch über die örtlichen Anwaltsvereine angeboten, da kann man sich als Richter oder StA kostenlos oder sehr preiswert einklinken. Zwingend sind solche Tagungen nicht, weil man hier mit den wesentlichen theoretischen Grundlagen und "learning by doing" ganz gut zurechtkommt.
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Re: Tagungen
Ok, vielen Dank!
Mir wäre ein Grundbestand an aussagepsychologischem Rüstzeug schon wichtig. Die meisten Werke sind hier sehr oberflächlich. Habe mir einstweilen Bender/Nack/Treuer bestellt, der allerdings sehr dick zu sein scheint. Ob es auch der Treuer/Schönberg/Treuer tut? Sonstige Empfehlungen?
Edit: Wobei, einer Kundenrezension folgend trifft der Bender/Nack/Treuer eigentlich genau meine Erwartungen:
Mir wäre ein Grundbestand an aussagepsychologischem Rüstzeug schon wichtig. Die meisten Werke sind hier sehr oberflächlich. Habe mir einstweilen Bender/Nack/Treuer bestellt, der allerdings sehr dick zu sein scheint. Ob es auch der Treuer/Schönberg/Treuer tut? Sonstige Empfehlungen?
Edit: Wobei, einer Kundenrezension folgend trifft der Bender/Nack/Treuer eigentlich genau meine Erwartungen:
http://www.beck-shop.de/Bender-Nack-Tre ... t=13025110Rechtsanwältin Carmen Müller, Netphen vom 07.10.2014, zur 4. Auflage hat geschrieben:Der Leser wird vermutlich bereits nach kurzer Zeit feststellen, dass er deutlich sensibler mit Zeugenaussagen umgeht. Er wird häufiger Beeinflussungsversuche merken und sie zu unterbinden versuchen. Er wird mehr auf die Wortwahl, den Verlauf einer Befragung und die nonverbalen Bekundungen von Zeugen achten.
"die Bezeichnung Penner hat nicht...stets beleidigenden...Charakter. So werden etwa im Einzelhandel umgangssprachlich schlecht verkäufliche Artikel...im Gegensatz zum Renner auch als Penner bezeichnet (wikipedia.de)" (BayVGH NZA-RR 2012, 302)
- batman
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Re: Tagungen
Als junger Proberichter habe ich mal eine Veranstaltung des DAV besucht, ich meine die Teilnahme war für Richter kostenlos oder äußerst günstig. Etwa sowas:
https://www.anwaltakademie.de/product/19612 (Verwaister Link automatisch entfernt)
Der Dozent ist auch Autor eines Fachbuchs zum Thema:
http://www.beck-shop.de/Wendler-Hoffman ... t=12559019
Dass man wirklich ein solches Buch braucht, glaube ich nicht. Treuer/Schönberg/Treuer sind jedenfalls deutlich kompakter und leichter verdaulich.
https://www.anwaltakademie.de/product/19612 (Verwaister Link automatisch entfernt)
Der Dozent ist auch Autor eines Fachbuchs zum Thema:
http://www.beck-shop.de/Wendler-Hoffman ... t=12559019
Dass man wirklich ein solches Buch braucht, glaube ich nicht. Treuer/Schönberg/Treuer sind jedenfalls deutlich kompakter und leichter verdaulich.
Re: Tagungen
Also ich gehe sehr gerne auf Tagungen. Die Tagung zur Vernehmungslehre hat mir auch viel gebracht. Viel mehr, als mir ein Buch gebracht hätte. Man braucht einfach in gewissem Umfang die Aha-Erlebnisse. Solche kann die reine Theorie meiner Meinung nach nicht vermitteln.
Ich habe von der Vernehmungslehre-Tagung vor allem eines mitgenommen: Man kann sich extrem täuschen. Wir hatten einen Fall, in dem vier Probanden dieselbe Geschichte schildern sollten. Nur einer hatte sie tatsächlich erlebt. Die meisten von uns (alles Richter und Staatsanwälte) haben falsch gelegen!
Dann haben wir mehrfach Videos angesehen. Wir sollten die Handlung schildern und die Personen beschreiben. Es gab gravierende Abweichungen unter den Beschreibungen. Und das obwohl wir uns konzentriert hatten und uns klar war, was gleich von uns erwartet wird.
Mein Fazit: Ob eine Person ein Geschehen so wiedergibt, wie es sich tatsächlich zugetragen hat, kann man fast nicht feststellen. Seither treffe ich deutlich mehr Beweislastentscheidungen. Das hätte ich durch ein Buch so nicht glauben wollen.
Ich habe von der Vernehmungslehre-Tagung vor allem eines mitgenommen: Man kann sich extrem täuschen. Wir hatten einen Fall, in dem vier Probanden dieselbe Geschichte schildern sollten. Nur einer hatte sie tatsächlich erlebt. Die meisten von uns (alles Richter und Staatsanwälte) haben falsch gelegen!
Dann haben wir mehrfach Videos angesehen. Wir sollten die Handlung schildern und die Personen beschreiben. Es gab gravierende Abweichungen unter den Beschreibungen. Und das obwohl wir uns konzentriert hatten und uns klar war, was gleich von uns erwartet wird.
Mein Fazit: Ob eine Person ein Geschehen so wiedergibt, wie es sich tatsächlich zugetragen hat, kann man fast nicht feststellen. Seither treffe ich deutlich mehr Beweislastentscheidungen. Das hätte ich durch ein Buch so nicht glauben wollen.