Nach Elternzeit zurück in den Richterjob

Für alle Fragen, die sich speziell für Richter, Staatsanwälte oder Verwaltungsbeamte ergeben, z.B. Bewerbung, Arbeitszeit, Laufbahnentwicklung, Wechsel des Bundeslandes oder der Gerichtsbarkeit usw.

Moderator: Verwaltung

julée
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Re: Nach Elternzeit zurück in den Richterjob

Beitrag von julée »

sai hat geschrieben:Die Fragestellerin hat doch deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie sich insbesondere davor fürchtet, inhaltlich nicht mehr mitzukommen.
Die Frage ist nur, ob diese Furcht tatsächlich berechtigt ist. Dinge, die man ggf. zweimal fürs Examen gelernt hat, vergisst man nicht so leicht. Und egal, ob der Gegenbegriff der TE zu "Tatbestand" nun "Rechtsfolge" oder "Entscheidungsgründe" war, nehme ich an, dass sie rein tatsächlich immer noch wusste, was es inhaltlich ist. Und ich habe z. B. zwischen 1. Examen und Ref auch relativ wenig Gedanken an einige Teilgebiete verschwendet: und war es weg? Nein. Spätestens bei der nochmaligen Beschäftigung damit kam es wieder. Warum sollte es bei der TE anders sein, wenn sie sich jetzt mal hinsetzt, irgendein Einführungsbuch durchblättert und die NJW "nacharbeitet"? Dann sollte sie schnell wieder auf einem guten Niveau sein.

Wenn man mir z. B. morgen früh überraschend meine Klausur aus dem Mathe-Abi vorlegte, wäre ich mir nicht sicher, ob es zum Bestehen reichte, mit einer Woche Vorankündigung und / oder einer vernünftigen Formelsammlung sähe das schon ganz anders aus.
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Re: AW: Nach Elternzeit zurück in den Richterjob

Beitrag von Thandor79 »

julée hat geschrieben:
Wenn man mir z. B. morgen früh überraschend meine Klausur aus dem Mathe-Abi vorlegte, wäre ich mir nicht sicher, ob es zum Bestehen reichte, mit einer Woche Vorankündigung und / oder einer vernünftigen Formelsammlung sähe das schon ganz anders aus.
Das.
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Re: Nach Elternzeit zurück in den Richterjob

Beitrag von Richter Gnadenlos »

sai hat geschrieben:Ich finde es schon erstaunlich, dass es hier anscheinend ohne größere Zweifel hingenommen wird, dass Richter Entscheidungen treffen, die wenig bis keine Ahnung von dem haben, was sie gerade tun, und dass der dazu gegebene Ratschlag sein soll, dass das eben so sei und man sich darüber keine größeren Gedanken machen solle.
Hier geht es doch nicht darum, dass sie die Arbeit nicht mehr richtig machen kann, sondern darum, dass sie die Routine nicht mehr hat. Das Ergebnis wird daher nicht sein, dass sie Entscheidungen trifft ohne Ahnung zu haben, sondern, dass sie einige Dinge beim ersten Mal wenn sie zum Problem werden nachschlagen muss, obwohl sie diese Probleme früher aus dem Stehgreif beherrscht hat.

In 2 Jahren verblödet doch ein Prädikatsjurist nicht zum juristischen Laien! Das Wissen muss eben wieder aktiviert werden. Das kann im Vorfeld abstratk geschehen, oder eben später in der Arbeit fallbezogen.

Das Beispiel der TE ist ein reines Vergessen der Begrifflichkeit für einen Moment. Im nächsten fällt einem der Begriff dann auch wieder ein.
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Re: Nach Elternzeit zurück in den Richterjob

Beitrag von Syd26 »

OJ1988 hat geschrieben:Ist die völlige Infantilisierung der Sprache ("meine Maus"; "mein Zwerg" statt "mein Kind") eigentlich notwendige Folge jeder Elternschaft?
Was ist an "mein Kind" infantil? Oder anders gefragt, wie nennst Du Deinen Nachwuchs?
"Eine Verschiebung eines Termins setzt jedoch denklogisch voraus, dass vorher ein fester Termin vereinbart worden ist."
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Re: Nach Elternzeit zurück in den Richterjob

Beitrag von peppowitsch »

statt
Franzie
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Re: Nach Elternzeit zurück in den Richterjob

Beitrag von Franzie »

Ich denke nicht, dass Du fachlich Probleme bekommen wirst, klar, dir fehlt Wissen, aber Dein Judiz hast Du ja noch. Kriegst Du eine Abteilung vergleichbaren Zuschnitts? Jenachdem wie leicht Dir die Sitzungsleitung gefallen ist, macht es m.E. Sinn da nochmal diese und die „besonderen“ Prozessituationen durchzugehen. Für das materielle Recht hast Du ja beck-online und Zeit. Dann ersparst Du Dir auch die frustrierenden Momente, die ich habe mit „verdammt, das wusste ich mal.“

Ich glaube übrigens, dass das Du womöglich mehr ein Zeit- als ein Wissensproblem bekommen könntest. Steigst Du unmittelbar mit 100% wieder ein? Du wirst aus meiner Sicht wieder deutlich länger brauchen als vor Deiner Pause, um dieselbe Sache zu erledigen, ganz einfach weil Dir die Routine fehlt. Die kommt aber (zugegeben, da fehlt mir die Erfahrung) wieder.

Ich weiß nicht, wie Du/Ihr die Kinderbetreuung organisiert habt, aber jedenfalls meine Tochter (OJ1988: mein Schnuckiputzigutziwürmchenschniedelchenmäuschen) neigt an den ungünstigsten Tagen dazu krank zu werden oder aber die Erzieher gehen spontan streiken.
Dazu KiGaferien (OJ1988: Das ist der Ort, wo mein Schnuckiputzigutziwürmchenschniedelchenmäuschen andere Schnuckiputzigutziwürmchenschniedelchenmäuschen trifft). Das macht mein Ref ein kleines bißchen anstrengend (allerdings auch alleinerziehend), ich weiß nicht, wie Du das abfedern kannst. Aber da solltest Du halt nicht frustriert sein, ich gäbe alles dafür, schon einen Abschluss zu haben (und einen Job) und damit eine doch etwas gefestigtere Zukunft für meine Tochter (OJ 1988: mein Schnuckiputzigutziwürmchenschniedelchenmäuschen).
Damit hast Du halt je nach dem einen engeren Zeitkorridor und musst Deine Arbeit dann entweder nochmal mit heim nehmen oder halt irgendwie in der Betreuungszeit geschafft kriegen.

Schwierig fand ich auch die Umstellung von „Vollzeitmutter mit Haushalt“ auf „Teilzeitmutter mit Haushalt neben Job“ bzw. (jetzt in der Endphase des Referendariats) leider „Referendariat mit ein bißchen Teilzeitmutter und Haushalt“. Das solltest Du nicht unterschätzen, das finde ich nervlich extrem anstrengend, weil zumindest ich das Gefühl habe, nichts und niemandem vollständig gerecht zu werden. Da musst Du versuchen, nett zu Dir zu sein.
Ara: "Naja an TF sieht man halt, was passiert wenn man Franz Josef Wagner ein Gehirn geben würde.."
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Re: Nach Elternzeit zurück in den Richterjob

Beitrag von OJ1988 »

Zumindest den juristentypischen Sarkasmus konnte dir diese Dreifachbelastung nicht abtrainieren. Das ist doch auch schon was.
Retiro
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Re: Nach Elternzeit zurück in den Richterjob

Beitrag von Retiro »

Das fachliche Wissen kommt zurück und muss - je nach Abteilungszuschnitt - ohnehin "ergänzt" werden. Am Anfang wirst Du länger brauchen.

Viel mehr Angst würde mir die Organisation des Arbeitstages um das Kind (aka Würmchen) machen und die Sitzungstage nach Nächten, in denen Du dank des brüllenden Etwas kaum geschlafen hast. Die kannst Du ja deswegen schlecht absagen. Oder eben KiTa-Streik und Co. Hier ggf mit dem Göttergatten über Nachdienste bzw. Betreuung am Tage in schlechten Zeiten einigen.
Und ja, es wird einfacher.
Ausnahmen bestätigen die Regel
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Re: Nach Elternzeit zurück in den Richterjob

Beitrag von Timo1904 »

Die Kinderbetreuung aber bitte nicht während der Verhandlung per SMS organisieren! =;
http://www.lto.de/recht/nachrichten/n/b ... sms-handy/
Stalker
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Re: Nach Elternzeit zurück in den Richterjob

Beitrag von Stalker »

Timo1904 hat geschrieben:Die Kinderbetreuung aber bitte nicht während der Verhandlung per SMS organisieren! =;
http://www.lto.de/recht/nachrichten/n/b ... sms-handy/
Da frag ich mich allerdings, wie einem so ein Blödsinn passieren kann. Ein "Wir müssen kurz unterbrechen, ich muss klären, dass wer mein Kind aus dem Kindergarten abholt" hätte die Aufhebung mit Sicherheit vermieden.
Thandor79
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Re: AW: Nach Elternzeit zurück in den Richterjob

Beitrag von Thandor79 »

Stalker hat geschrieben:
Timo1904 hat geschrieben:Die Kinderbetreuung aber bitte nicht während der Verhandlung per SMS organisieren! =;
http://www.lto.de/recht/nachrichten/n/b ... sms-handy/
Da frag ich mich allerdings, wie einem so ein Blödsinn passieren kann. Ein "Wir müssen kurz unterbrechen, ich muss klären, dass wer mein Kind aus dem Kindergarten abholt" hätte die Aufhebung mit Sicherheit vermieden.
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