Dienstliche Beurteilung

Für alle Fragen, die sich speziell für Richter, Staatsanwälte oder Verwaltungsbeamte ergeben, z.B. Bewerbung, Arbeitszeit, Laufbahnentwicklung, Wechsel des Bundeslandes oder der Gerichtsbarkeit usw.

Moderator: Verwaltung

Anton84
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Dienstliche Beurteilung

Beitrag von Anton84 »

Hallo,

Ich bekomme demnächst meine erste Beurteilung. Da gibt es ja genauso Standardformulierungen wie bei Arbeitszeugnissen. Gibt es eine Internetseite oder ein Buch, wo ich herausfinden kann, was die jeweilige Formulierung bedeutet?
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Tibor
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Re: Dienstliche Beurteilung

Beitrag von Tibor »

Es gibt sicherlich veröffentlichte Beurteilungsrichtlinien.
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Anton84
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Re: Dienstliche Beurteilung

Beitrag von Anton84 »

Ich meinte eigentlich die Textbeiträge zu den einzelnen Beurteilungspunkten. Gibt es dafür eine "Übersetzung"?
Joshua
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Re: Dienstliche Beurteilung

Beitrag von Joshua »

Nein. Es gibt Schulungen für Bewertungen, bei denen die Vorsitzenden lernen, möglichst wirklichkeitsnahe Bewertungen zu formulieren. Es gibt m.E. keine verdeckten Codes wie bei Beurteilungen durch Arbeitgeber in Unternehmen. Kurzum: Es wird ziemlich klar gesagt, wo Stärken liegen, und wo noch Verbesserungspotential besteht. Gerade von letzterem sollte man sich nicht demotivieren lassen, da es praktisch nicht vorkommt, dass bei der 1. Bewertung kein nennenswertes Verbesserungspotential besteht. M.E. sind die Vorsitzenden Richter und Präsidenten bei den ersten Bewertungen eher zurückhaltend, was die Ausschöpfung der jeweiligen Bewertungssysteme nach oben anbetrifft.

„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“
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Levi
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Re: AW: Dienstliche Beurteilung

Beitrag von Levi »

Bei dienstlichen Beurteilungen gibt es in den Prosatexten normalerweise keine "Standardformulierungen" wie bei Arbeitszeugnissen, sondern jeder Beurteiler formuliert so, wie er es für angemessen hält. Manchmal gibt es in Gerichten/Verwaltungen Usancen, die sich dort herausgebildet haben. Die kann man aber nirgends offiziell nachlesen, sondern bekommt sie nur aus Gesprächen mitgeteilt.

Im Allgemeinen gilt, dass dienstliche Beurteilungen nicht "wohlwollend" formuliert sind, wie dies etwa für Arbeitszeugnisse gilt, sondern realistisch - und bisweilen auch hart. Ein Lob ist wirklich ein Lob und Kritik bedeutet keine Katastrophe, sondern die Chance, es beim nächsten Mal besser zu machen.
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Re: AW: Dienstliche Beurteilung

Beitrag von Thandor79 »

Levi hat geschrieben:Bei dienstlichen Beurteilungen gibt es in den Prosatexten normalerweise keine "Standardformulierungen" wie bei Arbeitszeugnissen, sondern jeder Beurteiler formuliert so, wie er es für angemessen hält. Manchmal gibt es in Gerichten/Verwaltungen Usancen, die sich dort herausgebildet haben. Die kann man aber nirgends offiziell nachlesen, sondern bekommt sie nur aus Gesprächen mitgeteilt.

Im Allgemeinen gilt, dass dienstliche Beurteilungen nicht "wohlwollend" formuliert sind, wie dies etwa für Arbeitszeugnisse gilt, sondern realistisch - und bisweilen auch hart. Ein Lob ist wirklich ein Lob und Kritik bedeutet keine Katastrophe, sondern die Chance, es beim nächsten Mal besser zu machen.
und es gibt oft Quoten.

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Zippocat
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Re: Dienstliche Beurteilung

Beitrag von Zippocat »

Jedenfalls in unserem Bewertungssystem läuft das nach folgendem Schema:

Kategorie XY +3 +2 +1 0 -1 -2 -3
Prosa

Bewertung 0 wäre also Durchschnitt, je nachdem gibt es dann negative und positive Abweichungen (Kreuze links sind also gut). Mir wurde in einem Beurteilungsgespräch relativ offen erklärt, dass nicht die Kategorien sonderlich entscheidend sind, sondern die positiven Abweichungen gezählt werden. Daraus ergibt sich dann eine Art Rangliste der Kandidaten, nach der sich zB bei Beförderungsentscheidungen ein erster Eindruck ergibt. Daraus resultiert nun ein gewisser Druck, eine uU beabsichtigte Personalentwicklung nicht dadurch zu erschweren, dass ein nicht vorgesehener Kandidat auf einmal zu gute Beurteilungen erhält.

Ich bat zB bei einem Beurteilungsgespräch um Verbesserung der Beurteilung in einer bestimmten Kategorie aus bestimmten Gründen. Daraufhin wurden alle Kreuze in allen Kategorien zusammengezählt und erklärt: "Ja, passt". Mit den vorgebrachten Sachgründen hatte das erkennbar nichts zu tun.
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Re: Dienstliche Beurteilung

Beitrag von Schoenfelderin »

Nein, denn anders als in Arbeitszeugnissen gibt es ja Noten und bei einer Bewerbung/ etc kommt es nur auf diese Leistungsnote an.
Stalker
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Re: Dienstliche Beurteilung

Beitrag von Stalker »

Sowas wie die "Geheimsprache" in Arbeitszeugnissen gibt es nicht. Im Gegenteil, ich hab schon von Kollegen gehört, dass Vorgesetzte keine Ahnung von diesen Floskeln haben.

Ein Kollege hatte in seiner Beurteilung sowas wie "Er fiel insbesondere durch seine Geselligkeit auf". Nachdem er den Behördenleiter darüber aufgeklärt hatte, dass das in einem Arbeitszeugnis "Kam ständig besoffen zur Arbeit" heisst, war der selbst etwas ensetzt und hat die Formulierung geändert.
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Re: Dienstliche Beurteilung

Beitrag von Anton84 »

Vielen Dank für eure Antworten. Bin gespannt, was drinstehen wird.
recht_selten
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Re: Dienstliche Beurteilung

Beitrag von recht_selten »

Stalker hat geschrieben:Sowas wie die "Geheimsprache" in Arbeitszeugnissen gibt es nicht. Im Gegenteil, ich hab schon von Kollegen gehört, dass Vorgesetzte keine Ahnung von diesen Floskeln haben.

Ein Kollege hatte in seiner Beurteilung sowas wie "Er fiel insbesondere durch seine Geselligkeit auf". Nachdem er den Behördenleiter darüber aufgeklärt hatte, dass das in einem Arbeitszeugnis "Kam ständig besoffen zur Arbeit" heisst, war der selbst etwas ensetzt und hat die Formulierung geändert.
:lmao: Autsch. Spricht jedenfalls stark gegen die Qualifikation des Behördenleiters ;) Das dürfte selbst vielen juristischen Laien bekannt sein.
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Re: AW: Dienstliche Beurteilung

Beitrag von Thandor79 »

Stalker hat geschrieben: "Er fiel insbesondere durch seine Geselligkeit auf". Nachdem er den Behördenleiter darüber aufgeklärt hatte, dass das in einem Arbeitszeugnis "Kam ständig besoffen zur Arbeit" heisst, war der selbst etwas ensetzt und hat die Formulierung geändert.
:D
Eagnai
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Re: Dienstliche Beurteilung

Beitrag von Eagnai »

Außerdem muss einem doch auch irgendwie auffallen, dass die Formulierung, jemand falle "insbesondere durch seine Geselligkeit" auf, eher negative Assoziationen weckt. Selbst wenn einem der Zusammenhang mit dem Alkohol unbekannt ist, klingt das doch eher nach "Er dehnte jede Kaffeerunde mit den Kollegen auf zwei Stunden aus und stand die übrige Zeit bei den Kollegen im Büro, um zu quatschen, statt zu arbeiten".
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Re: Dienstliche Beurteilung

Beitrag von julée »

In der Tat sollte es sich aufdrängen, dass "gesellig" ohne weitere Erläuterung, warum sich der Kollege um das Arbeitsklima verdient gemacht hat, eher zu negativen Interpretationen einlädt.
"Auch eine stehengebliebene Uhr kann noch zweimal am Tag die richtige Zeit anzeigen; es kommt nur darauf an, daß man im richtigen Augenblick hinschaut." (Alfred Polgar)
Gelöschter Nutzer

Re: Dienstliche Beurteilung

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Die Bekannte eines Schwippschwagers hatte in ihrem Arbeitszeugnis stehen "Sie kleidete sich stets wie eine wunderbare Dirne". Sie hat dann den Wirtschafter darauf aufmerksam gemacht, dass dies für ihre berufliche Zukunft außerhalb des Milieus nicht positiv wäre (ist genau so wahr wie die Story von Stalker).
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