Bedeutung der Note nach Einstieg

Für alle Fragen, die sich speziell für Richter, Staatsanwälte oder Verwaltungsbeamte ergeben, z.B. Bewerbung, Arbeitszeit, Laufbahnentwicklung, Wechsel des Bundeslandes oder der Gerichtsbarkeit usw.

Moderator: Verwaltung

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Zippocat
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Re: Bedeutung der Note nach Einstieg

Beitrag von Zippocat »

stray observations:

- Richterbundposten helfen, weil man schlicht und ergreifend bei Entscheidern für weiterführende Stellen bekannt wird
- Tätigkeit auf richterlichen Referentenstellen am LG ("Präsidialrichterstellen") helfen, weil: siehe 1.
- wie immer: gutes Netzwerken, weil: siehe 1.

Der Punkt ist, dass man ein hervorragender R1/R2-Richter sein kann, von dem aber über die Grenzen des eigenen Sprengels nie jemand gehört hat. Wenn man da niemanden hat, der einen beim OLG/MJ/BGH/GBA ins Gespräch bringt, hilft einem Doppel-VB mit >20 Punkten oder besser auch nicht weiter. Die Noten werden imho erst da wieder interessant, wo sie so exotisch sind, dass man selbst in einem Prädikatsnoten eher schulterzuckend zur Kenntnis nehmenden Umfeld wie der Justiz - wo im normalen Alltagsgeschäft wirklich niemand etwas auf die Noten gibt - herausragt. Ich kenne hier mehrere Durchgangs- oder sogar Jahrgangs-Top-5 Leute, die deswegen beim OLG-Präsidenten schon mit Beginn der Assessorenzeit auf der Liste standen und dann auch zügig, teilweise recht kurz nach der Ernennung, zur Erprobung an das OLG kamen bzw. zum BGH/zum GBA gingen.
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Samson
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Re: Bedeutung der Note nach Einstieg

Beitrag von Samson »

Ich bin der Ansicht, dass echte Unabhängigkeit (der Vorzug des Richterberufs schlechthin) nur erreichbar ist, wenn man sich eine Beförderung abschminkt.

ich will meinem kammervorsitzenden regelmäßig mitteilten, dass ich seine Rechtsstandpunkte für unsinnig halte.

Der Präsident ist nicht nur Sender, sondern auch der wesentliche Empfänger von Kritik.

Das OLG besteht meiner unbedeutenden Privatmeinung nach überwiegend aus arroganten, humorlosen Wichtigtueren (ein recht gemeines Vorurteil, ich weiß). Was will man da?
Kammervorsitzender bedeutet einen recht überschaubaren Gehaltssprung mit einem deutschlich spürbaren Sprung an Arbeit und Verantwortung.

Direktoren oder gar Präsidentenstellen führen dazu, dass man die genuine, interessante Richtertätigkeit - nämlich Recht zu sprechen - aufgibt und sich mit langweiligem Verwaltungskram befassen muss. Mir ist schon meine eigene geistlose, Bürokratische Dezernatsarbeit ein Ärgernis.

Nee, als erfahrener und altgedienter Proberichter habe ich beschlossen, dass für mich der klassische bin R1, bleib R1, geht 1 gelten wird. Mit besonderer Betonung auf dem letztgenannten Aspekt.
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Tibor
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Re: Bedeutung der Note nach Einstieg

Beitrag von Tibor »

Samson hat geschrieben:Das OLG besteht meiner unbedeutenden Privatmeinung nach überwiegend aus arroganten, humorlosen Wichtigtueren [...].
Man hört in der Tat oft davon, dass in Senaten noch nach langjähriger Zusammenarbeit durchweg gesiezt wird. Das finde ich auch befremdlich "unter Kollegen", die zusammen arbeiten (müssen).
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Einwendungsduschgriff
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Re: Bedeutung der Note nach Einstieg

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

Zippocat hat geschrieben:Wenn man da niemanden hat, der einen beim OLG/MJ/BGH/GBA ins Gespräch bringt, hilft einem Doppel-VB mit >20 Punkten oder besser auch nicht weiter. Die Noten werden imho erst da wieder interessant, wo sie so exotisch sind, dass man selbst in einem Prädikatsnoten eher schulterzuckend zur Kenntnis nehmenden Umfeld wie der Justiz - wo im normalen Alltagsgeschäft wirklich niemand etwas auf die Noten gibt - herausragt. Ich kenne hier mehrere Durchgangs- oder sogar Jahrgangs-Top-5 Leute, die deswegen beim OLG-Präsidenten schon mit Beginn der Assessorenzeit auf der Liste standen und dann auch zügig, teilweise recht kurz nach der Ernennung, zur Erprobung an das OLG kamen bzw. zum BGH/zum GBA gingen.
Der Bundesgerichtshof würde sich - jedenfalls dem Vernehmen auf einschlägigen Veranstaltungen nach - wünschen, dass die Mitarbeitersuche sich nicht so schwierig gestalten würde. Wir wurden bei entsprechender Gelegenheit schon aufgefordert, entsprechend geeignete Kandidatinnen und Kandidaten zur Interessensbekundung in ihrem jeweiligen Land aufzufordern.
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julée
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Re: Bedeutung der Note nach Einstieg

Beitrag von julée »

Man muss eben im entsprechenden Alter auch für 2-3 Jahre nach Karlsruhe wollen bzw. können.
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Zippocat
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Re: Bedeutung der Note nach Einstieg

Beitrag von Zippocat »

Ja, das stimmt schon: eine große Anzahl der gerade planmäßig ernannten Kollegen widmet sich dann erstmal Haus und Familie, und dieser Zeitraum - so ca. 2-5 Jahre ab Ernennung - ist für Abordnungen durchaus üblich. Hier flatterte zB gerade die Möglichkeit einer dreijährigen Abordnung nach Brüssel durch, für die sich aber niemand so recht begeistern konnte.
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Urs Blank
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Re: Bedeutung der Note nach Einstieg

Beitrag von Urs Blank »

Zippocat hat geschrieben:Ja, das stimmt schon: eine große Anzahl der gerade planmäßig ernannten Kollegen widmet sich dann erstmal Haus und Familie, und dieser Zeitraum - so ca. 2-5 Jahre ab Ernennung - ist für Abordnungen durchaus üblich. Hier flatterte zB gerade die Möglichkeit einer dreijährigen Abordnung nach Brüssel durch, für die sich aber niemand so recht begeistern konnte.
Hier sogar die Möglichkeit einer Abordnung ins Kosovo... Sehr gutes Sprungbrett - Überleben einmal vorausgesetzt.
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Urs Blank
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Re: Bedeutung der Note nach Einstieg

Beitrag von Urs Blank »

Samson hat geschrieben:ich will meinem Kammervorsitzenden regelmäßig mitteilten, dass ich seine Rechtsstandpunkte für unsinnig halte.

Der Präsident ist nicht nur Sender, sondern auch der wesentliche Empfänger von Kritik.

Das OLG besteht meiner unbedeutenden Privatmeinung nach überwiegend aus arroganten, humorlosen Wichtigtueren (ein recht gemeines Vorurteil, ich weiß). Was will man da?
Falls es nicht ohnehin ironisch gemeint war: Der Ich-geh-um-eins-Kollege ist nach meiner Erfahrung typischerweise nicht derjenige, der sich durch kritische Unangepasstheit auszeichnet. Der strebt eher an, durch Unauffälligkeit jeden Ärger zu vermeiden.
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Tibor
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Re: Bedeutung der Note nach Einstieg

Beitrag von Tibor »

Da gibt es mE keine Kausalität; es gibt auch Kollegen die lange und viel arbeiten und dennoch eher angepasst sind. Zugleich gibt es die "Um-Eins-Geher", die dann doch kritische Worte im Urteil zur obergerichtlichen Rspr finden.
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Re: Bedeutung der Note nach Einstieg

Beitrag von Joshua »

Tibor hat geschrieben:Da gibt es mE keine Kausalität; es gibt auch Kollegen die lange und viel arbeiten und dennoch eher angepasst sind.
ME gar der Regelfall...

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Re: Bedeutung der Note nach Einstieg

Beitrag von julée »

Urs Blank hat geschrieben:
Samson hat geschrieben:ich will meinem Kammervorsitzenden regelmäßig mitteilten, dass ich seine Rechtsstandpunkte für unsinnig halte.

Der Präsident ist nicht nur Sender, sondern auch der wesentliche Empfänger von Kritik.

Das OLG besteht meiner unbedeutenden Privatmeinung nach überwiegend aus arroganten, humorlosen Wichtigtueren (ein recht gemeines Vorurteil, ich weiß). Was will man da?
Falls es nicht ohnehin ironisch gemeint war: Der Ich-geh-um-eins-Kollege ist nach meiner Erfahrung typischerweise nicht derjenige, der sich durch kritische Unangepasstheit auszeichnet. Der strebt eher an, durch Unauffälligkeit jeden Ärger zu vermeiden.
Ausnahme: Er stellt bei jeder sich bietenden Gelegenheit fest, es möge nach dem GVPl zuständig sein, wer wolle, er aber nicht.
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Re: Bedeutung der Note nach Einstieg

Beitrag von Einwendungsduschgriff »

julée hat geschrieben:Man muss eben im entsprechenden Alter auch für 2-3 Jahre nach Karlsruhe wollen bzw. können.
Das ist in der Tat der Punkt.
Hier gibt's nichts zu lachen, erst recht nichts zu feiern.
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Re: Bedeutung der Note nach Einstieg

Beitrag von Juratutorium »

Ich hatte schon mal dieses Anforderungsprofil gepostet: http://www.revosax.sachsen.de/GetAttach ... nk?id=9381

Von Noten steht komischerweise nichts drin, was mich zugegeben wirklich überrascht. Vielleicht ist es auch so selbstverständlich, dass es nicht eigens erwähnt werden muss. Jedenfalls gibt es daneben noch viele andere messbare(!) Kriterien. Beispiel:
Erwartet werden eine prozessordnungsgemäße, vorausschauende Vorbereitung und Durchführung der Verhandlung, Vernehmungsgeschick, ein angemessener Umgang mit den Verfahrensbeteiligten, die Fähigkeit zum Ausgleich widerstreitender Interessen und Fähigkeit zur kurzfristigen Reaktion auf neue Situationen.
Das dürfte in etwa bedeuten:
- keine Aufhebungen
- keine Terminskollisionen
- keine Befangenheitsanträge
- Vergleichsquote > x%
- unklar, vielleicht irgendwas mit § 227 ZPO

Diese Form der Beurteilung erinnert nicht nur an das Vergaberecht, sondern sie hat auch noch in der gesamten Verwaltung eine lange Tradition. Im Dritten Reich z.B. sollten Beamte in der Partei sein, angemessen Spenden (Winterhilfswerk etc.), Plaketten kaufen, Parteiveranstaltungen besuchen, im NS-Beamtenbund* sein, usw. und wenn das alles nicht der Fall war, dann gab es eben auch keine Beförderung.


* Als erste Amtshandlung in den DRB einzutreten, kann bestimmt nicht schaden ;)
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Tibor
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Re: Bedeutung der Note nach Einstieg

Beitrag von Tibor »

Juratutorium hat geschrieben:
Erwartet werden eine prozessordnungsgemäße, vorausschauende Vorbereitung und Durchführung der Verhandlung, Vernehmungsgeschick, ein angemessener Umgang mit den Verfahrensbeteiligten, die Fähigkeit zum Ausgleich widerstreitender Interessen und Fähigkeit zur kurzfristigen Reaktion auf neue Situationen.
Das dürfte in etwa bedeuten:
- keine Aufhebungen
- keine Terminskollisionen
- keine Befangenheitsanträge
- Vergleichsquote > x%
- unklar, vielleicht irgendwas mit § 227 ZPO
Oh Boy, dass ist doch (fast alles) Quark! Begründete Befangenheitsanträge können schlecht sein, wenn man sich wirklich befangen gemacht hat (ein erfolgreiches Ablehnungsersuchen setzt nicht voraus, dass der Richter tatsächlich befangen ist). Terminskollisionen können schlecht wirken, wenn man selbst zuviele Sachen auf eine Terminsstunde lädt und dann die Parteien unnötig warten müssen; warten ist aber unschädlich, wenn wider erwarten Parteien oder Zeugen verspätet erscheinen und dann Wartezeiten entstehen. Vielmehr bedeutet dies u.a.:

- prozessordnungsgemäße, vorausschauende Vorbereitung = man kennt die Akte so gut, dass man verhandeln kann, man hat sich vor der Ladung keine irreparablen prozessualen Fehler erlaubt
- prozessordnungsgemäße, Durchführung der Verhandlung = Gewährung rechtlichen Gehörs, ordentliche Belehrung von Zeugen
- Vernehmungsgeschick = den Zeugen nicht einfach erzählen lassen über Gott und die Welt, sondern mit vernünftig vorbereiteten Fragen auf das Beweisthema lenken, insb klären, ob der Zeuge sich wirklich erinnert oder ob es "so gewesen sein muss, weil er es immer so gemacht hat" bzw. "an der Kreuzung immer Unfälle passieren" etc.
- ein angemessener Umgang mit den Verfahrensbeteiligten = sich in der Verhandlung nicht zur Unsachlichkeit hinreißen lassen, zeigen dass man die Probleme ernst nimmt
- die Fähigkeit zum Ausgleich widerstreitender Interessen = auf vernünftige Anträge hinwirken, Kostenfolgen ggf erläutern, Möglichkeiten außergerichtlicher Problemlösungen aufzeigen, hinterfragen, ob ein stattgebendes Urteil in der Sache wirklich zielführend ist etc.
- Fähigkeit zur kurzfristigen Reaktion auf neue Situationen = der Angeklagte plaudert über nicht angeklagte Straftatbestände, der Zeuge wirft ganz neue Probleme auf, der relevante Sachverhalt ändert sich (bspw. Zeuge verstirbt) und keine Partei hat es bisher bemerkt etc.
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Re: Bedeutung der Note nach Einstieg

Beitrag von Juratutorium »

Mal wieder etwas, wovon du noch nie gehört hast, und natürlich wieder alles Quark :)

Als ich das erste mal in eine Uni-Bibliothek gegangen bin, hatte ich ein Schlüsselerlebnis, denn ich merkte anhand der tausenden von Büchern auf den Regalen, dass es unglaublich viele Dinge gibt, von denen ich noch nie gehört habe.

Bei dir ist es grundlegend anders. Wovon du noch nichts gehört hast, das existiert für dich einfach nicht.

Schön ist in diesem Zusammenhang auch, dass du behauptest Prüfer zu sein. Es dürfte in etwa das Schlimmste sein, was einem im Examen passieren kann, wenn man während der Prüfung merkt, dass der eigene Prüfer inkompetent ist und aus Borniertheit heraus alles als falsch bewertet, wovon er noch nie gehört hat. Dazu gibt es auch eine wunderschöne Anekdote, die sog. Barometer-Frage: http://www.uni-heidelberg.de/studium/journal/2007/02b/bohr.html (Verwaister Link automatisch entfernt)
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