Bedeutung der Note nach Einstieg

Für alle Fragen, die sich speziell für Richter, Staatsanwälte oder Verwaltungsbeamte ergeben, z.B. Bewerbung, Arbeitszeit, Laufbahnentwicklung, Wechsel des Bundeslandes oder der Gerichtsbarkeit usw.

Moderator: Verwaltung

Antworten
Benutzeravatar
Tibor
Fossil
Fossil
Beiträge: 16441
Registriert: Mittwoch 9. Januar 2013, 23:09
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Bedeutung der Note nach Einstieg

Beitrag von Tibor »

Lass mich raten, Herr Juratutorium war mal Richter auf Probe am AG Eschwege?
Der Angeklagte versuchte mit wechselndem Auftreten und wechselnder Stimmung gegenüber dem damaligen Angeklagten D. , diesen zur Abgabe eines Geständnisses zu veranlassen. Der Versuch von Staatsanwalt B. , die Befragung durch den Angeklagten zu beenden, scheiterte. Der Angeklagte setzte sie - immer lauter werdend - fort und war mittlerweile sichtbar genervt und aufgebracht. Er äußerte sich dabei gegenüber dem damaligen Angeklagten D. , dass eine stationäre Psychotherapie noch das harmloseste sei, was ihm passieren könne. Wenn er ins Gefängnis komme, sei alles noch viel schlimmer, er solle also endlich die Wahrheit sagen. Wenn er einer psychiatrischen Behandlung zustimme, könne ihn dies vor späteren Verfahren bewahren und er könne so eine Gefängnisstrafe vermeiden.

8
Als auch dies aus Sicht des Angeklagten nicht zum Erfolg führte, sprang er plötzlich mit den Worten auf: "Sie kommen jetzt mit, ich zeige Ihnen mal, wie Ihre Zukunft aussehen kann". Der Angeklagte verließ mit dem mittlerweile vollkommen eingeschüchterten D. den Sitzungssaal, ohne den anderen Verfahrensbeteiligten mitzuteilen, was er vorhatte. Er ging zunächst zur Wachtmeisterei und anschließend - begleitet von einem Wachtmeister - in den Gewahrsam in den Keller des Amtsgerichts. Dort forderte er D. auf, eine der drei Zellen zu betreten, was dieser ohne jeden Widerstand tat, wobei er fragte, ob er das WC in der Zelle benutzen dürfe. Der Angeklagte erwiderte, er werde die Zellentür schließen, aber nicht verschließen. D. solle einen Einblick gewinnen, wie es in so einer Zelle sei. Er, der Angeklagte, entscheide, wann D. wieder rauskommen könne, dann werde die Verhandlung fortgesetzt und er solle ehrlich sein. Er könne auch schreien, wenn er vorher herausgelassen werden wolle. Die Toilette in der Zelle dürfe er nicht benutzen.

9
Dementsprechend wurde D. , der nach wie vor große Angst hatte, in der Zelle eingeschlossen. Dort fasste er den Entschluss, nunmehr alles zuzugeben, wobei er davon ausging, dass er die Zelle auch unabhängig von einem Geständnis wieder verlassen dürfe. Nach etwa 20 Sekunden wurde die Zellentür wieder geöffnet, D. verließ die Zelle und kehrte mit dem Angeklagten - nachdem er noch die Toilette im Erdgeschoss aufgesucht hatte - in den Sitzungssaal zurück. Dort wurde die Hauptverhandlung - ohne weitere Erklärung oder Nachfrage der anderen Verfahrensbeteiligten - fortgesetzt.

10
D. legte sofort nach Fortsetzung der Verhandlung ein Geständnis ab......
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
Joshua
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 1636
Registriert: Freitag 31. August 2007, 14:53

Re: Bedeutung der Note nach Einstieg

Beitrag von Joshua »

Tibor hat geschrieben:Lass mich raten, Herr Juratutorium war mal Richter auf Probe am AG Eschwege?
Der Angeklagte versuchte mit wechselndem Auftreten und wechselnder Stimmung gegenüber dem damaligen Angeklagten D. , diesen zur Abgabe eines Geständnisses zu veranlassen. [...]
Klingt krass.

Wer selbst Strafrichter ist oder in der Probezeit mal war, weiß aber auch, dass ein Geständnis einen sehr hohen Stellenwert hat und daher der Druck, den auch und gerade erfahrene Vorsitzende auf die Angeklagten ausüben, oftmals alles andere als gering ist. Auch das "Stilmittel" der wechselnden Stimmungen ist nicht selten anzutreffen. Psychologisch gesehen trägt es zu einer - wenn auch fast pervers zu nennenden - Autorität bei, wenn sich jemend unberechenbar geriert und sich nicht in die Karten schauen lässt.

Da kann man als junger Beisitzer leicht einen etwas "inquisitorischen" oder vielleicht besser "autoritären" Stil mitnehmen, der gerade dann unangenehm auffällt, wenn man ihn sodann als junger Richter selbst anwendet.

Ich möchte den o.g. Richter nicht von seinem Versagen und seiner Schuld freisprechen, gebe aber zu bedenken, dass der genannte Druck - wenn auch in regelmäßig geringerer Dosierung - ubiquitär und auch z.T. systemimmanent ist: Der Strafrichter fühlt sich gut, wenn er dem Angeklagten Milde entgegenbringen kann, wenn sich dieser geständig einlässt. Und wer dem Strafrichter diese Möglichkeit, milde zu sein, nicht gibt, der erzeugt psychologisch gesehen Ablehnung. Nichts ist so verletzend, wie wenn unsere guten Taten keinen Abnehmer finden...

Und noch etwas: Systemimmanent ist der Druck auch durch den immer stärker formalisierten Erledigungsdruck. Ein frühes Geständnis schafft gerade in den beweisrechtlich sehr unangenehm liegenden Fällen (etwa BtM-Sachen mit zig Beteiligten, mappenweise auszuwertenden Telefonaufzeichnungen und vielen Zeugen) Freiraum; wer sich den nicht schafft, erledigt schnell zu wenig.

Nochmals: Ich kenne den o.g. Fall zu wenig, um mir ein abschließendes Urteil zu bilden. Ein wenig mehr selbst- oder standeskritische Kontextualisierung täte uns allen aber gut. Sonst haben wir hier schlicht den Sündenfall, bei dem wir unsere Verachtung für den übel agierenden (Ex-) Kollegen abladen und uns und das System damit reinwaschen können. So etwas führt selten weiter.

„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“
Egon Bahr 2013
Swann
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 6456
Registriert: Donnerstag 28. Dezember 2006, 09:04

Re: Bedeutung der Note nach Einstieg

Beitrag von Swann »

Juratutorium hat geschrieben:Dir ist aber schon bekannt, dass die Entscheidung im Justizministerium auf Basis der Aktenlage getroffen wird. Ja?

https://www.neuerichter.de/fileadmin/us ... _21-23.pdf
Und? Proberichter zu entlassen, die Angeklagte in Zellen sperren, um Geständnisse zu erpressen, erscheint mir jetzt erstmal wenig angreifbar.
Eagnai
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 4196
Registriert: Freitag 6. April 2007, 19:12

Re: Bedeutung der Note nach Einstieg

Beitrag von Eagnai »

a_moron hat geschrieben:Was mir hier ein wenig fehlt bei dem Für und Wider des Richteramtes (vielleicht bin ich als Einsteiger da auch noch sehr pathetisch):

Jeden Tag macht man bei der Arbeit etwas sinnvolles. Selbstverständlich wiederholt sich einiges (Schimmel in der Wohnung etc.). Aber für die betroffenen Parteien, ist das immer eine große Sache. Jeder, der schon einmal den Rechtsweg beschritten hat, als Zeuge ausgesagt hat o.Ä. kann das bestätigen. In diesen, für die Parteien wichtigen Fragen, nimmt man eine zentrale Rolle ein und schafft Frieden zwischen zerstrittenen Menschen. Man sichert insgesamt den Frieden in der Gesellschaft. Vielleicht viel Pathos, vielleicht kommt da noch der Praxisschock, ich hoffe nicht.

Für mich ist die Einstellungszusage immer noch wie ein Stirnkuss vom Papst. Richter sein ist eine Ehre.
Ganz ehrlich... ich glaube, dass man, wenn man über eine solche Grundeinstellung verfügt, im Beruf auch ohne weitere Beförderungen dauerhaft sehr glücklich werden kann.

Ich für meinen Teil habe bisher (nach fünf Jahren im Beruf, allerdings nicht als Richter, sondern bei der StA) überhaupt nicht das geringste Bedürfnis nach irgendwelchen Beförderungen. Ich wollte immer zur StA, bin jetzt also genau da, wo ich hin wollte, und bin zufrieden da. Ich wüsste im Moment nicht, warum ich da wieder weg sollte - zumal man sich bei den möglichen Weiterungen (ob jetzt in einer Abordnung, Erprobung oder in einem Beförderungsamt) oft wieder von der Arbeit "an der Basis"/am konkreten praktischen Fall entfernt (und die Arbeit ist ja gerade die, wegen der ich den Job machen wollte).
Spencer
Super Power User
Super Power User
Beiträge: 1355
Registriert: Freitag 2. März 2007, 17:00

Re: Bedeutung der Note nach Einstieg

Beitrag von Spencer »

+ 1

Die Arbeitszufriedenheit bei meinen Kollegen ist insgesamt wirklich hoch. Bei den jüngeren fast schon euphorisch, auch bei denen, die schon verplant sind. Gemeckere hört man eigentlich nur gelegentlich von Älteren, wenn es um die Besoldung geht.
Im Moment scheint die Justiz auch erstmals seit längerer Zeit wieder eine Aufwertung durch die Politik zu erfahren, insbesondere was die Stellenausstattung anbelangt. Das lässt hoffen, dass die Zufriedenheit noch ein wenig anhält.
Benutzeravatar
Wasserprobe
Noch selten hier
Noch selten hier
Beiträge: 18
Registriert: Montag 27. Juni 2016, 17:00
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: Bedeutung der Note nach Einstieg

Beitrag von Wasserprobe »

Nach knapp 1 Monat teile ich die stetig steigende Euphorie

Gesendet von meinem SM-G925F mit Tapatalk
Wenn der oder die Angeklagte nicht schwamm, wurde er oder sie wieder aus dem Wasser gezogen – wobei es hier auch zu ungewollten Todesfällen kommen konnte. Dies protokollierte man als einen Verfahrensfehler.
Benutzeravatar
Tibor
Fossil
Fossil
Beiträge: 16441
Registriert: Mittwoch 9. Januar 2013, 23:09
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Bedeutung der Note nach Einstieg

Beitrag von Tibor »

Dann hast du aber Glück und bist ein Einzelfall, denn idR ist man unglücklich, macht Überstunden und hat Druck ohne Ende, seine statistischen Erledigungen zustande zu bringen.
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
Benutzeravatar
Wasserprobe
Noch selten hier
Noch selten hier
Beiträge: 18
Registriert: Montag 27. Juni 2016, 17:00
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: Bedeutung der Note nach Einstieg

Beitrag von Wasserprobe »

Ich entscheide das Richtige, gehe wann ich will und komme morgends pfeifend ins Büro. Die Hölle.... ;)

Gesendet von meinem SM-G925F mit Tapatalk
Wenn der oder die Angeklagte nicht schwamm, wurde er oder sie wieder aus dem Wasser gezogen – wobei es hier auch zu ungewollten Todesfällen kommen konnte. Dies protokollierte man als einen Verfahrensfehler.
Benutzeravatar
Tibor
Fossil
Fossil
Beiträge: 16441
Registriert: Mittwoch 9. Januar 2013, 23:09
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Bedeutung der Note nach Einstieg

Beitrag von Tibor »

Du pfeifst den attraktiven Geschäftsstellen-Damen hinterher? #aufschrei
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
Benutzeravatar
Wasserprobe
Noch selten hier
Noch selten hier
Beiträge: 18
Registriert: Montag 27. Juni 2016, 17:00
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: Bedeutung der Note nach Einstieg

Beitrag von Wasserprobe »

Sexistische dienstscheisse

Gesendet von meinem SM-G925F mit Tapatalk
Wenn der oder die Angeklagte nicht schwamm, wurde er oder sie wieder aus dem Wasser gezogen – wobei es hier auch zu ungewollten Todesfällen kommen konnte. Dies protokollierte man als einen Verfahrensfehler.
Joshua
Mega Power User
Mega Power User
Beiträge: 1636
Registriert: Freitag 31. August 2007, 14:53

Re: Bedeutung der Note nach Einstieg

Beitrag von Joshua »

Spencer hat geschrieben:+ 1

Die Arbeitszufriedenheit bei meinen Kollegen ist insgesamt wirklich hoch. Bei den jüngeren fast schon euphorisch, auch bei denen, die schon verplant sind. Gemeckere hört man eigentlich nur gelegentlich von Älteren, wenn es um die Besoldung geht.
Im Moment scheint die Justiz auch erstmals seit längerer Zeit wieder eine Aufwertung durch die Politik zu erfahren, insbesondere was die Stellenausstattung anbelangt. Das lässt hoffen, dass die Zufriedenheit noch ein wenig anhält.
Alles nicht zu verallgemeinern. Kommt vor allem auf den Zustand [offene Verfahren] des übernommenen Dezernats an, daneben auf die Frage, ob das Gericht vollständig besetzt ist. Des weiteren sind die Unterschiede zwischen LG und AG sowie den verschiedenen Rechtsmaterien, die man bearbeiten muss, nicht zu unterschätzen. Ich kenne Proberichter, die tatsächlich ein augeräumtes Dezernat bekommen und auch bzgl. der Eingänge "echte" 1,0 haben - mit der Folge, dass man das in 35-40 Wochenstunden gut erledigen kann. Es gibt aber auch Proberichter, die bekommenen ein abgesoffenes Zivildezernat mit 250 offenen Verfahren, das dann dankenswerterweise - gemessen an den Eingängen - mit 0,5 angesetzt und dann noch mit einem wegen Ausfalls eines werten Kollegen de facto mit 0,8 anzusetzenden umfassenden Ermittlungsrichter- oder Betreuungsdezernat kombiniert wird - was dann locker zu einer 60-Stunden-Woche führt.

Die Jubelhymnen hier befremden.

„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“
Egon Bahr 2013
Benutzeravatar
Wasserprobe
Noch selten hier
Noch selten hier
Beiträge: 18
Registriert: Montag 27. Juni 2016, 17:00
Ausbildungslevel: Interessierter Laie

Re: Bedeutung der Note nach Einstieg

Beitrag von Wasserprobe »

Selbst schuld wer 60h braucht

Gesendet von meinem SM-G925F mit Tapatalk
Wenn der oder die Angeklagte nicht schwamm, wurde er oder sie wieder aus dem Wasser gezogen – wobei es hier auch zu ungewollten Todesfällen kommen konnte. Dies protokollierte man als einen Verfahrensfehler.
Benutzeravatar
law and order
Power User
Power User
Beiträge: 326
Registriert: Samstag 2. Mai 2009, 10:35
Ausbildungslevel: RA

Re: Bedeutung der Note nach Einstieg

Beitrag von law and order »

Joshua hat geschrieben:
Des weiteren sind die Unterschiede zwischen LG und AG sowie den verschiedenen Rechtsmaterien, die man bearbeiten muss, nicht zu unterschätzen.
Wie ist es da eigentlich? Sind tendenziell die Richter am LG oder am AG zufriedener? Ich weiß, da gibt es keine allgemein gültig Antworten, mich würde allerdings so der grobe Eindruck interessieren.
Benutzeravatar
Tibor
Fossil
Fossil
Beiträge: 16441
Registriert: Mittwoch 9. Januar 2013, 23:09
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Bedeutung der Note nach Einstieg

Beitrag von Tibor »

Richter sind immer Unzufrieden. Frag doch Joshua, der kennt sich offensichtlich damit aus. Alles andere sind hier Trolle.
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
julée
Fossil
Fossil
Beiträge: 13077
Registriert: Freitag 2. April 2004, 18:13
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Bedeutung der Note nach Einstieg

Beitrag von julée »

Wasserprobe hat geschrieben:Selbst schuld wer 60h braucht

Gesendet von meinem SM-G925F mit Tapatalk
Wobei man das vermutlich auch nur sagt, bis man sich selbst in einem Büro wiederfindet, in dem man vor lauter Akten nur erahnen kann, wo der Schreibtisch ist.

edit: Typo
Zuletzt geändert von julée am Sonntag 21. August 2016, 15:56, insgesamt 1-mal geändert.
"Auch eine stehengebliebene Uhr kann noch zweimal am Tag die richtige Zeit anzeigen; es kommt nur darauf an, daß man im richtigen Augenblick hinschaut." (Alfred Polgar)
Antworten