Mit Hinweisbeschluss daneben gelegen?

Für alle Fragen, die sich speziell für Richter, Staatsanwälte oder Verwaltungsbeamte ergeben, z.B. Bewerbung, Arbeitszeit, Laufbahnentwicklung, Wechsel des Bundeslandes oder der Gerichtsbarkeit usw.

Moderator: Verwaltung

Gelöschter Nutzer

Mit Hinweisbeschluss daneben gelegen?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Hallo Leute,

wie geht ihr damit um, wenn ihr merkt bzw. von Anwälten unsanft darauf gestubst werdet, dass ihr mit einem Hinweis daneben lagt? Bin gerade 3 Monate dabei und es geht um ein super ätzendes Verfahren aus dem Jahr 2010. Habe ein Teilurteil in der Akte nicht richtig auf dem Schirm gehabt und eine andere als in dem Teilurteil vertretene rechtliche Auffassung zum Besten gegeben ::oops: . Sehr peinlich das Ganze.

Beste Grüße
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Kroate
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Re: Mit Hinweisbeschluss daneben gelegen?

Beitrag von Kroate »

Bist Du Dir sicher, dass Du an das Teilurteil gebunden bist? 318 zpo erstreckt sich nicht auf Feststellungen und deren rechtliche Bewertung.

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Gelöschter Nutzer

Re: Mit Hinweisbeschluss daneben gelegen?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Nee, gebunden nicht. Aber im Teilurteil steht was zu der Rechtsfrage drin. In ein und demselben Verfahren eine andere Rechtsauffassung zwischen Teil- und Endurteil vertreten wäre ziemlich gewagt. Die Rechtsfrage wird aus einem anderen Grund wohl nicht so ausfallen, wie der Anwalt sich das wünscht, also ist es im Ergebnis egal. Aber elegant und kompetent geht anders :-w
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j_laurentius
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Re: Mit Hinweisbeschluss daneben gelegen?

Beitrag von j_laurentius »

Nur wer nichts macht, macht keine Fehler.
sai
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Re: Mit Hinweisbeschluss daneben gelegen?

Beitrag von sai »

a_moron hat geschrieben:Nee, gebunden nicht. Aber im Teilurteil steht was zu der Rechtsfrage drin. In ein und demselben Verfahren eine andere Rechtsauffassung zwischen Teil- und Endurteil vertreten wäre ziemlich gewagt. Die Rechtsfrage wird aus einem anderen Grund wohl nicht so ausfallen, wie der Anwalt sich das wünscht, also ist es im Ergebnis egal. Aber elegant und kompetent geht anders :-w
Wenn das Verfahren von 2010 ist, ist es höchstwahrscheinlich nicht dein Teilurteil?
Dann spielt es - jedenfalls für dich - doch erstmal keine Rolle, was dein Vorgänger ohne Bindungswirkung entschieden hat.
Habe das im Ref mehrmals erlebt, dass sich die Besetzung und mit der Besetzung auch die Rechtsauffassungen im Verfahren geändert haben.
Swann
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Re: Mit Hinweisbeschluss daneben gelegen?

Beitrag von Swann »

a_moron hat geschrieben:Nee, gebunden nicht. Aber im Teilurteil steht was zu der Rechtsfrage drin. In ein und demselben Verfahren eine andere Rechtsauffassung zwischen Teil- und Endurteil vertreten wäre ziemlich gewagt.
Mach aus dem Endurteil eine Leitsatzentscheidung, z.B.:


1. Für die Abgrenzung zwischen Wildtier und gezähmten Tier im Rahmen des § 960 BGB ist allein die im Einzelfall bestehende Bindung an den Menschen ausschlaggebend.

2. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Tierart ist hingegen gleichgültig (Aufgabe der Rechtsprechung der Abteilung aus dem Teilurteil vom XX.XX.XX, Az. Tz.)

und reiche sie bei juris ein.

Nein, im Ernst: Natürlich können sich im Verfahren Rechtsmeinungen ändern. Es kommt nur darauf an, ob Bindungswirkung besteht oder nicht. Und man sollte einen Wechsel der Meinung rechtzeitig kommunizieren, damit die Parteien dazu Stellung nehmen können.
Eagnai
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Re: Mit Hinweisbeschluss daneben gelegen?

Beitrag von Eagnai »

Daran muss dir nicht peinlich sein - warum solltest du in Bezug auf eine bestimmte Rechtsfrage nicht eine andere Auffassung vertreten können als dein Dezernatsvorgänger? Schließlich bist du Richter und unabhängig.

Sei froh, dass du nicht Staatsanwalt bist... da kommt es immer wieder mal vor, dass du auf Bl. 85 der Akte das Verfahren im Brustton der Überzeugung mit der Begründung einstellst, das Verhalten des Beschuldigten sei nicht strafbar, nur um auf Bl. 90 der Akte plötzlich zu erklären, warum du nun auf einmal die exakt gegenteilige Auffassung vertrittst und Anklage erhebst. Das sieht bisweilen in der Akte etwas blöd aus, weil die Anweisung deines Abteilungs- oder Behördenleiters oder der vorgesetzten Behörde ja nur in der Handakte steht und aus der Akte so erstmal nicht ersichtlich ist. Da kommt man sich schon manchmal etwas doof vor - aber auch das überlebt man. ;)
Gelöschter Nutzer

Re: Mit Hinweisbeschluss daneben gelegen?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Ich komm mir manchmal vor wie ein Affe, der ein Flugzeug fliegen muss. Manchmal wünsche ich mir etwas mehr Anleitung, wie z.B. bei der StA. Man kann die Kollegen sehr viel fragen und die sind immer super hilfsbereit. Aber am Ende des Tages macht man doch viel allein. Gerade in der Sitzung kann man nicht über alles eine Stunde grübeln, sondern muss oft intuitiv handeln. Zum Glück macht es Spaß... \:D/
julée
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Re: Mit Hinweisbeschluss daneben gelegen?

Beitrag von julée »

Schön ist anders (merke: frühere Hinweise aufmerksam lesen). Aber wie viele Anwälte darf man eigentlich nicht danach fragen, was sie in ihrem letzten Schriftsatz geschrieben haben. Insofern sollte man sich da nicht so einen Kopf machen.
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Re: Mit Hinweisbeschluss daneben gelegen?

Beitrag von Tibor »

j_laurentius hat geschrieben:Nur wer nichts macht, macht keine Fehler.
Genau. Und es fällt auch keinem ein Zacken aus der Krone, wenn die höhere Instanz Anfängerfehler korrigiert, dazu ist sie ja mitunter da.
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Re: Mit Hinweisbeschluss daneben gelegen?

Beitrag von Kroate »

Verstehe ich das richtig: Nach deiner Ansicht ist Rechtsauffassung A zu folgen. Jetzt willst Du deine Auffassung nur deshalb ändern, weil dein Vorgänger der Ansicht war, für Auffassung B sprächen die besseren Argumente. Rechtlich gebunden bist Du zwar nicht, aber irgendwie könnte das blöd aussehen? Das sind doch sachfremde Erwägungen.

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julée
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Re: Mit Hinweisbeschluss daneben gelegen?

Beitrag von julée »

Ich habe den TE eher so verstanden, als habe er Ansicht A vertreten ohne zu realisieren, dass bereits Ansicht B als "Auffassung des Gerichts" im Teilurteil dokumentiert ist. Wenn man sowas vorfindet, kann man jenseits der Bindungswirkung natürlich Ansicht A vertreten, aber dann sollte man idealerweise auch erklären, weshalb man nun von Ansicht B abweicht. Wenn man das nicht von sich aus anspricht, sieht das schon so aus, als habe man die Akte nicht richtig gelesen und meine jetzt irgendwas ins Blaue hinein. Mal ganz abgesehen davon, dass man vielleicht auch an Ansicht B "festgehalten" hätte, wenn man sie in der Akte richtig zur Kenntnis genommen hätte.
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Tibor
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Re: Mit Hinweisbeschluss daneben gelegen?

Beitrag von Tibor »

Blöde Frage zum Zivilprozess: Werden solche Entscheidungen nicht bspw. auf dem Aktendeckel bzw. prominent auf dem Deckblatt vermerkt, dass man die nicht übersehen kann?
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Re: Mit Hinweisbeschluss daneben gelegen?

Beitrag von julée »

Wenn ein Verfahren aus 2010 ist und es 3-5 Bände gibt, die mehr oder weniger auseinanderfallen, muss man schon mal suchen, um so einen Vermerk zu finden. Urteile sollten natürlich bereits gesondert abgeheftet sein. Aber selbst wenn man bei gründlicher Lektüre der Akte die Rechtsauffassung des Vorgängers "gefunden" hat, heißt es ja nicht, dass man sie in ihrer vollen Bedeutung erfasst.
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Kroate
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Re: Mit Hinweisbeschluss daneben gelegen?

Beitrag von Kroate »

Wenn die erst im Nachhinein bemerkten Ausführungen im Teilurteil derart überzeugend waren, dass man seine eigene Ansicht überdenkt, finde ich das verständlich. Aber man sollte doch bitte nicht von seiner Auffassung nur deshalb abrücken, weil man meint, ein einheitliches Bild des "Gerichts" vermitteln zu müssen.

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