Vorstellungsgespräch Justiz Hessen

Für alle Fragen, die sich speziell für Richter, Staatsanwälte oder Verwaltungsbeamte ergeben, z.B. Bewerbung, Arbeitszeit, Laufbahnentwicklung, Wechsel des Bundeslandes oder der Gerichtsbarkeit usw.

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Juristin+-
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Vorstellungsgespräch Justiz Hessen

Beitrag von Juristin+- »

Ihr Lieben,

auch ich habe ein Vorstellungsgespräch zur Einstellung in den höheren Justizdienst - und zwar in Hessen. Da ähnliche Einträge hier im Forum schon etwas älter sind, wollte ich fragen, wie aktuell das Vorstellungsgespräch abläuft. Wer nimmt dran teil und mit welchen Fragen muss ich rechnen? Stimmt es, dass in Hessen regelmäßig nur so viele Bewerber eingeladen werden, wie Plätze frei sind? Wann bekommt man eine Rückmeldung?

Lieben Dank schon einmal!
FAB2016
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Re: Vorstellungsgespräch Justiz Hessen

Beitrag von FAB2016 »

Hallo,

ich habe das Bewerbungsprozedere vor einigen Wochen durchlaufen. Bei mir gestaltete es sich wie folgt:

Auf die Bewerbung hin wurde ich angerufen und relativ kurzfristig zu einem Gespräch nach Wiesbaden zum Justizministerium eingeladen. In dem Telefonat hieß es, ich solle auch auf Fachfragen vorbereitet sein, im Übrigen aber einfach authentisch bleiben und die persönlichen Fragen aufrichtig beantworten. Die Fachfragen würden sich auf den Richterberuf und das Ernennungsprozedere beziehen, könnten also etwa auf den Richterwahlausschuss (Zusammensetzung, Funktion) oder die richterliche Unabhängigkeit (persönlich / sachlich) zielen.

Das Gespräch fand gemeinsam mit einer Personalreferentin und einer Gleichstellungsbeauftragten statt. Es dauerte etwa eine Stunde. Die Personalreferentin ist in die Unterlagen eingelesen, während die Gleichstellungsbeauftragte die Akte und die Bewerbungsunterlagen nicht kennt.

In meinem Fall - ohne dass ich sagen könnte, dass dies angesichts der Vorauskunft aus dem Telefonat repräsentativ wäre - wurden im Gespräch keine Fachfragen gestellt. Das Gespräch drehte sich ausschließlich um persönliche Fragen. Beginnen sollte ich damit, meinen Lebenslauf zu erzählen, da dieser der Gleichstellungsbeauftragten, wie gesagt, unbekannt ist. Während der Schilderung des Lebenslaufs kam es wiederholt zu kurzen Nachfragen, das ein oder andere, z.B. einen Auslandsaufenthalt, näher zu schildern. Ein Schwerpunkt der Schilderung wurde dem Referendariat gewidmet. Hier wollte man zu jeder Station wissen, welche Ausbildungsstation abgeleistet wurden, welche Aufgaben einem dort gestellt wurden, was man dabei gelernt hat und wie es einem gefallen habe. Auch der Umgang und positive wie negative Erlebnisse mit den Ausbildern sollte ich schildern. Hier wurde gelegentlich Bezug genommen auf die Stationszeugnisse. Dabei kam es durchaus auch zu "strengen" Nachfragen zu einzelnen Formulierungen oder Bewertungen aus den Zeugnissen. Vermeintliche Widersprüche oder Unklarheiten aus den eigenen Schilderungen im Vergleich zu den Zeugnissen oder sonstigen Bewerbungsunterlagen wurden immer sofort angesprochen und mussten aufgelöst werden.

Im Anschluss an das Durcharbeiten des eigenen Lebenslaufs begann der Hauptteil mit persönlichen Fragen zur Eignung, zu eigenen Fähigkeiten und Schwächen sowie allgemein dazu, was man als wichtige Eigenschaften und Fähigkeiten für einen Richter bezeichnen würde (natürlich stets im Abgleich zu den behaupteten eigenen Fähigkeiten). Auch wie man sich den Arbeitsalltag eines Richters vorstelle und wie man glaube, diesen bewältigen zu können, wurde thematisiert. Für mein Dafürhalten ging es darum, abzufragen, ob man ein realistisches Bild von der richterlichen Tätigkeit und dem Arbeitsaufwand besitzt und ob man überzeugend darstellen kann, dass und warum man glaubt, diesen Anforderungen gerecht werden zu können. Immer wieder wird hier auch kritisch nachgefragt, wenn man aus Sicht der Personalreferenten zu abstrakt wird oder eine Antwort aus welchen Gründen auch immer missfällt. Hier sollte man sich mE nicht aus der Ruhe bringen lassen, sondern reflektiert antworten und keinesfalls versuchen, nur nach dem Mund zu reden.

In meinem Fall lag ein Schwerpunkt vor allem auf meiner (noch) anwaltlichen Tätigkeit. Hier wurde sehr ausgiebig abgefragt, weshalb ich den Anwaltsberuf ursprünglich ergriffen habe, wieso ich nun in die Justiz wechseln wolle und woher ich wissen könne, dass ich diesen Perspektiv- und Tätigkeitswechsel beherrschen würde. Es ging dabei in erster Linie darum, dass man häufig Anwälte habe, die in der Hoffnung auf bessere Arbeitszeiten in die Justiz wechseln, nach einigen Monaten jedoch schon wieder aufhören würden, weil und wenn sie merken, dass der Arbeitsaufwand gerade am Anfang hoch ist, die Bezahlung aber nicht vergleichbar mit der aus größeren Kanzleien. Ganz offensichtlich will man diese Bewerber (nachvollziehbarer Weise) erkennen und möglichst aussortieren. Anwaltswechsler sollten daher auf diese Fragen vorbereitet sein.

Nach ca. einer Stunde wurde ich kurz hinaus gebeten. Nach etwa 10min erhält man Nachricht; in meinem Fall zum Glück eine Positive, namentlich dass sie einen dem Wahlausschuss vorschlagen wollen. Danach wird man zu einer Sachbearbeiterin gebracht, die ein wenig "Papierkram" abarbeitet, darunter die Gesundheitsbestätigung. In diesem - und nur in diesem - Abschnitt wird man wegen der Verteilung auch gefragt, ob es besondere Ortspräferenzen gebe. Diese einzuhalten könne man keinesfalls versprechen und natürlich gelte die hessenweite Einsatzbereitschaft, allerdings versuche man in der Regel, Wünsche zu berücksichtigen und oftmals funktioniere dies auch.

Sodann wird noch ein Termin beim Staatssekretär vereinbart. Auch hierbei handelt es sich um ein Gespräch; es dauert etwa 30min und wurde - in meinem Fall - in einer sehr freundlichen und angenehmen Atmosphäre geführt. Auch der Staatssekretär fragt zunächst einige persönliche Dinge aus dem eigenen Werdegang ab (Warum Jura? Welche Schwerpunkte? Warum Justiz? Welche Erfahrungen wurden bislang mit der hessischen Justiz gemacht etc.). Danach wurden zwei aktuelle rechtspolitische Themen besprochen, d.h. er spricht zunächst das Thema an (z.B. Öffentlichkeitsgrundsatz: sollte es Fernsehübertragungen von BGH-Verhandlungen geben) und fragt dann nach der eigenen Meinung. Es versteht sich von selbst, dass es hier kein richtig oder falsch gibt, sondern offenbar abgefragt werden soll, ob man einen eigenen Standpunkt erläutern kann und ob man sich Gedanken zu aktuellen rechtspolitischen Themen macht. Auch ein kurzes Fallbeispiel war Bestandteil des Gesprächs (Man sollte etwa beschreiben, wie man sich als Amtsrichter gegenüber nicht anwaltlich vertretenen Parteien verhalten würde, die sich anschreien, nicht ausreden lassen und gegenseitig beleidigen). Der Staatssekretär teil einem nach dem Gespräch kein Ergebnis o. Ä. mit.

Am Abend des nächsten Richterwahlausschusses erhält man per E-Mail kurz Nachricht, ob man bestätigt wurde. Wenn ja, wird man einige Tage später telefonisch kontaktiert. Hier erfährt man, wo man eingesetzt werden soll. Es empfiehlt sich, den/die PräsidentIn oder DirektorIn des jeweiligen AG oder LG im Vorfeld zu kontaktieren und einen Termin für ein persönliches Kennenlernen zu vereinbaren.

Insgesamt liegt der Schwerpunkt des Prozedere damit klar auf dem ersten Personalgespräch, in dem die Weichen gestellt werden. Dieses wird in durchaus kritischer Atmosphäre geführt. Es wird einem wirklich auf den Zahn gefühlt. Floskeln oder Auswendig Gelerntes sollte man sich verkneifen. Kritische Nachfragen zur eigenen Biographie und zu seinen Vorstellungen von der Richtertätigkeit dominieren das Gespräch bisweilen. Ich würde es insgesamt als fordernd, aber nicht unangenehm beschreiben. Sicherlich hängt es auch von den konkreten Personen ab.

Ob nur so viele Bewerber eingeladen werden, wie Plätze frei sind, kann ich Dir leider nicht sagen. Auch ob die Einladung, wie es manchmal heißt, schon die "halbe Miete" sei, kann ich nicht beurteilen. Ich habe allerdings auch schon mitbekommen, dass Leute, die eingeladen waren, nicht genommen wurden - ein Selbstläufer ist es also (logischerweise) nicht.

Ich wünsche allen, die sich bewerben wollen, viel Erfolg.
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Tibor
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Re: Vorstellungsgespräch Justiz Hessen

Beitrag von Tibor »

Auch dir einen herzlichen Dank für den Bericht.
"Just blame it on the guy who doesn't speak English. Ahh, Tibor, how many times you've saved my butt."
Gelöschter Nutzer

Re: Vorstellungsgespräch Justiz Hessen

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Sehr anschaulich beschrieben, FAB2016!
Ich hab richtig mitgefiebert beim Lesen. Das ging mir echt unter die Haut, wie sie Dich in die Zange nahmen. Aber hast es ja überstanden. Gratuliere!
Juristin+-
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Re: Vorstellungsgespräch Justiz Hessen

Beitrag von Juristin+- »

Vielen Dank für den ausführlichen Bericht, Fab2016! Jetzt komme ich auch endlich dazu, über meine Erfahrungen zu berichten. Im Wesentlichen lief es so ab, wie von Fab2016 beschrieben. Ich habe etwa zwei Wochen vor dem Gespräch eine Einladung per Email erhalten. Das Gespräch fand dann mit der Personalreferentin und der Gleichstellungsbeauftragten statt. Das Gespräch ging etwa 45 Minuten. Am Anfang ging es um persönliche Dinge. Warum habe ich Jura studiert? Warum möchte ich jetzt in die Justiz? Welche Eigenschaften sollte ein Richter mitbringen? Besitze ich diese Eigenschaften? Wie gehe ich mit Stress um? etc. Dann wurden einige Frage zur richterlichen Unabhängigkeit gestellt. Warum gibt es sie? Was genau sichert sie? etc. Schließlich wurde ich noch gefragt, ob ich mich für einen speziellen Bereich interessiere (Zivilgericht, Strafgericht, Staatsanwaltschaft) und ob ich örtlich Präferenzen habe. Ich wurde dann kurz hinaus gebeten und bekam nach etwa fünf Minuten direkt ein (positives) Feedback. Das Gespräch mit dem Staatssekretär lief dann ganz entspannt ab. Wir haben aktuelle politische Probleme kurz andiskutiert und das wars.

Es schien übrigens so, dass tatsächlich nur so viele Kandidaten nach Wiesbaden eingeladen werden, wie aktuell Stellen zu besetzen sind.

Auch ich wünsche allen Bewerbern viel Erfolg!
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