Kündigung Justiz

Für alle Fragen, die sich speziell für Richter, Staatsanwälte oder Verwaltungsbeamte ergeben, z.B. Bewerbung, Arbeitszeit, Laufbahnentwicklung, Wechsel des Bundeslandes oder der Gerichtsbarkeit usw.

Moderator: Verwaltung

markus87
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Re: Kündigung Justiz

Beitrag von markus87 »

Unabhängig davon, wie viel persönliches Pech der TE in seinem Umfeld hatte, sollte dir (Solar) folgendes bewusst sein:

Die Justiz ist kein Umfeld, dass die vom TE erhofften Eigenschaften fördert. Es wird -jedenfalls mittelfristig- nicht oder kaum honoriert, wenn man in der Justiz zu den "Leistungsträgern" gehört (dass "Rückgrat" nicht honoriert wird bedarf keiner gesonderten Feststellung). Im Kern ist die Justiz eine "Vetternwirtschaft" (fast alle ausgeschriebenen Stellen sind im Vorfeld schon "vergeben") und das Hauptkriterium, nach dem man beurteilt wird, ist das Dienstalter. Gerade für einen jungen Berufseinsteiger kann das schon sehr frustrierend sein. Seine Arbeit kann man sich nicht aussuchen, was die Kriterien "freies Arbeiten" und "sinnvolle Tätigkeit" zumindest teilweise ad absurdum führt. All diese Punkte, die gegen die Justiz sprechen, sprechen vielleicht auch gegen eine Großkanzlei. Das kann ich nicht beurteilen. Aber allgemein hat man in der Anwaltschaft natürlich die Möglichkeit, sich eine Stelle zu suchen, bei der man tatsächlich frei und sinnvoll arbeiten kann und Leistungen sich in beruflichem Erfolg niederschlagen. Diese Möglichkeit hat man bei der Justiz allenfalls auf sehr lange Sicht oder aber mit Glück.
sai
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Re: Kündigung Justiz

Beitrag von sai »

markus87 hat geschrieben:Unabhängig davon, wie viel persönliches Pech der TE in seinem Umfeld hatte, sollte dir (Solar) folgendes bewusst sein:

Die Justiz ist kein Umfeld, dass die vom TE erhofften Eigenschaften fördert. Es wird -jedenfalls mittelfristig- nicht oder kaum honoriert, wenn man in der Justiz zu den "Leistungsträgern" gehört (dass "Rückgrat" nicht honoriert wird bedarf keiner gesonderten Feststellung). Im Kern ist die Justiz eine "Vetternwirtschaft" (fast alle ausgeschriebenen Stellen sind im Vorfeld schon "vergeben") und das Hauptkriterium, nach dem man beurteilt wird, ist das Dienstalter. Gerade für einen jungen Berufseinsteiger kann das schon sehr frustrierend sein. Seine Arbeit kann man sich nicht aussuchen, was die Kriterien "freies Arbeiten" und "sinnvolle Tätigkeit" zumindest teilweise ad absurdum führt. All diese Punkte, die gegen die Justiz sprechen, sprechen vielleicht auch gegen eine Großkanzlei. Das kann ich nicht beurteilen. Aber allgemein hat man in der Anwaltschaft natürlich die Möglichkeit, sich eine Stelle zu suchen, bei der man tatsächlich frei und sinnvoll arbeiten kann und Leistungen sich in beruflichem Erfolg niederschlagen. Diese Möglichkeit hat man bei der Justiz allenfalls auf sehr lange Sicht oder aber mit Glück.
Völliger Quatsch. Woher nehmt ihr immer so einen Blödsinn?
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Re: Kündigung Justiz

Beitrag von julée »

markus87 hat geschrieben:Seine Arbeit kann man sich nicht aussuchen, was die Kriterien "freies Arbeiten" und "sinnvolle Tätigkeit" zumindest teilweise ad absurdum führt.
Es ist immer die Frage, was man unter "freies Arbeiten" versteht. Wer immer nur im xy-Recht arbeiten möchte und dort nur wenig Flexibilität aufbringt, wird in der Justiz eher nicht glücklich. Wer auch bereit ist, mal ein bis zwei Jahre lang ein eher ungeliebtes Rechtsgebiet zu machen, der ist - Ausnahmen mag es immer geben - sehr frei darin, wann, wie, wo er arbeitet. Und in manchen Verfahren bin ich ziemlich froh, dass ich keine der beiden Parteien vertreten, sondern die Sache allenfalls entscheiden muss. Ob eine Tätigkeit "sinnvoll" ist, wird jeder für sich beurteilen müssen. Bei Lichte betrachtet gibt es wohl überall sinnvollere und weniger sinnvollere Tätigkeiten.
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Re: Kündigung Justiz

Beitrag von Triangle »

Nur meine Nahbereichsempirie: Belohnt wird der, der keine Widerworte gibt, immer alles abnickt, abzeichnet, gegenzeichnet, mit unterschreibt. Der keine eigenen Gedanken hat und äußert und bloß nicht von dem abweicht, was "man so macht".

Gesucht wird der schnellste Weg aus den Akten und zur Erledigung, soviel ...Flexibilität...kann sich selbst ein Anwalt kaum ausdenken.
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Re: Kündigung Justiz

Beitrag von Tibor »

markus87 hat geschrieben: Hauptkriterium, nach dem man beurteilt wird, ist das Dienstalter.
Bei dir gab es Clown zum Frühstück, oder?
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Re: Kündigung Justiz

Beitrag von Tibor »

Triangle hat geschrieben:Nur meine Nahbereichsempirie: Belohnt wird der, der keine Widerworte gibt, immer alles abnickt, abzeichnet, gegenzeichnet, mit unterschreibt. Der keine eigenen Gedanken hat und äußert und bloß nicht von dem abweicht, was "man so macht".
Naja, ich glaube nicht, dass man das verallgemeinern kann. Ich weiß ja nicht wo du erprobt wurdest, aber das riecht schon arg komisch. Die Regel ist das (hallo Nahbereichsempirie) sicherlich (!) nicht.
Triangle hat geschrieben:Gesucht wird der schnellste Weg aus den Akten und zur Erledigung, soviel ...Flexibilität...kann sich selbst ein Anwalt kaum ausdenken.
Das ist nachvollziehbar, der Erledigungsdruck ist mancherorts hoch. Da man sich "die Klientel" nicht aussuchen kann, sondern der Geschäftsverteilungsplan das Äquivalent zur Anwaltswerbung in den Gelben Seiten ist, muss man sicherlich auch einiges mit Druck abarbeiten bzw. in die Erledigung treiben. Das ist für den Einzelnen sicherlich unschön, weil natürlich die Sache für den Einzelnen immer oberste Priorität hat und die höchste Eile aber genaueste Ermittlung/Recherche/Entscheidung bedarf, für das Gesamtbild (arbeitsfähige Justiz) ist es aber unabedingbar.
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Re: Kündigung Justiz

Beitrag von Kroate »

Auf welche Kriterien kommt es für die Beurteilung im Staatsdienst denn maßgeblich an? Erledigungszahlen? Fachliche Kompetenz? Wie wird die ggf. festgestellt?

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Tibor
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Re: Kündigung Justiz

Beitrag von Tibor »

Es gibt in allen Ländern Beurteilungsrichtlinien. Hier bspw. die sehr umfangreichen Ausführungen aus Bayern: http://www.gesetze-bayern.de/Content/Do ... yVwV304998
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Solar
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Re: Kündigung Justiz

Beitrag von Solar »

Vielen Dank euch. Ich sehe das zwar bisher nur von außen und bin vielleicht zu naiv und idealistisch aber ich tue mich dennoch sehr schwer damit, zu glauben, dass die allermeisten Richter und Staatsanwälte nicht doch deutlich freier und unabhängiger arbeiten als zumindest angestellte Rechtsanwälte oder Syndizi (den seltenen Partner oder Selbständigen nehme ich jetzt mal raus).

Ich kann mir zwar gut vorstellen, dass es derartige Führungsversager/Micro-Manager, wie sie thh beschrieben hat, als Ausnahmen (?) auch in der Justiz gibt. In der Regel dürfte doch aber weder bei der StA noch am Gericht ein "Vorgesetzter" die Zeit oder Lust haben, sich die "Entwürfe" der "Untergebenen" dauerhaft anzusehen, geschweige denn zu überarbeiten. Natürlich ist mir bewusst, dass das am Anfang z.B. in einer Strafkammer am LG mit wenigen Verfahren oder bei der StA schon mal vorkommen kann. Aber ernsthaft dauerhaft? Beim AG-Einzelrichter ist es ohnehin von Anfang an nicht denkbar. Auch ist mir klar, dass die Weisungsgebundenheit der StA ein Nachteil ist (deshalb will ich auch nicht langfristig bei der StA bleiben, sondern ans Gericht). Aber auch hier dürfte sich z.B. ein Strafvorschlag doch nur beschränkt auf meinen Arbeitsalltag auswirken, denn in der Verhandlung kann man ja dann doch beantragen, was man für richtig hält.

Vielleicht klammere ich mich auch blind an eine Traumvorstellung aber ich habe einfach ein massives Störgefühl bei der Einordnung "Justiz fördert Duckmäuse und erlaubt kein freies Arbeiten": Es gibt ja immer noch die verfassungsrechtlich garantierte richterliche Unabhängigkeit. Inwiefern hindert es vor diesem Hintergrund mein Fortkommen, wenn ich z.B. am AG nach Wissen und Gewissen über Fälle entscheide, die Kollegen (oder der Präsi) am selben Gericht anders entscheiden würden? Das dürfte doch für eine spätere Beförderung/Wunschstelle keine Rolle spielen - oder fließt das eurer Erfahrung nach so detailliert in die Bewertungen ein?

Aber abgesehen davon ist das doch eine reine Karrierefrage und würde nur den Satz rechtfertigen "Man kann als Richter frei arbeiten aber die Karriereaussichten sind katastrophal." Das ist kein Geheimnis und mir durchaus bewusst. Von überall bekommt man eingetrichtert: "Wenn du Karriere machen willst, geh in die Privatwirtschaft."

Diese Situation rechtfertigt aber m.E. nicht die Aussage, dass freies Arbeiten nicht möglich sei. Eingeschränkte Karriereaussichten wären für mich i.Ü. kein Kriterium, mit dem Beruf an sich unzufrieden zu sein: Mir geht es vor allem darum, dass ich im Alltag eine sinnvolle und abwechslungsreiche sowie verantwortungsvolle Aufgabe verrichten kann, ohne dass mir jemand dazwischen pfuscht/den Ton vorgibt und ich nur dem Gesetz und meinem eigenen Gewissen unterworfen bin - zumindest mittelfristig nach einer Anfangs-Lernphase. Im Übrigen freue ich mich darauf, endlich mal wieder etwas für reale Menschen zu tun, statt nur für anonyme Großkonzerne und deren Bilanzen. Der FWW-Anwalt kann das für sich zwar auch verbuchen, Unternehmen und GK aber nicht. Die Herstellung von Gerechtigkeit und Rechtsfrieden halte ich für außerordentlich sinnvoll. Und wenn dann irgendwann mal ein R2 winkt (zumindest das sollte doch beim nötigen Willen möglich sein), nehme ich das gerne an. Es ist aber kein Muss und für meine Arbeit im Alltag doch eigentlich auch egal (auch die monatlichen EUR 100 mehr auf dem Konto dürften den Kohl nicht fett machen). Das Streben nach "beruflichem Erfolg" als Teil des beruflichen Umfelds / Incentive stößt mich eher etwas ab. Wenn ich mir anschaue, wie hier jeder nach der nächsten Karrierestufe giert, dem fetteren Dienstwagen oder Handy/Tablet, wobei all das als reines Aushängeschild fungiert, wird mir ganz schlecht... Dieser Atmosphäre kann man sich aber auf Dauer gar nicht entziehen und irgendwann will man das auch. Insofern finde ich es eigentlich ganz angenehm, dass das in der Gerichtsgleichung von vornherein weitgehend fehlt.

Ich hege abgesehen davon auch sehr starke Zweifel daran, dass man als Anwalt mit Querdenken und Rückgrat weiter kommt als als Richter oder StA mit diesen Eigenschaften. Auch hier ist m.E. das Gegenteil der Fall: Partner wird sicherlich eher der speichelleckende Associate, der sich für die Zusatzarbeit am WE bedankt und auf jeder Kanzleiveranstaltung glänzt, als derjenige, der sein eigenes Ding macht und die spezifischen Kanzlei-Konventionen nicht ganz so ernst nimmt. Und bis er Partner ist, darf er sowieso rein gar nichts Bedeutendes selbst entscheiden. Im Unternehmen dürfte auch nicht gerade der Troublemaker Karriere machen, sondern eher der mit der braunen Nase.

Schließlich sind mir bislang noch kaum unsympatische oder duckmäuserische Richter/innen begegnet. Ganz im Gegenteil zu Anwälten oder Unternehmensangehörigen. Der Menschenschlag "Richter/innen" sagt mir nach bisherigen Erfahrungen deutlich mehr zu. Ich kann mich (von außen betrachtet) einfach wahnsinnig gut damit identifizieren.

Aber jetzt mal Butter bei die Fische, Triangle: Inwiefern hast du denn im ersten Jahr bereits Belohnungs-/Bestrafungsszenarien erlebt aufgrund der Abweichung/Nichtabweichung von vermeintlich erforderlicher Stromlinienförmigkeit? Ein paar (gerne auch anonymisierte) Beispiele fände ich klasse, um dein Fernweh nachvollziehen zu können. Kannst du dir nicht vorstellen, dass das bei deiner bald anstehenden nächsten Station anders wird?
Zuletzt geändert von Solar am Dienstag 23. Mai 2017, 14:52, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: Kündigung Justiz

Beitrag von Triangle »

Solar hat geschrieben: In der Regel dürfte doch aber weder bei der StA noch am Gericht ein "Vorgesetzter" die Zeit oder Lust haben, sich die "Entwürfe" der "Untergebenen" dauerhaft anzusehen,
Du unterschätzt, dass Menschen mit zuviel Zeit missgünstig, kleingeistig und neidisch werden und sich den Dreck unter den Fingernägeln nicht gönnen.
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Re: Kündigung Justiz

Beitrag von Triangle »

Solar hat geschrieben: Ich kann mich (von außen betrachtet) einfach wahnsinnig gut damit identifizieren.
Das ging mir auch mal so. :) Mittlerweile verheimliche ich meinen Beruf (stattdessen: "Jurist"), weil ich im Gottes Willen nicht in denselben Topf gehören möchte.
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Re: Kündigung Justiz

Beitrag von Solar »

Triangle hat geschrieben:Du unterschätzt, dass Menschen mit zuviel Zeit missgünstig, kleingeistig und neidisch werden und sich den Dreck unter den Fingernägeln nicht gönnen.
Aber doch nicht alle Menschen - insbesondere in der Justiz? Du hast offenbar einen der genannten Führungsversager erwischt. Was du andeutest, hört sich wirklich furchtbar düster an und Derartiges wäre für mich (auf Dauer!) auch ein Dealbreaker. Aber den hättest du doch bald hinter dir und die nächste Station sieht sicherlich ganz anders aus? Dass in der Justiz zu viel Zeit vorhanden ist, ist ja auch eher ein Ausnahmephänomen, dachte ich?
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Re: Kündigung Justiz

Beitrag von Triangle »

Na, alle doch sicher nicht. Aber eben nicht Einzelfälle, sondern ein erheblicher Anteil.

Bitte nicht Rückgrat und Art 97 GG-gedeckte Arbeit verwechseln mit dem, was in der Realität passiert: Dem Ausleben von Seltsamkeiten und Persönlichkeitsblüten, dass man nur Mitleid mit den Rechtsuchenden haben kann
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Re: Kündigung Justiz

Beitrag von thh »

markus87 hat geschrieben:Es wird -jedenfalls mittelfristig- nicht oder kaum honoriert, wenn man in der Justiz zu den "Leistungsträgern" gehört (dass "Rückgrat" nicht honoriert wird bedarf keiner gesonderten Feststellung).
IBTD. Jedenfalls die Erledigungszahlen - durchaus ein Leistungskriterium -, aber auch (in geringerem Umfang, weil schwerer "auf einen Blick" zu beurteilen) die Art der Erledigung sind ein nicht unwesentliches Beförderungskriterium.
markus87 hat geschrieben:Im Kern ist die Justiz eine "Vetternwirtschaft" (fast alle ausgeschriebenen Stellen sind im Vorfeld schon "vergeben")
Das ist nicht ganz unrichtig - entscheidend ist aber nicht zuletzt, nach welchen Kriterien diese "Vergabe" erfolgt.
markus87 hat geschrieben:und das Hauptkriterium, nach dem man beurteilt wird, ist das Dienstalter.
Gewisslich nicht. Wer etwas länger in der Justiz gewesen ist, kennt haufenweise Beispiele für sehr frühe oder sehr späte (oder auch nie erfolgende) Beförderungen.
markus87 hat geschrieben:Gerade für einen jungen Berufseinsteiger kann das schon sehr frustrierend sein.
Kommt darauf an, was man sich so vorstellt. Freilich kann sich ein Berufseinsteiger wenig aussuchen - die Proberichter sind nun einmal die "Verfügungsmasse" der personell klammen Justiz -, und freilich steht in den ersten Jahren eine Beförderung nicht an: erst einmal geht es (teilweise nach drei Jahren oder weniger, teilweise aber auch frühestens nach vier Jahren) um die Lebenszeiternennung. Erst dann kommen Beförderungen überhaupt in Betracht - für die überaus meisten, deren Karriere schon statistisch irgendwann einmal mit R2 zu enden pflegt, aber auch erst nach etlichen Jahren. Wer davon ausgeht, in den ersten fünf bis zehn Jahren seiner Tätigkeit Vorsitzender Richter am Landgericht oder Richter am OLG zu werden, hat möglicherweise etwas falsche Vorstellungen vom - zeitlichen - Gang der Dinge. Das mag vorkommen, ist aber vom Regelfall dann doch eher entfernt.
markus87 hat geschrieben:Seine Arbeit kann man sich nicht aussuchen, was die Kriterien "freies Arbeiten" und "sinnvolle Tätigkeit" zumindest teilweise ad absurdum führt.
Auch das kommt auf den Zeitrahmen an. Freilich wird man sich - von sehr großen Institutionen abgesehen - kein Spezialgebiet aussuchen und alleinig bearbeiten können, aber der Wechsel in einen bestimmten Bereich ist regelmäßig durchaus möglich; natürlich nur, wenn dort Platz ist, und natürlich nicht sofort.
markus87 hat geschrieben:Aber allgemein hat man in der Anwaltschaft natürlich die Möglichkeit, sich eine Stelle zu suchen, bei der man tatsächlich frei und sinnvoll arbeiten kann und Leistungen sich in beruflichem Erfolg niederschlagen. Diese Möglichkeit hat man bei der Justiz allenfalls auf sehr lange Sicht oder aber mit Glück.
Ich würde behaupten, dass ich den weitaus längsten Teil meiner Tätigkeit durchaus frei und auch sinnvoll arbeiten konnte - und auch in der Justiz lohnt sich Leistung. "Auf lange Sicht" ist insoweit allerdings sicher richtig - wie schon erwähnt: für die weitaus meisten Richter und Staatsanwälte wird die berufliche Tätigkeit mit R2 enden (und für einige auch im Eingangsamt). Das bedeutet bei der Staatsanwaltschaft zwei und bei Gericht eine Beförderung (soweit die Besoldungsstufe betroffen ist - man kann freilich auch den Wechsel "Richter am AG/LG" -> "Richter am OLG" -> "Vors. Richter einer kleinen Strafkammer" -> "Vors. Richter einer großen Strafkammer" jeweils als "Beförderung" ansehen, wenn sich auch monetär nach dem ersten Mal nichts ändert) über die gesamt Dienstzeit von rund 40 Jahren. Daraus ergibt sich auch, dass die Beförderungen für das Gros nicht im Dreijahresrhythmus erfolgen ...

Und wie überall hängen die herausgehobenen und Spitzenämter auch in der Justiz nicht *nur* an der Leistung. Dazu gehört auch immer ein bißchen Glück und allerlei dazu.
Deutsches Bundesrecht? https://www.buzer.de/ - tagesaktuell, samt Änderungsgesetzen und Synopsen
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Re: Kündigung Justiz

Beitrag von thh »

Solar hat geschrieben:Ich kann mir zwar gut vorstellen, dass es derartige Führungsversager/Micro-Manager, wie sie thh beschrieben hat, als Ausnahmen (?) auch in der Justiz gibt. In der Regel dürfte doch aber weder bei der StA noch am Gericht ein "Vorgesetzter" die Zeit oder Lust haben, sich die "Entwürfe" der "Untergebenen" dauerhaft anzusehen, geschweige denn zu überarbeiten.
So ist es. Wer selbst leistet, hat dafür in der Regel gar keine Zeit; wer sich ungern überarbeitet, wird sich das nicht auflasten. Ungelesen abzeichnen geht schließlich schneller.
Solar hat geschrieben:Auch ist mir klar, dass die Weisungsgebundenheit der StA ein Nachteil ist (deshalb will ich auch nicht langfristig bei der StA bleiben, sondern ans Gericht). Aber auch hier dürfte sich z.B. ein Strafvorschlag doch nur beschränkt auf meinen Arbeitsalltag auswirken, denn in der Verhandlung kann man ja dann doch beantragen, was man für richtig hält.
Die Weisungsgebundenheit der StA wirkt sich im Berufsalltag nicht aus. Mehr als eine Weisung in der Sache alle 5 Jahre - und damit sind Beschwerdeentscheidungen der GenStA schon mit erfasst - würde mich doch sehr wundern. Der Nahbereichsempirie nach liegt der Grund für häufigere Differenzen zwischen Dezernent und Gegenzeichner / Abteilungsleiter / ... regelmäßig in den Entscheidungen des Dezernenten (oder seiner Person) begründet.
Solar hat geschrieben:Vielleicht klammere ich mich auch blind an eine Traumvorstellung aber ich habe einfach ein massives Störgefühl bei der Einordnung "Justiz fördert Duckmäuse und erlaubt kein freies Arbeiten": Es gibt ja immer noch die verfassungsrechtlich garantierte richterliche Unabhängigkeit. Inwiefern hindert es vor diesem Hintergrund mein Fortkommen, wenn ich z.B. am AG nach Wissen und Gewissen über Fälle entscheide, die Kollegen (oder der Präsi) am selben Gericht anders entscheiden würden? Das dürfte doch für eine spätere Beförderung/Wunschstelle keine Rolle spielen - oder fließt das eurer Erfahrung nach so detailliert in die Bewertungen ein?
In der Regel wird das noch nicht einmal bekannt.

Andererseits ist es freilich ungut - wenn auch möglich -, vorwiegend oder gar aus Prinzip Mindermeinungen zu vertreten. Aufgrund des Instanzenzugs hilft das in der Regel niemand, erst recht nicht den Parteien, die in der nächsten Instanz zu höheren Kosten dann doch verlieren, und macht allen Beteiligten nur zusätzliche Arbeit. Nicht zuletzt hat es oft auch Gründe, warum die Mindermeinung eine Mindermeinung ist ...
Solar hat geschrieben:Aber abgesehen davon ist das doch eine reine Karrierefrage und würde nur den Satz rechtfertigen "Man kann als Richter frei arbeiten aber die Karriereaussichten sind katastrophal."
Sicher. Wer mit seiner Tätigkeit zufrieden ist, ist so frei wie nur denkbar, so dass sich selbst groben Missbräuchen kaum begegnen ließe.
Solar hat geschrieben:Mir geht es vor allem darum, dass ich im Alltag eine sinnvolle und abwechslungsreiche sowie verantwortungsvolle Aufgabe verrichten kann, ohne dass mir jemand dazwischen pfuscht/den Ton vorgibt und ich nur dem Gesetz und meinem eigenen Gewissen unterworfen bin - zumindest mittelfristig nach einer Anfangs-Lernphase.
Das einzige, was dem im Wege stehen kann, ist die normative Kraft des Faktischen. Begrenzender Faktor ist nicht die "Obrigkeit", sondern allenfalls der Arbeitsanfall, der es nicht immer und überall ermöglicht, so zu arbeiten, wie man das gerne würde.
Solar hat geschrieben:Und wenn dann irgendwann mal ein R2 winkt (zumindest das sollte doch beim nötigen Willen möglich sein), nehme ich das gerne an.
Das ist regelhaft irgendwann zwischen (kurz vor) dem 40. und (kurz nach) dem 50. Lebensjahr drin, ja - eine gewisse Grundflexibilität vorausgesetzt.
Solar hat geschrieben:Es ist aber kein Muss und für meine Arbeit im Alltag doch eigentlich auch egal (auch die monatlichen EUR 100 mehr auf dem Konto dürften den Kohl nicht fett machen).
Es sind eher 200-300, aber ja, davon wird man jetzt auch nicht reich.
Solar hat geschrieben:Wenn ich mir anschaue, wie hier jeder nach der nächsten Karrierestufe giert, dem fetteren Dienstwagen oder Handy/Tablet, wobei all das als reines Aushängeschild fungiert, wird mir ganz schlecht...
Zumindest das Problem hättest Du in der Justiz nicht. :) Die Karrierestufen sind übersichtlich, einen Dienstwagen gibt es gar nicht, und ein Handy/Tablet(/Laptop) nur im Ausnahmefall und dann eben das, was jeder in dieser Funktion erhält.
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