Thandor79 hat geschrieben:
Was mich mal interessieren würde: Wie geht ihr eigentlich damit um, den Punkt erreicht zu haben, den man realistisch in der Karriere erreichen wird?
Das ist eine Frage, die ich mir - ehrlich gesagt - bisher so nicht gestellt habe.
Ich habe eine Tätigkeit gefunden, die mir - neben dem alltäglichen Stress und immer mal auftretenden Frust, den es in jeder beruflichen Tätigkeit so geben dürfte - viel Spaß macht und auch nach mehr als einem Jahrzehnt noch neue, interessante Fallgestaltungen und Rechtsfragen bietet (wenn man sich denn damit beschäftigen möchte und nicht nur danach schaut, wie man Verfahren möglichst schnell möglichst ohne jeden Aufwand "totmacht").
Freilich muss das nicht heißen, dass ich das die nächsten 20-25 Jahre weitermachen möchte; vielleicht kommt mal der Punkt, an dem es etwas Neues sein soll. Aber jedenfalls derzeit ist dieser Zeitpunkt für mich noch nicht gekommen, obschon man mir Beförderungsstellen bereits angeboten hat.
Ich glaube, dass man sich irgendwann einmal - und, realistisch betrachtet, vergleichsweise früh - entscheiden muss, was man sich als Ziel setzt: Soll es primär die Karriere und damit das möglichst schnelle Erreichen eines möglichst hohen Beförderungsamtes sein? Oder sucht man primär eine erfüllende Tätigkeit? (Beides kann miteinander einhergehen - wer vielseitig interessiert ist und immer wieder neue Herausforderungen sucht, wird - wenn er diese denn auch meistert - zeitnahe Beförderungen meist gar nicht vermeiden können. Oft aber stehen sich der Wunsch, eine Sache richtig, mit jahrelanger Erfahrung und dann auch langfristig mit Freude zu betreiben, und der Wunsch nach baldmöglichster Beförderung gegenüber.)
Thandor79 hat geschrieben:
In der Schule, im Studium und auch im Ref war immer klar, dass man sich anstrengen muss, um die nächste Stufe zu erklimmen und irgendwann dann (hoffentlich) das jeweils gesteckte Ziel zu erreichen, von dem man dann wieder weiterlaufen muss zum nächsten Ziel.
Freilich - wobei ich mich auch da neben der fachlichen Tätigkeit intensiv (vielleicht intensiver als der Zielerreichung guttat) mit Hobbys und anderen Interessen beschäftigt habe.
Das ist aber einer Ausbildung (und ggf. einer Probezeit) eigentümlich - dieses Bemühen um einen möglichst guten Abschluss muss sich im Beruf nicht zwingend fortsetzen. Ich würde sogar sagen: wozu? Ein gutes Abschneiden ist ja - zumeist - kein Selbstzweck.
Thandor79 hat geschrieben:
Was kommt weiß man nie, aber man trifft eben zB Kollegen, die dasselbe seit 20 Jahren machen.
Auch das ist aber kein Muss - es geht freilich nicht immer konstant nach oben weiter, aber durchaus zur Seite. Die wenigsten
müssen 20, 30, 40 Jahre dasselbe machen.
Thandor79 hat geschrieben:
Die ersten Jahre im Job, klar, muss man erstmal fast wie bisher weiter schuften und Praxis lernen, die Probezeit überstehen, sich an verschiedenen Stellen einarbeiten ect.
Das ist einerseits richtig; andererseits erscheint mir der Unterschied gar nicht gar so groß. Klar, man wird besser in dem, was man tut, man braucht weniger Zeit, man lernt nicht mehr so viel sondern "lehrt" vielmehr, ist nicht mehr der, der immer um Rat fragen muss (fragt aber oft genug dennoch), sondern mehr der, der um Rat gefragt wird, aber meistens ist immer noch viel Luft nach oben, was die Bearbeitungsqualität und -tiefe betrifft, und Gelegenheit zur Übernahme zusätzlicher Aufgaben.
Thandor79 hat geschrieben:
Es ist immer noch sehr viel, aber es ist eben nicht mehr Lernen (der Arbeit), es ist einfach Arbeit, die erledigt werden muss. Es ist vermutlich innerlich ein Umschalten von Studi-Modus auf Fließband Modus erforderlich.
Das würde ich gar nicht so sehr sagen; es hängt aber sicher auch an der konkreten Tätigkeit. Ich würde sogar sagen, dass ich am Anfang meiner Tätigkeit mehr Fließbandarbeit hatte als später ...
Thandor79 hat geschrieben:
Oder haben Richter doch immer wieder Neues?
Das erscheint mir sehr an der konkreten Tätigkeit zu hängen (die man sich begrenzt, aber mit der Zeit dann meist doch aussuchen kann).
Für Richter mag ich das nicht beurteilen; für die staatsanwaltschaftliche Tätigkeit gibt es - je nach Arbeitsbereich - jedenfalls immer wieder neues und durchaus Gelegenheit zum Wechsel. Auch richterliche Arbeitsbereiche unterscheiden sich ja: das Zivil- vom Familien- oder Strafrecht, die Tätigkeit am Amts- von der am Landgericht (insbesondere im Strafrecht, weil landrichterliche Tätigkeit sich dort auf die Mit- und Zuarbeit in der Kammer beschränkt, am Amtsgericht aber der Vorsitz geführt wird).
Außerdem gibt es vielfältige Sonderverwendungen (Referendarausbildung, Prüfertätigkeit, Verwaltungstätigkeit, spezielle Rechtsgebiete (Rechtshilfe bspw.), Pressesprecher, Abordnungen an oberste Landesbehörden oder oberste Bundesgerichte oder in Spezialverwendungen, bspw. im IT-Bereich) und die Möglichkeit fachlich orientierter Nebentätigkeiten (als Autor, als Referent in- und außerhalb der Justiz, als Schiedsrichter, ...).