Unterschied in Kauf genommen/billigend inKauf genommen

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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Gelöschter Nutzer

Unterschied in Kauf genommen/billigend inKauf genommen

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Hallo,

mich beschäftigt die Frage ob ich Eventualvorsatz verneinen kann wenn im SV steht dass der Täter tödliche Verletzungen in Kauf genommen hat. Besteht ein Unterschied wenn er sie in Kauf nimmt und wenn er sie billigend in Kauf nimmt?? Ich würde in Bezug auf die hohe Hemmschwelle bei Tötungsdelikten und auf Grund des interessanteren Lösungsweges dolus eventualis verneinen eben weil das billigend fehlt.

Wie seht Ihr das??
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madcats5
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Beitrag von madcats5 »

also ich würde nicht sagen, dass da ein Unterschied besteht. Wenn A auf B schießt um ihm aus Rache die die Schulterblätter zu zerdeppern, aber dabei in Kauf nimmt das Herz zu treffen und ihn mithin zu töten handelt er mE mit Eventualvorsatz, da er 1. die Gefahr erkennt (also entweder bew. Fahrlässigkeit oder dolus eventualis) und dabei in Kauf nimmt den anderen zu töten (und eben gerade nicht auf das ausbleiben der Tötungserfolgs vertraut-> somit scheidet bew. Fahrlässigkeit aus)

Ich würde sowieso sagen, dass das "billigend" nur bekräftigen soll, dass er auch die schwerer Folge akzeptieren würde und das tut er doch in deinem SV.
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bilguer
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Beitrag von bilguer »

SV steht dass der Täter tödliche Verletzungen in Kauf genommen hat
Das ist im SV regelmäßig der Wink mit dem Zaunpfahl, dass Vorsatz anzunehmen ist.

Gruß
bilguer
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Denke auch, dass der Klausurensteller kaum deutlicher auf dol. eventualis hinweisen kann, als mit dieser Formulierung.

Im Übrigen halte ich es bei "normalen" Uni-Fällen oder "normalen" Fällen im 1. StEx für glatt falsch, wenn man hier das Wort "Hemmschwelle" auch nur in den Mund nimmt. Der Schluss von irgendwelchen im SV genannten Umständen auf Billigungswillen (unter Berücksichtigung der hohen Hemmschwelle bei Tötungsdelikten) ist nichts anderes als ein Schluss von vorgegebenen Tatsachen auf andere (innere) Tatsachen und das ist nichts anderes als eine Beweiswürdigung. Beweiswürdigung ist aber an der Uni und im 1. StEx streng verboten, wenn sich aus der Fallangabe nicht eindeutig was anderes ergibt. Sprich, der SV ist so hinzunehmen, wie er ist. Wenn im SV aber nichts zu dem steht, was der Täter gedacht hat und sich dies auch nicht aus einer (erlaubten) lebensnahen Auslegung der Fallangabe ergibt, muss man mE Vorsatz schlicht verneinen, weil der SV insoweit nichts hergibt, er ist halt unvollständig. Diese Lücke kann und darf man meiner Meinung nach nicht durch eine Beweiswürdigung selber schließen, es sei denn, es ist ausdrücklich verlangt.
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BuggerT
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Beitrag von BuggerT »

Kann da nur zustimmen. Wieso sollte der Klausursteller sonst diese Formulierung wählen?


grtz
BuggerT
raskolnikov
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Beitrag von raskolnikov »

Kann ghostwriter nur zustimmen. Die Hemmschwellentheorie ist ein reines Problem der Praxis. Und auch da nicht wirklich: Man kann manchmal nur staunen, wie weit Schwurgerichte den bedingten Tötungsvorsatz ausdehnen.
Und zwischen "in Kauf nehmen" und "billigend in Kauf" nehmen sehe ich keinen Unterschied.
Fluffy
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Beitrag von Fluffy »

Wenn im SV jedoch steht, dass der Täter besonders aufgeregt ist, meint keine andere Wahl zu haben als zu schiessen und dabei zu riskieren dass eine Todesfolge eintreten könnte, ist die Lage ob dolus eventualis oder bewusste Fahrlässigkeit jedoch nicht so deutlich oder ?

Direkt billigend in Kauf genommen hat er den Erfolgseintritt ja nicht, er hat zwar das Wissen, jedoch nicht das Wollenselement - oder wäre es "falsch" dieser Theorie zu folgen und bei einem SV wie meinem wo nicht ausdrücklich der Satz "(billigend) in Kauf genommen" steht auch schon eindeutig für dolus eventualis zu tendieren, da es einfach zu eindeutig ist, weil: riskieren = in Kauf nehmen ? :-s
Gelöschter Nutzer

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Fluffy hat geschrieben:Wenn im SV jedoch steht, dass der Täter besonders aufgeregt ist, meint keine andere Wahl zu haben als zu schiessen und dabei zu riskieren dass eine Todesfolge eintreten könnte, ist die Lage ob dolus eventualis oder bewusste Fahrlässigkeit jedoch nicht so deutlich oder ?
Korrekt müsste man den Fall mE so lösen, dass man dolus eventualis verneint, weil dazu, ob der Täter den Erfolg billigend in Kauf genommen hat, im SV schlicht nichts steht und ich dies daher nicht unterstellen darf. Dass der Täter den Erfolg "riskiert" bedeutet maW, dass er das Risiko eingeht, sprich er ist sich der Gefahr bewusst. Das heißt aber nur, dass er den Erfolg als möglich voraussieht (=Wissenselement). "Riskieren" bedeutet aber noch nicht auch "billigen".

Diskutieren könnte und müsste man mE die Rechtsfrage, ob das Wissenselement für Vorsatz ausreicht (Stichwort: Möglichkeitstheorie, Wahrscheinlichkeitstheorie etc.). Lehne ich dies ab, muss ich dolus eventualis ablehnen.

In der Klausur nicht zulässig wäre dagegen die Erörterung der Tatsachenfrage, ob man vom Vorliegen des Gefahrbewusstseins beim Täter auf das Willenselement, also ein billigendes in Kauf nehmen schließen kann. Und zwar lehne ich einen solchen Rückschluss nicht deshalb ab, weil hohe Hemmschwelle und Blablabla, sondern es ist mE streng verboten, solche Erwägungen in der Klausur überhaupt anzustellen. Ich darf und muss in der Klausur subsumieren (und dabei auch den Lebenssachverhalt auslegen), sobald die Klausur aber zu einem Punkt schlicht nichts mehr hergibt, ist Schluss.

Leider denken nicht alle so weit mit und manche Klausurenersteller machen bewusst Klausuren, die es ihrer Meinung nach mit der Hemmschwellentheorie zu "lösen" gilt. Eine findet sich z.B. in einem "Die Fälle" vom FallFallag, weiß grad nur nicht, in welchem Band. Wahrscheinlich meinen die, nur weil es eine "Hemmschwellentheorie" gibt, eignet sich die auch zum Einbau in eine theoretische Klausur. Aber abgesehen davon, dass man in der Klausur keine Beweiswürdigung vornehmen darf, ist dies vernünftig letztlich aufgrund ein paar spärlichen Angaben im SV auch gar nicht möglich. Schließlich scheitert eine Beweiswürdigung rein auf dem Papier auch schon am prozessualen Unmittelbarkeits- und Mündlichkeitsprinzip.
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bilguer
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Beitrag von bilguer »

Ich weiß jetzt nicht, in welchem Schwieirgkeitsbereich sich Deine Studien gerade bewegen, daher jetzt nur beispielhaft:

Wenn ein solches Problem in den ersten Semestern auftreten, dann wird es erwartet, dass die Studenten sich mit der Abgrenzungsproblematik Vorsatz / Fahrlässigkeit intensiv auseinandersetzen. Das Ergebnis ist letztlich gleich solange der Weg dorthin vernünftig begründet wird.

Gruß
bilguer
Fluffy
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Beitrag von Fluffy »

bilguer hat geschrieben:Ich weiß jetzt nicht, in welchem Schwieirgkeitsbereich sich Deine Studien gerade bewegen, daher jetzt nur beispielhaft:

Wenn ein solches Problem in den ersten Semestern auftreten, dann wird es erwartet, dass die Studenten sich mit der Abgrenzungsproblematik Vorsatz / Fahrlässigkeit intensiv auseinandersetzen. Das Ergebnis ist letztlich gleich solange der Weg dorthin vernünftig begründet wird.

Gruß
bilguer
Ja, das Problem tritt jetzt in einer HA nachm ersten Semester auf.

Allerdings ist das Ergebnis ja nicht gleich: Würde ich mich für dolus eventualis entscheiden ginge die Prüfung ja noch weiter - bei bewusster Fahrlässigkeit würde die Prüfung an der Stelle ja dann abbrechen.
Meine Überlegungen schwanken immer hin und her und ich finde es sehr schwierig hier zu sagen "ganz klar, dass ist das und das", da ich den Text etwas unglücklich formuliert finde mit dem Wort "riskiert". Ich habe auch schon viele Fälle gelesen bezüglich der Abgrenzung dolus eventualis und bewusste Fahrlässigkeit, aber irgendwie war es in den meisten da immer eindeutig durch Wörter wie "in Kauf nehmen" und ich bin halt nicht sicher wie "riskieren" anzusetzen ist. Denn wenn man sich mal überlegt "ich riskiere etwas" oder "ich nehme etwas in Kauf"...ich sehe da irgendwie dann auch nicht so den Unterschied, von daher dann wieder als Vermutung: dolus eventualis. :-s
Taktisch klug rangehen bringt irgendwie auch nichts: bei dolus eventualis würde die Prüfung weitergehen (nimmt noch einiges an wertvollem Platz in der HA weg) und man würde den Täter zwar auf Rechtswidrigkeitsebene letzlich raushauen, ABER dagegen steht auch dass Rechtfertigungsgründe in einem anderen Delikt eh nochmal drankommen und vllt gerade daher in diesem Delikt Abbruch im subjektiven Tatbestand "sinnvoll" erscheint indem man sich für bewusste Fahrlässigkeit entscheidet. :-k

Ach das ist vielleicht ein Mist.....! :--
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bilguer
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Beitrag von bilguer »

Wenn ich mich richtig erinnere, dann fgeht es um tödliche Verletzungen, so dass eine durchaus interessante Diskussion um 212, 222, 227 möglich ist.

Gruß
bilguer
Fluffy
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Beitrag von Fluffy »

bilguer hat geschrieben:Wenn ich mich richtig erinnere, dann fgeht es um tödliche Verletzungen, so dass eine durchaus interessante Diskussion um 212, 222, 227 möglich ist.

Gruß
bilguer
Tödliche Verletzung nicht wirklich, die Person wurde nicht getroffen (Versuch 212), eigentlich sollte auch etwas anderes getroffen werden.
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