Bundesstaatsanwalt / "Potsdam"

Straf-, Strafprozeß- und Ordnungswidrigkeitenrecht sowie Kriminologie

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Vmax777
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Bundesstaatsanwalt / "Potsdam"

Beitrag von Vmax777 »

Ich hatte noch kein StPO, daher bitte ich um Nachsicht, falls meine Frage vielleicht doof ist: wieso kann der Bundesstaatsawalt sich die beiden mutmaßlichen Täter des versuchten Mordes des "Potsdam"-Falles nach Karlsruhe "einladen"? Vor allen Dingen: heisst das, dieser Fall wird dann gleich vor dem BGH verhandelt? Dann wäre das ja letzte Instanz und keine Berufung möglich?!
Kann mir das jemand kurz erläutern?
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Bonnvoyage
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Beitrag von Bonnvoyage »

Dann wirf mal einen Blick in § 120 GVG. Danach weißt du, welches Gericht überhaupt zuständig wäre, wenn die Bundesanwaltschaft nicht eingeschritten wäre. Und danach schaust du mal in § 142a GVG (wie du siehst, wurde der nachträglich eingefügt). Aus § 142a GVG ergibt sich eine Sonderzuständigkeit. Alles weitere kannst du den Normen entnehmen.

Bei Fragen, einfach fragen :)

Bonni
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Vmax777
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Beitrag von Vmax777 »

Vielen Dank für den Hinweis!
also...
OLG Brandenburg wäre nach § 120 GVG II Nr. 2 zuständig da es um Mord(-versuch) geht; wenn eine besondere Bedeutung des Falles nicht vorläge, würde bei der Eröffnung des Hauptverfahrens ans Landgericht verwiesen. Eine besondere Bedeutung scheint vorzuliegen, sonst hätte sich Hr. Nehm nicht der Angelegenheit angenommen.
Nach § 142a übernimmt der Bundesstaatsanwalt die Funktion der Staatsanwaltschaft beim OLG Brandenburg - ?
hhmmm, ganz klar ist mir das noch nicht. Findet der Prozess beim OLG Brandenburg statt, mit Hr. Nehm?
Und noch 'ne Frage, bei der ich (noch) nicht weiß, wo ich die Antwort finde: angenommen die beiden Verdächtigen werden bald angeklagt, kann ja nach derzeitiger Lage "nur" (zum Glück, nicht falsch verstehen!) wegen Mordversuch angeklagt werden. Gibt es eine Art Frist, wie lange gewartet wird, bevor klar ist, ob es beim Versuch bleibt oder aufgrund veränderter Umstände doch Anklage wg. vollendetem Mord erhoben werden müsste? Hoffe das klingt nicht kaltherzig, mich hat die aktuelle Situation auf die Frage gebracht, auf die es ja auch bestimmt eine gesetzliche geregelte Antwort gibt. Gern auch wieder zum "selbersuchen. Bonni?!
"Kindergartenkind behauptet, es hiesse "Pirschelbär". Anruf bei Eltern ergibt: der Junge heisst "Pierre-Gilbert"..."
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Bonnvoyage
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Beitrag von Bonnvoyage »

Vmax777 hat geschrieben:Vielen Dank für den Hinweis!
also...
OLG Brandenburg wäre nach § 120 GVG II Nr. 2 zuständig da es um Mord(-versuch) geht; wenn eine besondere Bedeutung des Falles nicht vorläge, würde bei der Eröffnung des Hauptverfahrens ans Landgericht verwiesen. Eine besondere Bedeutung scheint vorzuliegen, sonst hätte sich Hr. Nehm nicht der Angelegenheit angenommen.
Ja genau. Eigentlich gilt § 120 I GVG nur bei den sog. Staatsschutzdelikten. § 120 II GVG erfasst dann noch zusätzlich die Taten, die den Bestand der BRD gefährden können. Hierzu zählen besonders auch rechtsradikale Taten. Deshalb ist der Herr Nehm dort auch eingeschritten. Zum Nachlesen, ein "ähnlicher" Fall bzw. das Urteil [BGHSt, 46, 238]: http://lexetius.com/2000,3154
Vmax777 hat geschrieben: Nach § 142a übernimmt der Bundesstaatsanwalt die Funktion der Staatsanwaltschaft beim OLG Brandenburg - ?
Ja.
Vmax777 hat geschrieben: hhmmm, ganz klar ist mir das noch nicht. Findet der Prozess beim OLG Brandenburg statt, mit Hr. Nehm?
Ja, er kann das praktisch "kassieren".
Vmax777 hat geschrieben: Und noch 'ne Frage, bei der ich (noch) nicht weiß, wo ich die Antwort finde: angenommen die beiden Verdächtigen werden bald angeklagt, kann ja nach derzeitiger Lage "nur" (zum Glück, nicht falsch verstehen!) wegen Mordversuch angeklagt werden. Gibt es eine Art Frist, wie lange gewartet wird, bevor klar ist, ob es beim Versuch bleibt oder aufgrund veränderter Umstände doch Anklage wg. vollendetem Mord erhoben werden müsste? Hoffe das klingt nicht kaltherzig, mich hat die aktuelle Situation auf die Frage gebracht, auf die es ja auch bestimmt eine gesetzliche geregelte Antwort gibt. Gern auch wieder zum "selbersuchen. Bonni?!
Urteile sind endgültig und abschließend. Es gibt ein paar Ausnahmen, wie z.B. die Wiederaufnahme, §§ 359ff., nach denen ein Verfahren nochmal
aufgerollt werden kann.
Ich glaube Roxin vertritt zwar noch die Meinung, dass in solch einem Fall eine Ergänzungsklage zulässig wäre, was aber zu einer nicht rechtmässigen Rechtskraftdurchbrechung führen würde.
D.h. nun für deinen Fall: Wenn du einmal wegen versuchten Mordes verurteilt wurdest, dann "hast du Glück gehabt", wenn dein Opfer wirklich sterben sollte.

Hab gerade nochwas gefunden:

http://morgenpost.berlin1.de/content/2002/08/30/politik/545208.html?redirID (Verwaister Link automatisch entfernt)

Damals hat Hr. Nehm auch die Anklage geleitet. Vielleicht erinnerst du dich ja.

Der Ermittlungsrichter der nun eingeschaltet wurde, ist notwendig, weil die Täter wohl nun in U-Haft genommen werden/genommen wurden und über solch ein Zwangsmittel kann nur ein Ermittlungsrichter entscheiden (Grundrechtseingriff, Art. 104 II GG). Der E-Richter kommt übrigens vom BGH, weil der Generalbundesanwalt hier tätig wird. Ansonsten wird ein E-Richter am AG oder LG eingeschaltet.


Bonni
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Vmax777
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Beitrag von Vmax777 »

vielen Dank Bonni! Wieder was gelernt!
Zu der "Frist":
Unser Prof, der gern mal aktuelle Themen anspricht (er hat das Thema dann nicht vertieft, da er meinte, ohne dass wir prozessuale Kenntnisse haben, ist das nicht sinnvoll) meinte halt, dass das Verfahren noch nicht eröffnet wird, solange unklar ist, was mit dem Opfer ist. Macht ja prozesstechnisch auch Sinn, allerdings habe ich mich gefragt, ob es Fristen gibt, wie lange man da wartet.
Ich drück auf jeden Fall dem Opfer die Daumen, dass es nur versuchter Mord wird, scheint ihm ja schon wieder ein wenig besser zu gehen.
Der ganze Fall an sich ist ja aus juristischer wie aus politischer Warte interessant; wie ist das denn wenn sich doch kein rechtsradikaler Hintergrund herausstellen würde, hätte Hr. Nehm dann seine Kompetenzen überschritten? Sicher nicht, oder? Du schriebst ja auch von "Sicherheit gefährden", da müsste das ja ausreichen. Oder muss es wirkliche eine rechtsradikale Tat sein?
Und wer hier wen wegen voreiliger bzw. andererseits beschönigender Aussagen angreift, ist ja auch noch ein Thema für sich...
Auf jeden Fall interessant, mit Dir zu "plaudern"
Schönen Abend wünscht
Vmax
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