Angebot: Soll ich es wirklich tun?

Für alle Fragen, die sich speziell für Richter, Staatsanwälte oder Verwaltungsbeamte ergeben, z.B. Bewerbung, Arbeitszeit, Laufbahnentwicklung, Wechsel des Bundeslandes oder der Gerichtsbarkeit usw.

Moderator: Verwaltung

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Gelöschter Nutzer

Angebot: Soll ich es wirklich tun?

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Guten Abend,
ich habe mich in diesem Forum angemeldet, da sich für mich die Möglichkeit der Einstellung der Richterin auf Probe ergeben hat. Ich habe schon früh im Referendariat gemerkt, dass der Richterjob das ist, was ich machen möchte. Um es kurz zu fassen: Ich möchte mich nicht für einen Mandanten verbiegen und ellenlange Schriftsätze verfassen, um eine dritte Person von meinem Recht zu überzeugen. Nein, ich will diejenige sein, die entscheidet und die das Recht im Prozess so anwendet, wie es verstanden werden will und nicht wie es der Mandant möchte.
Ich finde auch die Bezahlung in der Justiz für mich völlig ausreichend. Für den Anteil an mehr netto-Einkommen, verkaufe ich meine Seele sicher nicht an eine GK! ;)

Nur jetzt, da ich nur noch zusagen brauche, beschäftigt mich plötzlich etwas ganz besonders: Die Karrieremöglichkeiten. Mir fielen nun plötzlich nach dem Angebot die Worte einer ehemaligen Ausbilderin von mir aus dem Referendariat ein: Als Richter verzichtet man auf allzu hohe Aufstiegschancen!
Ich weiß ja von den Möglichkeiten an Abordnungen etc. Aber in erster Linie möchte ich Richterin sein und nicht Referentin im BMJ o.ä.
Aber wie sind denn die Möglichkeiten, dass man auch irgend einmal vom Amtsgericht wegkommt? Wie sind die Chancen bei Ehrgeiz und gewisser Qualität einmal ans LG zu kommen oder gar ans OLG?
Dann beschäftigt mich noch zusätzlich: Wie sehr kann ich auch Einfluss später auf meine Verwendung nehmen: Muss ich 20 Jahre lang Familienrecht sprechen, obwohl ich lieber Insolvenzrecht machen würde etc pp.?

Irgendwie fühle ich mich momentan total unsicher und es wäre schön, wenn ihr mir helfen könntet!
Danke!
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Jussi Cogens
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Re: Angebot: Soll ich es wirklich tun?

Beitrag von Jussi Cogens »

Memminghaus hat geschrieben: Aber wie sind denn die Möglichkeiten, dass man auch irgend einmal vom Amtsgericht wegkommt? Wie sind die Chancen bei Ehrgeiz und gewisser Qualität einmal ans LG zu kommen oder gar ans OLG?
Dann beschäftigt mich noch zusätzlich: Wie sehr kann ich auch Einfluss später auf meine Verwendung nehmen: Muss ich 20 Jahre lang Familienrecht sprechen, obwohl ich lieber Insolvenzrecht machen würde etc pp.?
RiLG ist kein Beförderungsamt über dem RiAG, sondern eine Frage der Planstelle und damit, jedenfalls auch, des persönlichen Geschmacks. Für die Aufstiegschancen allgemein gilt sicherlich, dass sie nicht ganz so prall sind, aber auch da gibt es immer Ausnahmen, d.h. zB DirAGs oder RiOLGs, die noch keine 45 Jahre alt sind und es zudem ohne Parteibuch bzw. Funktionärsamt in einem der Berufsverbände nach oben geschafft haben.

Wie die Geschäftsverteilung zu Stande kommt, regelt das § 21e GVG. Auch insoweit kommt es auf das jeweilige Gericht an, ob Wünsche nach Möglichkeit erfüllt werden oder ob es Erbhöfe für die einen, Höllendezernate für die anderen gibt.
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non-liquet
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Re: Angebot: Soll ich es wirklich tun?

Beitrag von non-liquet »

Um die Frage aus dem Betreff zu beantworten: Ja, Du sollst das tun.

Ich würde Dir empfehlen, Dir zunächst einmal nicht zu viel Gedanken um Karriereaussichten zu machen, sondern erst einmal in den Betrieb hineinzukommen und Dir im ersten Schritt die verschiedenen Tätigkeitsbereiche anzuschauen, die Dir im Laufe der Probezeit begegnen. Du wirst dann recht schnell merken, ob Du lieber als Einzelkämpfer tätig bist - dann ist das AG der richtige Ort - oder ob Dir die Tätigkeit in einem Spruchkörper lieber ist - dann wäre wohl das LG der richtige Ort. Oder die StA fasziniert Dich derart, dass Du da nicht mehr weg willst.

Was die weitere Entwicklung abgeht, kann man es auf den Nenner bringen "ohne Abordnung keine Karriere". Zum einen läuft praktisch nichts ohne die Erprobungsabordnung ans OLG (GenStA, LSG, VGH usw.), deren Ergebnis darüber entscheidet, ob man für eine Stelle an einem höheren Gericht oder als OStA/VRiLG in Frage kommt. Zum anderen sind viele Leute, die ein Funktionsamt (Direktor oder Präsident eines Gerichts) übernehmen, vorher eine Zeit lang ins Justizministerium abgeordnet gewesen. Ob man so ein Fortkommen dann will, hängt dann auch sehr von einem selber ab. Es gibt gar nicht so wenige Kollegen, die das gar nicht anstreben.
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batman
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Re: Angebot: Soll ich es wirklich tun?

Beitrag von batman »

Wenn Du noch Dein Bundesland bzw. OLG-Bezirk preisgibst, findet sich vielleicht ein Kollege, der von "vor Ort" berichten kann. In Bayern bspw. gibt es die von non-liquet beschriebene OLG-Erprobung nicht.
Dritter Senat
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Re: Angebot: Soll ich es wirklich tun?

Beitrag von Dritter Senat »

Wenn du schon längst genau weißt, dass Richter dein Job ist, hast du doch eigentlich kein Problem, oder? Sondern wahrscheinlich ein bisschen kalte Füße. Ist doch klar, dass gerade bei den Richtern die Luft nach oben hin immer dünner wird, aber das heißt ja nicht, dass man nicht aufsteigen kann. Ich meine deshalb wie non-liquet: Greif zu, dann wirst du sehen, wie es läuft.
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strafrechtler
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Re: Angebot: Soll ich es wirklich tun?

Beitrag von strafrechtler »

Da die Zahl der schon von non-liquet erwähnten Kollegen, die (beispielsweise) mit Ihrem Amtsrichterdezernat extrem zufrieden sind und glauben - ob zu Recht oder zu Unrecht -, dass Aufstieg und Unabhängigkeit nicht miteinander zu vereinbaren sind, recht groß ist, sind die Chancen mE jedenfalls besser, als man auf den ersten Blick denken könnte, jedenfalls bis zu R2 (was ja am AG beispielsweise auch ein "normales" Dezernat mit Verwaltungs-/Dienstaufsichtsaufgaben ist). Es ist auch die Frage, ob man möglichst weit "hoch" kommen möchte, oder ob es einem "genügt", dorthin zu kommen, wo sich der Schwerpunkt auf die Rechtsfragen verschiebt (RiOLG = R2). Da habe ich erst recht den Eindruck, dass es nicht wenigen davor eher graust. Im Übrigen kann ich mich nur anschließen, die Antwort lautet "Ja!"
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