"Gegenstand der Einstellungsgespräche sind folgende Eigenschaften und Fähigkeiten:
- Leistungsbereitschaft und Belastbarkeit
- Identifikation mit dem Auftrag der Justiz
- Fähigkeit zum Verhandeln und Ausgleich
- Konflikt- und Entschlussfähigkeit
- Kooperationsfähigkeit
- Soziales Verständnis
- Gerechtigkeitssinn
- Verantwortungsbewusste Machtausübung."
Gerade das Merkmal der Indentifikation wird nach meinem Eindruck für nicht wenige Bewerber zum Stolperstein. Die Handhabung dieses Kriteriums möchte ich zum Anlass für einige kritische Anmerkungen nehmen.
Schon ein früherer Thread zu diesem Thema (http://forum.jurawelt.com/viewtopic.php ... &sk=t&sd=a) ließ aufhorchen, wobei die Angaben dieser Nutzer meinerseits nicht überprüfbar sind:
Ein Nutzer schrieb:
Und ein Nutzerin:Das kenn ich irgendwoher. Bei mir hat die Wahlstation in einer Bundesoberbehörde, um Zweifel an meinem festen Willen aufkommen zu lassen. Diese konnte ich nicht mehr ausräumen. Eine Wahlstation bei OLG oder StA hat sich da bei mir im Bekanntenkreis als durchaus nützlich erwiesen.
Nun haben zuletzt zwei Fälle aus meinem Bekanntenkreis (Nds.) diese sehr streng, oder sagen wir besser: eigenwillig gehandhabte Anwendung des "Indentifikations-Kriterium" nach dem, was mir berichtet wurde, bestätigt. Sie wurden trotz Doppel-Prädikat nicht genommen. Notenmäßig schlechtere Absolventen wurden bevorzugt. Wiederum war - nach Aussage der Bekannten - eine etwas fernab der Justiz liegende Schwerpunktsetzung im Studium und/oder Ref. mit eher rechtsberatenden Ansätzen ein echtes Hindernis (mehr kann und möchte ich hier nicht sagen, da bei genauerer Beschreibung der Tätigkeiten der Kollegen diese ggf. identifizierbar wären). Für einen dieser mir bekannten Mitreferendare hat sich diese Ablehnung mittlerweile zu einem regelrechten Trauma entwickelt. Er war (im Studium wie in den Referendararbeitsgemeinschaften) ein wirklich immer sehr überzeugend, lebensnah argumentierender Jurist, der es auch zu guten Noten gebracht hat. Das Unverständnis ("Kopfschütteln") unter den Mitreferendaren über sein Scheitern im Auswahlverfahren ist groß, weil er genau der eigenständig denkende, verantwortungsvolle "Typ Mensch" ist, dem "man" ein Richteramt zutraut.Ich war gestern in Celle. [...] Jedenfalls hats bei mir nicht geklappt (man konnte nicht feststellen, dass ich persönlich wirklich Richterin werden wolle/offensichtlich fehlende Indetifizierung mit dem Auftrag der Justiz). Ich war vorher drei Jahre Anwältin und ich hatte den Eindruck, dass man sich ganz besonders rechfertigen muss, wenn man vorher länger Anwalt war. Der Hinweis, dass man als Anwalt nur beraten kann, aber immer offen lassen muss, dass eine Behörde oder ein gericht evtl. anders entscheiden würde, ein Richter hingegen eigenverantwortlich Entscheidungen treffen darf, und ein Organ mit Verfassungsrang ist / Teil der Judikative und dass mich das besonders reizt, hat nicht gelangt.
Ich halte diese zwingend auf dem subjektiven Eindruck der Auswahlkommission beruhende Anwendung der Kriteriums der "Identifikation" nicht nur für meine anstehende Bewerbung für entmutigend. Ich halte es auch für grundsätzlich verfehlt, wenn die Justiz offenbar angepasste Leute mit möglichst geradeliniger (polemisch: eher langweiliger) Biografie sucht:
a) Gerade Leute, die juristische Vielfalt bewiesen haben, können gute Richter sein. Gerade sie, die im Studium vieles probiert haben, können über ihre vielfältigen Zugangskanäle zu juristischen Problemen effektive "Fall- und Problemlöser" sein und zwischen Interessen vermitteln.
b) Dass einzelne abseits der klassischen Justiz liegende Stationen im Ref. die "Identifikation mit der Justiz" beeinträchtigen sollen, vermag ich schon gar nicht einzusehen. Identifikation wächst mit der Tätigkeit, mit den eigenen Fähigkeiten und der Art und Weise, wie man sie im Berufsalltag anwendet. Die Wahlstation am OLG ist nur ein formales Kriterium, das gerade die erfüllen, die sich früh mit den Auswahlverfahren der Justiz befasst haben. Mit wirklicher "Identifikation" hat das m.E. nicht viel zu tun.
c) Dass ein rechtsberatender Schwerpunkt neben dem Studium oder eine Anwaltstätigkeit für einige Jahre nach dem Berufseinstieg nachteilig sein soll für die "Identifikation" vermag ich ebenfalls nicht einzusehen. Das basiert auf einer antiquierten Vorstellung, man könne nur entweder Parteivertreter, oder "objektiver" Entscheider sein. Richtig ist aber, dass eine solche Trennlinie im Juristischen nicht zu ziehen ist. Und: Interessenvertretung ist genauso elementar für unser Rechtssystem, wie der am Ende entscheidende Richterspruch. Schon daher verbietet sich eigentlich, über anwaltliche Tätigkeit die Nase zu rümpfen.
Mein momentaner Eindruck: Am Ende werden mit besten Chancen die eingestellt, deren Familien typische "Juristen-Familien" sind, so dass schon die Eltern als Ratgeber auf einen möglichst auf das Richteramt zugeschnittenen Lebenslauf achten. Das alles enttäuscht, wobei natürlich mein Eindruck auch nur aus einem überschaubaren Umfeld gewonnen wurde.
Zustimmung? Gegenmeinungen?