Zulassung zur Anwaltschaft

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Honigkuchenpferd
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Re: Zulassung zur Anwaltschaft

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Samson83 hat geschrieben:Schopenhauer war der Ansicht, dass Aussagen unter Eid nicht die Spur wahrhaftiger sind als Aussagen ohne.
Quelle?
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Samson83
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Re: Zulassung zur Anwaltschaft

Beitrag von Samson83 »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:
Samson83 hat geschrieben:Schopenhauer war der Ansicht, dass Aussagen unter Eid nicht die Spur wahrhaftiger sind als Aussagen ohne.
Quelle?
"Zwei Grundlagen der Ethik"; Pargerga, "Über Religion".

Ich werde jetzt keine Seitenzahlen heraussuchen. Dies ist keine Seminararbeit.
Honigkuchenpferd
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Re: Zulassung zur Anwaltschaft

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Musst du natürlich auch nicht, ich glaube aber kaum, dass sich deine Aussage darin so findet.

Schopenhauer hat Eide zwar in der Tat kritisiert, insbesondere weil ihnen damals eine äußerst weitreichende Bedeutung beigemessen und sie beständig genutzt wurden. Meines Wissens wird von ihm jedoch an keiner Stelle bestritten, dass sie - in gewissem Umfang - sehr wohl sinnvoll sein können.

Dementsprechend heißt es in "Ueber Religion":
Und noch öfter sind falsche Eide wirklich geschworen worden, wodurch Wahrheit und Recht, bei deutlicher Mitwissenheit aller Zeugen des Akts, mit Füßen getreten wurden. Der Eid ist die metaphysische Eselsbrücke der Juristen: sie sollten sie so selten, als irgend möglich, betreten. Wenn es aber unvermeidlich ist, da sollte es mit größter Feierlichkeit, nie ohne Gegenwart des Geistlichen, ja, sogar in der Kirche, oder in einer dem Gerichtshofe beigegebenen Kapelle, geschehn. In höchst verdächtigen Fällen ist es zweckmäßig, sogar die Schuljugend dabei gegenwärtig seyn zu lassen. Die Französische abstrakte Eidesformel taugt, eben darum, gar nichts: das Abstrahiren vom gegebenen Positiven sollte dem eigenen Gedankengange eines Jeden, dem Grade seiner Bildung gemäß, überlassen bleiben.
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Levi
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Re: Zulassung zur Anwaltschaft

Beitrag von Levi »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:
Levi hat geschrieben:Von daher haben die frühen Christen (wie auch andere jüdische Gruppen seinerzeit) das Leisten von Eiden abgelehnt, um beim Gegenüber gar nicht erst den Eindruck zu erwecken, sie würden an den heidnisch-magischen Unfug glauben, dass (ein) Gott sie bestrafen wird, wenn sie einen geleisteten Eid nicht halten.
Das wurde doch vor allem deshalb abgelehnt, weil die Eide in aller Regel in Anrufung fremder Götter zu leisten waren und deshalb als Götzendienst angesehen wurden.

Das ist die im Mittelalter "gefundene" Erklärung, warum das, was dazu in der Bibel steht, in Wahrheit doch nicht ganz so gemeint ist. 

In den frühchristlichen Schriften - insbesondere in den biblischen Texten (Matthäus 5,33 ff., Jakobus 5,12) - steht das aber ganz klar anders. Eine Einschränkung auf bestimmte Eidesformeln gibt es da nicht. 

Diese "strenge" Praxis entspricht im Übrigen auch derjenigen anderer zeitgenössischer Gruppen des Judentums, sie ist nicht originell christlich. 
Nur innerhalb der Kirche (insbesondere im kanonischen Recht) behielt man das Eidesverbot konsequent bei, daher gibt es dort auch bis heute nur Gelübte und keine Eide, im weltlichen Rahmen duldete man dagegen die heidnische Eidespraxis.
Decretum Gratiani, cc. 1199-1204 CIC/1983?
Das was das Kirchenrecht unter einem "Eid" versteht, ist nicht deckungsgleich mit dem, was gemeinhin unter Eidesleistung verstanden wird. 

Nach Can. 1199 § 1. CIC ist ein "Eid" im Sinne des CIC "die Anrufung des göttlichen Namens als Zeugen für die Wahrheit ". 

Eine entsprechende Intention dürfte bei der Vereidigung eines Rechtsanwalts, Richter, Beamten etc. wohl niemand haben. 

Im Lateinischen gibt es dafür - anders als im Deutschen ("Eid") - sogar zwei Worte "iusiurandum" (im CIC verwendet) und "iuramentum" (in der Vulgata an den entsprechenden Bibelstellen, Matthäus 5,33 ff. verwendet).
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Re: Zulassung zur Anwaltschaft

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Levi hat geschrieben:Das ist die im Mittelalter "gefundene" Erklärung, warum das, was dazu in der Bibel steht, in Wahrheit doch nicht ganz so gemeint ist. 

In den frühchristlichen Schriften - insbesondere in den biblischen Texten (Matthäus 5,33 ff., Jakobus 5,12) - steht das aber ganz klar anders. Eine Einschränkung auf bestimmte Eidesformeln gibt es da nicht. 

Diese "strenge" Praxis entspricht im Übrigen auch derjenigen anderer zeitgenössischer Gruppen des Judentums, sie ist nicht originell christlich.
Es mag durchaus sein, dass es - sowohl für Christen als auch Juden - auch andere Motive gab, die Eidesleistung abzulehnen, aber der von mir genannte Grund ist derjenige, der in ernst zu nehmenden Quellen dazu als der zentrale genannt wird.

Nebenbei bemerkt sieht insbesondere das Alte Testament ja an zig Stellen Eide vor. Entsprechend schwierig ist es, gerade eine Unvereinbarkeit mit dem Judentum zu begründen.
Das was das Kirchenrecht unter einem "Eid" versteht, ist nicht deckungsgleich mit dem, was gemeinhin unter Eidesleistung verstanden wird.

Nach Can. 1199 § 1. CIC ist ein "Eid" im Sinne des CIC "die Anrufung des göttlichen Namens als Zeugen für die Wahrheit ". 

Eine entsprechende Intention dürfte bei der Vereidigung eines Rechtsanwalts, Richter, Beamten etc. wohl niemand haben.
Wieso nicht? Wozu dient die Formel "So wahr mir Gott helfe", wenn nicht, um Gott "als Zeugen für die Wahrheit" anzurufen (in diesem Fall der Aufrichtigkeit der Intention)?
Im Lateinischen gibt es dafür - anders als im Deutschen ("Eid") - sogar zwei Worte "iusiurandum" (im CIC verwendet) und "iuramentum" (in der Vulgata an den entsprechenden Bibelstellen, Matthäus 5,33 ff. verwendet).
Fakt ist, dass das kanonische Recht den (Mein-)Eid nicht nur (seit langem) kennt, sondern zentral herausgebildet hat, als die katholische Kirche noch in großem Umfang das Gerichtswesen prägte, bis er dann eben vom Staat vereinnahmt und (in gewissem Umfang) säkularisiert wurde. Das war es, worum es mir ging.
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Re: Zulassung zur Anwaltschaft

Beitrag von Strich »

Ich möchte nur einwerfen, dass ich das ganze interessant finde. Nur falls irgendein Mod meint, es sei ein reines Zweipersonengespräch ^^
Stehe zu deinen Überzeugungen soweit und solange Logik oder Erfahrung dich nicht widerlegen. Denk daran: Wenn der Kaiser nackt aussieht ist der Kaiser auch nackt ... .
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Levi
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Re: Zulassung zur Anwaltschaft

Beitrag von Levi »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:
Levi hat geschrieben:Das ist die im Mittelalter "gefundene" Erklärung, warum das, was dazu in der Bibel steht, in Wahrheit doch nicht ganz so gemeint ist. 

In den frühchristlichen Schriften - insbesondere in den biblischen Texten (Matthäus 5,33 ff., Jakobus 5,12) - steht das aber ganz klar anders. Eine Einschränkung auf bestimmte Eidesformeln gibt es da nicht. 

Diese "strenge" Praxis entspricht im Übrigen auch derjenigen anderer zeitgenössischer Gruppen des Judentums, sie ist nicht originell christlich.
Es mag durchaus sein, dass es - sowohl für Christen als auch Juden - auch andere Motive gab, die Eidesleistung abzulehnen, aber der von mir genannte Grund ist derjenige, der in ernst zu nehmenden Quellen dazu als der zentrale genannt wird.

Nebenbei bemerkt sieht insbesondere das Alte Testament ja an zig Stellen Eide vor. Entsprechend schwierig ist es, gerade eine Unvereinbarkeit mit dem Judentum zu begründen.

Dass die biblischen Texte und deren Auslegung in der Tradition nicht immer konform gehen, ist kein Geheimnis. Letztlich muss das jeder mit sich selbst ausmachen und für sich selbst entscheiden, welcher Lehrmeinung/Tradition er folgen möchte. - Im Zweifel wird er dann in der Bibel auch irgendwo eine Stelle finden, die seine Meinung unterstützt. 

Nichts desto trotz ist es ein historisches Faktum, das von jedermann in den Schriften des Neuen Testaments leicht nachgeprüft werden kann, dass die frühen Christen (ebenso wie die Essener, die Therapeuten und andere jüdische Sekten jener Zeit) die Eidesleistung kategorisch (und nicht nur in bestimmten Einzelfällen) abgelehnt haben. 

Ebenso unstreitig ist es aber auch, dass die Kirche diese radikale Auffassung - wie an zahllosen anderen Stellen auch - in der Folgezeit aus Gründen der Staatsraison und der Anpassung an die Welt relativiert hat. Das mag man nun gut finden oder auch nicht. 

Ich selbst finde die ursprüngliche Variante ("Eidesverbot") konsequenter und habe sie daher für mich selbst gewählt. Ich kritisiere aber auch niemanden, der die Eidesleistung anders handhabt. 

Das was das Kirchenrecht unter einem "Eid" versteht, ist nicht deckungsgleich mit dem, was gemeinhin unter Eidesleistung verstanden wird.

Nach Can. 1199 § 1. CIC ist ein "Eid" im Sinne des CIC "die Anrufung des göttlichen Namens als Zeugen für die Wahrheit ". 

Eine entsprechende Intention dürfte bei der Vereidigung eines Rechtsanwalts, Richter, Beamten etc. wohl niemand haben.
Wieso nicht? Wozu dient die Formel "So wahr mir Gott helfe", wenn nicht, um Gott "als Zeugen für die Wahrheit" anzurufen (in diesem Fall der Aufrichtigkeit der Intention)?

Die Formel "so wahr mir Gott helfe", ist eine Anrufung Gottes um Hilfe - also eine Art säkulares Gebet. "Bezeugen" soll Gott da nichts. In welcher Form sollte das auch geschehen?
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Re: Zulassung zur Anwaltschaft

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Levi hat geschrieben:Die Formel "so wahr mir Gott helfe", ist eine Anrufung Gottes um Hilfe - also eine Art säkulares Gebet. "Bezeugen" soll Gott da nichts. In welcher Form sollte das auch geschehen?
Ehrlich gesagt verstehe ich überhaupt nicht, warum du den Gedanken nachvollziehen kannst bzw. als nachvollziehbar darstellst, Gott um "Hilfe" anzurufen, aber nicht als "Zeugen" für die Wahrhaftigkeit einer Aussage.

Von dieser Vorstellung zeugt übrigens bis heute die Formulierung unter anderem in § 64 I StPO:
(1) Der Eid mit religiöser Beteuerung wird in der Weise geleistet, dass der Richter an den Zeugen die Worte richtet:

"Sie schwören bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, dass Sie nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen haben"

und der Zeuge hierauf die Worte spricht:

"Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe".
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Levi
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Re: Zulassung zur Anwaltschaft

Beitrag von Levi »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:
Levi hat geschrieben:Die Formel "so wahr mir Gott helfe", ist eine Anrufung Gottes um Hilfe - also eine Art säkulares Gebet. "Bezeugen" soll Gott da nichts. In welcher Form sollte das auch geschehen?
Ehrlich gesagt verstehe ich überhaupt nicht, warum du den Gedanken nachvollziehen kannst bzw. als nachvollziehbar darstellst, Gott um "Hilfe" anzurufen, aber nicht als "Zeugen" für die Wahrhaftigkeit einer Aussage.

Von dieser Vorstellung zeugt übrigens bis heute die Formulierung unter anderem in § 64 I StPO:
(1) Der Eid mit religiöser Beteuerung wird in der Weise geleistet, dass der Richter an den Zeugen die Worte richtet:

"Sie schwören bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, dass Sie nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen haben"

und der Zeuge hierauf die Worte spricht:

"Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe".
"Wahrheits-Eide" (wie im Prozessrecht) sind graduell etwas anderes als "Verpflichtungs-Eide" (wie hier bei Rechtsanwälten, Beamten etc.).

Bei "Wahrheits-Eiden" wird Gott tatsächlich als "Zeuge" für eine Aussage angerufen. - Also so eine Art symbolisches Gottesurteil vorgenommen. Gottes Freiheit wird hier aber nicht beeinträchtigt, da er nicht handeln muss - und im Zweifel auch nicht handeln wird. 

Bei einem "Verpflichtungs-Eid" bekräftigt man dagegen sein Loyalitätsversprechen dadurch, dass man sich für den Fall der Zuwiderhandlung Gottes Gericht unterstellt. Im magischen Denken bedeutet das, dass Gott einen bestrafen wird, wenn man seinen Eid bricht, auch wenn der Loyalitätsbruch von den Menschen nicht bemerkt wird. Ein solches Einspannen Gottes für menschliche Zwecke ("Big brother is watching you.") halte ich für höchst problematisch - und mit meinem Gottesbild für unvereinbar. 
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Re: Zulassung zur Anwaltschaft

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Diese Unterscheidung ist aber doch sehr sophistisch, zumal sich die heutigen "Verpflichtungs-Eide" aus dem "Wahrheits-Eid" entwickelt haben. Eine grundlegend andere Vorstellung von der Rolle Gottes beim Eid steht dahinter jedenfalls eindeutig nicht. Der Unterschied liegt im Grunde allein im Gegenstand dessen, wozu ein Eid geleistet wird.

Sofern man ein "Einspannen Gottes für menschliche Zwecke" ablehnt, erscheint es mir deshalb auch einzig konsequent, den Eid in beiden Fällen gleichermaßen abzulehnen.

Interessant ist allerdings, dass das Grundgesetz als eines der wenigen Gesetze den Eid ausdrücklich erfordert und lediglich die Formel "So wahr mit Gott helfe" für fakultativ erklärt (Art. 56, 64 II GG).
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Re: Zulassung zur Anwaltschaft

Beitrag von Levi »

Honigkuchenpferd hat geschrieben:Diese Unterscheidung ist aber doch sehr sophistisch, zumal sich die heutigen "Verpflichtungs-Eide" aus dem "Wahrheits-Eid" entwickelt haben. Eine grundlegend andere Vorstellung von der Rolle Gottes beim Eid steht dahinter jedenfalls eindeutig nicht. Der Unterschied liegt im Grunde allein im Gegenstand dessen, wozu ein Eid geleistet wird.

Sofern man ein "Einspannen Gottes für menschliche Zwecke" ablehnt, erscheint es mir deshalb auch einzig konsequent, den Eid in beiden Fällen gleichermaßen abzulehnen.
Kein Einspruch. Deswegen lehne ich ja auch sämtliche Eide ab.
Ich halte allerdings "Wahrheits-Eide" theoretisch noch für eher zu rechtfertigen als "Verpflichtungs-Eide".

Meine Vereidigung als Bundespräsident - so eine solche einmal erfolgen sollte -, würde ich daran allerdings nicht scheitern lassen. So wichtig ist mir diese Frage nun auch wieder nicht. Bild
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