Levi hat geschrieben: Ich kenne aber ja durchaus beide Seiten und kann aus eigener Erfahrung sagen, dass ich als Rechtsanwalt im Ergebnis nicht mehr gearbeitet habe als heute; die Arbeit hat sich nur über einen längeren und andere Zeitraum erstreckt. Natürlich passt man sich als junger Anwalt seinem Chef und den Kollegen an und merkt schnell, dass es niemand interessiert, wenn man morgens schon um 7 Uhr im Büro ist und mittags nur schnell ein Brötchen am Schreibtisch verspeist. Entscheidend sind allein die Stunden am Abend ("ich war wieder bis 23 Uhr im Büro"); nur Nachtarbeit ist sexy. Das hat viel mit der Arbeitskultur von Kanzleien zu tun, notwendig ist es aber keineswegs.
Wenn ein Mandant hohe Stundensätze für ein juristisches Produkt bezahlt, dann erwartet er neben fachlicher Güte (die er oft nicht beurteilen kann), dass der Entwurf, den er um 15 Uhr übersandt bekam und um 19 Uhr mit Markups retour schickte, spätestens am nächsten Morgen wieder bei ihm vorliegt. Ob das sinnvoll ist (ist es meistens nicht), müssen wir nicht diskutieren, es ist aber das Marktumfeld, in dem sich Großkanzleien bewegen. Und da hilft es dann nicht zu sagen, dass man intensiv zwischen 9-15 Uhr gearbeitet habe, weil das eben nur einen Teil der vom zahlenden Kunden gewünschten Leistung abdeckt. Ich habe für jeden Verständnis, der darauf keine Lust hat, aber man sollte sich nicht selbst belügen und so tun, als ob man nur die misogynen Partner von mehr Teilzeitarbeit überzeugen müsste.
Natürlich wollen sie die Preise hochhalten, denn davon leben sie. Großkanzleien sind Wirtschaftsunternehmen, wenn es ihnen nützt, stellen sie Frauen ein, nur sind sie nicht bereit, ihr Geschäftsmodell zu modifizieren (mit erheblichen Einkommenseinbußen), um mehr Frauen einzustellen. Es ist aber völliger Unfug zu sagen, sie wollten Konkurrenz fernhalten - für den Partner sind neue weibliche Associate keine Konkurrenz, sondern idealerweise Lastesel, die Billable hours produzieren. Wenn sie das tun, ist er glücklich, wenn nicht, nicht.Das ist dieselbe scheinheilige Argumentation wie bei Unternehmen, die behaupten, angeblich keine (qualifizierten) Frauen für Vorstände und Aufsichtsräte zu finden und nur deswegen - leider - Männer nehmen (müssen). In Wirklichkeit wollen sie aber nur die zusätzliche Konkurrenz fern- und die Preise hochhalten, und das macht man am einfachsten dadurch, dass man (Arbeits-)Bedingungen schafft, die von Frauen mehrheitlich nicht erfüllt werden können. Natürlich ist das eine Form von geschlechterbezogener mittelbarer Diskriminierung. Nicht unbedingt im rechtlichen Sinne - aber im gesellschafts- und verteilungspolitischen Sinne.