Herr Schraeg hat geschrieben:Eine interessante Frage, die sicher einer vertieften rechtssoziologischen Untersuchung wert wäre.
Ich schätze, daß die Zahl der Betroffenen gar nicht so hoch ist oder war. Nach meinem Eindruck (kein Wissen, sondern Verallgemeinerung von Einzelbeobachtungen) gab es nicht so viele Juristen in der DDR.
Diese Einschätzung ist zweifellos richtig. Die juristischen Fakultäten der DDR hatten jährlich insgesamt ca. 150 Absolventen. Wenn man das auf das Erwerbsleben hochrechnet und den politischen "Schwund" abzieht, dürfte es 1989 sicher nicht mehr als 5.000 hauptberuflich tätige Diplom-Juristen in der DDR gegeben haben. Nicht alle Justiz-Berufe waren im Übrigen Juristen vorbehalten; viele Richter hatten keine Jurastudium, sondern waren Schöffen mit Zusatzausbildung.
Einigermaßen verlässliche Zahlen scheint es nur zu den Rechtsanwälten zu geben: 1989 waren es ca. 500 Rechtsanwälte und im Oktober 1990 dann ca. 2.000.
Diese Vermehrung war der Tatsache geschuldet, dass viele Juristen (vermutlich nicht zu Unrecht) für die Zeit nach dem Beitritt keine berufliche Perspektive mehr in ihrer bisherigen Beschäftigung sahen und den Rechtsanwaltsstatus mit in die neue Zeit nehmen wollten. Der Rechtsanwaltsstatus war durch den Einigungsvertrag gesichert, während ansonsten den Diplom-Juristen noch nicht einmal unmittelbar der Zugang zum höheren Dienst eröffnet wurde.
Die halbwegs positive Einschätzung von Tibor teile ich nicht. Mir sind im Laufe der Zeit nur zwei Diplomjuristen als Anwälte auf einem akzeptablen Niveau untergekommen. Beide hatten sich aber auch auf ein recht enges Rechtsgebiet beschränkt (Recht der Landwirtschaft bzw. Strafrecht).
Ich selbst hatte bislang - wissentlich - mit 7 DDR-Juristen zu tun (vermutlich waren es noch ein paar mehr, aber man kennt ja nicht die Lebensläufe aller Menschen, mit denen man beruflich verkehrt). 2 Professorinnen und 1 Assistent, 2 Rechtsanwälte und 2 Verwaltungsangehörige (unter letzteren allerdings kein Beamter).
Besonders "negativ" aufgefallen ist mir keine/r davon. - Allerdings habe ich sie ja auch erst mehr als 10 Jahre nach der Wende kennen gelernt.