Strich hat geschrieben:Auch das Strafrecht ist dem Gewohnheitsrecht zugänglich. Während man aber bei einer Befragung der beteiligten Kreise hinsichtlich des Alkoholverbotes wohl eher auf die Antwort "0 Promille" stoßen dürfte, verhält sich das doch bei der Arbeitszeit ganz anders. Wenn man hier schon einen sinnvollen Vergleich heranziehen will, sollte man sich lieber mal die Bevölkerungsmeinung zum Verbot homosexuellen Geschlechtsverkehrs vor dessen Abschaffung anschauen.
Deine Argumentation trägt nicht recht, selbst wenn durchaus anerkannnt ist, dass geschriebene Gesetze durch Gewohnheitsrecht derogiert werden können. Der "Fehler" liegt darin, dass du den Kreis derjenigen, deren Anerkennung das Gewohnheitsrecht schafft, zu eng fasst:
Voraussetzungen für die Entstehung von Gewohnheitsrecht sind nach verbreiteter Auffassung (1) eine lange Übung, (2) die allgemeine Überzeugung von deren Gültigkeit. Zumindest für die zweite Voraussetzung kann es - im Fall der Großkanzlei - aber doch nicht allein auf die Überzeugung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer ankommen. Denn dann wäre ja jedwede Schutzvorschrift für Arbeitnehmer durch derogierendes Gewohnheitsrecht disponibel, wenn nur Arbeitgeber und Arbeitnehmer dauerhaft und einträchtig gegen sie verstoßen.
Weil Vorschriften wie das ArbeitszeitG gerade auch im öffentlichen Interesse existieren, kann es für die "allgemeine" Überzeugung nicht nur auf die unmittelbar Betroffenen ankommen. Mindestens ist zu fordern, dass auch die zuständige Arbeitsschutzbehörde (oder wer sonst die Einhaltung des ArbeitszeitG überwacht) von der Gültigkeit der Übung überzeugt sein muss und dies in irgendeiner Weise dokumentiert, zum Beispiel durch Untätigkeit auf Anzeigen hin o.ä. Damit ist aber wohl kaum zu rechnen.