Die richtige Lernmethode; Lernroutine umstellen

Allgemeine Fragen zum Jurastudium (Anforderungen, Ablauf etc.)

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Sabi
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Die richtige Lernmethode; Lernroutine umstellen

Beitrag von Sabi »

Hallo zusammen,

ich habe einige Probleme mit meinem Lernsystem, die meinen Lernalltag sehr unproduktiv machen, weil mich die gesamte Situation frustriert. Bisher habe ich noch keine Lösung gefunden. Daher hoffe ich, dass mir jemand Tipps zur Verbesserung geben kann.

In den ersten beiden Semestern habe ich festgestellt, dass mir der Besuch der Vorlesungen und der AG für das Verständnis sehr viel bringt. Ich habe also die Veranstaltungen besucht und viel durch reines Hören aufgenommen. Die Falllösungen aus den AGs habe ich mir dann am Wochenende durchgelesen und das wichtigste markiert und anschließend in einem Ordner abgeheftet. Dazu habe ich mir dann ein Lehrbuch genommen und die dazugehörigen Kapitel durchgelesen. Dann war ich gut vorbereitet, habe verstanden um was es geht und habe in den ersten beiden Zwischenprüfungen auch sehr gut Ergebnisse erzielt.

Im dritten und vierten Semester habe ich dann das gleiche im Strafrecht gemacht, was wieder sehr gut für die anstehende Klausur funktioniert hat.

Im vierten Semester hatte ich riesige Probleme mit der VÜ Zivilrecht/Ö-Recht, weil ich nahezu überhaupt nichts mehr wusste. Ich konnte mich nur noch wage erinnern, was ich den Büchern gelesen und in den Vorlesungen gehört habe. Die Fälle waren mir auch nicht mehr bekannt. Ich saß im Zivilrechtstutorium und wusste überhaupt nicht, wie ich an die Fälle herangehen soll, weil ich keine Schemata, Definitionen oder Meinungsstreite mehr parat hatte. Man könnte sagen, dass ich wissensmäßig wieder nahezu auf "Null" stand.

Das hat mir gezeigt, dass meine Lernmethode nur kurzfristigen Erfolg hat, also direkt vor der Klausur. Dadurch, dass ich keine Unterlagen zum Wiederholen hatte, musste ich alles neu aufrollen. Dafür wollte ich die jetzigen Semesterferien nutzen und alles wiederholen. Ich habe mir einen Lernplan erstellt und wollte wie folgt vorgehen: Podcasts hören, im Buch nachlesen, alles skriptähnlich herausschreiben und dann abschließend Fälle bearbeiten.
Dieses Herausschreiben kostet so viel Zeit und mir ist nie klar, was wirklich wichtig ist und was nicht. Die "Zusammenfassung" umfasst manchmal bei kleinen Themen schon mehr als 20 Seiten - das kann nicht effektiv sein. Das hat zur Folge, dass ich überhaupt nicht nach Plan voran komme. Die Fälle kann ich auch immer erst bearbeiten, wenn ich das nötige Theoriewissen habe, sonst sitze ich immer davor und weiß nicht wie ich anfangen soll, weil mir die Grundlagen durch das Vergessen fehlen. Hinzu kommt, dass es nicht zu jedem Thema Podcasts gibt und oft sind sie veraltet. Ich habe jetzt nicht mehr die Zeit alle Vorlesungen, die angeboten werden, noch einmal zu besuchen.

Im 5. Semester möchte ich nun die VÜ Strafrecht schreiben und stehe wieder vor dem selben Problem, wie ich alles nochmal wiederholen soll, da schon viel in den Hintergrund gerückt ist, vor allem die Themen aus dem AT.

Ich sehe meine Situation als ziemlich ausweglos an, weil ich nicht mehr die Möglichkeit habe vor der Examensvorbereitung jedes Fach komplett neu zu lernen. Ich möchte aber auch nicht ohne Grundlagenwissen in die Vorbereitung starten. Mittlerweile kommen mir erhebliche Zweifel, ob ich den Rückstand überhaupt noch aufholen kann.

Wie kann man seinen Lernalltag effizient gestalten, so dass man zu einem späteren Zeitpunkt das Gelernte in kurzer Zeit wiederholen kann? Die Motivation lässt extrem nach, wenn man sich viel Arbeit macht, aber jetzt schon weiß, dass es langfristig nicht viel bringt. Ich habe noch die restlichen Semesterferien Zeit, um alles im Strafrecht zu wiederholen. Wäre schön, wenn ich diesmal den Stoff gleich so behandeln könnte, dass ich länger etwas davon habe.
Wie kann ich den Rückstand in Zivilrecht und Ö-Recht aufholen - eventuell auch zum Teil schon in den jetzigen Semesterferien.
Sind diese eigenen Zusammenfassungen aus den Büchern wirklich zwingend notwendig, habe das Gefühl das bringt mir nicht viel.

Ich wäre wirklich sehr dankbar, wenn mir jemand helfen könnte. Ich bin momentan echt verzweifelt.
Gelöschter Nutzer

Re: Die richtige Lernmethode; Lernroutine umstellen

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Mir persönlich hat es immer sehr viel gebracht, Themenbereiche selbständig mit zusätzlicher, möglichst komplexer Fachliteratur zu vertiefen. So erhält man unterschiedliche Sichtweisen zu den Themen und das Gehirn kann die Themenkomplexe organisch verknüpfen, sodass man weitaus weniger vergisst. Was man nämlich wirklich verstanden hat, vergisst man auch nicht mehr so leicht.
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Ara
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Re: Die richtige Lernmethode; Lernroutine umstellen

Beitrag von Ara »

Also das was du beschreibst ist ja das Hauptproblem im Jurastudium: Der Stoff muss bis zum Ende behalten werden. Also über 5-6 Jahre. Dieser "Kampf gegen das Vergessen" ist völlig normal und es ist auch normal, dass man am Ende aus dem Stoff raus ist. Spätestens nach dem Schwerpunkt hast du keine Ahnung mehr von dem Stoff aus dem Grund-/Haupt-Studium, der nicht zufälligerweise sich mit dem Schwerpunkt überschneidet.

Es ist aber, auch wenn man manches mal das Gefühl hat, nicht so, dass man bei 0 anfängt. Wenn man einmal den Erlaubnistatumstandsirrtum verstanden hat, dann kriegt man den auch nach 4-5 Jahren noch recht schnell wieder in den Kopf. Vor allem da du ja sogar mit Lehrbüchern gearbeitet hast und dadurch hoffentlich auch ein Systemverständnis entwickelt hast.

Von daher: Nicht zu viele Medien mit dem gleichen Inhalt konsumieren. Setzt dich in die Bib mit nem Alpmann/Hemmer-Skript fürs Examen und wiederhole es damit. Du musst hier ja aktuell noch nicht alles zu 100% verstehen (vor allem nicht die Examensproblemen), aber du kannst damit am besten prüfen, wo tatsächlich Lücken sind. Entweder reicht zum Schließen der Lücken das was im Skript steht, sonst noch einmal das Kapitel punktuell nachlesen. Die Skripte dienen dir auch als Leitfaden für dein Herausgeschriebene, um das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen. Der Umfang von nem selbstgeschriebenen Skript sollte pro Skript der Rep-Anbieter nicht 20 DinA4 Seiten in Maschinenschrift übersteigen.

So kannst du ein Rechtsgebiet problemlos in 1-2 Wochen durchackern.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
narcoma
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Re: Die richtige Lernmethode; Lernroutine umstellen

Beitrag von narcoma »

Du musst die Wiederholung von Stoff einfach fest in dein Konzept aufnehmen. Ich habe das mit einem Online-Karteikartenanbieter gemacht. "Rausgeschrieben" quasi nur auf Karteikarten, da hat man die Wiederholung gleich mitgebucht. Ansonsten im Zweifel eher mehr Fälle als Theorie. Die hundertste Mindermeinung hilft dir auch nicht weiter, wenn du bei einem unbekannten Fall völlig auf dem Schlauch stehst. Dazu musst du dir einfach den Mut antrainieren, einen Fall auch mal völlig planlos runterzulösen, auch wenn's im Ergebnis grottenfalsch ist. Am besten lernt das Gehirn eben, wenn es selbst nachdenkt.

MfG!
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Blaumann
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Re: Die richtige Lernmethode; Lernroutine umstellen

Beitrag von Blaumann »

Sabi hat geschrieben:Im vierten Semester hatte ich riesige Probleme mit der VÜ Zivilrecht/Ö-Recht, weil ich nahezu überhaupt nichts mehr wusste. Ich konnte mich nur noch wage erinnern, was ich den Büchern gelesen und in den Vorlesungen gehört habe.
Erstmal zur Beruhigung: Das Wissen ist nicht weg, es ist nur momentan nicht abrufbar. Das lässt keine Rückschlüsse auf die Lernmethode zu. Ich kenne niemanden, der den Stoff nicht mehrfach wiederholen musste, bevor die Dinge "saßen".
Ich saß im Zivilrechtstutorium und wusste überhaupt nicht, wie ich an die Fälle herangehen soll, weil ich keine Schemata, Definitionen oder Meinungsstreite mehr parat hatte. Man könnte sagen, dass ich wissensmäßig wieder nahezu auf "Null" stand.
Du musst den Fall anhand des gesetzlichen Tatbestandes durchlösen. Dazu brauchst Du nicht zwingend Schemata oder Definitionen. Beides sind (nützliche) Hilfsmittel, um das Verständnis und die Anwendung der gesetzlichen Tatbestände zu erleichtern. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, kannst Du fast jedes Prüfungsschema im BGB anhand des Gesetzes entwickeln. Wenn Du ungefähr weißt, worum es in der Norm geht, kannst Du dir auch eine eigene Definition basteln.

Was Du zwingend benötigst ist die intensive Kenntnis des Gesetzes. Was ist im BGB wo geregelt? Wo sind die Anspruchsgrundlagen? Wie sind die Verknüpfungen? Was sind typische Problemkreise, die bei der Auslegung bestimmter gesetzlicher Tatbestände immer wieder auftreten?

Meinungsstreite musst Du überhaupt nicht auswendig lernen. Es kann sogar kontraproduktiv sein. Die mir bekannten Examensprüfer geben deutlich mehr Punkte, wenn der Kandidat ein Problem mithilfe der juristischen Auslegungsmethoden mit sinnvollen Argumenten löst, als wenn der Kandidat abspult, was BGH und Co. dazu ausgeurteilt haben.
Dieses Herausschreiben kostet so viel Zeit und mir ist nie klar, was wirklich wichtig ist und was nicht.


Das sind die beiden Gründe, warum ich die Erstellung eigener Skripten für wenig zweckdienlich halte.

Ich habe fast nur mit Skripten von AS und Hemmer gelernt.
Ich sehe meine Situation als ziemlich ausweglos an, weil ich nicht mehr die Möglichkeit habe vor der Examensvorbereitung jedes Fach komplett neu zu lernen. Ich möchte aber auch nicht ohne Grundlagenwissen in die Vorbereitung starten. Mittlerweile kommen mir erhebliche Zweifel, ob ich den Rückstand überhaupt noch aufholen kann.
Bleib mal locker. Du kommst gerade ins 5. Semester und tanzt hier schon den Prüfungsangsttango.

Für's Examen brauchst Du in erster Linie Nervenstärke und Selbstbewusstsein. Das kann man übrigens ebenfalls trainieren.
Sabi
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Re: Die richtige Lernmethode; Lernroutine umstellen

Beitrag von Sabi »

Vielen Dank für eure Antworten. Bin wieder etwas beruhigter...

@narcoma
Ok, ich werde es versuchen. Also besteht der Lerneffekt darin, dass man anschließend die eigene Falllösung mit der Musterlösung vergleicht und so dann erkennt, was man anders hätte machen sollen. Ich habe bisher noch keinen Fall gelöst, ohne vorher die Theorie dazu gelernt zu haben.

@Ara
Ich habe immer mit Lehrbüchern gearbeitet, weil einige Professoren der Meinung sind, dass Skripte zu kurz sind und nicht alles abdecken. Ich denke aber auch, dass die Informationen für die VÜ auf jeden Fall ausreichen werden. Vielleicht komme ich damit zeitmäßig besser klar als mit den umfangreichen Lehrbüchern.

@Blaumann
Dann fehlt es mir wahrscheinlich noch an dem Verständnis für die Tatbestände und der Systematik des Gesetzes (vor allem im Zivilrecht). Da haben sich mir die Zusammenhänge leider noch nicht wirklich erschlossen. In den anderen Fächern habe ich zumindest eine Idee wie ich den Fall aufbauen soll, auch wenn nicht immer alles mit der Lösung übereinstimmt. Im Zivilrecht muss ich ehrlich zugeben, habe ich meistens nur Schemata abgespult, die ich einfach auswendig gelernt habe, weil ich den Aufbau sonst selbst so nicht hinbekommen hätte. Ich weiß, dass es anders sein sollte, aber bisher bin ich noch nicht darauf gekommen, wie man sich das herleiten kann.

Wie kann man sich dieses Verständnis am besten aneignen?
Blaumann hat geschrieben:Für's Examen brauchst Du in erster Linie Nervenstärke und Selbstbewusstsein. Das kann man übrigens ebenfalls trainieren.
Wie kann man sich das antrainieren? Bisher ist man während der Unizeit noch keiner solchen Drucksituation ausgesetzt.
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Justitian
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Re: Die richtige Lernmethode; Lernroutine umstellen

Beitrag von Justitian »

Blaumann hat geschrieben: Wenn Du ungefähr weißt, worum es in der Norm geht, kannst Du dir auch eine eigene Definition basteln.

Meinungsstreite musst Du überhaupt nicht auswendig lernen. Es kann sogar kontraproduktiv sein. Die mir bekannten Examensprüfer geben deutlich mehr Punkte, wenn der Kandidat ein Problem mithilfe der juristischen Auslegungsmethoden mit sinnvollen Argumenten löst, als wenn der Kandidat abspult, was BGH und Co. dazu ausgeurteilt haben.
Das halte ich in dieser Pauschalität nicht für zutreffend. Ein paar Definitionen müssen wir lernen, insbesondere im Strafrecht. Das sind Standarddefinitionen die man auch einfach lernen muss, auch wenn es jetzt nicht unzählig viele sind. Was ein gefährliches Werkzeug oder Wegnahme ist muss in der Klausur einfach ohne großes Nachdenken kommen, dasselbe gilt für die konkrete Gefahr oder die öffentliche Sicherheit im Polizeirecht.
Streitigkeiten müssen wir auch einige Lernen, viele Argumentationen sind sehr komplex, die können wir uns in der Klausur nicht herleiten. Das gilt wiederum in hohem Maße für's Strafrecht, aber auch für die anderen Rechtsgebiete. Wer kann sich schon die Saldotheorie im Bereicherungsrecht, § 122 BGB analog auf die anfängliche Unmöglichkeit oder die Frage ob Sicherungseigentum ein Interventionsrecht iSv. § 771 ZPO ist ad hoc herleiten? Das geht nicht. Wenn man einmal ein Verständnis entwickelt hat wird es leichter solche Dinge herzuleiten, aber am Anfang haben wir alle doch auswendig gelernt.

Immer wenn behauptet wird, wir müssten nichts lernen, halte ich das für unredlich. Natürlich muss man auch verstehen was man lernt, aber ich kann hier an der Uni jeden Mitarbeiter oder Professor fragen: er wird die wichtigen Meinungsstreitigkeiten auswendig können.
"[...] führt das ja nicht dazu, dass eine Feststellungsklage mit dem Inhalt "Wie wird das Wetter morgen?" zulässig wird" - Swann, 01.03.17
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Blaumann
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Re: Die richtige Lernmethode; Lernroutine umstellen

Beitrag von Blaumann »

Sabi hat geschrieben: @Blaumann
Dann fehlt es mir wahrscheinlich noch an dem Verständnis für die Tatbestände und der Systematik des Gesetzes (vor allem im Zivilrecht). Da haben sich mir die Zusammenhänge leider noch nicht wirklich erschlossen. In den anderen Fächern habe ich zumindest eine Idee wie ich den Fall aufbauen soll, auch wenn nicht immer alles mit der Lösung übereinstimmt. Im Zivilrecht muss ich ehrlich zugeben, habe ich meistens nur Schemata abgespult, die ich einfach auswendig gelernt habe, weil ich den Aufbau sonst selbst so nicht hinbekommen hätte. Ich weiß, dass es anders sein sollte, aber bisher bin ich noch nicht darauf gekommen, wie man sich das herleiten kann.

Wie kann man sich dieses Verständnis am besten aneignen?
Schau dir mal ein paar von deinen Prüfungsschemata an, zum Beispiel Schadensersatz statt der Leistung oder eine Übereignung nach 929 S. 1.

Und nun leite dir her, aus welchem Tatbestandsmerkmal sich welcher Prüfungspunkt ergibt. Bei jeder juristischen Aufgabe, die Du löst, musst Du das Gesetz lesen, mit ihm arbeiten und es verinnerlichen.

Ich habe mir angewöhnt, jedes Mal wenn im Skript ein gesetzlicher Tatbestand genannt wird, diesen zu lesen und so weit wie möglich zu verstehen, was dort wie geregelt wird.

Kann auch in der Praxis ungemein hilfreich sein. ;)
Blaumann hat geschrieben:Für's Examen brauchst Du in erster Linie Nervenstärke und Selbstbewusstsein. Das kann man übrigens ebenfalls trainieren.
Wie kann man sich das antrainieren? Bisher ist man während der Unizeit noch keiner solchen Drucksituation ausgesetzt.
Durch Autosuggestion und durch Konfrontation im Wege von Übungsklausuren. Wenn es sehr arg ist, kann auch professionelle Hilfe sinnvoll sein.
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Re: Die richtige Lernmethode; Lernroutine umstellen

Beitrag von Blaumann »

Justitian hat geschrieben:Immer wenn behauptet wird, wir müssten nichts lernen, halte ich das für unredlich.
Das wäre unredlich, das habe ich aber auch nicht behauptet.

Ich schrieb:
Was Du zwingend benötigst ist die intensive Kenntnis des Gesetzes. Was ist im BGB wo geregelt? Wo sind die Anspruchsgrundlagen? Wie sind die Verknüpfungen? Was sind typische Problemkreise, die bei der Auslegung bestimmter gesetzlicher Tatbestände immer wieder auftreten?
Das heißt lernen, wo die Trüffel vergraben sind und wie man sie findet.

Aber ich muss für eine juristisch gute Lösung nicht wissen, wie die "X-Lehre" von Prof. Y oder Gericht Z ein bestimmtes Problem löst. Ich muss wissen, welche juristischen Argumente für die eine oder die andere Lösung streiten. Das heißt, ich sollte mir anschauen, wie Prof. Y und Gericht Z zu ihrer Lösung kommen und versuchen, mir deren Argumentationsniveau abzuschauen, wenn die Argumente Hand und Fuß haben.

So erlerne ich Anwendungswissen, das ich auch auf unbekannte Problemstellungen übertragen kann.

Viele Studenten überfordert die vertiefte inhaltliche Auseinandersetzung und sie behelfen sich mit Auswendiglernen, was regelmäßig zu Massakern in den Staatsexamina führt. Erstens funktioniert in diesem Fall die Transferleistung vom Bekannten ins Unbekannte nicht und zweitens ist kaum jemand in der Lage dermaßen viel Detailwissen dauerhaft zu behalten.

Das führt dann zur munteren Präsentation von Halbwissen.

Häufige Rechtsbehauptung in Klausuren: "Der BGH ist der Ansicht, dass [...] , weil [...]."

Häufige Prüferbemerkung dazu: "Nein, ist er nicht."

Zumindest an der Uni. An Examensklausuren habe ich bislang nur meine eigenen gelesen. ;)
Natürlich muss man auch verstehen was man lernt, aber ich kann hier an der Uni jeden Mitarbeiter oder Professor fragen: er wird die wichtigen Meinungsstreitigkeiten auswendig können.
Kann gut sein. Die Frage ist aber doch viel eher, ob es etwas bringt, um bessere Klausuren zu schreiben?
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Re: Die richtige Lernmethode; Lernroutine umstellen

Beitrag von Salisa »

Als würde ich in der Vergangenheit sehen!

Mir erging es so wie dir. Wobei ich zugeben muss, dass ich noch für's 2. Examen mit meinem selbst geschriebenen STPO-skript gelernt habe.
Als mir das aber zu aufwendig wurde, begann ich damit AS-Skripte durch zu arbeiten und mir Karteikarten zu schreiben. Kleine für Definitionen, große für Probleme. Bei Verständnisproblemen mit einem Lehrbuch vertiefen.
WICHTIG: Wiederholung.

Daneben rate Ich zu möglichst vielen Klausuren. Skizzen und ausgeschriebene.
Und wenn dir Vorlesungen helfen, mach mit! Antworte, stelle Fragen, argumentiere. So habe ich mir Dinge am Besten gemerkt.

Im 5. Semester liegst du mega gut in der Zeit. Bloß nicht panisch werden!
"Das Glück ist mit den Tüchtigen" ~ aus Dr. House, Staffel 2
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Re: Die richtige Lernmethode; Lernroutine umstellen

Beitrag von Justitian »

Blaumann hat geschrieben: Häufige Rechtsbehauptung in Klausuren: "Der BGH ist der Ansicht, dass [...] , weil [...]."
Ach so war das gemeint, ich bin gar nicht auf die Idee gekommen dass jemand so "argumentieren" könnte. Im Klausurenkurs habe ich jetzt aber auch noch keine derartige Bearbeitung gesehen, kommt das in den VÜs und Zwischenprüfungen vor?
"[...] führt das ja nicht dazu, dass eine Feststellungsklage mit dem Inhalt "Wie wird das Wetter morgen?" zulässig wird" - Swann, 01.03.17
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Re: Die richtige Lernmethode; Lernroutine umstellen

Beitrag von Ara »

Justitian hat geschrieben:
Blaumann hat geschrieben: Häufige Rechtsbehauptung in Klausuren: "Der BGH ist der Ansicht, dass [...] , weil [...]."
Ach so war das gemeint, ich bin gar nicht auf die Idee gekommen dass jemand so "argumentieren" könnte. Im Klausurenkurs habe ich jetzt aber auch noch keine derartige Bearbeitung gesehen, kommt das in den VÜs und Zwischenprüfungen vor?
Es spricht gegen die Formulierung mE grundsätzlich nichts (wenn es denn richtig ist). Bei der Einstufung von Mord als eigenen Tatbestand kann man zum Beispiel ruhig die Rechtsprechung als Urheber nennen (auch bei Raub/Räuberischer Erpressung). Dann werden auch einige Folgeprobleme (Schließung von Strafbarkeitslücken) etwas verständlicher, warum die Praxis es so komisch einordnet.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beeinträchtigung des Wohngebrauchs sei durch das Zumauern der Fenster nur unwesentlich beeinträchtigt, ist so unverständlich, dass es nicht weiter kommentiert werden soll. - AG Tiergarten 606 C 598/11
Gelöschter Nutzer

Re: Die richtige Lernmethode; Lernroutine umstellen

Beitrag von Gelöschter Nutzer »

Blaumann hat geschrieben:Das heißt lernen, wo die Trüffel vergraben sind und wie man sie findet.

Aber ich muss für eine juristisch gute Lösung nicht wissen, wie die "X-Lehre" von Prof. Y oder Gericht Z ein bestimmtes Problem löst. Ich muss wissen, welche juristischen Argumente für die eine oder die andere Lösung streiten. Das heißt, ich sollte mir anschauen, wie Prof. Y und Gericht Z zu ihrer Lösung kommen und versuchen, mir deren Argumentationsniveau abzuschauen, wenn die Argumente Hand und Fuß haben.

So erlerne ich Anwendungswissen, das ich auch auf unbekannte Problemstellungen übertragen kann.
Genau darum geht es. Ich entwickelte schon früh eine Renitenz dagegen, Formeln auswendigzulernen. Ich nervte meine Lehrer schon in den unteren Schulstufen damit, dass sie mir wirklich alles in der Anwendung erklären mussten, sonst weigerte ich mich, es anzunehmen, das galt auch für mathematische Formeln. Dabei war das noch nach einem veralteten Schulsystem, wo den Schülern gern alles in simplen Auswendiglernsätzen beigebracht wurde und die Lehrer teilweise echt überfordert waren mit der Vermittlung von Anwendungswissen. :D

Als ich später Schülern Nachhilfe gab, fand ich oft die gleiche Renitenz bei den Kindern, die mit meinen logischen Herleitungen auf einmal gute Schüler wurden und den Kopf schüttelten über die unlogischen Erklärungen ihrer Lehrer.
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