juraidiot hat geschrieben:Ich lese immer wieder die Bücher von Sebastian Haffner, der Name ist evtl. bekannt, ein recht bekannter deutscher Publizist des letzten Jahrhunderts.
Besonders gefällt mir seine Churchillbiographie, sehr farbig und gefällig geschrieben; er dürfte der beste deutsche Kenner Churchills sein, da er als Exilant in dessen Beraterstab gedient hat.
Aber im Grunde sind all seine Bücher äußerst lesenswert. Am bekanntesten dürfte sein Buch zu Hitler sein (7 Anmerkungen zu Hitler oder so), das sich sehr gut als Ergänzung oder Komplementärstück zu Fests Hitlerbiographie liest.
Es heißt nur "Anmerkungen zu Hitler", ist aber in 7 Abschnitte gegliedert.
Fests Hitlerbiographie scheint in Ungnade gefallen zu sein. Es gab sogar eine
Verfilmung, die in den '80ern noch im Fernsehen lief, später nicht mehr.
Mich hat das damals alles nicht so interessiert, aber mein Vater hatte als Geschichtslehrer diese Bücher in seinem Schrank. Später auch die dreibändige Biographie von Ian Kershaw.
Sebastian Haffner war, und ist, mir auch sehr sympathisch. Gut ist auch "Geschichte eines Deutschen", das erst 2000 posthum erschien.
Vielleicht sollte ich noch mehr von ihm lesen.
Zu Churchill finde ich einige beunruhigende Dinge:
https://crimesofbritain.com/2016/09/13/ ... churchill/
http://www.independent.co.uk/news/uk/po ... 18317.html
https://www.theguardian.com/world/short ... al-weapons
Auch die von deutschen Nationalisten vorgebrachten
Zitate Churchills klingen seltsam.
1898 nahm Churchill als Ulan (Lanzenreiter) in der Schlacht von Omdurman im Sudan teil (das muß man sich auch mal bildlich vorstellen).
Ich frage mich, ob Haffner diese Dinge berücksichtigt hat.
Die Akteure der Geschichte sind ja logischerweise bereits verstorben. Und wenn einige Zeitzeugen noch leben, ist es fraglich, was sie wissen oder ob sie sich richtig erinnern.
Gleichzeitig ist die Deutungshoheit über die Geschichte, gerade über die Zeit Churchills und Hitlers, von Bedeutung für die aktuelle Politik. Insofern kann man nicht wirklich sicher sein, wie es alles wirklich gewesen ist.
Es scheint sich auch in merkwürdiger Weise verschoben zu haben: Zu meiner Zeit (1980er) war in der Bundesrepublik das Konsens, was Bundespräsident von Weizsäcker 1985 in seiner wichtigsten Rede dazu mustergültig
gesagt hatte. Wenn ich das heute, hier genauso vertrete, werde ich von Jüngeren als Neonazi beschimpft.
Manche meinen, der Holocaust sei der
Gründungsmythos (Achtung, Video flackert an der Stelle) der Bundesrepublik und vielleicht des ganzen Westens geworden. Deshalb sei es inzwischen strafbar, ihn zu leugnen, deshalb sei das Denkmal in Berlin errichtet worden. Andere fordern eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad" und wollen stolz sein auf die Leistungen der deutschen Soldaten "in zwei Weltkriegen".
Beides ist seltsam. Auch damals hatte der Holocaust eine Bedeutung (z.B. der Kniefall von Willy Brandt), aber man bezog nicht alles und jedes darauf. Es war nicht so verkrampft. Warum sich das geändert hat, ohne daß sich an den historischen Tatsachen etwas geändert hat, ist mir ein Rätsel. Es gibt keinen Grund, an der damaligen klugen und ausgewogenen Bewertung von v.Weizsäcker etwas zu ändern, und ich werde das auch nicht tun.