Reparatur in Unkenntnis von Nacherfüllungsansprüchen

Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Zivilprozeßrecht

Moderator: Verwaltung

Antworten
Klingeln und Pfeifen
Fleissige(r) Schreiber(in)
Fleissige(r) Schreiber(in)
Beiträge: 270
Registriert: Freitag 10. August 2012, 02:21
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Reparatur in Unkenntnis von Nacherfüllungsansprüchen

Beitrag von Klingeln und Pfeifen »

Moin,

inspiriert durch eine Klausur stelle ich mir die Frage, ob die Klausurlösung richtig ist. Der Sachverhalt ist wie folgt (stark vereinfacht und problemreduziert):
Privatperson (P) kauft bei Händler (H) einen gebrauchten Pkw. Dieser erleidet nach 3 Monaten einen Getriebeschaden. P lässt ihn zu H bringen. H sagt, dass das Getriebe ausgetauscht werden muss und dies 3500€ kosten würde. P unterschreibt in Unkenntnis der rechtlichen Lage (Nacherfüllungsansprüche) einen Reparaturauftrag. Hinterher stellt sich heraus, dass das Getriebe schon bei Gefahrübergang defekt gewesen ist. Nach Einholung von rechtlichem Rat, will P seine gezahlten 3500€ zurück.

Die Klausurlösung sagt: Anspruch des P nach § 812 Abs. 1 BGB, da Leistung ohne Rechtsgrund. Der Reparaturauftrag (Werkvertrag) sei wegen § 475 Abs. 1 Satz 2 BGB als Umgehungsgeschäft unwirksam.

Ich würde auch einen Anspruch des P nach § 812 Abs. 1 BGB bejahen, habe irgendwie Bauchschmerzen den Werkvertrag als nichtiges Umgehungsgeschäft nach § 475 Abs. 1 Satz 2 BGB anzusehen. Obwohl für ein Umgehungsgeschäft keine Umgehungsabsicht erforderlich ist, finde ich, dass das irgendwie nicht passt. Eher würde ich argumentieren, dass es treuwidrig von H ist, sich auf den Werkvertrag als Rechtsgrund zu berufen, wenn er doch zur Nacherfüllung verpflichtet war. Zudem kommt eine Rückabwicklung des Werkvertrages nach § 313 Abs. 2 und 3 BGB in Betracht.

Ich bin auf eure Meinung gespannt.
Immer dieses Klingeln und Pfeifen...
Honigkuchenpferd
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 4770
Registriert: Freitag 9. August 2013, 12:32
Ausbildungslevel: Au-was?

Re: Reparatur in Unkenntnis von Nacherfüllungsansprüchen

Beitrag von Honigkuchenpferd »

Prinzipiell würde ich § 242 BGB für keine schlechte Lösung halten. Das Problem ist, dass der Rechtsgrund dann dennoch in der Welt wäre. Somit ist es dogmatisch schwierig, zu einem Anspruch gerade aus § 812 I 1 Alt 1 BGB zu gelangen (vielleicht eher § 813 I BGB?).

Deshalb erscheint mir die Lösung über § 475 I 2 BGB besser.

Denkbar wäre auch noch, ihm einen Schadensersatzanspruch aus §§ 280 I, 241 II BGB zuzugestehen, den er dem Anspruch aus § 631 I BGB entgegenhalten könnte. Das verkompliziert die Dinge aber auch im Vergleich zu § 475 I 2 BGB.
"Honey, I forgot to duck."
Ant-Man
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 5106
Registriert: Donnerstag 19. Juni 2008, 02:32

Re: Reparatur in Unkenntnis von Nacherfüllungsansprüchen

Beitrag von Ant-Man »

Überwiegend wird die Lösung über die Unwirksamkeit des Werkvertrages nach § 475 I BGB vertreten. Zum Teil wird aber auch eine Gleichstellung mit den Fällen der Selbstvornahme befüwortet und der Bereicherungsanspruch des Käufers im Ergebnis verneint.
Klingeln und Pfeifen
Fleissige(r) Schreiber(in)
Fleissige(r) Schreiber(in)
Beiträge: 270
Registriert: Freitag 10. August 2012, 02:21
Ausbildungslevel: Ass. iur.

Re: Reparatur in Unkenntnis von Nacherfüllungsansprüchen

Beitrag von Klingeln und Pfeifen »

Vielen Dank für eure Antworten.
Also ihr würdet § 475 Abs. 1 Satz 2 BGB also auch hier bejahen. Ok, dann finde ich da wohl umsonst "komisch". Hab in den gängigen Kommentaren zu § 475 BGB allerdings nichts hierzu gefunden.
Immer dieses Klingeln und Pfeifen...
Ant-Man
Super Mega Power User
Super Mega Power User
Beiträge: 5106
Registriert: Donnerstag 19. Juni 2008, 02:32

Re: Reparatur in Unkenntnis von Nacherfüllungsansprüchen

Beitrag von Ant-Man »

Klingeln und Pfeifen hat geschrieben:Vielen Dank für eure Antworten.
Also ihr würdet § 475 Abs. 1 Satz 2 BGB also auch hier bejahen. Ok, dann finde ich da wohl umsonst "komisch". Hab in den gängigen Kommentaren zu § 475 BGB allerdings nichts hierzu gefunden.
Das Problem wird eher in den Kommentierungen zu § 439 II BGB zu finden sein (z.B. Staudinger/Matusche Beckmann, BGB, 2013, § 439 Rn. 91 mwN.).
Antworten